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EU-Haltungsverbot für invasive Arten im Zoo



Hystrix:   Auf der kürzlichen Sitzung des Beirats der EU zu den invasiven Arten wurde in Aussicht gestellt, dass die 4. Erweiterung der Verbotsliste für Somme 2024 angestrebt wird. Man geht davon aus, dass dann ungefähr 20 weitere Arten gelistet werden.

10 Arten, darunter nur eine Pflanze und mehrere Wirbellose, sind im Prozess schon weit gediehen, hier hat der wissenschaftliche Beraterstab bereits Unterstützung gemeldet. Darunter sind drei Wirbeltiere mit Interesse für Tierhalter:

Acridotheres cristatellus Haubenmaina
Pycnonotus jocosus Rotohrbülbül
Cervus nippon Sikahirsch

Davon ist der Sika sicher der kontroverseste Fall, wegen der Jagdlobby. Andererseits ist das Problem längst überfällig anzugehen, in Irland gibt es fast keine wilden Rothirsche mehr, alle Hirsche dort dürften sikablütig sein, in Schottland ist es bis auf wenige Inseln fast so weit. Auf dem Kontinent wurde das Risiko heruntergespielt, durch Gutachten der Jäger, die das Problem vertuschen wollen. In Deutschland gibt es Sikabestände im Südschwarzwald, Sauerland und Schleswig, das Ausmaß der Einkreuzung in den Rothirsch bei uns ist schwer abzuschätzen. Das Risiko hängt offenbar auch von den jeweils ausgewilderten Unterarten der Sikas ab, die verschieden gerne mit Rotwild kreuzen. Nicht immer ist klar, was für Sikas bei uns leben, zumal die Taxonomie der Sikas chaotisch und letztlich unverstanden ist nach Jahrausenden der Hirschfarmen in Fernost. Wenn Dybowskihirsche ausgewildert wurden, die ihrerseits vermutlich Hybriden Sika x Rotwild sind (unklar ob natürliche Hybriden oder historische Farmprodukte), sind die Einkreuzungen ins Rotwild vielleicht stärker als bei Japanischen. Allein dafür ist zu hoffen, dass der Sikahirsch gelistet wird, damit endlich einmal Geld in Forschung fließt. Vielleicht wird dann endlich geklärt, ob die Festlandsikas überhaupt echte Wildtiere sind oder alle nur ursprüngliche Farmhirsche. Das wäre dann auch ein Fortschritt für Zoos, die bisher immer unkritisch von dem ausgehen, was man „immer schon wusste“, was angesichts Jahrtausende der Hirschwirtschaft in Fernost sicher kaum richtig sein kann.


8 weitere Artvorschläge sind derzeit bei der EU in Revision. Für Halter am wesentlichsten der Mönchssittich, der in spanischen Städten inzwischen sehr häufig wurde.

Noch 8 weitere Vorschläge, die teilweise früher einmal wegen politischer Opposition eines oder mehrerer Mitgliedsstaaten abgelehnt wurden, werden gerade neu vorbereitet und sollen den Staaten zum zweiten Mal vorgelegt werden. Darunter zwei kontroverse Arten, der Kanadabiber, gegen dessen Listung Finnland Sturm lief, weil er inzwischen als einziger Biber das ganze Land besiedelt und neuerdings nach Schweden ausbreitet und dort den heimischen Biber angreift. Dieser Vorschlag wird derzeit überarbeitet und soll wohl neu verhandelt werden. Die zweite extrem kontroverse Art ist der Mink, wie in meinem letzten Beitrag geschrieben.

Sehr viel weiter ist man zudem gekommen mit der Datengrundlage, inzwischen erfasst das Kataster der EU-Daten zu fast 15.000 Arten, wobei mir nicht klar wurde, ob die alle schon in der EU etabliert sind, und mehr als 110.000 Ortsnachweisen.

Zudem wird ein neues Thema angegangen, die problematische Listung mariner Arten, die sich mit Meeresströmungen ausbreiten und vielfach dem Zugriff der Staaten entzogen sind. Dazu werden Iden gesammelt.

Immerhin scheint mir der Istzustand des Gesetzes so zu sein, dass aus kleinen Anfängen allmählich ein wirksames Instrument entsteht.

(30.06.2023, 09:14)
Hystrix:   Wir hatten hier diskutiert, dass die EU-Verbotslistung der Haltung vom Mink wegen heftigem Widerstand einzelner Staaten, vorab Dänemark, nicht durchzusetzen war. Schon jetzt macht sich aber die EU an einen neuen Versuch, ein Verbot zu erwirken. Bis Ende das Jahres wird das Risk Assessment auf den neusten Stand gebracht., ab Dezember will dann die EU den neuen Vorstoß auf der Ebene der Mitgliedsstaaten einbringen.

Seit dem damaligen Scheitern eines Verbots hat sich an der Dringlichkeit wenig geändert, der Europäische Nerz ist nach wie vor eines der am stärksten bedrohten größere Säugetier in Europa. Nachdem sich Minks aber als anfällig gegen menschliche Coronaviren erwies, ordneten einzelne Halterstaaten, darunter ausgerechnet das Mega-Minkzuchtland Dänemark, das Keulen aller Farmnerze an. Somit liegt die Minkindustrie derzeit im Bollwerk gegen ein Haltungsverbot am Boden, und die EU sieht eine Chance, das auszunutzen um zu einem endgültigen Verbot zu kommen.

Parallel und unabhängig dazu sind in einer Kampagne von Tierschützern genügend Bürgerunterschiften zusammengekommen, um ein generelles Verbot von Pelztierhaltung, also nicht nur Mink, in EU-Europa zu fordern. Gemäß den Statuten der Bürgerbeteiligung der EU muss das wegen der großen Zahl der Unterschriften jetzt auf höchster Ebene aufgegriffen und diskutiert werden.

Aus Naturschutzsicht am wichtigsten wäre derzeit ein Verbot der Minke in Spanien und Rumänien (wobei ich nicht weiß, ob und wie viele Pelzfarmen in Rumänien existieren), denn dort leben noch die besten Bestände vom Europäischen-Nerz, und zumindest in Spanien überdauern bis heute Minkfarmen nahe den bedrohten Wildbeständen, die Objekt mehrerer EU-Projekte waren. Die spanischen Pelzfarmen haben auch die Coronakrise überstanden, die Tiere dort wurden nicht gekeult.

(27.06.2023, 14:52)
Sacha:   Fangen wir wieder mit falschen Unterstellungen an? Wo bitte schön habe ich "mehrfach festgestellt, dass die Schweiz wahrscheinlich nicht mitmachen wird"?? Ich habe lediglich geschrieben, dass eine Ãœbernahme der Listung durch die Schweiz(er Regierung) noch nicht klar sei (nachzulesen im Post vom 22. 6. 2019). Das ist eine Hoffnung, aber keine Feststellung, schon gar nicht eine "mehrfache".

Zur Bemerkung mit der Gefahr für das Schweizer Politikmodell verweise ich auf meinen Post vom 22. 3. 2017.

Beim Punkt bezüglich der Steuergelder für die Uni Bern stelle ich einen Gegenfrage: Ist es in demokratischen Staaten wirklich so aussergewöhnlich, dass Institutionen bei Projekten mitmachen, die nicht der Ansicht der Mehrheit ihrer Bevölkerung und/oder Regierung entsprechen? Etwa um zu versuchen, das Ganze nach dem Sinn des eigenen Staates zu steuern? (Hierzu wäre vielleicht interessant, welche zusätzlichen Arten die Uni Bern unbedingt gelistet haben will).

Und zum Schluss noch das Zitat: "sondern dann verschiebt man die Entscheidung und berät erneut nach einer Lösung".
-was dann gelegentlich bis zum Sankt-Nimmerleinstag dauert.
(14.12.2022, 14:15)
Hystrix:   Die Reaktionen auf meinen letzten Beitrag wundern mich, ich hatte lediglich darauf hingewiesen, dass bei der bisher schärfsten Formulierung von Forderungen nach Artenverboten in Europa zwei Institute aus der Schweiz mitgearbeitet haben, und zwar im Auftrag der EU-Kommsision. Mehr habe ich nicht gesagt.

An Sacha wandte ich das nur deshalb ein, weil er mehrfach zuvor feststellte, dass „die Schweiz“ (als Staat, d.h. die Regierung) wahrscheinlich nicht mitmachen wird im gesamteuropäischen Geleitzug gegen Neozoen, anders etwa als Norwegen, das voll mitmacht, weil es die biologische Sinnhaftigkeit des Ansatzes nachvollzieht, obwohl Norwegen auch kein EU-Mitglied ist. Sacha nannte Furcht vor Bürokratie und Autoritätsverlust als Gründe, soweit ich das erinnere. Offenbar sieht er das Schweizer Politikmodell in Gefahr, wenn in einem Schweizer Zoo keine Schwarzkopfruderenten mehr gezeigt werden dürfen.

Falls Sacha Recht hat und das wirklich innerschweizer Konsens sein sollte, ist doch interessant, dass sich der Schweizer Staat offenbar verweigert, dass aber zwei Institutionen in der Schweiz, von denen wenigstens die Uni Bern aus schweizerischen Steuergeldern finanziert werden wird, zu den schärfsten Forderern von sehr vielen europaweiten Artverboten gehören.

Allerdings gehen unter dem Autorengremium, das diese bisher maximale Verbotsliste im Auftrag der EU erhob, die beiden Schweizer Institute numerisch unter, es sind nämlich viele Autoren – wobei die nicht wenigen britischen Mitforderer inzwischen auch nicht mehr zur EU gehören. Die Europäer arbeiten also bis heute immer weiter Forderungen nach Artverboten ab, die zu einem Anteil aus Nicht-EU-Staaten erhoben wurden, darunter von der Regerung bezahlte Institute aus der Schweiz.

Im Übrigen hat das momentan wegen Korruptionsvorwürfen kritisierte EU-Parlament mit den Listungen nichts zu tun. Die Artenverbotsliste beruht allein auf den Regierungen der Mitgliedsstaaten, also gegen 30 europäische Länder, wozu als eine weitere Stimme in der Abstimmung EU-Kommission kommt, deren Einfluss sich damit auf 5% der Stimmrechte beschränkt. Die Verbotsliste ist also zwar europaweit begründet, aber eben durch die Staaten im Konsens, nicht durch EU-Institutionen. Die EU bietet nur das organisatorische Forum, damit sich die Staaten treffen und beraten und am Ende abstimmen können – sie aber entscheiden. Einfache Mehrheit der Regerungen genügt, also nach Auszug von GB wird eine Art verboten, wenn mindestens 15 Staaten das beschließen. Die meisten biosherigen verbotsarten ebruhen aber auf einer sehr viel größeren Mehrheit, typisch ist eher Einstimmigkeit aller Regierungen.

Was die EU-Kommission dazu meint ist nachgeordnet. Wobei zudem die Praxis zeigt, dass eine Art auch dann bisher nicht verboten wurde, wenn es erheblichen Widerstand einiger betroffener Staaten gibt, selbst falls eine knappe Mehrheit der Regierungen für ein Verbot sind – sie Mink und Kanadabiber. Es werden also Minderheitenmeinungen nicht brutal überstimmt, sondern dann verschiebt man die Entscheidung und berät erneut nach einer Lösung.

Es ist also machtpolitisch keine EU-Verbotsliste, sondern eine Verbotsliste der (in der raxis großen) Mehrheit der europäischen Regierungen, nur dass diese in Brüssel abstimmen, aber eben als Staaten das Sagen haben und behalten- Der bestechende Scheich müsste also, um durchzukommen, mindestens 15 europäische Regierungen bestechen.

