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Welche Tiere sind "zoowürdig"?



WolfDrei:   Sacha, dann war der TP-Stammbulle (ich glaube Jussuf hieß er ) ein "Mega"Riesenviech.
(01.03.2011, 16:51)
Sacha:   Dann lags wohl an meiner Wahrnehmung. Früher war eben alles grösser...:)
(01.03.2011, 10:41)
Michael Mettler:   @Sacha: Vorbereitete Antworten gibt's bei mir nicht, noch bin ich geistig rege ;-)

Die TP-Gayale habe ich nicht so im Hinterkopf. Von den Heidelbergern beeindruckte ein Exemplar bei meinem letzten Besuch eher durch außergewöhnlich lange und merkwürdig geformte Hörner, aber ungewöhnlich groß schien mir keines. Die Gayale in Hannover habe ich viele Jahre lang erlebt, sie standen in einer Reihe kleiner Gehege zwischen Kaffernbüffeln und Watussirindern und stachen dort auch nicht durch Größe hervor. Auch wenn man sich manchmal durch die Umgebung täuschen lässt: Beim Gaur erlebte ich dagegen immer und überall einen Eindruck besonderer Größe - auch bei Kühen und auch dann, wenn der Gehegeboden teilweise tiefer lag als der Besucherweg (wie z.B. in Münster).
(01.03.2011, 10:07)
Sacha:   @MM: Sorry, jetzt habe ich Dir aber nicht eine vorbereitete Antwort vermiest, oder?;-)

Noch ne Frage zur Grösse des Gayals: Kann es sein, dass eines oder gar mehrere Exemplare im TP Berlin deutlich grösser sind als "normal". Ich hatte nämlich bei meinem letzten Besuch vor ein paar Jahren den Eindruck, dass gerade der adulte Bulle ein "Riesenviech" ist. Habe ich das falsch in Erinnerung?
(01.03.2011, 09:41)
Michael Mettler:   @Sacha: Gemäß deiner sonstigen Argumentation hätte ich jetzt eigentlich ein flammendes Plädoyer für Felsen- statt Pfautauben erwartet ;-)
(28.02.2011, 19:04)
Sacha:   Edit: Natürlich "mich" statt "micht" und "pro Zoo" statt "pro Zoos". Sorry.
(Die Finger sind noch nicht "warm gelaufen":))
(28.02.2011, 11:36)
Sacha:   Schwerin hat für micht den Uebergang vom Klein- zum Grosszoo vollzogen. Insofern ja. Nun fragt sich, ob der Zoo vor der Wahl stand: Neues Haus für Pfautauben oder mehr Platz für eine bedrohte Wildform wegen strengerer Haltungsrichtlinien, die man sonst abgeben müsste? Und dann kommt hinzu, dass es sich ja eben genau nicht um ein Haus mit MEHREREN Rassen handelt. Und jeweils EINE Haustierrasse pro Zoos ist für mich absolut okay, ja teilweise (Streicheltiere für Kinder) sogar ein MUSS (Haustauben natürlich vorab didaktisch gesehen. Als Streicheltiere eignen sich Ziegen mehr, schon klar:)).
(28.02.2011, 10:21)
Michael Mettler:   @Sacha: Wenn man die eigene Haustierkultur didaktisch aufbereiten will, kommt man natürlich um das Hausrind nicht herum. Aber warum sollten sich Zoos auf Haustiere des eigenen Kulturkreises beschränken, wenn sie gleichzeitig Wildtiere aus aller Welt halten? Der Gayal ist übrigens nur unwesentlich größer als eine Altdeutsche Schwarzbunte und bewegt sich im Kaliber Steppenrind/Hausyak. Ein Platzproblem stelt er also im Gegensatz zum viel größeren Gaur nicht dar.

Ich weiß nicht, ob du Schwerin zu den Großzoos zählst, aber dort wurde kürzlich ein speziell für Indische Pfautauben errichtetes Haus eingeweiht.
(27.02.2011, 18:20)
Sacha:   @MM: Die Antwort zu Kagu und Gelbbrustkapuziner findest Du in meinem Beitrag vom 25. 2. über "meine" Haltungsprioritäten.
Als Ergänzung dazu vielleicht noch: Die meisten Hausrindrassen sind nun mal kleiner als Gayale und brauchen demzufolge auch weniger Platz. Ich halte es zudem für einfacher, jemandem etwas über Biologie und/oder die EIGENE Kultur beizubringen, wenn man es am Beispiel eines echten "Protagonisten" zeigen kann und nicht an dem eines entfernten Verwandten. Aber wie schon erwähnt hätte ich nichts dagegen, wenn der eine oder andere Kleinzoo oder Haustierpark sich statt für eine europäische Hausrindform für den Gayal entscheidet. Nur bei der Wahl Gaur oder Gayal ist für mich der Fall klar.

Noch zum Zoo Berlin: In der Zeit, als das Haus für Haushuhn- und Haustaubenrassen gebaut wurde (und auch einige Jahre darauf), hatte die Erhaltung bedrohter (Wildtier-)Arten auch noch nicht die Wichtigkeit für Zoos, die sie heute hat. Und die Haltungsrichtlinien waren wie gesagt noch nicht so streng. Das bedeutet: Heute würde kein Grosszoo mehr ein solches Haus bauen, wenn er gleichzeitig den Platz für bedrohte Wildtierarten bräuchte.
(27.02.2011, 14:31)
Michael Mettler:   P.S. Ich hätte nicht mal das Davidshirsch-Beispiel mit einer Hybridisation nutzen müssen: Laut Kingdon stellt der Buntbock nichts weiter als eine isolierte Population des Blässbocks dar, in der sich abweichende Eigenschaften gefestigt haben. In der Theorie wäre also auch der Buntbock nach seinem Aussterben aus dem Blässbock rekonstruierbar, wenn die zu ihm führenden Mutationen doch "nur eine Frage der Zeit wären".
(26.02.2011, 00:04)
Michael Mettler:   @Anti-Erdmännchen: Wenn ein echtes Wildtier nie einen Berührungspunkt mit dem Menschen gehabt haben dürfte, dann dürften viele Wildtiere gar nicht als solche gelten, da der Mensch z.T. seit Beginn seiner Evolution Teil ihrer Umgebung war und ist und spätestens seit seiner Entwicklung zum aktiven Jäger mehr oder weniger massiven Einfluss auf die Tierwelt genommen hat, indem er als "Großraubtier" Teil der natürlichen Selektion wurde. Zu der Theorie über das Verschwinden der Megafauna auf verschiedenen Kontinenten nach Einwanderung des Menschen zählt z.B. als Argument, dass die dortigen Tiere evolutiv nicht auf den neuen Invasor eingerichtet waren, da sie sich nicht wie die afrikanische Tierwelt gemeinsam mit ihm entwickelt hatten. Ãœbrigens müsste man dann auch Arten wie den Menschenfloh als Haustier betrachten...

Eine dem Vorbild identische Rekonstruktion könnte wie gesagt machbar sein (wenn Zeit und Aufwand keine Rolle spielt), solange alle "Zutaten" noch vorhanden sind. Erstens weiß allerdings niemand, OB die Zutaten noch vorhanden wären, da unterschiedliche Gene sehr ähnliche Effekte erzielen können, ohne das Gleiche zu sein - z.B. gibt es beim Hund zwei verschiedene Varianten von Melanismus, von denen die häufigere dominant, die seltenere rezessiv vererbt wird. Da manche Gene nicht nur die Färbung, sondern auch andere Eigenschaften beeinflussen, wäre es also vielleicht nicht egal, welches dieser Gene man zur Rekonstruktion einer schwarz gefärbten Rasse benutzen würde. Zweitens ließe sich vielleicht auch manches Wildtier unter den gleichen Umständen (Zeit und Aufwand spielen keine Rolle) rekonstruieren, solange noch nahe Verwandte von ihm verfügbar sind. Wenn z.B. laut aktueller Theorie der Davidshirsch auf eine lange zurückliegende Hybridisation aus Wapiti und Leierhirsch zurückzuführen sein soll, dann wäre die Erhaltung des Leierhirsches und des Wapitis wichtiger als die des Milus, weil man sich den ja notfalls wieder zurechtkreuzen könnte....

Marginale bis erhebliche Schönheitsfehler haben viele Gehege- bzw. Themenkonzepte auch ohne Mitwirkung von Haustieren, siehe die so oft hier im Forum kritisierten geografisch falschen Arten/Unterarten in Gemeinschaftshaltungen, selbst wenn passendere verfügbar wären. Wenn ich aber z.B. einem Publikum die Bedrohung der Tierwelt auf Galapagos durch eingeschleppte Tierarten "verkaufen" wollte, dann fände ich nichts dabei, Hausziegen neben Elefantenschildkröten zu stellen. Und wenn es darum geht, die Rolle eines großen Pflanzenfressers im Ökosystem des südasiatischen Bergwaldes darzustellen, dann ist es m.E. eher eine Frage persönlicher Vorlieben, ob man den Gaur oder den Gayal wählt, wenn beide die gleiche Nische in ihrer Heimat besetzen. Ich habe die Welt-Zoo-Naturschutzstrategie nie Wort für Wort gelesen, aber gibt es dort wirklich einen Passus, der die Haltung, Erhaltung und Präsentation von Haustieren nach Möglichkeit ausschließt - was letztlich bedeuten würde, sie als minderwertig zu betrachten?

Und warum sollte es die Begriffe Wild- und Haustier nicht geben, wenn sie doch die beiden Endpunkte eines Prozesses darstellen? Es gibt auch den Begriff Schwarzweißfoto, obwohl dieses in der Regel auch Graustufen (also fließende Übergänge) beinhaltet. Anders als du verstehe ich die Tiere nicht (mehr) in zwei scharf trennbare Kategorien domestiziert/nicht domestiziert aufteilbar, denn schon ein Wildtier-Haustier-Bastard passt in keine der beiden Schubladen, und dennoch stellt er unbestreitbar eine Lebensform dar - teilweise sogar eine recht erfolgreiche, siehe Wasserbüffel in Südostasien. Es ist doch bezeichnend, wie Wildtier-Haustier-Hybriden krampfhaft für eine der beiden Schubladen passend gemacht werden müssen (siehe Przewalskipferd und "Tarpan"), statt anzuerkennen, dass es die Natur recht wenig zu stören scheint, ob und wie stark domestiziert ein Tier ist, solange es in ihrem Sinne "funktioniert". Noch habe ich jedenfalls nichts davon gehört, dass ein Semireservat mit Przewalskipferden einen objektiv betrachtet optimaleren Lebensraum darstellt/erzeugt als eines mit "Tarpanen" oder Koniks.

Habe ich wirklich gesagt, es könne keine Aufspaltung in Wildtier- und Haustierzoos geben? Meine Aussage war, dass Begriffe wie Zoologischer Garten oder Tierpark Haustiere nicht ausschließen, da sie nun mal Teil der Zoologie/Tierwelt und für jede der Hauptaufgaben Zoologischer Gärten genauso einsetzbar sind wie Wildtiere.
(25.02.2011, 23:54)
Anti-Erdmännchen:   @ MM:

„Was bitte verstehst du unter "genauso wild wie ihre Vorfahren" bzw. wie definierst du wild? Ich würde es so definieren, dass ein Tier wild lebt, wenn es nicht von menschlicher Pflege abhängig ist.“
Dann lebt es in der Tat wild. Von einem Wildtier würde ich aber sprechen, wenn seine Eigenart so ausgestaltet ist, als hätte es nie einen Berührungspunkt mit dem Menschen gegeben.

„Da hast du schlichtweg die Ironie nicht herausgelesen, denn ich pflichte dir keineswegs bei.“
Doch, wenn auch Du meinst, daß die identische Rekonstruktion nicht unmöglich sei, pflichtest Du mir ausnahmsweise mal bei. Daß es schwierig ist, habe ich nicht bestritten, und als Argument gegen Erhaltungszucht habe ich diese Option schon gar nicht angeführt. Nur als Pluspunkt für das Wildtier gegenüber dem Haustier, wenn man sich für eines entscheiden müßte.

Auf der Wikipedia-Seite zum Heckrind hat übrigens jemand folgenden Satz geschrieben: „Durch eine naturnahe, dem Wildtier entsprechende Haltung hofft man, im Zuge der natürlichen Auslese auch die inneren Eigenschaften der Auerochsen ausbilden zu können.“ Dies würde bedeuten, daß ein Wildtier ebenfalls wieder vollkommen rekonstruierbar wäre, wenn es davon Zuchtformen gibt. Mmhh, das hatte ich bisher noch nicht gehört. Auf der Seite aueroxen.de konnte ich dazu auch nichts finden; insbesondere unter den Zuchtzielen ist das Erlangen der ursprünglichen Wildheit nicht mit aufgeführt.

„Wenn die Haltung von Gaur für manchen Zoo baulich und sicherheitstechnisch zu aufwändig ist, wäre der Gayal eine mit weniger Aufwand zu haltende Alternative, ohne dass sich an Schauwert und didaktischen Möglichkeiten etwas ändern würde.“
Dieses Argument bringst Du jetzt erstmals und als einziges auf meinen vorgetragenen Standpunkt, wonach man eine Naturlandschaft nicht mit Haustieren vorstellen müsse, wenn auch die entsprechenden Wildtiere verfügbar wären? Also in finanzieller Hinsicht gibt es immer irgendwo Grenzen. Wenn sich ein Projekt nicht umsetzen läßt, muß man es eben bleiben lassen und kann stattdessen vielleicht ein kleineres aufziehen. Warum es dann unbedingt das ursprüngliche Projekt mit einem – je nach Auffassung – marginalen bis erheblichen Schönheitsfehler sein soll, und nicht eines von den hunderten mit anderen Wildtieren machbaren, leuchtet mir nicht ein.