(14.12.2022, 10:41)
Carsten Horn:   Und wenn irgend so ein Scheich mit Faible für Muntjaks in Brüssel ein paar Millionen locker macht, dann sind die Tierchen auf einmal gar nicht mehr so schlimm, weil es sicher immer irgendwelche Eurokraten gibt, denen die eigene Tasche wichtiger ist als irgendwelche gemeinschaftlichen Ziele. Die Spitze des Eisberges zeigt sich ja gerade mal wieder...!
(13.12.2022, 08:33)
Sacha:   Kleiner Nachtrag: Das "ambivalente" Verhalten der Schweiz (oder sagen wir besser: Der Schweizer Behörden und Politiker) ist seit mindestens Ende der 1930er Jahre hinlänglich bekannt und wahrlich kein Ruhmesblatt.
Aktuell macht uns aber der Grosse Kanton deutlich vor, dass wir mit diesem "Pragmatismus" nicht allein sind. Waren es nicht auch deutsche Politiker, die nebst deutschen Promis und deutschen Medien die "Mannschaft" dazu drängten, an der WM in Katar ein Zeichen gegen die dortigen Menschenrechtsverletzungen zu setzen? - Und dann macht man bei eben diesen Kataris den Bückling, damit man von ihnen Flüssiggas bekommt...?
(13.12.2022, 08:31)
Sacha:   CABI Switzerland ist ungefähr so schweizerisch wie heute Nestlé. Ein internationales Institut mit Forschern aus aller Herren Länder. Wüsste man, wenn man etwas recherchiert. Inwieweit hier Deutsche involviert sind oder nicht, entzieht sich allerdings meinem Wissen. Andererseits besteht die EU - ein weiterer Beweis, wie sehr @Hystrix in grossmannssucht-ähnlichen Verhalten den Rest von Europa bei Seite schiebt - nicht nur aus Deutschland.

Interessant wäre zu Wissen, welche Fakultäten/Departemente der Uni Bern an der EU-Liste mitgearbeitet haben. Denn der Geschäftsführer des Departements für Biologie ist durchaus Deutscher bzw. Doppelbürger.

Im Übrigen halte ich den Schweizer Weg bzw. die Form der direkten Demokratie durch das Volk besser als das Diktat der Bürokraten aus Brüssel. Das heisst aber nicht, dass es nicht auch in der Schweiz praxisferne und profilierungssüchtige Bürokraten gibt. Im Gegenteil. Und dass die Wirklichkeit eben kompliziert ist, ist eine derart abgedroschene Phrase, dass man dafür eigentlich 5 Euro ins Phrasenschwein werfen müsste.
(12.12.2022, 23:17)
Hystrix:   Die EU hat soeben im Dezember 8 weitere Arten für die Risikoberwertung hinsichtlich einer späteren Verbotslistung als invasive Arten benannt. Es sind überwiegend Wirbellose, auch zwei Pflanzen, für Tierhalter ist nur der Mönchssittich relevant, wenn man von einem exotischen Krebs absieht.


Zu Sacha:

Auch diese neuerlichen Arten beziehen sich immer noch auf die Grunderfassung von immerhin 250 invasive und mögliche EU-Verbotsarten, die im Jahr 2015 im Auftrag der EU erstellt wurde. Man arbeitet also immer noch diese alte Liste ab. Unter den Autoren dieser grundlegenden Liste für geplante Verbote war übrigens kein Deutscher, wohl aber u.a. zwei Schweizer Institute, einmal die Uni Bern und dann CABI Switzerland. Die für Sacha offenbar wichtige Schweizer Abstinenz in Sachen EU-Neozoen kann also nicht so ernst gemeint sein, wenn prominente Schweizer Institute die EU anheizen, noch erheblich mehr Arten zu verbieten als ohnehin vorgesehen. Ein weiterer Beleg für helvetische Ambivalenz im europäischen Naturschutz, gleichzeitig „Scharfmacher“ und „Verweigerer“. Die Wirklichkeit ist halt kompliziert,

(12.12.2022, 17:18)
cajun:   Zur Diskussion um öffentliche Tierhaltungen/Zoos als "Quelle" von Gründerpopulationen hier ein Zitat aus einer Veröffentlichung der UNI Kiel:
"Mögliche Herkunft
Tierparks und Zoos sind als (ehemalige) Halter von
Muntjaks bekannt. So hatte z.B. der Tierpark Get -
torf 2015 (Kreis Rendsburg) ein Muntjakpärchen von
Hagenbecks Tierpark erhalten ( Concentus-redivivus.
de 2020) und hält nach eigenen Informationen ( Tier-
parkgettorf.de 2020) immer noch Muntjaks, allerdings
handelt es sich dabei um Indische Muntjaks ( Muntia-
cus muntjak). Im Kreis Segeberg (SE) ist der Oberen
Naturschutzbehörde eine Privathaltung bekannt ge-
wesen, in deren Umfeld es spätere Freilandfunde gab
(Drews, mdl. Mitteilung). Schließlich werden Munt-
jaks trotz eines unionsweiten Handels- und Haltungs -
verbots auch in Schleswig-Holstein immer wieder
zum Kauf angeboten oder von Käufern gesucht:
• Kaufgesuch von Muntjaks vom 21.2.2020 (Quoka.
de 2020) aus dem Raum Kappeln (Schleswig),
• Verkaufsangebot von Muntjaks aus dem Raum
Neustadt in Holstein (Annoncen.org 2020).
Die Herkunft der Koseler Chinesischen Muntjaks wurde
bisher nicht aufgeklärt. Die Herkunft aus Tierparks und
Zoo scheint aus o.g. Gründen ausgeschlossen, eine oder
mehrere private und ungenehmigte Haltungen und die
(absichtliche?) Ansiedlung ist wahrscheinlicher. Auf-
grund der räumlichen und zeitlichen Nähe erscheint
den Autoren ein Zusammenhang mit dem Kaufgesuch
vom 21.2.2020 aus Kappeln naheliegend."
Zitat aus https://macau.uni-kiel.de/servlets/MCRFileNodeServlet/macau_derivate_00003114/kiel-up_2699-7762_p12.pdf

Allerdings gibt es hierzu den Funfact, dass der TP Gettorf laut aktueller ZTL Halter Chinesischer Muntjaks ist, sie aber als Indische Muntjaks ausschildert..... hm..... jetzt kann man spekulieren.....

Und zum invasiven Potential dieser kleinen Hirsche, das durchaus sehr ernst zu nehmen ist wird hier gesagt:

"Rasanter Siegeszug
Der Chinesische Muntjak, auch Zwergmuntjak genannt, ist mit 50 Zentimeter Schulterhöhe die kleinste Muntjakart aus der Familie der Hirsche. Muntjaks leben von Natur aus in Asien. Im 19. Jahrhundert waren wenige Einzeltiere von China nach England exportiert und dort in Zoos und Tierschauen gezeigt worden. Im Londoner Zoo vermehrten sich die Tiere.
Die ersten britischen Muntjaks gelangten aus dem Zoo von Bedford in die Freiheit.
Drastische Zunahme
1901 dann wurden aus einem Park in Bedfordshire, der vom Zoo Tiere übernommen hatte, die ersten elf Muntjaks in die Freiheit entlassen – die Gründerpopulation in Britanniens freier Wildbahn. Weitere später freigelassene Tiere gehörten ebenfalls zur Linie des Londoner Zoos. Forscher schätzen die Zahl der Chinesischen Muntjaks im Vereinigten Königreich heute konservativ auf 52.000. Zum Vergleich: Die Bestände in China und Taiwan sollen sich auf etwa 118.000 Tiere belaufen. Die Spezies hat laut Weltnaturschutzunion IUCN den Status „gering gefährdet“.
Die Art breitet sich auf den britischen Inseln derzeit jährlich um einen Kilometer nordwärts aus und hat inzwischen die Grenze zu Schottland erreicht, erfolgreich Wales und Englands Südwesten erobert und kommt neuerdings sogar in Irland vor. Die Abschüsse durch Jäger stiegen derweil zwischen 1961 und 2009 um mehr als das Siebzehnfache.
Spurensuche im Genom
Forscher um Marianne Freeman von der Queen’s University in Belfast wollten wissen, wie groß die Ursprungspopulation in England war. Damit sollte die Frage geklärt werden, ob Hirscharten zur erfolgreichen invasiven Art werden können, wenn nur wenige Einzeltiere die Erstpopulation bilden. Für ihre Studie entnahmen die Forscher 176 britischen Muntjaks DNA-Proben und analysierten die Mikrosatelliten aller Tiere – kurze, sich wiederholende Abschnitte der DNA.
Sie entdeckten acht sogenannte mitochondriale D-Loop-Sequenzen. Dahinter verbergen sich Varianten einer Sequenz aus DNA-Bausteinen auf ein und demselben Chromosom. Unter den acht Sequenzen wurden keine ungleichgewichtigen Verbindungen gefunden. Die genetische Distanz zwischen den untersuchten Muntjaks war damit verschwindend gering. Zum Vergleich wurden Genproben der taiwanesischen Unterart Muntiacus reevesi micurus herangezogen.
Am Anfang stand nur eine Handvoll Weibchen
Im „Journal of Zoology“ legte das fünfköpfige Team nun seine Erkenntnisse vor. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die ganze Invasion auf ein einziges Gründungsereignis unter Einbezug einer kleinen Zahl von Weibchen zurückgeführt werden kann“, schreiben die Forscher. Konkret sollen vier oder fünf Muntjak-Weibchen die Gründermütter der heutigen Population sein.
Die Forscher schlussfolgern daraus, dass selbst kleinste Freilassungsaktionen zu einer unumkehrbaren und kostenträchtigen invasionsartigen Ausbreitung der Spezies führen können – auch wenn die genetische Vielfalt der ausgesetzten Tiere sehr gering ist."
Zitat aus https://www.scinexx.de/service/dossier_print_all.php?dossierID=91176

Allerdings, auch wenn die ersten englischen Tiere aus einem Zoo stammten, war es damals wohl eher ein Akt der sog. Akklimatisierungsgesellschaften, Eine andere Zeit , ein anderer Trend. In heutigen "Aussetzungen" findet sich auch eher die Idee "die Fauna zu bereichern" oder "Jagdwild anzusiedeln", bis hin zu Freilassungsaktionen von tierliebenden Menschen.
Vielleicht waren Zoos mal die Quelle, jedoch sehe ich sie, ähnlich wie Sacha, als relativ sichere Orte . Nun gut, es sei denn man ist ein Pinguin in Salzburg und versteckt sich im Maisfeld- wer weiß welche invasive Artetablierung da verhindert wurde.. ;0) schalke aus*
(03.08.2022, 14:47)
Sacha:   Beim meinem letzten Absatz ist anzumerken, dass dafür ggf. auch Gesetze/Vorgaben angepasst werden müssten. Nur wären sie m. E. praxisnaher.
(03.08.2022, 12:00)
Sacha:   @Carsten Horn: In diesem Fall: Leider.

Wenn sich gebietsfremde Arten derart vermehren, dass sie für die Umwelt eine ökologische Gefahr darstellen, dann müssen Sie meines Erachtens eliminiert werden (zumindest wenn andere Massnahmen nicht funktionieren).

Mich stört vielfach der mangelhafte Vollzug und die unzureichende Kontrolle der bereits vor der EU-Listung bestehenden Gesetze. Wäre man hier strenger, würde dies m. E. viel mehr bringen als immer neue Verbote, die dann doch nicht - oder nur mangelhaft - kontrolliert werden bzw. kontrolliert werden können. Mehr Eigenverantwortung, dafür rigorosere Strafen bei Missachtung und konsequente Kontrolle sind viel zielführender.