Zum Schisma: Es könne Deiner Meinung nach keine Aufspaltung von Tiergärten in Wildtier- und Haustierzoos geben, weil der Übergang zwischen Wild- und Haustier fließend ist. Wenn man die einzelnen Formen keiner der beiden Kategorien sicher zuordnen kann, dann dürfte es ja die Begriffe Wildtier und Haustier gar nicht geben. Also entweder gibt es Wildtiere UND die Möglichkeit für Wildtierzoos (sowie Haustiere UND die Möglichkeit für Haustierzoos), oder alles nicht. Vielleicht sollte man den Übergangsbereich auch nicht überbewerten, da er von der Arten-/Formenzahl her quantitativ so sehr auch wieder nicht ins Gewicht fällt. Nach reiflicher Überlegung könnte man schon für jede Form ein Plätzchen in einem der beiden Zoos finden, oder meinetwegen auch in beiden oder in keinem.

(25.02.2011, 20:40)
Michael Mettler:   @Sacha: Der Zoo Berlin verfügt über ein Haus, das speziell zur Haltung von Haushühnern und -tauben gebaut wurde, um dem Besucher Rassevielfalt zeigen zu können; da ist es wenig verwunderlich, wenn das auch entsprechend seinem Zweck besetzt ist (und auch so besetzt war, als Wildtierimporte noch einfacher waren - die Hühner und Tauben waren also nicht nur Lückenfüller, weil gerde nichts Besseres zu bekommen war). Ob es für andere Zwecke überhaupt tauglich wäre?

Übrigens haben auch z.B. Gelbbrustkapuziner oder Kagus in unserer europäischen Kultur keine Bedeutung. Wenn die Aufgabe eines Zoos - du hast es unten selbst angerissen - vor allem darin liegen soll, Exoten zu zeigen und über sie aufzuklären (weil für heimische/europäische Tiere dann die Wildparks "zuständig" wären), dann verstehe ich nicht, warum er sich bei Haustieren auf europäische Formen beschränken sollte.
(25.02.2011, 19:51)
Sacha:   Den Zoo Berlin erwähnte ich nur, weil er nebst einer hohe Zahl an Wildtierformen auch eine hohe Zahl an Haustierrassen hielt bzw. hält (ich nenne nur mal die Haushuhn- und Haustaubenrassen). Ich wollte als "Wessi" gegenüber den "Ossis" nicht ungerecht sein.
Gerade in der ehemaligen DDR gab es doch einige Heimtiergärten und Kleinzoos, die diese "Verantwortung" hätten abnehmen können. Einen haben wir sogar mal zusammen besucht...

Zur damaligen Zeit war es aber auch so, dass der Import aus der Wildnis viel leichter war als heute und zudem die Haltungsrichtlinien (namentlich die Grösse der Gehege) weniger streng waren. Nun sehen sich viele Zoos vor die Wahl gestellt.

Und obwohl ich das Gefühl habe, dass wir uns irgendwie im Kreise drehen: Die MEISTEN Haustierformen (ob bedroht oder nicht) sind nun mal EINFACHER zu halten und zu züchten als VIELE (bedrohte) Wildtiere. Ergo macht es mehr Sinn, wenn sich (finanzstarke) Grosszoos VORAB um Letztere kümmern und Kleinzoos und Heimtiergärten um Erstere. Ob man das Abschiebung nennen will oder nicht ist Ansichtssache. Abgesehen davon schliesse ich einen finanziellen Zustupf von Seiten der Behörden für die "Erhaltung der Haustiervielfalt/Kultur" nicht aus, ja sehe diesen sogar als verdient an. Dieser sollte auch den Privatzüchtern und Bauern, die diese seltenen Haustierformen halten und in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden dürfen, zukommen (das ist m. W. in gewissen europ. Ländern auch der Fall)

Die Bildungsfunktion eines Grosszoos bleibt auch mit EINER Hausziegen- oder Hausschafrasse gewährleistet.

Gayal statt Hausrind? - Grundsätzlich nichts dagegen. Nur würde ich es nicht zu dogmatisch angehen, da der Gayal in unserer (europäischen) Kultur im Gegensatz zum Hausrind und Kerabau keine Bedeutung hat. Die Milch aus dem Tetrapack und der Mozzarella stammen ja nicht vom Gayal:)
Priorität hätte darum in seinem Fall die in-situ-Zucht.

Im Prinzip stimme ich mit Dir mit Deiner Aussage "jede Lebensform ist überlebenswert" überein. Mir fällt es allerdings ebenfalls schwer, nun nicht mit einem Beispiel zu antworten, wo man sich eben zwischen Leben und Tod entscheiden MUSS. Wir begeben uns da nämlich in sehr emotionales und gefährliches Fahrwasser. Ich schlage darum vor, dass wir das lieber sein lassen.
(25.02.2011, 16:03)
Michael Mettler:   @Sacha: Um seine Formenanzahl nach oben zu schönen, hätte der Zoo Berlin keine Haustierkollektion gebraucht. Eine Voliere mit gemischten Prachtfinken oder ein paar zusätzliche Fischarten in einem Gemeinschaftsaquarium erfüll(t)en den Tatbestand genauso und waren erheblich weniger pflegeintensiv. Auch den Hinweis auf die Ostblockzoos kann ich nicht recht nachvollziehen. Wie viele Haustierparks gab es denn vor Ende des Kalten Krieges, die den "richtigen" Zoos die Verantwortung für Haustierrassen hätten abnehmen können, wie du das gern sehen möchtest?

In Zooführern jener Zeit - egal ob in Ost oder West - ist nicht selten zu lesen, dass sich die Zoos auch zunehmend (!) in der Pflicht sahen, ihren Besuchern die Wichtigkeit alter Haustierrassen nahezubringen und ihren Teil dazu beizutragen, diese für die Zukunft zu bewahren. Hie und da - z.B. in München und vor allem in Erfurt - dienten die Haustierbestände auch wissenschaftlichen Zwecken, und mit ihrer Hilfe wurden Studenten ausgebildet (im Falle Erfurts auch solche aus sozialistischen Bruderländern, um die gewonnenen Erkenntnisse in der Nutztierhaltung ihrer Heimatländer anwenden zu können). Mit anderen Worten: Die geforderte Bildungsfunktion Zoologischer Gärten wurde und wird auch durch Haustierhaltung, die über ein paar Streichel-Zwergziegen hinausgeht, durchaus erfüllt. Ich halte es für fragwürdig, dem enormen Besucherpotenzial vor allem von Großstadt-/Ballungsraumzoos die Bildung über Haustiere vorzuenthalten und zu erwarten, dass die eher in ländlichen, teilweise sehr abgeschiedenen Gegenden gelegenen Haustierparks diese Aufgabe mit gleicher Effizienz wahrnehmen. Mir liegt da das Wort "Abschiebung" auf der Zunge.

Ich lasse auch das Argument "Artenschutz hat Vorrang" nicht unbedingt gelten. Nehmen wir wieder den Gayal: Wer ihn als domestizierte Form des Gaur betrachtet, erkennt damit gleichzeitig an, dass auch er zur Art Bos gaurus gehört (oder der Gaur zur Art Bos frontalis, denn der Gayal wurde VOR dem Gaur wissenschaftlich beschrieben). Da es sich zudem um die einzige Zuchtform dieser Art ohne weitere Rassebildung handelt, müsste sie analog zu den für Wildtier-Zuchtprogramme geltenden Kriterien (z.B., dass Angehörige monotypischer Gattungen in der Erhaltungszucht Priorität genießen sollen) eigentlich sogar dem Hausrind gegenüber im Zoo bevorzugt werden.

Und nein, ich räume Haustieren in Zoos keine Priorität vor Wildtieren ein. Ich komme lediglich mehr und mehr zu der Sichtweise, dass es umgekehrt nicht gerechtfertigt ist. Es gibt Haustierrassen, deren Bestandshöhe unterhalb der von vielen als bedroht geltenden Wildtieren liegt. Wenn ein Zoo als Arche betrachtet wird, dann ist JEDE Lebensform "überlebenswert". Und es fällt mir wirklich schwer, in der Diskussion nicht auf Vergleiche zu anderen menschlichen Ausgrenzungspraktiken zurückzugreifen.
(25.02.2011, 14:40)
Sacha:   Um Missverständnisse zu vermeiden: Bei der Haltungs-Priorität spreche ich (sofern nicht anders erwähnt) von Wildtieren bzw. Wildformen.
(25.02.2011, 13:40)
Sacha:   @MM: Ja, für den Tapir wird es zeitlich eng, wenn immer mehr Leute wie Du Haustieren statt Wildtieren Priorität in Zoos einräumen...:)

Bei der Bezoarziege und vor allem beim Gaur sind wir glücklicherweise noch lange nicht so weit, dass Dein skizziertes Szenario angewendet werden müsste. Also machen wir erst mal "rein" weiter (Im Zweifel auch Inzucht, sofern es bezüglich möglicher Erbschäden noch zu verantworten ist). Bezüglich peralta und antiquorum rennst Du bei mir offene Türen ein.

Die Kleinzoos hätten in meiner Version durchaus Arten zu bieten, die Besucher bringen (ich dachte, ich hätte dies verdeutlicht): Strauss (UA-Mix), Südamerik. Nasenbär, Hauskamel, Kragenbär, Katta, Gehaupter Kapuziner, Totenkopfäffchen, Puma, Waschbär, Bennettkänguruh, Magot, Tigerpython, Brillenkaiman usw. Und wie gesagt: Wenn ein Kleinzoo mit einem bedrohten Exoten gute Zuchterfolge hat, braucht er die Art sicher nicht abzugeben, hätte sein begehrtes Tauschmaterial also weiter zur Verfügung.
Tja und wenn ein Kleinzoo eben kein Interesse an Gayalen hat, dann kann die Art didaktisch und schauwerttechnisch ja auch nicht sooooo toll sein, oder?.
Ich wiederhole mich gerne noch einmal: Wir haben in unseren (Gross-)Zoos LEIDER!!!! nicht unbegrenzt Platz für alle Tiere übrig. Da gilt es abzuwägen. Hohe Priorität geniessen für mich dabei Tiere, die einerseits für ONB interessant, andererseits in ihrem Bestand bedroht sind. Dann folgen die Tiere, die einen dieser Faktoren aufweisen (die Bedrohten zuerst), anschliessend Wildformen, die zwar nicht bedroht, aber selten in Zoos zu sehen sind und ggf. ein Thema ergänzen. Dies ist wohlgemerkt eine Richtlinie, von der es auch Ausnahmen geben kann und soll. Im Fall des Gayals sehe ich es nicht zuletzt wegen seines unklaren Status so: Müssten sich Zoos entscheiden, ob sie ihren Platz ihm oder z.B. dem Bongo (aber auch dem Kaffernbüffel) zu Verfügung stellen, so sollte der Gayal über die Klinge springen. Ihn in-situ zu erhalten dürfte jedenfalls einfacher sein als den Gaur (dessen ex-situ-Zucht man dafür verstärken sollte).

Meine Sorge über den Artenschwund in Zoos bezog sich übrigens IMMER auf die Wildtiere. Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als viele Ostblock-Zoos (allerdings nicht nur die, siehe Zoo Berlin), mit Dutzenden von Haustierformen ihre Formenanzahl nach oben schönten. Da will ich sicher nicht wieder hin (resp. wenn, dann mit Wildformen).

Kleinzoos sind übrigens vielfach auch Kleinzoos geblieben, weil sie wegen ihrer Abgeschiedenheit gar nicht die nötige Masse an Personen anziehen können, um ein Grosszoo zu werden (z.B. Straubing).
(25.02.2011, 10:36)
Michael Mettler:   @Anti-Erdmännchen: Zum ersten Absatz - was bitte verstehst du unter "genauso wild wie ihre Vorfahren" bzw. wie definierst du wild? Ich würde es so definieren, dass ein Tier wild lebt, wenn es nicht von menschlicher Pflege abhängig ist. Dazu ist ein Heckrind durchaus in der Lage, wie z.B. die Population in Oostvardersplassen beweist. Und m.E. besteht zwischen völligem Wildleben und völliger Abhängigkeit vom Menschen ein fließender Ãœbergang, in den man willkürlich eine Grenze (Wildtier/Haustier) oder beliebig viele setzen kann, was aber dem Prozess nicht gerecht wird. Wenn z.B. eine Tierform ganzjährig sich selbst überlassen in der Landschaft lebt und nur einmal im Jahr zwecks Auswahl von Zucht- und Schlachttieren zusammengetrieben wird, dann ist das nach meiner Sichtweise unter dem Strich und für das vorhandene ökologische System völlig egal, ob das nun z.B. ein Präriebison oder ein Texas Longhorn ist - also könnte man auch den Bison als Haustier bezeichnen und das Longhorn als Wildtier. Eine solche Kategorisierung macht aber nur der Mensch, nicht die Natur.

Zum zweiten Absatz: Da hast du schlichtweg die Ironie nicht herausgelesen, denn ich pflichte dir keineswegs bei. Auch eine ausgestorbene Haustierrasse kann unwiederbringlich dahin sein. Auch sie setzt sich aus einer Vielzahl von Genen zusammen, die nur in einer ganz bestimmten Kombination genau jenes Tier ergeben. Auch unter Haustieren gibt es immer wieder Versuche von Rekonstruktionen - das reicht vom Hovawart bis zum Rotbunten Husumer Schwein, aber aus das sind gemeinhin Abbildzüchtungen wie der "Auerochse". Oft genug kennt man ja nicht mal alle Eigenschaften der ausgestorbenen Vorbildrasse, sondern stellt den Phänotyp in den Vordergrund. Eigenschaften wie Leichtkalbigkeit bei Rindern, Widerstandsfähigkeit gegen Moderhinke bei Schafen usw. werden aber nun mal nicht mit der Farbe zusammen vererbt, und das macht eine Rekonstruktion schwierig. Vielleicht nicht unmöglich, aber wozu den ganzen Aufwand riskieren, wenn es einfacher wäre, gleich das Original zu erhalten?

Zum dritten Absatz: Wenn die Haltung von Gaur für manchen Zoo baulich und sicherheitstechnisch zu aufwändig ist, wäre der Gayal eine mit weniger Aufwand zu haltende Alternative, ohne dass sich an Schauwert und didaktischen Möglichkeiten etwas ändern würde.

Zum vierten Absatz: Siehe oben - weil es zwischen Wild- und Haustier einen fließenden Übergang gibt. Du beklagst gerade in einem anderen Thread, dass ein Zoo die Körpergröße zum Auswahlkriterium für seinen Tierbestand macht; da halte ich es eben genauso für gerechtfertigt, eine Auswahl nach Domestikationsstatus in Frage zu stellen, wenn sich der Halter nicht ausdrücklich auf bestimmte Lebensformen spezialisiert hat.
(24.02.2011, 20:45)
Michael Mettler:   @Sacha: "Relikt der Uhrzeit"...? Bleibt dem Tapir wirklich nur noch so wenig Zeit? :-D

Das von dir angesprochene Problem streite ich doch gar nicht ab. Nur weil ein Tier von Schublade A in Schublade B gepackt wird, muss man es doch nicht gleich mit den übrigen B-Insassen verkreuzen - außer vielleicht, wenn auf diese Weise die Rettung einer Art möglich ist. Ehe gar keine Bezoarziege mehr existiert, nehme ich lieber in Kauf, dass auch mal eine "richtige" Hausziege ein paar Gene beigetragen hat.

Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass die Art-/Unterarteinteilung ebenso wie die Haustierklassifikation Ansichtssache ist und jeweils auch einem Zeitgeist folgt. Ein Systematiker aus der Matschie-Ära, der die Kenntnislage seiner Zeit genauso für den letzten Schluss hielt wie wir heute unsere, würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er sieht, was heute alles synonimisiert und (nach seiner verständlichen Sichtweise!) durcheinandergekreuzt wird. Und wer weiß, ob die nächste Zoogeneration glücklich darüber sein wird, dass in unserer Ära die peralta-Giraffen zu antiquorum umdeklariert wurden, weil sich vielleicht eines Tages nach einer ganz neuen Methode rausstellen könnte, dass es DOCH peralta waren - oder gar etwas ganz Anderes...

Bei deiner Kategorisierung der Zootypen vermisse ich die Berücksichtigung eines wichtigen Faktors: Kleinzoos sind oft Kleinzoos geblieben, weil es ihnen an Geld mangelt - sonst hätten sie sich schon zu Großzoos entwickelt. Das Tiersortiment in solchen Einrichtungen wird auch nach solchen Gesichtspunkten zusammengestellt, welche Arten Besucher bringen und von welchen man die Nachzucht gegen gutes Geld oder als begehrtes Tauschmaterial an andere (meistens ebenfalls kleine) Zoos, Händler oder Privathalter abgeben kann. Der Anspruch "alles, worum sich die Großen aus Platz- oder Artenschutzgründen nicht mehr kümmern sollten, wäre dann Aufgabe der Kleinen" geht m.E. weit an der Realität vorbei. Wer sagt z.B., dass irgendein Kleinzoo oder Haustierpark überhaupt Interesse an Gayalen hätte? Und dann sollen sie lieber ganz von der Zoo-Bildfläche verschwinden, während z.B. irgendwo in der Zoowelt Platz für die x-te Amurtiger- oder begehbare Katta-Anlage geschaffen wird? Sorry, aber wer über Artenschwund in Zoos urteilt, darf auch Haustierformen nicht ignorieren.
(24.02.2011, 19:55)
Anti-Erdmännchen:   @ MM:

zur vollen Wildheit: Bei der Beschreibung der Auerochsen-Rückzüchtung wird doch stets darauf hingewiesen, daß es sich trotz des Äußeren nach wie vor um Haustiere handelt, denn eine einmal ausgerottete Wildart sei unwiederbringlich verloren. Bist Du der Meinung, diese Tiere könnten genauso wild wie ihre Vorfahren werden? Falls ja, dann auf dem Wege des Sich-selbst-Überlassens oder sogar durch gezielte Auslese (Anti-Domestikation)?

„Klar kann man sagen, was scheren uns Haustiere - wenn eine Rasse ausstirbt, muss man eben nur lange genug warten, bis ihre Eigenschaften als Neumutation wieder auftauchen.“ Sehr interessant für mich, daß Du mir hier beipflichtest. Ich hatte mich mit dieser These nämlich mal an einen Professor vom Fach gewandt. Der antwortete mir mit einem Satz ohne Begründung, daß die Wiederherstellung einer Rasse unmöglich wäre, was mich so ohne Weiteres nicht gerade überzeugt hat.

Zur Bedeutung von Haustieren für Ökosysteme: Wenn ich es richtig verstehe, ist in diesen Ausführungen kein neues Argument enthalten, sondern es findet ein Wechsel der Ebenen statt. Statt Wildtier vs. Haustier heißt es nun Naturlandschaft vs. Kulturlandschaft. Dadurch ändern sich die persönlichen Ansichten zur Prioritätensetzung nicht. Sollte es aber um die Kombi „verwildertes oder halbwildes Tier in einer Naturlandschaft“ gehen, so wie Du es beim Gayal skizzierst, dann kann ich die geforderte „Zoowürdigkeit“ erst recht nicht nachvollziehen. Warum um alles in der Welt soll man denn dann nicht zum Original greifen, also zum Gaur?

„Zu einem repräsentativen Querschnitt durch die Tierwelt, wie ihn Zoos auch von sich selbst erwarten, gehören deshalb auch Haustiere, ansonsten sind Namen wie "Zoologischer Garten", "Tierpark" oder "Tiergarten" nicht mehr gerechtfertigt - schließlich sind auch Haustiere Tiere/Zoen.“
Interessanter Punkt. Andere Elemente der menschlichen Zivilisation haben sich auch diversifiziert: Einer ist katholisch, der andere evangelisch, einer wohnt in der Stadt, der andere auf dem Land, einer fährt gerne Fahrrad, der andere läuft gerne, usw. Warum sollte dann die Schauhaltung von Wild- und Haustieren zusammengefaßt sein? Ein Schisma wäre auch hier möglich. Auf der einen Seite zum Erleben und Mitmachen der Haustierzoo, auf der anderen Seite zum Entdecken und Staunen der Wildtierzoo (ohne platzraubende Spielplätze :)).

(24.02.2011, 19:42)
Sacha:   Der Einträge sind so viele, dass ich gar nicht weiss wo anfangen.

Generell: Zoowürdig sind für mich im Prinzip ALLE Tiere. Das Problem stellt sich nämlich bei der Definition "Zoo".
Ich unterteile den Begriff jetzt mal in drei Kategorien (die man so sauber allerdings nicht trennen kann, schon klar): 1. Grosszoos, Grossaquarien sowie Spezialzoos (Vogelpark, Reptilienzoo, Safariparks). 2. Wildparks. 3. Klein- und Haustierzoos.
Erstere haben - da sie in der Regel mehr Geld zur Verfügung haben (und meist mehr Erfahrung besitzen) als die anderen Kategorien - vorab die Aufgabe, "teure" und haltungstechnisch schwierige EXOTEN zu zeigen. Also z.B. Publikumsrenner wie Elefanten, Flusspferde, Robben, grosse Haie usw., aber auch vom Aussterben bedrohte Arten, die ONB kaum interessieren wie Kagu, Borkenratte usw. Safariparks gehören in diese Kategorie, weil sie dank ihrer meist grossen Fläche z.B. bei Antilopen zur Arterhaltung oder bei in der Natur ungefährdeten Arten zumindest zur Bestandserhaltung in Zoos beitragen können.
Die zweite Kategorie sollte sich vorab um einheimische resp. europäische Arten kümmern, auch um heikle Kandidaten wie etwa Elche. Auch Tiere aus anderen gemässigten Breiten, die keine Warmunterkunft brauchen, können gezeigt werden, wenn es ins Konzept des Parks passt. Wichtig ist, dass teure Bauten wie begehbare Regenwaldhäuser entfallen (und überhaupt ein Grossteil der Warmhäuser).
Die dritte Kategorie schliesslich sollte sich um leicht zu haltende Arten kümmern und zwar sowohl Exoten (Nasenbär, Totenkopfaffe, Katta), wie einheimische Arten und Haustiere. Warmhäuser sollte es geben, jedoch wegen der Unterhaltskosten so wenig wie möglich.
So wäre allen gedient: Jede Kategorie hätte ihren Spezialbereich, in jeder Kategorie sind Publikumsrenner vorhanden und die Unterhaltskosten sind den jeweiligen Möglichkeiten angepasst.
Das ganze muss natürlich nicht ultra-dogmatisch betrieben werden. Wenn ein Kleinzoo z.B. Superzuchterfolge mit einer vom Aussterben bedrohten Papageienart hat, dann soll er damit weitermachen und sie nicht abgeben müssen. Umgekehrt ist es sicher notwendig - da gebe ich Jennifer völlig recht - dass ein Grosszoo auch die Bedürfnisse von Kindern befriedigt. Als eine Hausziegen-, Hausschaf-, Hausesel-, Hauspferd- und ggf. auch Hausrindart gehört in einen Grosszoo. Aber wohlgemerkt: EINE!!!!!! (wichtig ist hier der Kontakt mit Kindern, wenn das auch mit einer
bedrohten Rasse funktioniert, umso besser).

@Jennifer: Ich stimme mit Dir voll überein, dass ein Zoo AUCH (oder sogar vor allem) für Menschen gemacht ist. Mir ist nur nicht ganz klar, warum ohne die für Menschen vorgesehenen Einrichtungen in Zoos mehr Geld für In-situ-Projekte übrig bliebe.
Dein Beispiel mit dem Koala hinkt übrigens. Ein Tier, dass man anfassen kann ist für Kinder immer interessanter als ein Tier, dass man nur anschauen kann. Hätten die US-Kids die Wahl gehabt sowohl Koala wie Katze streicheln zu können, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass sich die Horde um den Beutelbären versammelt hätte...

@MM: Mit all Deiner Argumentation bleibt aber das Problem, dass sich eine einmal "vermixte" Art oder Unterart nicht wieder "rein machen" lässt, wenn sich die neue Einteilung schlussendlich doch als falsch erweist.
Zum Gayal: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Gayal didaktisch nur dann "wertvoll" ist, wenn man ihn im gleichen Zoo mit dem Gaur vergleichen kann (was aber nicht heisst, dass man ihn nicht doch ohne Gaur in einem Klein- oder Haustierzoo halten sollte). Und aus dem (Schabracken-)tapir ist jedenfalls in diesem Bereich wesentlich mehr herauszuholen. Einerseits als Relikt der Uhrzeit in Körperbau und Verhaltensweise, als religiöses Tier (Schwein oder nicht, darf es ein Moslem essen) aber auch als Fabelgestalt dürfte er den Gayal locker übertrumpfen.

Das Grundproblem ist doch Folgendes: In allen zoologischen Einrichtungen ist nur begrenzt Platz vorhanden. Wir können nicht alle Arten in Zoos erhalten (leider). Also heisst es Entscheidungen fällen (durchs Casting gehen, wie Du so schön formuliert hast). Und da hat bei mir eine UNBESTRITTENE und bedrohte Wildform Vorrang vor einer MOEGLICHEN Wild- aber doch wahrscheinlicheren Haustierform, die in ihrem Verbreitungsgebiet zwar bedroht ist, aber dank ihres zahmeren Wesens leicht in Halbfreiheit in-situ gezüchtet werden könnte.

Mit der Gioura-Ziege hast Du recht. Ich hatte sie mit der Girgentanischen Ziege verwechselt (beides mit "G":))
(24.02.2011, 14:25)
Jennifer Weilguni:   Wenn sich der Zoo als solcher dem reinen Artenschutz und erhalt bedrohter Arten verschrieben hätte, dann könnte man auf eine Tierart ganz besonders verzichten. Nämlich den Zoobesucher! Denn dann könnte man auch einfach nur große Zuchtanlagen errichten und auf Spielplätze, Zoogastronomie und Souvenershops verzichten. Auch aufwändige Kulissen aus Kunstfels wie etwa ein Hippo-Canyon oder ein Eismeerpanorama wären unnötig. Denn sie braucht man nicht um eine Art zu erhalten. Umso mehr Geld bliebe dann für In-Situ Projekte.
Aber Zoos sind eben auch für Menschen gebaut. Für Besucher, die sich an Tieren im Allgemeinen erfreuen können und wollen. Eben auch an solchen die als Art nicht bedroht sind und grade auch an Haustieren. Ich habe es jüngst erst in den USA erlebt, dass vor den Anlagen der Koalas nahezu niemand stand, während sich eine ganze Horde Kinder um eine Hauskatze gekniet hatte um diese zu streicheln. Ähnlichen Zuspruch fanden auch Wellensittiche, die dank Futter auf den Besuchern herum turnten.
Der Zoobesucher will Tiere sehen und erleben, unabhängig davon ob und wie bedroht sie sind.
Das Rare Endangered Species Center in England hat versucht sich fast ausschliesslich auf seltene und bedrothe Arten zu beschränken. Mit dem Erfolg, dass die Besucher die Einrichtung als langweilig empfanden und mehr und mehr ausblieben.
Artenschutz ist eben nur eine Aufgabe des Zoos und so leid einem das tun mag, eben nicht unbedingt die wichtigste.
(24.02.2011, 13:01)
Michael Mettler:   @Anti-Erdmännchen: "...dass ein aus Haustieren erzieltes Rückzüchtungsobjekt nie mehr die volle Wildheit erlangt..." Wie definierst du "volle Wildheit"? Es gibt genügend Beispiele von domestizierten Tieren, die nach Entlaufen, Ausgesetztwerden usw. sehr schnell Unabhängigkeit vom Menschen erlangt und "typisches Wildtierverhalten" gezeigt haben - und mit "sehr schnell" sind dabei durchaus auch Individuen, nicht etwa Generationenfolgen gemeint. Abgesehen davon ist das als "Rückzüchtung" bezeichnete Prinzip auch unter Wildtieren und ohne menschlichen Einfluss möglich, z.B. wenn sich aus einer Ausgangsform zwei oder mehr eigenständige neue Formen entwickeln und sich später z.B. nach dem Wegfall einer isolierenden Barriere wieder vermischen, wie es für einige Tierarten nach dem Ende der letzten Eiszeit vermutet wird (z.B. nordamerikanischer Wolf und Steppenzebra). Man mag dagegen einwenden, dass dabei anders als bei "Auerochse" und "Tarpan" kein Zuchtziel vorgegeben wird, aber eine Alltagstauglichkeit unter Wildnisbedingungen würde ich durchaus als gewissermaßen "natürliches Zuchtziel" werten.