Das könnte zum Beispiel bei Chinesischen Muntjak und Axishirsch heissen: Haltung, Zucht, Export und Import für öffentliche zoologische Institutionen (und nur für diese) blieben erlaubt. Der Halter müsste aber sicherstellen, dass ein Entweichen in die Natur nahezu (= 100prozentige Sicherheit gibt es nirgends) unmöglich ist. Und falls dies doch einmal geschieht, muss dies gemeldet werden und es setzt eine horrende (Geld?-)Strafe, die sich erhöht, wenn das entwichene Tier nicht in einer definierten (kurzen) Frist wieder eingefangen werden kann. Die Strafe wäre nochmals höher, wenn in diesem Gebiet sich die entwichene Art bereits etabliert hat oder berechtigte Hinweise dazu bestehen. Zudem wären Bestand und Bestandesänderungen monatlich den zuständigen Behörden zu übermitteln. Das wäre mit einfachen und wenige kostspieligen technischen Massnahmen möglich. Das sind mal nur die groben Ansätze, die man weiter ausfeilen kann, aber ich denke, man versteht, in welche Richtung ich ziele. Es hätte auch den Vorteil, dass es weniger Widerstand/Probleme gibt, bei verwandten Arten bzw. Unterarten, die nicht gelistet sind, ebenfalls die genannten Massnahmen zur Haltungs-Bedingung zu machen. Eine bedrohte Muntjacus-reevesi-Unterart wird ja nicht plötzlich weniger invasiv, nur weil man zur Haltung eine Ausnahmebewilligung erteilt hat.
(03.08.2022, 11:58)
Carsten Horn:   Vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis irgendein Gericht den Abschuß verbietet, so wie bei den Hippos in Kolumbien, g...
(03.08.2022, 10:59)
Hystrix:   Noch eine interessante Entwicklung: in Spanien diskutiert man, dieselben Tierhalter, die invasive Vögel eingebracht haben, als Teil der Lösung zu begreifen. Inzwischen gäbe es in 2000 spanischen Gemeinden invasive Mönchssittiche, die bei der Stadtbevölkerung sehr beliebt sind und oft sogar gefüttert werden, aber den Bauern als Knospenvertilger Schaden machen und im Bestand explodieren. Einige Städte, darunter Madrid mit der größten Population (offenbare 10000e), begannen sie abzuschießen, was regelmäßig Widerstand erzeugt aus Tierschutzkreisen, weil die Tiere so nett aussehen. Jetzt will man berechnet haben, dass in allen Gemeinden, wo noch nicht mehr 500 Papageien leben, es ausreichen würde, sie lebend zu fangen, zu kastrieren und dann individuell gechipt und behördlich registriert an interessierte Halter zu verteilen, ohne Kosten, aber unter Aufsicht. Bei Beständen größer als 500 ginge das nicht mehr, dazu vermehren sich die Vögel zu schnell. Man braucht dazu aber so viele freiwillige Halter, dass es nur mit Hilfe von genau den Organisationen von Heimtierhaltern und Tierschützern gehen könnte, die einerseits für die Einschleppung verantwortlich waren, und andererseits die Abschüsse verteufeln und damit eine rechtzeitige Lösung des Problems.

Offenbar sind neben den auch in Spanien zunehmenden Halsbandsittichen und den explodierenden Mönchssittichen mehrere weitere invasive Papageien sowie bunte Prachtfinkenarten momentan im Anrollen, aber diese alle noch unterhalb der Schwelle, wo außer Massenabschuss oder Vergiften nichts mehr hilft. Insofern könnte hier dieses Modell auch noch greifen. Wenigstens bei bunten Arten, für die ein Halterinteresse besteht.

Für die nächste Erweiterung der EU-Liste steht auch der Mönchssittich zur Abstimmung. Die Briten ließen inzwischen alle abschießen, das waren aber nicht allzu viele, in Spanien reagiert wohl jede Kommune, die bisher damit zu tun hatte, anders. In sieben Großstädten wächst derzeit das Problem über den Kopf, aber nur 3 davon würde sich trauen zu bekämpfen, andere eiern rum und verlieren so langsam die Chance, die Bande noch loszuwerden. Mit dem Modell der Haltung von eingefangenen Kastraten mag das politisch besser klappen.

(02.08.2022, 17:45)
Hystrix:   Noch mehr als durch Institute wird der Krallenforsch, auch Apothekerfrosh genannt, von Leuten ausgesetzt worden sein, die ihn früher in der Apotheke kauften für einen Schwangerschaftstest. dafür wurden bis ins spätere 20. jahrunderte Millionen Frösche aus Afrika importiert, um Ihnen Urin der Testperson unter die Haut zu spritzen, und viele werde die Tiere nicht getötet haben nach dem Test, sondern ausgesetzt.
(02.08.2022, 17:30)
Sacha:   Der Krallenfrosch soll laut gbif.org sogar im mittleren Grossbritannien gesichtet worden sein. Die Frage, die sich hier - wie bei vielen anderen Arten stellt - ist die, ob wirklich öffentliche Zoos die (Haupt-)Verantwortlichen für die invasive Verbreitung sind. Davon ausgehend, dass Krallenfrösche in der Forschung als sehr geeignete Versuchsobjekte angesehen werden, dürfte/könnte ein Ersatz für diese schwierig werden (ansonsten hätte man es der Logik folgend schon längst getan). Heisst: Die Gefahr ist da, dass die Tiere auch nach dem Verbot weiter in Instituten/Labors gehalten werden, die von den Behörden weniger kontrolliert werden (können), als Haltungen in Zoos. Auch erscheint mir anhand der Fundorte die Ausbreitung der Art eher auf solchen Instituten als auf öffentlichen Zoos zu fussen.
(02.08.2022, 16:18)
Hystrix:   Heute tritt die in meinem letzten Beitrag angekündigte Erweiterung der EU-Liste invasiver Arten mit 22 Neulistungen in Kraft, außer dass die Verbote für drei dieser Arten, darunter Wassersalat und Afrika-Krallenfrosch, erst ab 2024 voll greifen, um Händlern und Nutzern besonders in Forschungsinstituten einen Ãœbergang zu ermöglichen.

Zum ab heute gelisteten Axishirsch wird noch bekannt, dass er in Tschechien wild eingebürgert lebt und dass befürchtet wird, dass die Zoobestände auch anderswo sich etablieren. Das klingt so, als ob das längere Vorkommen in Kroatien inzwischen beseitigt wäre. Bei dieser Art hat die EU wie bem Munjak primär Zoos im Auge.

Auch der Krallenfrosch sei inzwischen in der EU etabliert, nicht sehr verbreitet lokal aber nordwärts schon bis Belgien, und die zunehmen wärmer werdenden Winter machen eine Nordausbreitung möglich, wenn man nichts unternimmt.

(02.08.2022, 15:46)
Hystrix:   Aktuell wird das Protokoll der EU-Sitzung vom Mai 2022 über die diesjährige Erweiterung der Verbotsliste invasiver Arten bekannt. Dieses Mal wurden nach längerer Unterbrechung wegen Coronapause zum ersten Mal seit langem neue Arten aufgenommen.

Es gab aber heuer offenbar eine relativ kontroverse Sitzung, schwieriger als früher, offenbar erlahmt so langsam der Naturschutzwillen einiger Staaten, und man versucht mancherorts weitere Listungen auszubremsen, offenbar teilweise ohne die früher übliche Scham zuzugeben, dass man in einigen Staaten für Naturschutz nicht mehr bereit ist mehr zu investieren, was aktuell ganz offen vorgebracht wurde. So kam der ursprüngliche Vorschlag der EU, 30 Arten neu zu listen, zu Fall bzw. gar nicht zur Abstimmung, und die Kommission rettete ihren Vorschlag, indem man die acht kontroversesten Arten herausnahm. Mit Kanadabiber und Kermesbeere sind darunter leider zwei besonders schädliche Invasoren, über die nicht deshalb noch nicht abgestimmt wurde. Es wird nicht verraten, wer sich querlegte, aber offenbar war der Hauptgrund, dass die Listung speziell dieser Arten einen zu hohen Aufwand in der Umsetzung erfordert. Insofern wird sich Finnland beim Biber quergelegt haben, dem schwanen dürfte, was das auf das Land zukommt an Kosten wie auch an politischem Unmut. Die Logik dahinter ist etwas eigenartig, die für die heimische Natur schlimmsten Arten nicht zu listen, weil das in der Umsetzung zu viel Aufwand macht, und lieber weniger wichtige und dafür einfach umzusetzende Arten durchzuwinken. Einzelne Staaten wollten auch gar nicht erweitern, man käme mit den schon 66 gelisteten Arten kaum nach. Die EU sah keine Chance, die Liste von 30 durchzukriegen, und nahm 8 Arten heraus, wohl auch um ein Scheitern der Abstimmung aller ursprünglicher 30 Arten zu vermeiden.

Der Rest wurde danach abgestimmt, also 22 Arten, und mit Zweidrittelmehrheit durchgewunken, darunter sind auch einzelne Arten, die zuvor ebenfalls abgelehnt waren von Einzelstaaten und trotzdem nicht heuagsenommen wurden.

Positiv ist trotzdem, dass auch unter den 22 noch einige sehr wichtige Kandidaten sind, so droht die Kettennatter ganze Inselendemiten von Reptilien weltweit (sprich auf kleinen Inselbiotopen) auszurotten, und auch die Gambusien und Katzenwelse sind eine Pest. Endlich ist auch der Kamberkrebs nachgelistet, so dass nun praktisch alle invasiven Krebse gelistet sind. Hier konnte man sich offenbar gegen starke kommerzielle Interessen durchsetzen.

Beim Nilsalat wurde protestiert, der Gartenbau habe irgendwo zuletzt in die Vermarktung der Art Geld investiert und könne darauf nicht verzichten. Allein, dass solche Details so ehrlich ins Protokoll geschrieben wurden, statt sie diplomatisch zu umzuschreiben, also im Protokoll zuzugeben, dass an sich sehr kleine kommerzielle Interessen einer oder einzelner Firmen den europaweiten Artenschutz schmälern sollen, zeigt wohl, dass der EU so langsam die Nachsicht für einige Staaten abgeht, die man zwar nicht ganz öffentlich bloßstellt, aber deren doch recht fadenscheinigen Egoismus doch im Grundsatz publiziert. Der Nilsalat ist trotzdem unter den 22 Arten der neuen Verbote, aber nur mit zweijähriger Übergangsperiode, wo in einzelnen Ländern noch gehandelt werden darf, um wenigstens diese verzögerte Listung zu ermöglichen. Positiv ist auch, dass der Mink wenigstens in der Debatte wieder hochkam, der früher ebenso aus Geldgründen herausgenommen wurde, seither aber im Hauptgegner einer Listung, Dänemark, massakriert werden musste wegen Corona. Der kommt also vielleicht später doch noch dazu, ganz bald aber nicht.

Immerhin wurde auch eine weitere Kommissionssitzung noch für später in 2022 angesetzt, es wird also wenigstens nichts auf die ganz lange Bank geschoben.

Ansonsten treten die neuen Verbote 20 Tage nach Gegenzeichnung der EU in Kraft, also wohl noch im Juni oder Juli.