Mutationen sind Zufallsprodukte - selbst der beste Züchter kann sie allenfalls erhoffen, aber nicht provozieren - nicht mal durch die viel beschworene/gefürchtete Inzucht. Er kann lediglich auf natürliche Weise entstandene Mutationen durch gelenkte Zuchtwahl miteinander kombinieren, um etwas Neues herauszubekommen - aber das ist dann eben keine Mutation (und auch DAS ist genauso unter Wildnisbedingungen möglich, wenn auch viel mehr vom Zufall abhängig). Rekonstruktionen sind nur möglich, wenn alle dazu benötigten Zutaten noch irgendwo vorhanden sind, aber genau wie Wildtiere unterliegen auch Haustiere Veränderungen in ihrer Stammesgeschichte, und Eigenschaften oder ganze Rassen und Populationen gehen verloren, was durchaus - sofern sie in einem natürlichen Umfeld gehalten wurden - Auswirkungen auf ihren Lebensraum und darin lebende Wildtiere und Pflanzen haben kann.

Klar kann man sagen, was scheren uns Haustiere - wenn eine Rasse ausstirbt, muss man eben nur lange genug warten, bis ihre Eigenschaften als Neumutation wieder auftauchen. Aber was passiert in der Zwischenzeit mit dem Umfeld dieser Rasse? Genau wie jedes Wildtier ist auch jedes z.B. auf einer umzäunten Weide oder halbwild im Wald gehaltene Haustier Teil eines Ökosystems, und wie uns der Artenschutz seit Jahren klarzumachen versucht, funktioniert ein Ökosystem nur mit ALLEN Teilen so, dass es auch das bisherige Ökosystem bleibt und sich nicht zu einem neuen wandelt (wobei wir Menschen den Wandel als etwas Schlechtes werten, während viele andere Lebensformen von ihm durchaus profitieren können...). Ergo sind nicht wenige Haustiere für die Natur genauso wichtig wie Wildtiere und sollten deshalb entsprechende Aufmerksamkeit in einer Institution (nämlich dem Zoo) erfahren, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, ihre zahlende Kundschaft über ökologische Zusammenhänge aufzuklären. Zu einem repräsentativen Querschnitt durch die Tierwelt, wie ihn Zoos auch von sich selbst erwarten, gehören deshalb auch Haustiere, ansonsten sind Namen wie "Zoologischer Garten", "Tierpark" oder "Tiergarten" nicht mehr gerechtfertigt - schließlich sind auch Haustiere Tiere/Zoen.

Und um jetzt ganz ketzerisch zu werden: Wenn mehr Gayale als Gaur durch die südostasiatischen Bergwälder wandern sollten, ohne dass dieser Lebensraum unter ihnen leidet, dann ist der Gayal für den Erhalt dieses Lebensraum allein durch Anzahl heute vielleicht sogar wichtiger als der Gaur.
(23.02.2011, 22:31)
Henry Merker:   Zumindest in Vorderindien dürfte der Gaur relativ schnell verschwinden, wenn nicht genügend getan wird.
Zum einen haben wir dort eine gewaltige Bevölkerungsexplosion zu verbuchen (in den 1940ziger Jahren lebten dort rund 240 Millionen Menschen; heute rund: 1,5 Milliarden Menschen) und zudem gibt es dort nicht gerade wenige unterschiedlichst motivierte Spannungen - ich verweise nur auf die pakistanisch-indische Grenze, wo es die größte Millitäkonzentration der Welt gibt; bei Kaschmir verhält es sich ähnlich (dort sollen rund 1 Million indische Soldaten stationiert sein). Da kann sich also schnell viel ändern...
Na ja, jetzt bin ich doch etwas vom eigentlichen Thema abschweift.

Auf jeden Fall würde ich es begrüßen, wenn der Gaur-, aber auch der Gayalbestand in den Zoos erhalten und im Idealfall ausgebaut werden kann.
Mal von den anderen hier aufgelisteten Tieren, namentlich den Primaten.
(23.02.2011, 22:00)
Anti-Erdmännchen:   Wenn es nach mir ginge, sollten Wildtiere in Tiergärten sehr wohl ein gewisses Vorrecht vor Haustieren und halbwilden Formen haben. Zwar erkenne ich die Leistungen der Domestikation absolut an (gerade auch bei so gefährlichen Tieren wie Rindern); man sehe etwa meine Begeisterung für Hausziegen im entsprechenden Faden. Aber die Bewunderung für die in hunderten Millionen Jahren entstandene atemberaubende Vielfalt der reinen Natur ist noch größer.

Wollte man die Erhaltungswürdigkeit von Wild- und Haustier gegeneinander ausspielen, würde ich mir überlegen, welches von beiden sich nach dem Aussterben näher rekonstruieren ließe. Ich habe die Beispiele von erstaunlich verwilderten ehemaligen Haustieren registriert, und ich weiß auch, für wie wichtig manche Enthusiasten den Erhalt bestimmter Nutztierrassen erachten. Dennoch stelle ich es mir so vor, daß ein aus Haustieren erzieltes Rückzüchtungsobjekt nie mehr die volle Wildheit erlangt, während andererseits die Mutationen, die zur Rekonstruktion einer ausgestorbenen Haustierrasse erforderlich wären, doch nur eine Frage der Zeit sind. Daher geht das Wildtier vor.

Vielleicht halbwegs interessant zu diesem Themenkomplex: Spaßeshalber habe ich neulich mal einen Tiergarten in der Post-Wohlstandsgesellschaft geplant. Das heißt, die Besucher würden nicht viel Eintritt hinblättern, die Energie- und andere Kosten müßten stark heruntergeschraubt werden, Transporte wären weitestgehend zu vermeiden, die Bestände müßten zwecks Nachhaltigkeit ziemlich vereinheitlicht werden, usw. Als großwüchsigste Tiere (nach Kamelen und neben einigen Hirschen) wurden da plötzlich Rinder und Pferde zu Publikumslieblingen. Das Rindersortiment bestand aus Wisent, „Auerochse“ und Hochlandrind, das Pferdesortiment aus Przewalskipferd, „Waldtarpan“ und Riesenesel. Zwei vielfältige, eindrucksvolle Zusammenstellungen, bei denen der Domestikationsgrad überhaupt keine Rolle spielte, da er – wie schon richtig gesagt – für den ONB nahezu bedeutungslos ist.

Daraus schließe ich für mich: Hätten wir insgesamt weniger Auswahl, könnten wir Tieren wie dem Gayal nur allzu gerne ein Gehege anbieten. Aber die Auswahl ist „leider“ so groß, daß schon unter den Wildtieren sehr viele vor verschlossenen Türen stehen. Andere Vorbehalte gegen Haustiere, halbwilde oder verwilderte Formen hätte ich sonst nicht (abgesehen von Vergesellschaftungen mit Wildtieren, was mir dann doch sehr stilbrüchig erscheint).

(23.02.2011, 21:18)
Ulli:   Angaben zu den Zoos aus www.zootierliste.deentnommen
(23.02.2011, 10:11)
Ulli:   Erdmännchen, Nasenbären, Präriehunde, Totenkopfäffchen und Kattas

Nun zu den direkt bedrohten Arten:
Ich habe hier einmal exemplarisch die Primaten ausgewählt:

Laut IUCN : The World’s 25 Most Endangered Primates 2008–2010:
Madagaskar: Prolemur simus (Großer Bambuslemur) Eulemur cinereiceps (Weißbartmaki) Eulemur flavifrons (Sclater’s Lemur) Lepilemur septentrionalis (Nördlicher Wieselmaki) Propithecus candidus (Seiden-Sifaka)
Afrika: Galagoides rondoensis ( Rondo-Zwerg-Galago), Cercopithecus diana roloway (Roloway-Meerkatze) Procolobus rufomitratus(Tana-Stummelaffe), Procolobus epieni (Unterart von Pennant-Stummelaffe) Rungwecebus kipunji (Hochlandmangabe) Gorilla gorilla diehli (Cross-River-Gorilla)
Asien: Tarsius tumpara (Siau-Koboldmaki) Nycticebus javanicus (Sunda-Plumplori), Simias concolor (Pageh-Stumpfnase) Trachypithecus delacouri (Delacour-Langur) Trachypithecus p. poliocephalus (Goldkopflangur), Semnopithecus vetulus nestor(Weißbartlangur ) Pygathrix cinerea (Grauschenkelig Kleideraffe ) Rhinopithecus avunculus (Tonkin-Stumpfnase) Nomascus nasutus (Östliche Schwarze Schopfgibbon) Hoolock hoolock (Weißbrauengibbon/Hulock) Pongo abelii (Sumatra-Orang-Utan)
Südamerika: Saguinus oedipus(Lisztäffchen), Ateles hybridus (Brauner Klammeraffe) Oreonax flavicauda (Gelbschwanz-Wollaffe) . http://www.conservation.org/Documents/CI_Most_Endangered_Primates_2008-2010.pdf

Viele dieser Arten wird man nie in europäischen Zoos zu Gesicht bekommen. Von diesen 25 Arten werden 8 Arten momentan in europäischen Zoos gehalten: Sunda-Plumplori, Großer Bambuslemur, Weißbartmaki, Sclater‘s Maki, Lisztäffchen, Brauner Klammeraffe, Weißbartlangur, Sumatra-Orang-Utan.

Immerhin werden von ähnlich bedrohten Arten immerhin die Drills, die Diana-Meerkatzen und die Weißscheitelmangaben in Zoos gehalten. Den Zoobestand von all diesen erwähnten Primaten-Arten, und natürlich ähnlich bedrohter anderer Tierformen, muss man natürlich langfristig sichern.

Und da wird sich hier über das Verschwinden der in Afrika relativ häufigen Kaamas und der Gayale, eine tropische Haustierform, aufgeregt. Die Art-Erhaltungsoptionen in Zoos sind begrenzt - in Auswilderungsstationen sind sie deutlich besser. Die Möglichkeiten für die Sensibilisierung für Naturprobleme und die Erhaltung von Freiland-Biotopen sind groß - da ist die exemplarische Artenauswahl durchaus sekundär.

Also: jede haltbare Art, für die man zur Beschaffung nicht massiv in Freilandbestände eingreifen muss, ist zoowürdig.
(23.02.2011, 10:05)
Ulli:   Erdmännchen, Nasenbären, Präriehunde, Totenkopfäffchen und Kattas
(23.02.2011, 08:31)
Michael Mettler:   Ich denke, dass die Zoos mit der Zusammensetzung ihres Tierbestandes zunehmend in die Zwickmühle geraten, sich einerseits um bedrohte Tierformen kümmern zu wollen und zu müssen, andererseits aber auf populäre Formen nicht verzichten zu können - ein Streichelgehege mit Zwergziegen ist mit Sicherheit ein größerer Anreiz für zahlende Kundschaft als eine Zuchtanlage für Partula-Schnecken, Kiwis oder Ringelschwanzmungos. Manche Tiere bieten zum Glück für die Zoos beides, siehe Tiger, Eisbär, Asiatischer Elefant usw. Aber ein großes Spektrum an Tierarten passt derzeit(!) nur schlecht in die Besetzung, wie wir in verschiedensten Threads immer wieder bedauern (z.B. viele Rinder, Hirsche oder Makaken). Die Betonung auf "derzeit" deshalb, weil es sich m.E. auch um eine Zeitgeist-Frage handelt. Laut zeitgenössischen Quellen rangierten z.B. Hirsche in der Zoowelt vor nicht mal hundert Jahren noch sehr weit oben in der Publikumsgunst, und wer weiß, wie die Interessenlage in fünfzig Jahren aussehen wird. Vielleicht werden die Zoos dann verfluchen, dass in unserer heutigen Zeit viele Arten aufgegeben wurden, an die wegen sich stetig verschärfender Bestimmungen (Paarhufer!), politischer Lage in den Heimatländern usw. vielleicht nie wieder heranzukommen sein wird - und vielleicht stehen genau solche Arten in fünfzig Jahren viel weiter oben auf der Gefährdungsliste als manche Art, um die sich heute viel Mühe gemacht wird. Vielleicht ist dann der Prinz-Alfred-Hirsch gerettet und alle klopfen sich auf die Schultern, aber zwischenzeitlich ist der Barasingha ausgestorben...

Es ist und bleibt ein zweischneidiges Schwert - und ehrlich, ich möchte mit den Verantwortlichen für das Casting nicht unbedingt tauschen. Ist ja schon als "nur Fan" nicht ganz einfach, in eigenen Planspielen zoologische Interessen und Marktfähigkeit gegeneinander abzuwägen.

Eine Art/Form wie der Gayal wäre vielleicht schon dadurch beim Publikum aufzuwerten, dass man ihn auf einer Gemeinschaftsanlage präsentieren würde - durchaus auch zusammen mit Wildtieren, denen er ja auch in seiner Heimat als frei durch die Wälder streifendes Tier direkt begegnet. Je kontrastreicher die Gehegepartner (z.B. Axishirsche und/oder Affen), desto eher dürfte Aufmerksamkeit beim Besucher zu erzielen sein. Und verfallendende Tempelruinen sind als Kulisse keineswegs auf Elefanten- und Tigeranlagen festgelegt...
(23.02.2011, 00:57)
Gudrun Bardowicks:   Ich habe auch nichts dagegen, dass Haustierformen in Zoos gezeigt werden. Besonders gut finde ich es natürlich, wenn es sich dabei um bedrohte oder altertümliche Haustierrassen handelt, zu denen ja Gayal und Dingo auf jeden Fall gehören. Diese Tiere könnte man didaktisch wirklich geschickt nutzen, um z.B. die Haustierwerdung zu veranschaulichen oder auf die kulturelle Bedeutung von Haustieren für die einzelnen Züchtervölker aufmerksam zu machen.
Lamas, Alpakas, Dromedare und Trampeltiere und auffällige große Rinderformen wie Ungarisches Steppenrind, Yak, Schottisches Hochlandrind, Watussirind oder Zebus kommen beim ONB eigentlich immer gut an. Das wäre sicherlich auch bei Gayalen der Fall, wenn man diese Art häufiger in Zoos halten würde. Daher finde ich es schade, dass immer mehr Zoos die Haltung von Gayalen zugunsten anderer Arten, bei denen es sich meistens wiederum um Haustierformen handelt, aufgeben. Allerdings dürften Shetlandponys oder auch Esel, die Kinder streicheln können, vor allem für Familien mit kleinen Kindern noch attraktiver als Gayale sein, die man leider nicht anfassen darf. Daher kann ich die Entscheidung in Heidelberg gut verstehen, aufgrund von Platzmangel die zwar attraktiven, aber für Familien mit kleinen Kindern doch nicht so spannenden Gayale zugunsten der populären, streichelfreudigen und beliebten Shetlandponys abzugeben.
(23.02.2011, 00:20)
Michael Mettler:   Ich habe mich eben mal quer durch einige Quellen zum Gayal gegoogelt. Es ist bemerkenswert, dass in den Einleitungen von Fachartikeln immer wieder Formulierungen auftauchen wie "unerforschtes Tier" oder "eines der am wenigsten studierten Huftiere", gleichzeitig auch Hinweise darauf, dass der Gayal wegen massiver Schlachtungen in jüngerer Zeit mittlerweile am Rande des Aussterbens stehe oder zumindest "vulnerable for extinction" sei. Und um ein solches Tier sollen sich Zoos nicht kümmern dürfen...?

Ich fand auch eine Info, nach der genetische Studien die Annahme, dass der Gaur Vorfahre des Gayals sei, untermauerten - im selben Artikel wurden allerdings beide Tiere auf Artstatus erhoben (wobei ja das Eine nicht das Andere ausschließt...). Es finden sich auch Formulierungen wie "wild and semi-domestic populations" (wohlgemerkt "wild" und nicht "feral" = verwildert) für den Gayal. Nicht wenige dieser Quellen fußen auf einem speziellen Forschungszentrum für den Gayal in Indien, das sich allerdings hauptsächlich mit der landwirtschaftlichen Nutzung des Tieres befasst (Fotos von dort zeigen übrigens auch interessant gescheckte Gayale, bis hin zu einer Punktscheckung ähnlich der des Pustertaler Rindes). Mit anderen Worten: Die Materie wurde von Fachleuten bearbeitet, die auch in der Praxis viel mit diesem Tier zu tun haben, was ihre Aussagen umso fundierter machen sollte. Und wenn selbst solche Leute von einem weitgehend unerforschten Tier sprechen, dann sollte das zu denken geben.

@Volker Gatz: Zufällig und passend zur Dingo-Frage fand ich heute beim Schmökern in einem alten Band der Zeitschrift für Säugetierkunde in einem Artikel von Wolf Herre die Aussage, dass verwilderte Haustiere tatsächlich nach mehr oder weniger langer Zeit zu einem relativ einheitlichen Phänotyp in der Population neigen sollen. Dabei können sogar Domestikationserscheinungen wie die verringerte Hirnmasse von Haustieren quasi wieder rückgängig gemacht werden, und das sogar innerhalb recht kurzer Zeit (Herre nennt als Beispiel eine Population verwilderter Esel in Südamerika, die erst rund 50 Jahre existierte). Er weist auch darauf hin, dass es unmöglich sei, ursprünglich wilde und verwilderte Wasserbüffel objektiv zu unterscheiden.

Nun sollten wir davon ausgehen können, dass Menschen vor Jahrtausenden mit viel mehr Tierarten Domestikationsversuche gemacht haben (wir müssen nur mal an das "Sortiment" im alten Ägypten denken), von denen unsere heutigen Haustiere nur den Extrakt bilden, der sich am einfachsten im Handling erwiesen hat. Manche Arten oder lokale Populationen sind vielleicht nie über einen halbwilden Status hinausgekommen, waren gegenüber "praktischeren" Arten oder Lokalschlägen nicht konkurrenzfähig genug und könnten durchaus in teildomestiziertem Zustand wieder in ein echtes Wildleben zurückgefunden haben (das wurde übrigens im selben Zeitschriftenband auch für den Kouprey diskutiert, u.a., weil auch schwach gescheckte Exemplare beobachtet worden waren). Da wird es dann - siehe Wasserbüffel - vollends schwierig mit der Schubladisierung.
(22.02.2011, 23:54)
Michael Mettler:   Nach derzeitiger Kenntnislage soll die Domestikation des Hundes erstmals im südlichen China stattgefunden haben. Wir wissen nicht, welche Färbung die dortigen Wölfe zum damaligen Zeitpunkt hatten (es ist genug Zeit vergangen, dass sich das inzwischen geändert haben könnte) - die können durchaus rot/gelb gewesen sein. Aber selbst wenn es sich nur um eine gelegentliche Farbvariante "normalfarbiger" Wölfe in diesem Gebiet gehandelt haben sollte oder die Mutation erst nach den ersten Zähmungen auftrat, hatte sie für den Halter Vorteile: Ein solches Tier war auf den ersten Blick von einem Wolf unterscheidbar, so dass die Gefahr geringer war, dass es versehentlich von jagenden Stammesgenossen als solcher getötet wurde, wenn es durch die Gegend streifte. Eine Vorliebe für abweichende Farben muss also nicht unbedingt etwas mit dem persönlichen Geschmack der frühen "Züchter" zu tun oder gar kultische Gründe gehabt haben, sondern es ist auch ein solcher ganz simpler praktischer Nutzen denkbar.

@Volker Gatz: Wenn ich mir überlege, welche Sicherheitsvorkehrungen für Gaur in Zoos nötig sein sollen, dann liegt eine vorrangige Selektion auf Friedfertigkeit bei einem Domestikationsversuch auf der Hand. Interessant ist auch die Frage, wie überhaupt die Haltung in jener Frühzeit aussah: Wurden die Vorfahren der Gayale zuerst in Gattern oder Krals gehalten und man gab das erst später wieder zu Gunsten einer halbwilden Haltung auf? Oder wie schaffte man es sonst, dass die ersten Tiere bei den Dörfern blieben, statt sich wilden Herden anzuschließen? Durch Hobbeln der Beine? (Was wiederum ein optisches Unterscheidungsmerkmal zu ihren wild lebenden und möglicherweise bejagten Verwandten gewesen wäre.) Ich finde solche Gedanken zur Domestikation genauso spannend wie solche zur Evolution von Wildtieren, denn letztlich handelt es sich bei der Domestikation zumindest in den ersten Stadien auch "nur" um die Anpassung eines Wildtieres an neue Lebensverhältnisse, die aktive Rolle ist also keineswegs auf den Menschen beschränkt. Allein das wäre ein reiches Feld für Zoodidaktik. Auch hier im Forum wird immer wieder die Bildungsfunktion Zoologischer Gärten in den Vordergrund gestellt, und da bin ich durchaus der Meinung, dass etwas so Fundamentales wie Domestikation ebenfalls auf den Stundenplan gehört.

Zurück zur Zoowürdigkeit von Gayalen: Der Gaur ist eine bedrohte Tierart. Sollte er eines Tages von der Erde verschwinden - bei der Größe mancher Splitterpopulationen kann das mit einem Seuchenzug womöglich schnell gehen, wäre der Gayal m.E. ein Tier, das zur Wiederbesetzung der ökologischen Gaur-Rolle vermutlich sehr gut geeignet wäre (wir erleben schließlich auch gerade, wie die Nachkommen von Auerochse und Europäischem Wildpferd positiv zur Renaturierung europäischer Lebensräume beitragen). Auch auf solche Möglichkeiten können Zoos ihr Publikum hinweisen, und das geht nun mal am besten mit den lebenden Tieren. Wenn sich ein Zoo das Nebeneinander von Gaur und Gayal nicht leisten kann oder will (Platzgründe, bauliche Voraussetzungen usw.), wäre die Beschränkung auf den Gayal die einfachere Lösung. Schlechter als beim Gaur kann es übrigens um seinen europäischen Genpool auch nicht bestellt sein...
(22.02.2011, 19:17)
Sacha:   Denken wir doch auch an die rötlichen Europäischen Wölfe, die Hellabrunn hielt. Da gibt bzw. gab es auch mehr oder weniger starke Aehnlichkeit zu Dingos. Ein Beleg für oder gegen die Aussage, dass D. verwilderte Haushunde resp. Abkömmlinge des Wolfes sind?
(22.02.2011, 17:16)
Henry Merker:   @Volker Gatz:
Das ist mir auch aufgefallen; insbesondere bei einer Sendung, die ich erst vor relativ kurzer Zeit gesehen habe. Da waren unter anderem Tiere zu sehen, die als verwilderte Haushunde eingestuft worden sind und ebenfalls haargenau wie Dingos aussahen bzw. aussehen.
(22.02.2011, 16:27)
Volker Gatz:   Interessant. Es könnte natürlich auch sein, das man einfach mit besonders zahmen Gauren gezüchtet hat,bzw. darauf selektiert hat, ohne weiter auf die Hornform zu achten. Bei besonders friedfertigen Tieren (und so habe ich die Gayale in Erinnerung), spielt es keine so große Rolle mehr, wie die Hörner angelegt sind. Hat eigentlich noch niemand die Gayal DNA auf Verwandschaftsbeziehungen untersucht? Die Theorien zum Dingo sind mir bekannt. Ich finde es auf jeden Fall erstaunlich - DNA hin oder her - das über lange Zeit verwilderte Hunde immer eine Art Dingo Typ repräsentieren. Wie Wölfe sehen sie jedenfalls nie aus !
(22.02.2011, 16:01)
Michael Mettler:   Da hatte ich noch die Schlussfolgerung vergessen: Mit der Hornform des Gayals wollte ich darauf hinaus, dass sie auch ursprünglich sein, somit also von einem nicht mehr existierenden "Wild-Gayal" unverändert übernommen sein könnte, denn unter züchterischem Einfluss hätte man vielleicht versucht, die Hörner durch Selektion auf andere Form oder schwachen Wuchs hin zu "entschärfen". Stammte der Gayal vom Gaur ab, hätte man sie aber züchterisch "verschärft", was ich ungewöhnlich finde.
(22.02.2011, 12:57)
Michael Mettler:   @Volker Gatz: Es gab auch Zeiten, in denen der Haustierstatus des Dingos und der Wildtierstatus der Kreta-Bezoarziege nicht angezweifelt wurden und genau das als letzte Wahrheit galt... Wie man sieht, ist eine völlig eindeutige "Schubladisierung" nicht mal bei Tieren möglich, von denen ausreichend lebende Exemplare für die Forschung zur Verfügung stehen, da würde ich beim "Phantom" Kouprey auch noch nicht das Ende aller Diskussionen erwarten.