Folgende für Tierhalter interessante Arten sind ab weiterhin dann verboten:

Axishirsch Axis axis
Finlayson-Hörnchen Callosciurus finlaysonii
Rußbülbül Pycnonotus cafer
Kettennatter Lampropeltis getula
Krallenfrosch Xenopus laevis
Schwarzer Katzenwels Ameiurus melas
Schlangenkopffisch Channa argus
Zebra-Killifisch Fundulus heteroclitus
Moskitofische Gambusia affinis und Gambusia holbrooki
Amerikanischer Streifenbarsch Morone americana
Kamberkrebs Faxonius rusticus

Für Terrarienbegrünung interessant:
Nilsalat Pistia stratiotes, Verbot tritt zumindest in Einzelstaaten erst in 2 Jahren in Kraft

An der Listung von einer wenig gefährlichen, wiel leicht wieder einzuhegenden Art wie dem Axishirsch sieht man schon, dass so langsam das politisch einfache Durchsetzen wesentlicher sein kann als die echte Gefahr, sonst hätte man den Kanadabiber klar vorziehen müssen

PS
Zu meinem Beitrag vom 14.422 ist nachzutragen, dass die dort für die nächstfolgende Verbotsrundeab 2023 derzeit geprüften Arten noch um den Sikahirsch ergänzt werden muss, der vom Beirat auch noch aufgenommen wurde. Der ist lange überfällig, und wurde seither von der Jagdlobby ausgebremst.

(14.06.2022, 16:50)
cajun:   In Augsburg sind neue Nasenbären angekommen.
https://m.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-zoo-holt-unerwuenschte-nasenbaeren-nach-augsburg-id62463291.html
(26.04.2022, 08:37)
Hystrix:   Das Landesamt Umwelt Bayern erteilte am 31.1.22 die Ausnahmegenehmigung für die „Ex-Situ-Erhaltung“ von bis zu maximal 15 Nasenbären und 25 Muntjaks in Bayern. Das klingt nach einem bajuwarischen Mini-EEP allein im Land der Lederhosen gegen den Rest der Welt, Inzest vorprogrammiert. Wer diese Genehmigung bekommt wird nicht angegeben. Für die Nasenbären ist erlaubt die Haltung, Beförderung und Tausch, für die Muntjaks Haltung, Zucht und Beförderung.
Vermutlich profitiert davon der Zoo Augsburg, wo der lokale CSU-Abgeordnete seit Jahren pressewirksam gegen das Ende diesre Haltungen eintritt und immer wieder als einsamer Kämpfer für süße Tiere sich ablichten liess. Offenbar ist die Angst der CSU vor den nächsten Wahlen so groß, dass hier der Populismus durchkommt.

Die Genehmigung verstößt nach meiner Ansicht gegen das EU-Gesetz, wenn sie tatsächlich nur die Haltung in Augsburg erteilt wurde. Die EU hatte klargestellt, dass auch im Fall der Muntjaks die reine Tierschau nicht als Ausnahmetatbestand herhalten kann, weil der Tatbestand einer berechtigten Erhaltungszucht nicht vorliegt. Die nicht wahrheitsgemäße Eingabe der EAZA, die China-Muntjaks in Zoos wären von hohem Artenschutzwert, hat man nie beantwortet.

Nun darf das Land tatsächlich Ausnahmetatbestände für eine Erhaltungszucht gefährdeter Arten erteilen, allerdings liegen in diesen Fällen keine Argumente für eine Erhaltungszucht vor bzw. im Fall des Muntjaks hat die EU diesen Fall bereits ausgeschlossen. Trotzdem meint man das in Bayern anders.

Offenbar darf man die Muntjaks züchten, die Nasenbären nicht, aber wohin darf man die Muntjaks „befördern“? Zuchttausch wäre nur möglich, wenn woanders auch eine Ausnahmegenehmigung vorläge, wo soll das sein? Ist es nicht so, ist in Bayern eine Verbringung von Muntjaks genehmigt an Orte, wo diese illegal sind.

Was ist jetzt? Vermutlich erst einmal gar nichts, der Augsburger Zoo darf halten und kann sich im Glanz der Nabelschau sonnen, dem offenbar unliebsamen Naturschutz endlich eines ausgewischt zu haben. Mal sehen, wie bald man sich wieder umdreht, wenn es an die nächsten Bauten geht und um viel Geld wirbt für seine Rolle als Naturschützer. Hier wird Glaubwürdigkeit kaputt gemacht, der Zoo ist lieber eine Tierschau alten Stils, den die Natur nicht schert. Naturschutz geht anders,

Irgendwann, wenn genug angefallen ist, wird vermutlich auf EU-Eben dann en bloc entschieden werden, dass solche Verstöße nicht geduldet werden, und man wird anweisen, unrechtmäßige Genehmigungen zurückzuziehen. Dann gibt es etwas interne Aufregung im Landesministerium, wer wofür schuld war und das war es, dem Zoo passiert nichts. Der kann stolz sein, endlich eine Lücke gefunden zu haben um Naturschutz zu missachten.

Bis dahin gilt: Lederhose und Fingerhakeln, mir san mir, denen haben wir es gezeigt. Wie erbärmlich, wegen keinem wirklichen Anlass sich so zu verhalten.

Mal sehen, ob Minister Backhaus in Mecklenburg-Vorpommern bald nachzieht, dort sind auch Wahlen wieder, und ein Zeitungsbild mit einem geretteten Nasenbären macht sich gut.

(20.04.2022, 09:14)
Hystrix:   Durch Corona kam der Kalender der Kommittees gegen invasive Arten durcheinander, so dass sich die nächste Erweiterung der EU-Liste immer wieder verschob. Man hat aber immer wieder weitere Arten in die Planungen aufgenommen, so dass die kommende Erweiterung umfangreicher sein wird.
Im März gab die Kommission bekannt, das nächste Update umfasse wohl 32 Arten, davon fünf marine Arten.

Unter den kontinentalen sind u.a. sieben Fische, fünf Pflanzen und vier Insekten ohne Bezug zu Tierhaltern.

Mehr oder weniger, und meist weniger, relevant für Zoos sind aber diese Arten, die wohl bald auch verboten werden:
Kanadabiber, Axishirsch, Finlayson-Hörnchen, Afrika-Krallenfrosch, Rotbauchbülbül, Kettennatter, Zebra-Killifisch, Rotfeuerfisch.

Außerdem ist der Wassersalat betroffen, der ganz gerne zur Dekoration von Tropenwasserterrarien genutzt wird.

Richtig schmerzhafte Verbote für Zoos sind das wohl nicht, hier und da dürften einzelne Halter randlich getroffen werden.

Wann diese Verbote kommen wird nicht gesagt, wohl aber noch im Mai 2022, denn dann tagt der Ausschuss.

An acht weitere Neulistungen für spätere Updates nach 2022 denkt man derzeit anfänglich und beginnt Daten dafür zu sammeln, darunter ist der Mönchsittich, den in GB bereits weitgehend beseitigt wurde aber in mehreren spanischen Städten explodiert. Die Risiko-Studien zu drei weiteren Arten, alles Plattwürmer, laufen bereits, für sechs darüber hinaus zusätzliche Arten frägt man die Staaten ab, ob sie auch einbezogen werden sollen, das sind dann insgesamt 17 Arten, aber außer dem Mönchssittich alles Arten ohne Bezug zu Zoos, meistens Wirbellose, darunter die Asiatische Hornisse.

Es sieht also erst einmal so aus, dass 2022 nur mäßig einschneidender für Zoos wird und mittelfristig kaum noch was zusätzlich kommt.

(14.04.2022, 20:07)
cajun:   In den Niederlanden kommt das Thema "durch die Pflanze" auf die Agenda. Mal ein anderer Aspekt.

"Horch, was kommt von draußen rein …
Der Verband der niederländischen Botanischen Gärten hat für 2022 das Jahresthema „Pflanzen auf Reisen“ gewählt. Wir werden dieses umfangreiche Thema immer wieder aus einem anderen Blickwinkel betrachten und beginnen mit Pflanzen, die auf Reisen gegangen und in ihren neuen Heimatländern sehr dominant geworden sind: den invasiven Pflanzen.
Das Adjektiv „invasiv“ leitet sich vom Wort „Invasion“ ab: Eine Invasion (lateinisch invadere = eindringen) ist eine Militäraktion, bei der man in ein anderes Land eindringt, um es zu erobern oder das Regime zu vertreiben. Wenn wir von invasiven Pflanzen sprechen, dann meinen wir Exoten, die außerhalb ihres Herkunftslandes so gut gedeihen, dass sie die einheimische Flora verdrängen.

Schädlich
Exotische Pflanzen erreichen die Niederlande hauptsächlich über den Handel und den Tourismus. Die große Mehrheit der heutigen invasiven Pflanzen wurde in den vergangenen 200 Jahren eingeführt. Bekannte Beispiele sind der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica), eingeführt 1825, und der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), der 1817 eingeführt wurde. Wenn exotische Pflanzen in unserem Klima draußen überleben und sich schnell vermehren, beginnt das Problem. Da sie hier keine natürlichen Feinde haben (Schimmelpilze, Bakterien, spezielle Pflanzenfresser), können sie sich massiv ausbreiten und einheimische Pflanzen überwuchern. Auf diese Weise bedrohen sie die lokale Biodiversität, indem sie hiesige Pflanzenarten und gleichzeitig auch die im gleichen Ökosystem lebenden Tiere vertreiben.
Allerdings kommt es häufig vor, dass sich ein invasiver Exot vor allem dort exponentiell vermehrt, wo das Ökosystem bereits gestört ist, beispielsweise durch Versauerung oder intensive Landnutzung.
Weltweites Problem

Invasive Arten sind ein globales Problem, nicht nur in ökologischer Hinsicht. Manchmal sind sie auch eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit. Man denke bei Pflanzen an Brennhaare und Pollen, die heftige allergische Reaktionen auslösen können. Die Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) hat eine Datenbank mit invasiven Tier- und Pflanzenarten weltweit angelegt. In Europa wurde eine „Unionsliste“ erstellt (zu finden auf www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/invasive-arten/unionsliste.html). Darin sind alle schädlichen exotischen Tier- und Pflanzenarten aufgeführt, deren Besitz, Handel, Anbau, Transport und Import verboten ist. In unseren überdachten Ökodisplays befinden ebenfalls Pflanzen, die auf globaler Ebene als invasiv eingestuft werden.

Einige Beispiele aus unseren Ökodisplays
Wandelröschen (Lantana camara; wächst im Bush und in der Mangrove)
Ursprünglich kommt das Wandelröschen von Texas bis Südamerika vor. Ohne strenge Winter und natürliche Feinde kann es sich fast überall ansiedeln und überleben. Die Pflanze kann sich verschiedensten Gegebenheiten außergewöhnlich gut anpassen: Nässe, Trockenheit, Sonne, Schatten oder Salzböden. Selbst Waldbrände übersteht sie. Das Wandelröschen kann dichte, nahezu undurchdringliche Dickichte bilden und die ursprüngliche Vegetation verdrängen. Die unreifen, grünen Beeren sind für das Vieh giftig.
Ein zusätzliches Problem ergibt sich in Afrika: Dort locken Wandelröschen mit ihrem Duft Tsetsefliegen, die berüchtigten Überträger der Schlafkrankheit, an. Die Fliegen verstecken sich tagsüber gerne zwischen den Blättern, kommen aber abends zum Vorschein, um „auf Beutezug“ zu gehen.