Legel erwähnt in seinem Werk "Haustiere der Tropen und Subtropen" (1989), dass zum Ursprung des Gayal drei Hypothesen existierten: a) Nachkomme eines bereits ausgestorbenen Wildrindes (also ähnliche Verhältnisse wie beim Dromedar, von dem uns ebenfalls keine Wildform bekannt ist), b) domestizierte Form des Gaur, c) Kreuzung aus Gaur und Zebu. Diese Möglichkeiten werden auch noch heute im Tierlexikon der Homepage des Verbandes Deutscher Zoodirektoren angeführt, wo der Gayal nur als "wahrscheinlich" domestizierter Gaur bezeichnet wird: http://zoodirektoren.de/staticsite/drucken.php?menuid=609

Was mich bei der Version der Gaur-Abstammung nachdenklich stimmt: Meines Wissens zeichnet sich der Gaur durch eine vom Hausrind sehr unterschiedliche Weise aus, Gegner anzugreifen, indem er sie nicht frontal angeht, sondern mit den Hörnern zur Seite schlägt. Wenn die Bergstämme Südasiens ohnehin schon das Risiko auf sich nahmen, einen solchen Koloss erst zu zähmen und dann durch züchterische Selektion zu verändern, warum erzeugten sie dann ein Tier, das durch seine nach außen gerichteten Hornspitzen und die viel größere Hornauslage (und damit Reichweite) bei lediglich halbwilder Lebensweise potenziell noch viel gefährlicher für sie war....? Immerhin gilt es zu bedenken, dass der Schritt von einem reinen Wildtier zu einem mehr oder weniger reinen Haustier nicht per Schalterdruck funktioniert, sondern viele Generationen von Zwischenstadien umfasst, so dass es irgendwo zwischendrin ein Stadium gegeben haben könnte, in dem sich die Größe und Wildheit des Gaur mit der viel gefährlicheren Hornform des Gayals überschnitten. Die Erzüchter des Gayals müssten also ein bewundernswertes Händchen für derart schwierige und lebensgefährliche Pfleglinge gehabt haben (und allein das ließe sich didaktisch wunderbar "ausschlachten") - oder der Gayal hat sich "selbst entwickelt" und wurde später lediglich halbzahm genutzt wie z.B. in Europa das Damwild.
(22.02.2011, 09:23)
Volker Gatz:   @MM : Nur am Rande, ich finde den Link zwar gerade nicht, ich meine aber beim Kouprey wird der Status als eigene Art und reine Wildform inzwischen nicht mehr angezweifelt. Zwischenzeitliche Zweifel haben sich als falsch heraus gestellt. Dagegen habe ich nie gewußt, dass es beim Gayal umgekehrte Zweifel gibt. Ich dachte immer, die Beschreibung als Haustierform des Gaur stünde zuverlässig fest?
(22.02.2011, 00:02)
Oliver Jahn:   Ich finde die Haltung von Haustieren, insbesondere die von alten und vom Aussterben bedrohten Rassen, in Zoos, egal welcher Größe, richtig und wichtig. Schade, dass viele dieser Arten in einigen Großzoos, die gerade wie Erfurt sogar dafür bekannt waren, hier leider verschwunden sind. Worms und Stralsund (als nur mal zwei Beispiele) haben dankenswerter Weise diese Lücke gefüllt, was gerade diese beiden Einrichtungen aus meiner Sicht besonders interessant macht.
Zur Didaktik ist hier vieles schon gesagt, da ergänze ich vielleicht nur noch mal den Aspekt der kulturellen Entwicklung in Afrika (Watussis) und den besonderen Stellenwert der Heiligen Kühe in Indien als Beispiele. Weiterhin werden viele Haustierrassen vom Besucher als solche nicht unbedingt wahrgenommen. Selbst heute noch erlebe ich regelmäßig Aha-Effekte, wenn man Kindern UND Erwachsenen erzählt, dass eben Watussis, Lamas und Trampeltiere zu den Haustieren zählen.
Ein anderer Aspekt aber ist für mich ebenfalls sehr wichtig. Bei Haustierrassen, die vom Aussterben bedroht sind, besteht im Zoo tatsächlich eine reelle Chance, diese vor dem Aussterben zu retten.
Die Zucht ist meistens erheblich leichter und erfolgreicher, und gute Bestände finden nicht selten dann auch bei Privathaltern einen Liebhaberkreis, der somit ebenfalls dazu beiträgt, die Rasse zu etablieren, weiter zu züchten und somit der Nachwelt zu erhalten. Über genau diese Schiene sind einige der alten und fast verschwundenen Haustierrassen erhalten worden. Hier kann man echte Erfolge verbuchen, die irgendwann einmal für die überzüchteten Hochleistungsrassen einen unschätzbar hohen Wert haben können.
Die Zahl der Arten an Wildtieren, bei denen das Arche Noah Prinzip wirklich nachhaltig funktioniert hat, hält sich dagegen doch in sehr bescheidenen Grenzen. Um wie viel wertvoller ist ein guter und wachsender Bestand an bedrohten Wildtieren, bei denen man 1) ausschließlich auf Halter in Zoos angewiesen ist und 2) davon ausgehen kann, dass er von dort kaum eine Chance haben dürfte, seinen angestammten Lebensraum wieder zu besiedeln. Die Zahl, der durch die Zoos wirklich geretteten Wildtiere ist doch eher sehr bescheiden, daran ändert auch nichts, dass die Zoos die Wichtigkeit gerader dieser Aufgabe immer wieder ganz besonders gern herausstellen.
Letztlich möchte ich auch noch den nicht zu vernachlässigenden Aspekt der Nähe und Berührbarkeit von Haustieren nicht vergessen. Das greift vielleicht nicht gerade beim Gayal, aber bei vielen anderen Rassen sind es eben die Haustiere, die in den Streichelzoos oder Schaubauernhöfen die sehr wichtige Aufgabe haben, dass unsere Kinder Tiere auch mit allen Sinnen begreifen können.

(21.02.2011, 23:59)
Michael Mettler:   Ich belebe diesen Thread wieder, um die Diskussion im Thread "Zoo Heidelberg" um die Abgabe der Gayale und die Frage, ob Haustierformen in Zoos gehalten werden sollten oder nicht, einen passenderen Rahmen zu geben. Und dabei gilt es erst mal die dort von Sacha an mich gestellten Fragen zu beantworten. Eins vorweg: Deine Ansichten sind mir keineswegs fremd, ich habe früher auch so gedacht. Aber nach und nach kamen mir immer mehr Zweifel an meiner Sichtweise, deshalb sieht meine heutige anders aus.

Fangen wir an mit der Didaktik: In meinen Augen ist ein Gayal didaktisch gleichwertig mit einem Schabrackentapir oder Gaur. Ökologisch ist er nämlich als halbwild durch die Bergwälder seines Domestikationsgebietes streifendes Tier von gleichem Wert wie ein Gaur, denn er beeinflusst wie dieser die Vegetation (und damit auch andere von dieser abhängige Tierarten), verbreitet Samen, düngt den Boden und tritt Ufervegetation an den Wasserstellen nieder, wodurch kleine Tierarten, die auf solche offenen Bereiche spezialisiert sind, bessere Lebensbedingungen vorfinden. Der angefressenen Pflanze oder dem in einem Hufabdruck laichenden Frosch ist es herzlich wurscht, ob der Verursacher von irgendwem als Wildtier, Haustier oder irgendetwas dazwischen kategorisiert wird - schließlich hatte der Lebensraum, in dem der Gayal entstanden ist, reichlich Zeit, sich auf ihn einzustellen und auch von ihm zu profitieren. (Gleiches gilt auch für andere Lebensräume: Der Kreuzotter in der Lüneburger Heide dürfte es genauso egal sein, dass es mit den Heidschnucken Haus- und nicht Wildtiere sind, die für den Erhalt ihres bevorzugten Biotopes sorgen.) Zudem ist der Gayal ein Kulturgut, denn jede Domestikation ist letztlich eine erstaunliche Leistung von Mensch UND Tier (dass im Laufe der Domestikation ALLES vom Menschen geleistet wurde, scheint mir bi mancher Art allerdings eher selbstgefälliges Wunschdenken der "Krone der Schöpfung" zu sein) - gerade bei den verschiedenen, im Wildzustand riesigen und sehr wehrhaften Rinderarten wird das nur zu gern vergessen. Darüber lässt sich eine ganze Menge erzählen (und das hat der Gayal dem Tapir sogar voraus...).

Zum Blässbock: Im Gegensatz zu dir reite ich nicht auf den Weißlingen herum, meine Argumentation kommt sogar ohne sie aus. Wenn Blässböcke auf Großrahmigkeit hin selektiert werden, um mehr Fleisch zu erzielen, wird somit Zuchtwahl mit einem klar formulierten Zuchtziel betrieben, und das sind nun mal klassische Anfänge einer zielgerichteten Domestikation. Wo man in einem stetig fließenden Prozess die Grenze vom Wild- zum Haustier setzen will, ist eine menschliche Ansichtssache und damit unbiologisch; die Tiere betrachten sich ungeachtet dessen als Fortpflanzungsgemeinschaft, wenn sie nicht wiederum durch menschliche Grenzziehung daran gehindert werden.

Wo übrigens im Fall des Blässbockes die Grenze zwischen Game farming und freier Natur liegen soll, müsstest du mir erklären. Meines Wissens war der Blässbock im Freiland bereits komplett ausgerottet und hat nur auf Farmen überlebt, und ob man angesichts des Wildlife-Managements in Südafrika selbst Nationalparks überhaupt als freie Natur bezeichnen kann, wäre ebenfalls fraglich. Insofern ist es müßig, wo und unter welchen Umständen erstmals weiße Blässböcke auftraten, denn sie stammen so oder so von Farmtieren ab. Blässböcke werden für Fleisch, Fell und Trophäen (und somit auch für kultische Zwecke) genutzt, viele von ihnen werden regelmäßig zusammengetrieben, um Schlacht- und Verkaufstiere auszusortieren, und man stellt ihnen Weideland zu Verfügung. Noch ein Stadium weiter, und wir könnten Verhältnisse wie beim Hausrentier haben - und dann wäre der Blässbock vermutlich auch nicht mehr "zoowürdig"...

Zur Bezoarziege: Es hieß seinerzeit, dass der Bestand auf der Insel Theodoru noch reinblütig sei, weil es dort keine Hausziegen gebe. Aber ist der Zustand der Gegenwart eine Garantie dafür, dass es NIE auch nur eine Hausziege auf Theodoru gab? Andersrum könnte man nach den neueren Theorien eher behaupten, dass es nie WILDziegen auf Theodoru (und auf Kreta) gab, weil die dortigen Bezoare nichts anderes sind als "Dingo-Ziegen". Die Gioura-Ziege ist übrigens sehr wohl schon als Wildform benannt worden (Capra aegragus jourensis), sogar noch in jüngerer Zeit (Wilson & Reeder 2005), allerdings mit gleichem zweifelhaftem Status wie C.a.cretica.

Wenn die Unterscheidung zwischen Wild- und Haustier, die nach Ansicht mancher Forumteilnehmer über die "Zoowürdigkeit" entscheiden sollte, so einfach wäre, warum gibt es dann immer wieder Diskussionen innerhalb der Wissenschaft um Dingo (und verwandte Shensihundformen), Europäisches Mufflon, Kretische Bezoarziege, Wasserbüffel und Papuaschwein, warum ist man sich bei Kouprey und Gayal bis heute nicht sicher, ob es eigene Arten, Mischlinge oder im Falle des Gayals Haustierformen sind? Warum werden Mischlingsnachkommen aus Przewalskipferd und Hauspferd mal als Wildtier (heutiges Przewalskipferd), mal als Haustier (Tarpan-Rückzüchtung definiert? Ganz einfach: Weil die Grenzen willkürlich gesteckt werden.

So wie es dem Frosch oder der Libelle egal ist, ob ihm ein Wild- oder Haustier ein Laichgewässer mit schön sonnigem Ufer schafft, so egal ist es dem normalen Zoobesucher, ob er vor einem Wild- oder einem Haustier steht. Er guckt sich Kamele an, OBWOHL es domestizierte Tiere sind, und findet einen Gaur genauso langweilig oder interessant wie einen Gayal. Die radikale Kategorisierung Wildtier/Haustier entscheidet also nicht über den Schauwert, didaktisch lässt sich auch über Haustiere viel vermitteln. Und noch etwas: Nachdem die Zoos vor nicht allzu langer Zeit großen Wert darauf zu legen begannen (und zwar zu Recht), ihre Besucher über den Wert alter Haustierrassen aufzuklären und ihnen klar zu machen, dass diese ohne stärkeres Augenmerk eines Tages unwiederbringlich dahin sein könnten, sollen sie nun gewissermaßen selbst solche Tiere (und der Gayal IST eine alte Form) in die Tonne treten bzw. in Kleinparks abschieben...? Die Haustierparks haben schon jetzt nicht genügend Kapazitäten, alle alten Rassen aufzunehmen, da werden sie bei einem tropischen Rind nicht gerade "Hurra" schreien....
(21.02.2011, 22:47)
Nils Kley:   Ein kleiner Nachtrag bzgl. "weißer Tiger": ein wichtiger Grund, warum derlei Inzuchtstämme nicht unbedingt in Zoos und Tiergärten gehalten werden sollten, ist die bei diesen Tieren gehäuft zu beobachtende Inzuchtdepression, die sich u.a. in heritären Störungen des ZNS und der Sinnesorgane, degenerativer Organstörungen sowie Gestaltdeformation("Bulldog"-Schädel)und Wesensveränderung ausdrückt. Amerikanische Zoos wie der von Cincinnati-einst Brutstätte zahlreicher weißer Tiger-haben die Zeichen der Zeit erkannt und die Zucht dieser Tiger(und auch bald ihrer weißen Löwen) ausgesetzt. In einigen dieser Zoos-unter öffentlichen Erläuterungen gegenüber dem Publikum-verbringen die letzten weißen Tiger ihr Gnadenbrot.