Indianer-Seidenpflanze (Asclepias currassavica; wächst in der Mangrove)
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Indianer-Seidenpflanze ist groß, es umfasst Zentralamerika, Teile von Südamerika und die Karibik. Die Pflanze ist in vielen anderen tropischen Regionen, auch in der Alten Welt, eingeführt worden. Dort konnte sie sich schnell ausbreiten, ist invasiv und in manchen Regionen der (Sub-)Tropen ein gefürchtetes Unkraut. Seit August 2017 steht auch eine Asclepias-Art auf der Unionsliste, und zwar nicht die Indianer-Seidenpflanze, sondern die Gewöhnliche Seidenpflanze Asclepias syriaca. Der invasive Charakter liegt offenbar in der Familie.

Taro (Colocasia esculenta; wächst im Bush)
Die Pflanze wächst an sehr unterschiedlichen Orten, auf trockenen wie auf feuchten Böden. Sie stammt ursprünglich aus Afrika, wurde aber von Sklaven als Nahrungspflanze nach Amerika gebracht. Um 1910 wurde Taro als Ersatz für Kartoffeln stark beworben. In Asien, wo Taro als Kulturpflanze eingeführt wurde, kann er problemlos in Feuchtgebiete, Sümpfe und Regenwälder eindringen und dort sehr dichte Dickichte bilden.

Mesquite (Prosopis juliflora; wächst in der Felsenwüste Desert)
Mesquiten wachsen als Sträucher oder kleine Bäume und sind in Mittelamerika beheimatet. Sie wurden in verschiedenen Teilen der Welt als Futterpflanzen und zur Gewinnung von Brennholz eingeführt. Die Pflanze wird weltweit als eine der schlimmsten invasiven Arten angesehen. Die Art ist trockenheits- und salztolerant und kann die ursprüngliche Vegetation schnell ersetzen. Die dornigen Sträucher machen auf diese Weise große Flächen undurchdringlich, was zum Verlust von landwirtschaftlich oder ökologisch wertvollen Flächen führt. Die Pflanze gehört zu den Leguminosen und ist in der Lage, Stickstoff aus der Luft zu binden. So kann sie auch in stickstoffarmen Böden wachsen und dort den Stickstoffgehalt erhöhen.

In Europa ist das Mittelmeergebiet am stärksten von einer Invasion bedroht. Die Art hat sich dort noch nicht etabliert, und die internationale Politik ist darauf ausgerichtet, dass dies auch so bleibt. Stand der Dinge 2019: Die Pflanze hat sich nur auf einer Kanarischen Insel, und zwar auf Gran Canaria, angesiedelt."
Quelle:https://www.burgerszoo.de/nieuws/2022/02/horch-was-kommt-von-drau%C3%9Fen-rein
(15.02.2022, 13:27)
Rainer Hillenbrand:   @Sacha: Das stimmt jetzt auch wieder :-)
(14.01.2022, 20:17)
Sacha:   @Rainer Hillenbrand: Wir wollen ja jetzt nicht auf den Sätzen rumreiten, aber "Pragmatismus" würde auch gehen, wenn man es auf die "zusätzliche Belebung" bezieht....;)
(14.01.2022, 10:41)
Rainer Hillenbrand:   Ich muß mich korrigieren: "Pragmatismus" wäre ja das genaue Gegenteil - aber es muß ja so bleiben wie`s ist, also eher "dogmatisch"!
(13.01.2022, 22:23)
Rainer Hillenbrand:   Ich bin bei dieser Ankündigung auch aus allen Wolken gefallen, hatte ich mich doch schon darauf gefreut, nach dem Ableben der letzten Nasenbärin hier wieder Katzenbären zu sehen, für diese die Anlage ursprünglich anfangs der Neunziger Jahre gebaut wurde und nach wie vor für deren Haltung bestens passen würde.
Die Nasenbären kamen mit der Zoochefin vor fast zwanzig Jahren nach Augsburg und tja, haben sich wie in vielen anderen Einrichtungen zu Publikumslieblingen entwickelt, vor allem die süßen kleinen... und so sitzen sie nunmehr in 400 europäischen Zoo`s aufgrund der hohen Beliebtheit.
Emotionale Gründe sind sicher mit im Spiel und das Festhalten wollen an einem Sympathieträger, der offensichtlich ähnlich wie Erdmännchen einfach zum festen Zoobestand gehören muss.
Bei den Muntjaks hingegen rätsle ich auch, warum und weshalb. Die beiden Standorte im Zoo sind sehr unterschiedlich - einmal der eher rückwärtig gelegene Landteil eines Weihers, wo auch ich sie kaum einmal sehe, sowie ein offeneres kleineres Gehege mit Verbindung zum benachbarten Takingehege, wo sie sehr exponiert sind. Hier möchte man vielleicht auf die zusätzliche "Belebung" nicht verzichten.
Demnach handelt es sich wohl um sehr pragmatische Ãœberlegungen und man darf gespannt sein, was daraus wird.
(13.01.2022, 22:06)
Rainer Hillenbrand:   Ich bin bei dieser Ankündigung auch aus allen Wolken gefallen, hatte ich mich doch schon darauf gefreut, nach dem Ableben der letzten Nasenbärin hier wieder Katzenbären zu sehen, für diese die Anlage ursprünglich anfangs der Neunziger Jahre gebaut wurde und nach wie vor für deren Haltung bestens passen würde.
Die Nasenbären kamen mit der Zoochefin vor fast zwanzig Jahren nach Augsburg und tja, haben sich wie in vielen anderen Einrichtungen zu Publikumslieblingen entwickelt, vor allem die süßen kleinen... und so sitzen sie nunmehr in 400 europäischen Zoo`s aufgrund der hohen Beliebtheit.
Emotionale Gründe sind sicher mit im Spiel und das Festhalten wollen an einem Sympathieträger, der offensichtlich ähnlich wie Erdmännchen einfach zum festen Zoobestand gehören muss.
Bei den Muntjaks hingegen rätsle ich auch, warum und weshalb. Die beiden Standorte im Zoo sind sehr unterschiedlich - einmal der eher rückwärtig gelegene Landteil eines Weihers, wo auch ich sie kaum einmal sehe, sowie ein offeneres kleineres Gehege mit Verbindung zum benachbarten Takingehege, wo sie sehr exponiert sind. Hier möchte man vielleicht auf die zusätzliche "Belebung" nicht verzichten.
Demnach handelt es sich wohl um sehr pragmatische Ãœberlegungen und man darf gespannt sein, was daraus wird.
(13.01.2022, 22:05)
Hystrix:   Ich kann den Augsburger Zoo auch nicht verstehen. Munjaks sind absolut unwichtige Zootiere, die meisten Besucher werden sie kaum wahrnehmen, und befragt man die Menschen, die den Zoo verlassen, wie ihnen Munjaks gefallen haben, werden die meisten nicht einmal wissen, dass sie solche Tiere sahen und welche es waren. Auch ist es sehr leicht, das vorhandene Gehege ohne Umbau anders zu besetzen. Augsburg hat laut Zootierliste nur 258 Tierarten, das wird wohl so ungefähr bedeuten, weniger als 20 Huftierarten, d. h. mehr als 95% der Huftierarten hat man nicht. Es bleibt also wahrlich mehr als genug attraktiver Ersatz für Munjaks. Ich würde sogar sagen, es gibt zahleiche viel attraktivere Arten sogar für dasselbe Gehege und ohne höhere Futterkosten. Warum man da insistieren muss, ist mir unklar.

Natürlich ist der Zoo aus dem Schneider, selbst wenn das Ausstellen einer Ausnahmegenehmigung durch die lokale Behörde sich später als unrecht erweisen sollte, weil die EU es kassiert. Der Zoo wird auch dann nicht bestraft werden, im Regen wird die Behörde stehen. Aber es passt doch nicht zur Werbestrategie, sich als primäres Zentrum für Artenschutz zu profilieren, wenn ich ausgerechnet bei den invasiven Arten mich verweigere, ohne wirklich gewichtige Gründe vorbringen zu können.

Natürlich geht die Welt nicht unter, wenn Augsburg weiter Munjaks züchtet, aber langfristig möglich ist das ja ohnehin nur, wenn weitere Zoos auch Erlaubnisse kriegen, denn eine Haltung allein kann nicht auf lange Frist einen Zuchtbestand halten – mit wem will man denn tauschen?

Das Ganze sieht mir aus wie eine emotional begründete Entscheidung, wie ein kleines trotziges Kind lieb gewonnene Gewohnheiten beibehalten zu wollen, ohne Rücksicht wie das zum Profil des Zoos passt.

(13.01.2022, 10:49)
Sacha:   Hm, wenn das Muntjak-Haltungs-Verbot in Augsburg kein wichtiges Thema für die Bevölkerung ist, wie können sich dann die lokalen Politiker damit profilieren? Interessiert ja keinen, also bringt der Einsatz für eine Ausnahme auch keinen politischen Gewinn...

Persönlich bin auch ich gespannt, ob die Ankündigung tatsächlich vollzogen wird.
(13.01.2022, 08:22)
Hystrix:   Im Beitrag zum Zoo Augsburg wird aktuell vermeldet, dass dieser Zoo zukünftig wieder Munjaks und Nasenbären ohne Einschränkung züchten will, mit Ausnahmegenehmigung vom EU-Verbot. Ich ziehe das Thema mal hier her, weil es hier besser untergebracht erscheint.

Ich selbst kenne den konkreten Vorgang nicht und weiß nicht, ob es diese Ausnahmegenehmigung wirklich gibt oder ob es nach dem Leidensdruck der Zoos durch Corona ein Remake der Kampagne vieler Zoos von 2017 ist, als man wie selbstverständlich propagierte, eine Ausnahmegenehmigung für "wissenschaftliche" werde zweifellos kommen. Damals hatten einige Politiker leichtfertig „missverständlich formuliert“, sie würden dafür sorgen. Auch der CSU-Mann aus Augsburg im Europaparlament hatte den Zoo besucht und dahingehend schwadroniert, ebenso wie der große Zoofreund und Landwirtschaftsminister von Meck-Pomm Backhaus. Viele Zoos und Zeitungen sind damals darauf gesprungen faselten über Wochen von Ausnahmegenehmigungen. Mal sehen, ob der Draht Zoo Augsburg- CSU im konkreten Fall dann zog oder ob es wieder Luftschlösser sind. Vom CSU-Politiker gibt es im Internet eine Stellungnahme von früher dazu.

Ausnahmegenehmigungen sind laut dem Gesetzt möglich für Forschung und ex situ-Erhaltung und sonst nichts. Die EU hatte aufgrund vieler Anfechtungen von Lobbyisten aus mehreren Mitgliedsstaaten noch einmal betont, reine Tierschau zähle nicht zu den Ausnahmetatbeständen, egal ob mit kommerziellen Motiven betrieben oder nicht. Insofern ist die Rechtslage klar. Ausnahmebestände für Munjak und Nasenbär darf es nach EU-Recht nicht geben. Die EAZA verbog sich dann zu teilweiser Unwahrheit, indem sie dem Chinesischen Munjak in Zoos, um dessen Management sich niemals ein EEP oder sonst wer gekümmert hat, eine enorme Artenschutzbedeutung hätte, obwohl nicht einmal klar ist, um was für Munjaks es sich handelt, woher die stammen und was alles hineingekreuzt wurde. Die EAZA schrieb vor langem einen Brief an die EU und bat darum, diese Arthaltung als „Artenschutz“ anzuerkennen. Der Brief war auf einer Beiratsssitzung der EU zur Kenntnis genommen worden, seither hat man nichts davon gehört. Der Antrag war aber so „flexibel“ im Umgang mit der biologischen Wahrheit, dass es schade wäre, wenn das durchgeht. Vielleicht sieht das ja ein Beamter in Bayern oder ein lokaler CSU-Fürst, der panisch wird wegen der politischen Wahlumfragen, anders und nimmt eine positive Entscheidung der EU zu diesem Antrag für sich vorweg, und der Zoo Augsburg kann endlich verhindern, dass durch Ersatz des China-Munjak durch einen anderen Hirsch die Besucher und der Naturschutz enorm leiden. Man stelle sich vor, kein Munjakl mehr in Augsburg, gibt es eigentlich Schimmeres?