Was die Haltung typischer Zootiere angeht: ob es sinnvoll ist, dass jeder Zoo die typischen 0815 Tiere samt passender Serengeti-/OutBack-/Pseudoindische Tempel-Anlage haben muss, sei den jeweiligen Verantwortlichen und dem Geschmack des Publikms überlassen. M.E. ist dies nur eine zeitweilige Trendphase, die v.a. für die folgende Zoogenerationen eine Folge von Baulasten und Schulden zu bedeuten hat. Anzuraten wäre den Zoos-ob groß oder klein- die stärkere Betonung eines oder mehrer, weniger Schwerpunkte in der Tierhaltung-und Präsentation. Anbieten würde sich da z.B. die Fauna Chinas, des Hochlandes Äthopiens oder die Vogel- und Reptilienwelt Ozeaniens-wobei eine bessere internationale Kollaboration (gerade bei unterpriviligierten Zoos der 2. und 3.Welt mit z.T. bemerkenswerten Tierbestand) wünschenswert wäre. Gewiss, mit einem Nasenfrosch lockt man keinen besucher her-doch in Kombination mit der einen oder anderen populären Flaggschiffspezies und gut organisierter Zuchtarbeit hinter den Kulissen liesse sich aus der derzeitigen Zoosituation hinsichtlich Natur-und Artenschutz mehr machen.
(30.08.2006, 18:29)
Karsten Vick:   Ich weiß meine Hühner auch vor dem Fuchs zu schützen; wir könnten zum Thema zurückkehren.
(10.08.2006, 19:54)
Hannes:   Nachts einsperren soll auch helfen und tagsüber Hütehunde zu halten soll sogar bei Hühnern funktionieren.
(10.08.2006, 19:27)
Melitta-Mann:   Als ob ein Zaun, sei er noch so hoch, für einen Fuchs ein Problem darstellen würde.Füchse können ausgezeichnet klettern, graben und manche haben sich auch schon durch Zäune durchgebissen.Auch Strom bedeutet kein Hinderniss für einen Fuchs.
(10.08.2006, 12:05)
Johannes Pfleiderer:   Zum Thema Großzoos stimme ich Sacha Beuth voll zu. Außerdem sollten die Zoos ihr "Sortiment" regional besser aufeinander abstimmen, damit der "Kunde" Zoobesucher einen stärkeren Anreiz hat, verschiedenen Zoos zu besuchen. Sicherlich wird es in fast jedem Zoo Tiger, Leoparden, Zebras u.v.a. (in verschiedenen Unterarten) geben und das ist auch gut so, denn sonst hätte man bei einigen Formen nicht genügend Halter. Aber herausragende besucherwirksame Arten, die in Zoos nur in einer Form gehalten werden oder von denen es keine Unterarten oder ähnliche Arten gibt, etwa Gorillas oder Eisbären, sollten möglichts nicht in zwei benachbarten Zoos gehalten werden.
In Sachen Kleinzoos inklusive die ganzen privaten Vogelparks bin ich anderer Meinung. Sie sollten nicht nur häufige, anspruchslose Arten halten, sondern verstärkt in Erhaltungszuchtprogramme eingebunden werden, wie das schon heute sehr vereinzelt geschieht, und v.a. müssten die Hürden für eine Teilnahme abgebaut werden (etwa hatte der Tierpark Kleve vor einer Weile Probleme, Pinguine zu bekommen, da ein Tierpark ohne wissenschaftliche Leitung an maximal 4 EEPs teilnehmen kann. Die waren in Kleve schon ausgeschöpft. Ich weiß nicht, ob es letztendlich gelang, die Pinguine zu bekommen). Natürlich eignet sich dafür bei weitem nicht jeder Park, aber es gäbe durchaus einige Kandidaten, z.B. den Vogelpark Heppenheim, der einen hochkarätigen Tierbestand pflegt (u.a. Elstertokos, Lederköpfe) und sehr erfolgreich Malabarhornvögel züchtet.
(09.08.2006, 23:22)
th.oma.s:   @jamie: in dem sinne ist naturschutz eine feine sache, er sollte blos in afrika stattfinden und nicht allzu erfolgreich sein...
@melitta-Mann: der geflügelhalter der durch einen rotfuchs einen "beträchtlichen finanziellen schaden" erfahren hat sollte vielleicht mal einen zaun bauen...
(09.08.2006, 22:22)
Jamie:   Und woran machen sie dann bedrohtes Tier und Schädling fest? Eine indische oder afrikanische Mutter muß ihr Kind vom Tiger/Löwen erlegen lassen, weil wir die nun mal auswildern möchten?
Solange nicht zuviele Wildschweine unsere Kartoffelacker umgraben dürfen ruhig anderswo Elefanten ganze Plantagen ruinieren? Sind die Leben und Existenzgrundlagen Menschen nicheuropäischer Länder weniger wert? Der Artenschutz im fremden Land wichtiger als im eigenen? Egal ob hier oder dort, Platz ist im Grunde nur für Tiere die zum einen "nur" um ihrer Trophäen wegen vor Ort ausgerottet wurden,für die also noch Platz wäre, wenn El Supertourist nicht wieder seine Haut oder Zähne ins heimische Regal parken will. Oder deren Habitat nicht vom Menschen vereinnahmt wurde. Und Mensch rückt freiwillig keinen cm zusammen oder zur Seite, für ein blödes Viech.
In wenige Worte gefasst:
Die Existenzberechtigung eines jeden Tieres endet beim Nutzen und Schaden für den Menschen. Egal, ob es das Tier noch millionenfach gibt, oder nur noch wenige austerbende Exemplare.


Gruß Jamie
(09.08.2006, 18:21)
Melitta-Mann:   Rotfüchse sind Schädlinge, die den Geflügelhaltern beträchtlichen finaziellen Schaden zufügen. Würden Sie Geflügel halten, und ein Fuchs würde Ihnen ständig Vögel reißen, hätten Sie bestimmt nicht viel Verständnis für den Fuchs, der Ihre Existenzgrundlage gefährdet. Rotfüchse sind wirklich alles andere als bedroht. Ãœbrigens, auch im Zoo richten diese Schädlinge großen Schaden an.Der Bär Bruno ist ein Thema für sich, ich begrüße den Abschuß, denn das Tier war potenziell gefährlich, schließlich hat es auch Ortschaften aufgesucht. Ich möchte die Damen und Herren Tierschützer einmal hören, hätte der so liebe Bär "Bruno"ein Kind getötet, vielleicht sogar das Eigene...
(09.08.2006, 15:36)
Walter Koch:   In welche Wildbahn? Bruno nach Bayern?
Jeder Fuchs, der einen Hühnerstall als
eine ideale Futterquelle ansieht, wird
doch gnadenlos gejagd(so geschehen in
meiner Dorf-Heimat.
(09.08.2006, 15:10)
Melitta-Mann:   Wenn man es genau nimmt, ist eigentlich gar kein Tier "zoowürdig", denn Tiere gehören nunmal in die freie Wildbahn. Eigentlich....
(09.08.2006, 14:37)
Sacha Beuth:   Hatte Computerprobleme, darum erst jetzt mein Beitrag:
Kann und muss Michael Mettler in fast allem Recht geben. Diesen Argumenten ist kaum etwas entgegen zu setzen.
Zu Zoosammler: Es ging mir darum, dass Tiere, die leicht zu halten und zu züchten, winterhart und nicht in ihrem Bestand bedroht sind, künftig in Kleinzoos und/oder Wildparks gezeigt werden. Dafür sollten die Kleinzoos Tiere, deren Haltung ihre Möglichkeiten übersteigt (wie Michael Mettler richtig schreibt) an Grosszoos abgeben. Damit beabsichtige ich keinesfalls, Tiere einfach abzuschieben. Im Gegenteil: Es gibt Kleinzoos und Wildparks, die wesentlich bessere Anlagen vorweisen als mancher Grosszoo. Mir ging es mehr um eine Schwerpunktsetzung, von der alle Institutionen profitieren.
Ein Beispiel: Im Zoo Zürich wurden jahrelang Braunbären (und nicht nur die) in einer traurigen Grube gehalten. Die Tiere sind glücklicherweise weg (zugunsten der viel tiergerechteren neuen Brillenbärenanlage). Dafür hat der Wildpark Langenberg (bei Zürich) vor einigen Jahren seinen Petzen ein neues, grossflächiges, gutstrukturiertes Gehege eingerichtet. Das war natürlich nicht gratis, hat aber wesentlich weniger gekostet, als wenn man z. B. ein Haus für Schimpansen hätte bauen müssen.
Ich sehe die Zukunft (jetzt nur mal allgemein gesagt) folgendermassen: Grosszoos, die Exoten halten, nach Möglichkeit Unterartenrein. Mischlinge werden so lange gehalten, bis sie gestorben sind. Dafür in Kleinzoos leicht zu haltende und zu züchtende Exoten mit eher geringem Platzbedürfnis (bis zum Tod auch Unterartenmischlinge), sowie Haustiere. Wildparks vorab heimische (europäische) Fauna, darunter aber auch schwierig zu haltende und zu züchtende Arten wie Rehe und Elche.
So hätte jede Tierinstitution ihre jeweiligen, besucherattraktiven Highlights. Und die Grosstiere wie Elefant, Tiger, Giraffe, Flusspferd, Schimpanse und Co. würden in den Grosszoos die Haltung und Zucht weniger attraktiven Kollegen wie Kongopfau, Andenfelsenhahn usw. mitfinanzieren. Diese Botschafterfunktion sieht meines Wissens doch auch die Welt-Zoostrategie vor.
Abschliessend möchte ich betonen, dass ich meinen Vorschlag nicht als der Weisheit letzter Schluss erachte. Klar, birgt er einige Ungereimtheiten. So steht nun mal nicht genug Platz für alle bedrohten UND besucherattraktiven Arten zur Verfügung. Einige Arten können plötzlich in ihrem Bestand gesichert, einige andere plötzlich bedroht sein. Und wer bestimmt, was ein Kleinzoo und was ein Grosszoo ist? Leider (oder zum Glück) ist es wohl so, dass jeder eine andere Wahl bei den "im Zoo erhaltenswerten Arten" treffen würde.
(09.08.2006, 11:09)
th.oma.s:   grundsätzlich ist jedes tier zoowürdig wenn seine haltung mit einem der drei aufgabenbereiche eines modernen zoos
(erholungsfunktion, bildungsfunktion und forschungsfunktion) begründet werden kann."artenschutz" ist m.e. zoobezogen sowohl in bildung und forschung von einer gewissen bedeutung. zum "Deutschen Artenschutzzoo": den halte ich für reine propaganda unserer klientel und bei genauer betrachtung sogar für schwindel: für tatsächlich am objekt erfolgreichen artenschutz bedarf es nämlich keiner zoos, sondern lebensraum, law and order und den entsprechenden politischen willen... tiergärten können höchsten im worst case in letzter not mit allen mängeln der zootierhaltung einen gewissen zeitraum das aussterben überspielen und manchmal erfüllen sie auch nur die feigenblattfunktion für die eigent-lichen verursacher des artenster-bens...
(08.08.2006, 18:32)
Michael Mettler:   Ich halte (gute!) Kleinzoos keineswegs für verzichtbar, denn sie können sich auch in kleinen Städten bzw. weitab von Großzoos halten und bieten zu günstigen Eintrittspreisen eine Mensch-Tier-Begegnung, die durch nichts zu ersetzen ist. Außerdem erinnere ich daran, dass jeder heutige Großzoo und auch Parks der "zweiten Reihe" wie Rheine, Walsrode & Co. mal als Kleinzoo angefangen hat, teilweise erst vor ein paar Jahrzehnten. Wer weiß, ob nicht eines Tages Einrichtungen wie Thüle, Grömitz oder Jaderberg internationalen Rang haben werden? Walsrode fing bekanntlich mit einer privaten Fasanenzucht an...

Das Artenspektrum in den Kleinzoos wird sich von allein drastisch ändern, da die Haltung diverser Arten nach den geltenden Haltungsrichtlinien ais finanziellen Gründen kaum mehr möglich sein wird. So fand man in etlichen noch so kleinen Tiergärten früher Schimpansen, und keiner dieser Parks kann es sich heute leisten, für diese Tiere eine Anlage zu errichten, die den Vorgaben für Gehegegröße und Gruppenstruktur entspricht. (Wie man sieht, wollen oder können das ja nicht mal einige Großzoos!) Also wird die Haltung vielerorts mit dem Tod oder der Abgabe der Schimpansen auslaufen, und das gilt auch für eine Reihe anderer Tierarten, z.B. Bären.

Beim Artenspektrum der deutschen "Artenschutzzoos" fällt mir auf, dass ausgerechnet für die Haltung und Erhaltung solcher Großsäugerarten enormer Aufwand betrieben wird, deren spätere Wiederauswilderung fast unmöglich oder wiederum mit immensem Aufwand verbunden ist: Menschenaffen, Großkatzen, Elefanten. Die relativ leicht auszuwildernden Huftiere verlieren hingegen immer mehr an Haltungsressourcen in unseren Zoos. Auf der Fläche des Kölner Elefantenparks ließe sich die gesamte bedrohte Säugetierfauna der Philippinen in großzügigen Zuchtanlagen unterbringen....

Somit dient die Artenauswahl auch bei bedrohten Tieren vorrangig der Befriedigung des Publikumsinteresses (und als Erhaltungszucht auch dem Zweck, diese Arten auch in der Zukunft noch im Zoo präsentieren zu können) - weil jeder Zoo, jedes Artenschutzzentrum von Besuchergeldern und vom öffentlichen Interesse abhängig ist.

Grob gesagt: In einem heutigen Zoo dienen die gezeigten Tiere (und das Drumherum) auch dazu, der Öffentlichkeit Geld zu entlocken, um a) den eigenen Betrieb aufrecht zu erhalten und b) Gelder für Projekte in situ und ex situ abzweigen zu können. Um wieder zum "Feindbild" zurück zu kommen: Wenn ein weißer Tiger einem Zoo 100.000 Besucher mehr bringt und von den zusätzlichen Einnahmen ein Artenschutzprojekt unterstützt wird - ob nun für unterartreine, normalfarbige Tiger oder irgendeine andere Tierart - dann hat er sich seinen Platz im Zoo im wahrsten Sinne des Wortes verdient, denn das schafft kein Mähnenschwein, kein Schlitzrüssler oder kein Fingertier. Weiße Tiger (oder meinetwegen auch Löwen) sind mit wesentlich geringerem Aufwand haltbar als Pandas, Menschenaffen, Elefanten oder Delfine, begeistern aber mindestens genauso viele Besucher (wenn nicht sogar mehr) - also ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis günstig.

In indischen Zoos soll es übrigens noch weiße Tiger reiner Bengal-Abstammung geben; durch Einkreuzung "normaler" Bengalen ließe sich also ein unterartreiner Stamm mit breiter genetischer Basis erzeugen. Und durch die Haltung eines gemischten Paares (normalfarbig + weiß) kann man dem Besucher sogar noch etwas über Mutation und Vererbung beibringen - genauso wie mit der weit verbreiteten Haltung gemischter Jaguar-Paare.

Wenn einseitige Farbzucht und Mischblütigkeit als Argumente gegen weiße Tiger angeführt werden, dann müssten die "ernsthaften" Zoos sich auch von ihren Przewalskipferden trennen und den Platz andere Einhufer nutzen. Denn so wie in die weißen Tiger ein Sibirer eingekreuzt wurde, zählt zu den Vorfahren der Zoo-Przewalskis eine Hauspferdstute, und nach neueren Ergebnissen stammt das Hauspferd NICHT vom Przewalskipferd ab. Zudem wurde die Zoozucht nach einem vor Jahrzehnten in München willkürlich festgelegten "Rassestandard" selektiert, es fiel also ein Teil der natürlichen Färbungsvariabilität einer einseitigen Farbenzucht zum Opfer.
(08.08.2006, 13:22)
Ingo Rossi:   @Jamie: Danke für Ihren Text, habe geschmunzelt müssen. Aber der von Ihnen aufgezeigte Zusammenhang zwischen Wirtschaftlichkeit und ein wenig Wissenschaft ist heute - leider - Realität.
Ihre Auswilderungstheorie halte ich allerdings schon für sehr radikal und bestimmt würden dann in Zukunkt viele Tierarten in den Zoos verschwinden, die nicht mehr ausgewildert werden können. Sei es aus zerstörter Ursprungsheimat oder doch zu starke Gewöhnung an die Nähe des Menschen.
Zum Thema zurück, zoowürdig halte ich, unter dem Aspekt der Anschauung, nun jedes Tier. Bei den Zuchtprogrammne wird ja nicht nur auf die Anzahl der noch freilebenden Individuen geachtet, sonder doch auch auf die Schwierigkeit der Reproduktion. Und die ist bei Elefanten doch um einiges langsamer als z.B. bei Löwen. Daher macht ein rechtzeitig begonnenes Zuchtprogramm schon Sinn, auch für Tiere die es noch häufig gibt.
Doch eins ist ja auch klar, retten kann der Zoo die Welt nicht. Bleibt nun jedes Zuchtprogramm ein Trofen auf den heissen Stein. Der Gedanke des ex- und in-situ gefällt mir da ganz gut. Und das viele Tiere hier als Werbebotschafter für ihre Heimat im Zoo leben.
Zoowürdige Tiere sind ja nicht zu letzt auch immer eine Modeerscheidung. Ich erinnere mich noch an die vielen Hinweisschilder für die Clownfische nach einem gewissen Nemo-Film.
(08.08.2006, 12:21)
Karsten Vick:   Wenn es wirklich (einzige) Aufgabe der Zoos wäre, vom Aussterben bedrohte Arten in ausreichender Menge und genetischer Vielfalt zu züchten, dann dürften sie keinen Penny für Kunstfelsen und Schnickschnack ausgeben, sondern große artgerecht eingerichtete Zuchtgehege bauen, mit der Möglichkeit, mehrere Männchen zu halten usw. Diese Schiene der Tierhaltung funktioniert besser und wohl auch billiger in Zuchtstationen, die nicht für Besucher zugänglich sind. Die Aufgabe der Zoos ist immer noch, den Leuten Tiere zu ZEIGEN und zwar in ihrer ganzen Vielfalt. Nicht nur seltene, nicht nur schöne und nicht nur vom Marketingchef ausgewählte Publikumsmagneten. Gerade letztere kriegen in unseren Zoos immer mehr zu sagen. Früher waren die Leute die in den Zoos das Sagen hatten, genau solche Freaks wie wir, die sich auch an Schwimmbeutler und Kongopfau erfreut haben und sich ärgerten, dass das breite Publikum achtlos an diesen Tieren vorbeiging. Aber immerhin haben sie trotzdem diese Tiere gehalten und ab und zu hat sich doch einer das Schild durchgelesen und was gelernt. Das wird heute immer weniger. Man kann in Prag und Plzen sehen, was man außer Erdmännchen noch alles als Kleintiere in eine "Sambesi"- oder "Kiwara"-Landschaft einbauen kann. Wenn der Werbeexperte meint, dass da unbedingt Erdmännchen reinmüssen und wenn er denkt dass ohne "Sams Mine" keiner in den Zoo geht - ja Gott, dann soll er das doch bauen.

So, und da bei den hiesigen Platzverhältnissen die ganze Vielfalt in kaum einen Zoo passt, müssen sie sich wohl spezialisieren. Unsere eigenen Planungen zeigen, dass man sich z. B. einen Zoo mit Tieren nur eines Kontinents durchaus vorstellen kann. Der klassische Heimattierpark (bzw. Wildparks) und der Kleinzoo mit Reserveherden (Chemnitz z. B. mit Alfreds- und Mesopotamischem Damhirsch) haben dann auch ihre Daseinsberechtigung. Nicht allerdings die kleinen Sammel-Zoos wo ohne jegliches Konzept billige, leicht zu fütternde und leicht zu züchtende, winterharte Tiere bunt durcheinander gehalten werden.
(08.08.2006, 11:50)
Jamie:   Heikles Thema :-)

Wie ich woanders schon schrieb, kann man mit 15 Antilopenarten auf 500Meter Weg keinen Besucher mehr vom Hocker reißen. Egal, wie bedroht und schützenswert oder auch genpooltechnisch wertvoll und zuchterfolgreich sie sind.

Die Zeiten der öffentlichen Förderung sind für die meisten Zoos vorbei. Sie müssen selber sehen, wie sie das Geld für die Existenz und die Gewinne zur Weiterentwicklung ranschaffen.
Also ist es mir durchaus verständlich, daß erst mal Publikumsmagneten hermüssen. Also schnöde Streichelzoos und die Klassiker wie Affen, Elefanten, Großkatzen und Bären.
Kaum eine Stadt kann sich mehr ein lebendes Museum leisten und mehr ist es oft nicht, was viele festgefahrene Tierpfleger und Zoofans fordern.
Wenn sich Arterhaltung mit Besucherinteresse verbinden läßt, super. Aber 20 besucherunattraktive Tiere halten nicht die sie liebenden 3 Zoofans und 6 Tierpfleger am Leben.
Das Gros der Besucher will Extreme und Fun. Also supergefährlich, oberniedlich, extremhäßlich oder sonstwie spannend , aufregend, anders, neu. Sie finanzieren den laufenden Betrieb und sie lassen einem auch die Zeit für die "biologisch" interessierten Besucher, denn sie fragen höchstens nach dem Klo, wieso der Simulator nicht funzt ;-) oder keine Tiere zu sehen sind ...
Klar träumen auch wir Tierpfleger unsere Träume und bei den meisten kommen Besucher da gar nicht vor :-). Aber Fakt ist, ohne Besucher geht es heute nicht mehr.
Hat mir vor 20 Jahren ein Besucher gesagt: Ey, ich zahl Dein Gehalt!!! hab ich gelacht und angemerkt, daß seine 3 Mark fuffzig nicht mal für die jährliche Wasserrechnung reichen.
Heute darf ich den Besucher gar nicht mehr auf die Idee kommen lassen, daß er Recht haben könnte.
Allerdings kommt durch die gestiegenen Eintrittspreise auch sehr deutlich hinzu, daß das Niveau der Besucher sehr angestiegen ist und somit der Umgang mit ihm viel mehr Spaß macht. Das baut dann wieder auf.

Öhm...bin ich etwas off topic? Egal gehört zusammen.

Aber kurz noch zum Thema. Ich hab da eh eine etwas eigene Meinung, für viele nicht verständlich.
Was ich nicht wieder in sein ursprüngliches Habitat auswildern kann ist für mich auf dauer eine Museumsleiche, ein irrsinniger und unsinniger Kostenfaktor. Nennt es beschleunigte Evolution bedingt durch den Menschen. Das wirkliche Arterhaltungsargument ist für die meisten Menschen die Ausnahme, der Rest der Tierhaltung dient menschlichem Nutzen, menschlichem Appetit und menschlicher Belustigung.

Gruß Jamie
(08.08.2006, 11:40)
Zoosammler:   Wenn man nämlich die extreme Meinung vertritt (und da ist ja durchaus viel Vernünftiges dran), Zoos sollten nur artenschutztechnisch funktionieren und die "Platzwegnehmer" abgeben, dann übersieht man dabei, dass diese Tiere in Kleinzoos genauso Plätze für evtl. bedrohte Tierarten wegnehmen. Viele Kleinzoos könnten (und tun es teilweise auch) auch stark im Artenschutz engagieren, sie zu einem 0815-Sortiment zu verurteilen ist ungerecht und hilft dem Artenschutz auch nicht. Das das Problem nur verlagert wird, habe ich ja schon gesagt, denn es ist egal, ob die Mähnenschafmischlinge nun inem großen oder einem kleinen Zoo gezüchtet werden, solange sie überhaupt gezüchtet (gehalten) werden, nehmen sie de facto Platz weg, in einem großen genauso wie in einem kleinen Zoo.
(08.08.2006, 11:22)
Zoosammler:   Ich finde es bemerkenswert in was für einem Zwei-Klassen-System hier gedacht wird: Alles was der "Erhabenheit" eines "Großzoos" nicht angemessen ist, soll, ich sage das jetzt mal überspitzt, weiß nicht, ob es von ihnen so gemeint war, in eine "Provinzklitsche" abgegeben werden - munter nach dem Wegwurfsystem.
Und dann?
Wieso haben wir denn so viele "Kleinzoos" mit unzulänglichen Tierhaltungen in denen Tiere aus ehemaliger Großstadtzoohaltung ihren Lebensabend erleiden.
Und im Übrigen würde man das Problem ja dadurch nur verlagern: Wir bräuchten viel eher eine Verschlankung der Zoolandschaft - der normale Kleinzoo ist wirklich entbehrlich, das man auch interessanterer Wege und (immerhin) Ansätze als Kleinzoo finden kann, zeigen Rheine, Jaderberg, Nordhorn, Thüle, Aschersleben, Eberswalde, Bernburg, Landau und Neunkirchen. Ich bin der Meinung, wer sich nicht in solche Richtungen verändert, wird nicht gebraucht.
Und mir ist durchaus bewusst, dass das mittlerweile gar nichts mehr mit dem Thread zu tun hat. ;)
(08.08.2006, 11:16)
Sacha Beuth:   Ich bin generell dafür, den Platz in Grosszoos für die "echten" Wildtiere zu reservieren. Natürlich muss man unterscheiden. Trampeltiere und Dromedare gehören in den Grosszoo, weil deren Wildform (praktisch?) ausgestorben ist und sie zu den publikumsattraktiven Tieren zählen. Lamas, Alpakas, alle Hausrinder, -pferde, -schwein, -ziegen und -schafe gehören in einen Kleintierzoo. Dadurch geht natürlich für viele Kindern eine Attraktion verloren, die man aber mit einigen echten Wildtieren (und unter Aufsicht) ausgleichen könnte. Beim Hausyak kommt es darauf an, ob man man das Gehege als Gemeinschaftsanlage mit anderen asiat. Gebirgstieren nutzen kann resp. nutzt. (dann ja).
Beim Flusspferd ist die Unterart-Bestimmung m. W. ohnehin umstritten, da würde ich mal weitermachen. Beim Mähnenschaf sollte man langfristig auch eine Unterartenreine Haltung anstreben und peu à peu Mischlinge in Kleinzoos abgeben (sofern diese die jeweilige Tierart vernünftig halten können).
Ein Allgemeinrezept gibt es vermutlich nicht. Die Richtung sollte - übrigens auch bei Vögeln, Reptilien, Amphibien usw. weg von Mischlingen gehen.
(08.08.2006, 11:06)
Michael Mettler:   In den verschiedensten Threads entzünden sich immer wieder Diskussionen darüber, dass bestimmte Tiere (z.B. die "heiß geliebten" weißen Tiger) nicht in einen Zoo gehören, weil weil sie dessen Bemühungen um den Artenschutz unglaubwürdig machen. Nach Ansicht verschiedener Forumteilnehmer darf nicht der Platz für Tierarten blockiert werden, die eines Erhaltungszuchtprogrammes bedürfen.

Würde man dieses Kriterium konsequent umsetzen, müsste man in den Zoos erstens auf sämtliche nicht bedrohten Haustierformen verzichten (z.B. Hausren, Dromedar, Haus-Trampeltier, Lama, Alpaka, Watussirind, Zwergzebu u.a. Hausrindrassen, Wasserbüffel, Yak, Gayal, diverse Schweine-, Ziegen- und Schafrassen) und zweitens auch auf alle aktuell nicht bedrohten Wildtiere, darunter populäre Arten wie Rotes Riesenkänguru, Großer Tümmler, Nilflughund, Mantelpavian, Seehund, Kalifornischer Seelöwe, Böhmzebra, Warzenschwein, Rosapelikan, Rosaflamingo usw.

Würde man zudem analog zu den Argumenten gegen weiße Tiger noch sämtliche nicht unterartreinen oder stark ingezüchteten Zootiere "rausschmeißen", bliebe von manchen Zoobeständen nicht mehr viel übrig, denn darunter fallen Arten vom Mähnenschaf (ingezüchtete Mischlinge) bis zu Flusspferd und Fossa (Inzucht).

Andere Arten wären zudem stark diskussionswürdig: Wenn in einem fast übereinstimmenden Verbreitungsgebiet (Afrika südlich der Sahara und außerhalb des Regenwaldes) 500.000 Steppenelefanten leben, aber nur 40.000 bis 80.000 Pferdeantilopen und der Elefant als wandernde Art im Gegensatz zur standorttreuen Pferdeantilope in der Lage ist, Gebiete aus eigener Kraft wieder zu besiedeln, dann sollten Zuchtbemühungen eigentlich eher der Antilope als dem Elefanten gelten - wenn man der Artenschutz-Argumentation konsequent folgen würde. Und dann wären Chapmanzebras (geschätzter Bestand: 20.000) oder Afrikanische Löwen (geschätzter Bestand: 30.000) auch "wichtiger" als Westliche Flachlandgorillas (geschätzter Bestand: 90-100.000).

Also: Nach welchen Kriterien sollte sich ein Zoo eurer Ansicht nach seine Arten "aussuchen"?
(08.08.2006, 10:29)

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