Das heißt natürlich nicht, dass es nicht solche Ausnahmegenehmigungen lokal geben kann und geben wird, gerade im immer mehr populistischen Bayern, wo die Panik der früheren Monopolpartei um den sich abzeichnenden Machtverlust bekanntlich manche Blüten treibt. Es gab und gibt immer Verstöße gegen EU-Recht aus Populismus. Ich erinnere an das Versprechen der in ärgster Existenzangst agierenden FDP im vorletzten Landtagswahlkampf Niedersachen, die kurzerhand den Bauern versprach, wenn sie an die Regierung kommen kippe man von Hannover aus die Natura2000-Richtlinien der EU. Man kam wirklich in die Koalition und die FFH-Gebiete wurden verschleppt und lange nicht ausgewiesen. Vorletztes Jahr dann war der EU der Geduldsfaden gerissen und Deutschland wurde zu einer horrenden Geldstrafe verurteilt, täglich zu zahlen, es war eine sechsstellige Summe täglich, so lange bis die überfälligen Verordnungen in Kraft traten. Berlin hat das lässig ans ohnehin nicht reiche Niedersachsen weitergeleitet und dieses durfte aus Steuermitteln blechen. Von der FDP hörte man natürlich gar nichts mehr dazu, der neue grüne Minister aber trat seinen Beamten in den … wertesten und verdonnerte sie, in genauer Anwendung der Gesetze die FFH-Gebiete in Windeseile auszuweisen. Das ist dann überstürzt erfolgt. WIeviel Steuergeöld dafür verbannt wurden wurde auch nie gemeldet, ich gehe aber wegen dem Zeitverzug, bisFFH-Gebiet rechtsgültig im Gestzesblatt verordnet aus, von einer langen Bestrafungszahlung und einer für ein Land mit einem Geldbeutel wie dort sehr schmerzhaften Summe aus. Die für diese Geldverbennung verantwortlichen Politiker hat keiner zur Rechenschaft gezogen.

So was kann sich lokal auch mit invasiven Arten wiederholen. Da es hier um nicht allzu viel geht, kann das sogar eine Weile gut gehen, ich denke nicht dass die EU sofort einschreitet. Wenn es aber einreißt wird es zu Strafen kommen. Siehe Polen und sein ebenso dem Volk Honig ums Maul schmierendes Abholzen im Urwald von Biakowieza, das auch großmundig erlaubt wurde und dann sehr sehr teuer wurde.

Kandidaten, die vielleicht mitziehen, sofern es in Augsburg überhaupt so ist, sind vielleicht am ehesten Mecklenburg-Vorpommern - derselbe wie damals, als er Zoos alles und jedes versprach, ist noch immer im Amt, aber auch einzelne in Niedersachsen und natürlich im sonnigen Wien.

Man muss abwarten. Es ist interessant, das zu verfolgen. Ma sehen wie bald nach einem solchen Tierfschklag gegen den Naturschutz Augsburg wider Krokodilstränen um den Artenschutz vergießt, wenn man die nächsten Millionen aus Steuergeld will, um den Zoo als Zentrum des Artenschutzes zu optimieren.

PS
Finde beim googeln zu diesem Thema gerade, der bayerische Schwesterzoo in Nürnberg gingi dazu über, Wortspiele in die Presse zu setzen, dass das EU-Gesetz eine Abwehr gegen „Fremde“ sei, um es dann im ausführenden Text sofort wieder zurückzunehmen, so dass es niemand missversteht, die EU hätte etwa etwas gegen verarmte Asylanten. Was ein Glück, dass wir solche seriösen Artenschützer haben,

(12.01.2022, 20:14)
Sacha:   Mal ausnahmsweise kein Widerspruch, höchstens eine Präzisierung: Ich sehe auch den "EU-Ansatz" als Paket, nur gehen hier die Meinungen, welche Massnahmen/Teile/Elemente dieses Pakets sehr, mässig, kaum oder ggf. sogar gar nicht zielführend sind, wohl auseinander...
(23.11.2021, 10:38)
Hystrix:   Es ist nicht richtig, dass der EU-Ansatz nur das Haltungsverbotbeinhalte, als für sich allein betrachtet sinnloses Einzelunterfangen, letztlich nur ein Alibi auf dem Rücken der Tierhalter, die als politische schwaches Glied ausbaden müssen, dass der Rest der Gesellschaft nichts tut.

Zusätzlich zu den Haltungsverboten beinhaltet das Gesetz erstens den Aufbau von Fachexpertise zu invasiven Arten in den staatlichen Naturschutzverwaltungen, also es wurden Stellen geschaffen bzw. frei gestellt für Beamte, die sich speziell damit befassen. Allein das ist die Voraussetzung für alles Weitere, denen nur wenn Informationen gebündelt werden und vorliegen kann man darauf aufbauen. Durch gesamteuropäische Bündelung dieser Infos wird zudem besser deutlich, welche Arten wirklich problematisch sind.

Zweitens ist ein Monitoring vorgeschrieben will heißen, die Staaten müssen aufpassen, ob die gelisteten Arten neu auftreten oder einwandern oder sich ausbreiten und das melden. Werden neue Vorkommen erkannt, müssen diese binnen drei Monaten verbindlich beseitigt werden. Das muss dann wieder gemeldet werden, auch wenn die Beseitigung versucht wurde aber nicht gelingt.

Drittens müssen die Staaten die Eintrittspfade für Einschleppungen überprüfen und ein Konzept zur Vermeidung entwickeln, dazu gehören neben Tierhaltung auch Verkehr, Tourismus, Gartenbau, Einfuhr von Produkten, an denen invasive arten hängen können, Ballastwasser etc. Entsprechende Schritte sind zu unternehmen, diese Pfade zu mindern. Implizit bedeutet das u.a., dass die Staaten gehalten sind, die internationale Ballastwasser-Konvention zu ratifizieren, die dann konkrete Schritte vorschreibt, wie mit Ballastwasser in Schiffen umzugehen ist, im Klartext muss dieses desinfiziert werden. Allein das ist eine zwar eine nur implizite, aber segensreiche Nebenwirkung des EU-Gesetzes. Manch dieser Konzepte mögen hilflis wirken, wie dass die Ausbildung von zootierpflegern inzwischen eine UNterrichtseinheit zur invasiven Arten enthält, aber schaden wird das auch nicht. In diesen Konzepoten sind unzählige gute Ansätze, die abew natürlich nur langfristig wirken können.

Viertens müssen für alle gelisteten Arten, die man nach derzeitigem Kenntnisstand nicht beseitigen kann, Konzepte zur Schadensminimierung entwickelt werden. Zunächst muss also erforscht werden, welche Nachteile vorliegen und ob diese toleriert werden können oder nicht. Als nicht zu beseitigen gelten auch Arten, deren Beseitigung so teuer wäre, dass es unzumutbar ist. Das ist natürlich ein Gummipraragraph, und diese Arten, die schon weit verbreitet sind, bilden das verbleibende Hauptproblem des Gesetzes, das noch unbefriedigend gelöst ist. Hier hätte man sich vom Naturschutz mehr gewünscht. So ist auch nicht überraschend, dass für die erste Tranche gelisteter Arten, für welche diese nationalen Konzepte schon fertig sind, zumeist nur eher windelweiche Bekämpfungsstragien entwickelt wurden. Aber auch das ist deutlich mehr als nichts, so sind praktisch alle jagdbaren dieser gelisteten Arten inzwischen ins Jagdrecht überführt worden, wogegen sie zuvor teilweise sogar geschützt waren und nicht geschossen werden durften. Einige Bundesländer haben auch Vereinbarungen mit der Jägerschaft getroffen, diese Arten gezielt zu schießen, wodurch sich u.a. auch die Strecke der Wachsbären ganz erheblich erhöht hat. Ich rechne, dass allein so Nilgans und Ruderente sowie der Ibis aus Europa verschwinden, wenn auch nicht Waschbär und Mink. Demnächst stehen wohl zumindest in ersten Ländern auch Geldprämien für den Abschuss von Mink, Waschbär und Nutria auf dem Plan. Allein auch das wird diese nicht ausrotten, aber es wird die Lage verbessern. Außerdem wurden überall die Förderrichtlinien angepasst, so dass es inzwischen zum normalen Management von Naturschutzgebieten gehört, auch Maßnahmen gegen invasive Arten zu finanzieren, etwa das Entfernen von invasiven Robinien und Götterbäumen sowie der Schutz von Nestbäumen sehr seltener Vögel wie Schwarzstorch oder einiger Greifvögel gegen nesträubernde Wachsbären. Früher gab es dafür kein Geld. Auch die zwar amateurhafte aber doch stattfindende Einhegung der Ochsenfrösche trifft nicht mehr auf Finanzengpässe. Das beseitigt zwar noch nicht diese häufigen Arten, sorgt aber lokal für Entspannung im Fall von besonders schützenwerten Restvorkommen seltener Arten und von besonderen Biotopen.

Fünftens und auch ganz entscheidend sorgte die Nebenbemerkung im Gesetz, dass invasive Arten gesamteuropäische Aufgabe sind, zur Aufnahme derer Bekämpfung in europäische Förderung. So werden inzwischen alljährlich mehrere Zehnermillionen Euro in Modellprojekte gesteckt. Auch die gestern erwähnte Entwicklung der Sterilmännchen-Methode gegen den Ochsenfrosch wird europäisch finanziert, und die Beseitigung der Grauhörnchen in Italien kam nur zustande, weil zunächst zwei europäische LIFE-Projekte mit Millionen den Grundstein dazu legten und die EU die siegreiche Durchführung der Gerichtsprozesse bezahlte, in denen Tierrechtsfanatiker den Abschuss der Grauhörnchen vorher immer blockiert hatten. Dadurc lief eine inzwischen große Abschussmaschinerei an. Inzwischen laufen in vielen Mitgliedstaaten europäisch finanzierte Projekte. Das bisher einzige in D betrifft die Entfernung der Nutrias aus Niedersachsen, in anderen Ländern, wo man schon länger gegen Invasive vorgeht und wo auch moralisierende Tierrechtler nicht so virulent sind, gibt es alljährlich sogar mehrere neue Projekte dazu.

Es ist also abwegig zu behaupten, das Haltungsverbot sei ein Alibi, um als sinnlose Einzelmaßnahme lediglich davon abzulenken, dass gar nichts geschieht. Nichts wäre falscher. Am allerwichtigsten dabei ist, dass ein Umdenken eingesetzt hat, indem durch eine gesamteuropäische Kraftanstrengung die Regierungen dazu verpflichtet wurden, sich des Problems anzunehmen. Eindeutig ist das Klima umgeschwenkt, die Regierungen sind inzwischen in ganz Europa auf einer Schiene hin zum Richtigen. Dass dabei viele nur Bummelzüge sind, ganz besonders leider auch in Deutschland, ist ein Faktum, aber vorher geschah gar nichts und die Änderung ist mit Händen zu greifen. Der Zug rollt, und allmählich werden zunehmende Erfahrung und Kreativität immer mehr an Möglichkeiten offenbaren, selbst vorher als nicht bekämpfbar geltende Arten dann doch einzuhegen. Neuseeland ist uns 50 Jahre voraus, das merkt man, dort wären so leicht zu lösende Fälle wie Nilgans, Ruderente oder Mink gar kein Aufhebens mehr wert, die würde man einfach mal so entfernen. Bei uns ist man weit zurück, aber ich sehe, dass die EU hier den Umschwung einleitete. Allein das ist fast alles, denn wenn es so weiter geht wird man in den kommenden Jahrzehnten große Fortschritte machen.

(23.11.2021, 10:07)
cajun:   Naja, somit hast du den "Damm" (ergänzend) ja gut auf den Punkt gebracht. Von daher passt dein "Bild" gut.
(22.11.2021, 22:24)
Sacha:   Ich finde schon. Die Einzelmassnahme ist das Haltungsverbot, das Massnahmenpaket (= der "Gesamtschutz"/der umfassende Damm) beinhaltet alle Massnahmen zur Bekämpfung (Jagd, Forschung an gezielter Unfruchtbarmachung etc.). Trotzdem bin ich natürlich offen für bessere "Bilder"...;)
(22.11.2021, 21:40)
cajun:   Den Vergleich finde ich hier nicht ganz zutreffend @Sacha. Es ist ja keine Einzelmaßnahme, sondern ein " Teil des Dammes", um beim Bild zu bleiben.
(22.11.2021, 20:11)
Sacha:   @Cajun: Yep. Aber wenn ich - überspitzt gesagt - meinen Haustürspalt mit Papier zustopfe, werde ich bei Hochwasser Schäden im Haus kaum verhindern können...
(22.11.2021, 16:52)
Hystrix:   Der NABU ist m. E. kein besonders ernst zu nehmender Naturschutzverband. Man stelle sich vor, eine Million Mitglieder, und alle sollen fachlich Ahnung haben. Soweit ich das in meiner Region sehe, muss man beim NABU sogar Angst haben, dass deren Projekt nicht mehr Unheil anrichten als Gutes. Ich habe manches sog. Renaturierungsprojekt des NABU erlebt, wo man einmalige Biotope zerstörte, indem man etwa nährstoffarme Quellhabitate mit Bachwasser überstaute, um Enten oder Frösche zu fördern, oder ähnliche Verbrechen. Gutmenschen ohne Kompetenz sind oft schlimmer als gar nichts zu tun. Oft sind es Aktivisten mit Tatendrang aber keinerlei fachlichem Hintergrund. Seinerzeit wetterte der NABU auch dagegen, dass die Nilgans als invasiv eingestuft wurde, weil das so liebe Tiere sind. Der NABU ist vielfach eher ein Problem für den Naturschutz.

Die Aussage, eine invasive Art ist nicht mehr auszurotten, hängt immer von den Fähigkeiten der Aussagenden ab. In Ländern , wo man viel weite ist mit Invasivenbekämpfung, wie Neuseeland, würde man das Waschbärenproblem vermutlich leichter lösen können. Hierzu ein Beispiel: Seit vor Jahren ein Tierhändler aus Karlsruhe Ochsenfrösche in einem Baggerweiher aussetzte, weil er sie vor dem urlaubsbebingten Schließen seines Ladens nicht verkauft hatte, bemüht man sich Seiten der Lokalbehörde ehrenhaft aber amateurhaft, die Tiere zu entfernen. Kaulquappen wurden und werden alljährlich von Tauchern eines Tauchvereins eingesammelt und erwachsene Ochsenfrösche mit Pfeil und Bogen abgeschossen (wer ausgerechnet auf Letzteres kam weiß ich nicht, ist jedenfalls erstaunlich). Kein Wunder, dass man mehr als das schnelle Ausbreiten nicht verhindern konnte.
Über Jahre hielt sich der Bestand in einigen Baggerseen, wuchs aber auch nicht und man neigte dann zur Meinung, man könne nicht ausrotten. Beunruhigend ist jetzt, dass seit diesem Jahr eine Ausbreitung in die natürlichen Rheinauen erfolgt ist, in die benachbarte rheinland-pfälzische Seite. Dort ist nunmehr die Hördter Rheinaue., eines der größten Naturschutzgebiete SW-Deutschlands, betroffen, man muss um die dortigen Lurche fürchten und zudem, dass damit der Bann gebrochen ist und der Ochsenfrosch im ganzen Rheingebiet explodiert, denn die Hördter Rheinaue ist weithin mit den Rheinauen verbunden. Wieder heißt es von einem Amateurverband, da kann man nichts machen und man sollte daher die Sache treiben lassen, weil es nur ein Tierschutzproblem wäre, Ochsenfrösche sinnlos zu töten. Wenn er einmal die Auen am Oberrhein erobert haben würde, wäre es in der Tat düster, denn heimische Lurche haben gegen den Ochsenfrosch kaum eine Chance.
Die Belgier dagegen haben im Rahmen eines EU-Projekts ihre Ochsenfrösche nicht mit Hausmacher-Methoden wie Pfeil und Bogen bekämpft, sondern durch ein ausgeklügeltes Verfahren: Inkubation des Laichs von Ochsenfröschen in einer Hochdruckkammer erzeugte genetisch triploide Frösche erzeigt, also solche mit drei statt zwei Chromosomensätzen. Diese sind lebensfähig, sogar kräftiger als normale, aber steril. Man setzt nun im Rahmen eines LIFE-Projekts Tausende triploider Männchen aus. Berechnungen zeigen, dass wenn deren Überschuss genügend groß ist, die fertilen Wildweibchen der invasiven Population kaum noch auf fertile Wildmännchen treffen, sondern ihre Eier von sterilen Männchen besamt bekommen, ohne Erfolg. Mit einer Lebenserwartung von 3-4 Jahren sollten also bis längstens 2025 alle Ochsenfrösche verschwunden sein, sowohl die ausgesetzten Triploiden, die nicht fruchtbar sind, als auch die an sich fertilen Invasiven, will die keine passenden Paarungspartner mehr abbekommen.

Es gehört einfach mehr dazu als guter Willen, der NABU ist dafür heillos überfordert.

Man muss abwarten, was jetzt beim Ochsenfrosch bei uns passiert, aber laut EU-Gesetz muss Rheinland-Pfalz jetzt Geld in die Hand nehmen und was tun. Vorher hätte man gar nichts getan, und als Ausrede auf "kontroverse Diskussionen unter Naturschützern" abgehoben, nur weil ein paar fachliche eher oder ganz unbeleckte NABU- und sonstige im Pulk auftretenden Laien sich kritisch gegenüber dem Töten von Tieren äußern. Aber auch jetzt traue diesen Provinzbeamten wenig

(22.11.2021, 15:43)
Hystrix:   Der NABU ist m. E. kein besonders ernst zu nehmender Naturschutzverband, eher eine politisch aber einflussreiche Massenansammlung von gut meinenden und selten gut machenden Meinungsträgern.

Man stelle sich vor, eine Million Mitglieder, und alle sollen fachlich Ahnung haben. Soweit ich das in meiner Region sehe, muss man beim NABU sogar Angst haben, dass deren Projekten nicht mehr Unheil anrichten als Gutes. Ich habe manches sog. Renaturierungsprojekt des NABU erlebt, wo man einmalige Biotope zerstörte, indem man etwa nährstoffarme Quellhabitate mit Bachwasser überstaute, um Enten oder Frösche zu fördern, oder ähnliche Verbrechen. Gutmenschen ohne Kompetenz sind oft schlimmer als gar nichts zu tun. Oft sind es Aktivisten mit Tatendrang aber keinerlei fachlichem Hintergrund. Seinerzeit wetterte der NABU auch dagegen, dass die Nilgans als invasiv eingestuft wurde, weil das so liebe Tiere sind. Der NABU ist vielfach eher ein Problem für den Naturschutz.

Die Aussage, eine invasive Art ist nicht mehr auszurotten, hängt immer von den Fähigkeiten der Aussagenden ab. In Ländern , wo man viel weite tist mit Invasivenbekämpfung, wie Neuseeland, würde man das Waschbärenproblem vermutlich leichter lösen können. Hierzu ein Beispiel: Seit vor Jahren ein Tierhändler aus Karlsruhe Ochsenfrösche in einem Baggerweiher aussetzte, weil er sie vor dem urlaubsbebingten Schließen seines Ladens nicht verkauft hatte, bemüht man sich Seiten der Lokalbehörde ehrenhaft aber amateurhaft, die Tiere zu entfernen. Kaulquappen wurden und werden alljährlich von Tauchern eines Tauchvereins eingesammelt und erwachsene Ochsenfrösche mit Pfeil und Bogen abgeschossen (wer ausgerechnet auf Letzteres kam weiß ich nicht, ist jedenfalls erstaunlich). Kein Wunder, dass man mehr als das schnelle Ausbreiten nicht verhindern konnte.
Über Jahre hielt sich der Bestand in einigen Baggerseen, wuchs aber auch nicht erkennbar an und man neigte dann zur Meinung, man könne nicht ausrotten und müsse dauerhaft einhegen. Beunruhigend ist jetzt, dass seit diesem Jahr eine Ausbreitung aus den Baggerweihern in die natürlichen Rheinauen erfolgt ist, in die benachbarte rheinland-pfälzische Seite. Dort ist nunmehr die Hördter Rheinaue., eines der größten Naturschutzgebiete SW-Deutschlands, betroffen, wo auf einmal unzählige Ochsenfrösche auftauchen, man muss um die dortigen Lurche fürchten und zudem, dass damit der Bann gebrochen ist und der Ochsenfrosch im ganzen Rheingebiet explodiert, denn die Hördter Rheinaue ist weithin mit den Rheinauen verbunden. Wieder heißt es reflexhaft von einem Amateurverband, da kann man nichts machen und man sollte daher die Sache treiben lassen, weil es nur ein Tierschutzproblem wäre, Ochsenfrösche sinnlos zu töten un ddoch ncihts zu erreichen. Wenn er einmal die Auen am Oberrhein erobert haben würde, wäre es in der Tat düster, denn heimische Lurche haben gegen den Ochsenfrosch kaum eine Chance.

Die Belgier dagegen haben im Rahmen eines EU-Projekts ihre Ochsenfrösche nicht mit Hausmacher-Methoden wie Pfeil und Bogen bekämpft, sondern durch ein ausgeklügeltes Verfahren: Inkubation des Laichs von Ochsenfröschen in einer Hochdruckkammer erzeugte genetisch triploide Frösche, also solche mit drei statt zwei Chromosomensätzen. Diese sind lebensfähig, sogar kräftiger als normale, aber steril. Man setzt nun im Rahmen eines LIFE-Projekts Tausende triploider Männchen aus. Berechnungen zeigen, dass wenn deren Überschuss genügend groß ist, die fertilen Wildweibchen der invasiven Population kaum noch auf fertile Wildmännchen treffen, sondern ihre Eier von sterilen Männchen besamt bekommen, ohne Erfolg. Mit einer Lebenserwartung von 3-4 Jahren sollten also bis längstens 2025 alle Ochsenfrösche verschwunden sein, sowohl die ausgesetzten Triploiden, die nicht fruchtbar sind, als auch die an sich fertilen Invasiven, will die keine passenden Paarungspartner mehr abbekommen.

Es gehört einfach mehr dazu als guter Willen, der NABU ist dafür heillos überfordert.

Man muss abwarten, was jetzt beim Ochsenfrosch bei uns passiert, aber laut EU-Gesetz muss Rheinland-Pfalz jetzt Geld in die Hand nehmen und was tun. Vorher hätte man gar nichts getan, und als Ausrede auf "kontroverse Diskussion unter Naturschützern" abgehoben, nur weil ein paar fachlich eher oder ganz unbeleckte NABU- und sonstige im Pulk auftretenden Laien sich kritisch gegenüber dem Töten von Tieren äußern. Aber auch jetzt traue diesen Provinzbeamten wenig zu. Da die EU aber erfolgversprechende Methoden erproben lässt besteht Hoffnung, dass nach deren Bewährung auch bei uns darauf zurückgegriffen wird. Was nachmachen, was woanders klappte, das traue ich diesen Provinzheinis der Naturschutzverwaltung dann doch zu.

(22.11.2021, 15:41)
cajun:   @Sacha: Nun da könntest ganz platt sagen: Eine (potentielle) Quelle weniger, ist eben definitiv eine weniger.
(22.11.2021, 15:40)
Sacha:   @cajun. Stimmt, habe ich damit aber auch nicht behauptet. Auch nicht, ob ich diese Aussagen/Meinungen völlig, teilweise oder gar nicht teile. Mein Link sollte einzig als Input dienen.

Eine Frage habe ich allerdings doch: Wenn ausrotten nicht mehr gelingen sollte, wieso sollte dann die Verhinderung einer weiteren Verbreitung/Bestandeszunahme innerhalb der EU gelingen (denn das muss ja das Ziel sein)? Nur durch das Verhindern von Gefangenschaftshaltung...?
Jetzt nicht falsch verstehen: Sogar ich sehe die weitere Verbreitung des Waschbären in Europa kritisch und habe auch keine Mühe damit, wenn diese selbst mit unpopulären Massnahmen bekämpft werden. Nur bin ich nicht immer gleicher Meinung mit allen, welche Massnahmen effizient und welche es nicht oder weniger sind.
(22.11.2021, 14:53)
cajun:   @Sacha: Ja, es geht aber nicht nur um den Wachbär. Auch der NABU nicht.

Zitat:" Allein in Deutschland sind mindestens 168 Tier- und Pflanzenarten bekannt, die nachweislich negative Auswirkungen haben – oder haben könnten. So viele Arten listet das Bundesamt für Naturschutz in seinem Managementhandbuch für invasive Arten auf. In der gesamten EU gehen Experten sogar von rund 12.000 gebietsfremden Arten aus, von denen etwa 15 Prozent als invasiv eingestuft werden, und damit potenziell Schäden ausrichten.
Die EU hat sich das Ziel gesetzt, einheitliche Mindeststandards in einer Verordnung zu definieren. So soll von vornherein verhindert oder zumindest früh erkannt werden, wenn invasive Arten sich ausbreiten und es kann früh auf erste Anzeichen reagiert werden. Zudem sollen mögliche Schäden besser kontrolliert und verringert werden. Die gelisteten Arten sind von Region zu Region sehr unterschiedlich verbreitet. Für bereits weit verbreitete Arten müssen die Mitgliedstaaten daher Managementmaßnahmen entwickeln, ob und wie sie gegen diese vorgehen (Artikel 19) und geschädigte Ökosysteme wieder herstellen (Artikel 20).
Invasive Arten in einem frühen Verbreitungsstadium sollen im Sinne der Verordnung vollständig bekämpft werden. Dies ist bei Arten, die schon weiter verbreitet sind, jedoch schwierig. In solchen Fällen soll laut Verordnung die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Ist eine flächendeckende Bekämpfung nicht mehr möglich sieht die Verordnung Managementmaßnahmen vor. Diese sollen, wenn notwendig, lokal umgesetzt werden, um größeren Schaden von der Natur abzuwenden – etwa wenn die Schutzziele in Schutzgebieten durch invasive Arten gefährdet werden.
Auf schutzwürdigen Flächen wie in Naturschutz- oder Natura-2000-Gebieten kann es dennoch erforderlich sein, Maßnahmen auch bei hohem Aufwand umzusetzen. So machen es auch viele NABU-Gruppen vor, indem sie zum Beispiel eine maßgebliche Rolle bei der Bekämpfung des Drüsigen Springkrauts (Impatiens glandulifera) einnehmen. So konnten – vor allem durch ehrenamtliches Engagement –, bereits nachhaltige Erfolge für den lokalen Naturschutz verzeichnet werden. Dem NABU Aachen gelang es beispielsweise, durch jährliche Arbeitseinsätze seit 2011 ökologisch besonders wertvolle Teile des Aachener Stadtwaldes vom Drüsigen Springkraut zu befreien und so die standorttypische Pflanzenwelt zu unterstützen."
Quelle: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/invasive-arten/unionsliste.html

Dann lass mal Waschbären Sumpfschildkrötengelege plündern, Trappenküken fressen oder ähnliches. Hierzu- gerade in den oben genannten Schutzbereichen- hat die NABU eine eindeutige Meinung. Der Unterschied ist, so denke ich auch, das man invasive Pflanzen ausreißen kann, einen Waschbären kann man nur "mit unpopulären Mitteln" verdrängen. Siehe zum Beispiele die Bekämpfung vieler eingeführter Arten in Australien, Neusseeland und Pazifik- Inseln. Vielleicht zuviel "schlechte Presse" dann? Wer weiß...
Um "nur" beim Beispiel Waschbär zu bleiben: Ausrotten wird nicht mehr gelingen, ist aber auch nicht vorgesehen laut Zitat oben.
(22.11.2021, 14:04)
Sacha:   Vielleicht interessant, was der NABU zum Thema Waschbär zu sagen hat (sozusagen eine "Drittmeinung"):

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/sonstige-saeugetiere/18751.html

(22.11.2021, 13:24)
cajun:   @Hystrix: Danke für die Meinung (die ich hierzu teile) und das Posting. Manche Links sollten, trotz "Unsinn" m.E. nicht kommentarlos bleiben (kann ja nicht immer nur einer machen).
(22.11.2021, 12:40)
Hystrix:   Nein, kein Winterschlaf, aber so ein Unsinn ist keinen Kommentar wert. Mich erinnert das an die gegenwärtigen Corona-Leugner, man bastelt sich eine Welt aus lauter Unsinn und stellt dann irreale Forderungen. Ist ja fein, dass ein Verein die EU-Gesetzgebung ändern will, die Jahre, viele Jahre der Konsensfindung von 30 Regierungen hinter sich hat.

Einfach unglaublich, in welchen Scheinwelten manche leben.

(20.11.2021, 10:10)
cajun:   Sag mal @Hystrix, bist du im Winterschlaf?
Der zwischen unseren Postings eingefügte Link bietet doch eine Steilvorlage für dich. :-))
Inhalt UND Quelle.....
(18.11.2021, 17:52)
Hystrix:   Die Meldungen stammen von den zuständigen nationalen Behörden, bei uns die Naturschutzverwaltung der Bundesländer über das Bundesamt für Naturschutz. Dort ist ein Melderegister, dafür gibt es Personal.

Die Pflicht besteht darin, umgehend eine neue Etablierung zu eliminieren. Zählungen des Bestands sind m. E. nicht vorgeschrieben und werden auch meistens nicht möglich sein. Bei Wirbellosen sowieso nicht, die kann man fast niemals exakt erfassen, bei den meisten anderen aber auch nicht. Es ist notorisch schwer, Bestandsgrößen der meisten Arten, auch von Waschbären oder Rehen, genau anzugeben. Vorgeschrieben ist allein, dass eine finale Etablierung und Ausbreitung durch unverzügliche Maßnahmen verhindert wird. Anschließend muss Vollzug gemeldet werden, auch dieser wird sich im Erfolgsfall nur verifizieren lassen, dass es keine weiteren Beobachtungen mehr gibt, und nicht, dass tatsächlich alle entfernt wurden. Negativnachweise, dass eine scheue Art nicht mehr vorkommt sind fast unmöglich
.
Fehler sind immer bei allem möglich, aber nachdem ein großer Anteil der gemeldeten Fälle bereits eliminiert wurde und als besitigt gemeldet wurden, hat man offenbar zumindest einzelne Leichen gehabt. Wenn ein gemeldeter Nasenbär auf einen Scherzkeks zurückgeht der zuvor das Monster von Loch Ness sah, dann wird die höchste nationale Behörde nicht melden, dass man den Nasenbären eliminiert hat. Insofern gibt es eine Kontrolle. Natürlich kann man das dann immer noch schlechtreden und behaupten, die Behörden hätten absichtlich gelogen, nur um sich wichtig zu machen. Auch das ist möglich, aber irgendwann wird Sophismus auch absurd, alles in Frage zu stellen, nur weil es von der EU kommt. In immerhin 9 Staaten sind in zwei Jahren Muntjaks im Freiland aufgetreten, oder Tiere, die eine Regierung als Muntjaks gemeldet hat und von denen, die man schon erlege, die Leichen in lügnerischer Abicht in Muntjaks umdeutete. Selbst wenn nur 4 davon echte Munjaks waren und alle nationale Regierungen nur lügen, um das EU-Gesetz wichtiger erscheinen zu lassen als es ist, wären auch schon diese 4 neue Vorkommen in diesem kurzen Zeitraum beängstigend.

Von einem Vorkommen in D und einigen in F und Irland steht übrigens fest, dass es einige bis viele Muntjaks waren, weil diese Funde in Zeitungen erläutert wurden. Diese mögen schon älter vorkommen und wurden erst jetzt gemeldet, weil eben erst jetzt sich Jemand darum kümmert, müssen also nicht in zwei Jahren alle neu entstanden sein. Der Muntjak ist eben nicht nur seit Jahrzehnten an einer Stelle in GB etabliert, sondern in mindestens 3 weitere Staaten in Populationsstärke, in D, v. a. F und Irland. Alle diese sind unter Elimination, nur in England, obwohl man das EU-Gesetz nach dem Brexit 1 : 1 übernahm, sieht man kaum eine Möglichkeit, den großen Bestand wieder loszuwerden. Die Nasenbären in Spanien sind auch noch nicht weg, obwohl man seit Jahren Geld dafür ausgibt.

(30.10.2021, 13:41)
Sacha:   renomierten nicht renovierte, pardon
(29.10.2021, 17:39)
Sacha:   renomierten nicht renovierten, pardon
(29.10.2021, 17:39)
Sacha:   Vielleicht unwahrscheinlicher, aber dennoch sehr gut möglich.
Gemäss Angeben z.B. der renovierten Vogelwarte Sempach (CH) sind Heilige Ibisse in Afrika als Teilzieher bekannt...

Spannend wäre wirklich, die Details zu den Sichtungen zu wissen. Zum Beispiel WER diese Tiere gesehen und gemeldet hat und was hernach mit diesen Tieren geschehen ist (Wir wissen, dass es Leute gibt, die nicht einmal einen Jaguar von einem Tiger unterscheiden könnten. Insofern wäre es bei Laien gut möglich, dass sie einen Nasenbären mit einem Waschbären verwechselt haben). Und eben ob überhaupt die Möglichkeit der Vermehrung und somit die Gefahr der Ausbreitung bestand.
(29.10.2021, 17:37)
Hystrix:   Der Bericht ist ein kanpper, da werden keine Details genannt. Mitgliedsstaaten müssen Neufunde der gelisteten Arten melden und binnen weniger Wochen bekämpfen, darauf beziehen sich die Zahlen, also allein die Meldestatistik. Ob dasvor Ort nur ein Tier ist oder viele wird nicht gesagt.

Waschbären können in großen Teilen der EU gar nicht „entdeckt“ werden, weil sie ohnehin verwildert vorkommen und häufig sind, da fallen zusätzliche Ausreißer nicht auf. Ein Nasenbär dagegen fällt fast überall auf, weil die Art eben neu ist.

Sicher können Vögel von bereits bestehenden Neupopulationen verfliegen, das mag vielleicht die Ruderenten erklären. Beim Ibis ist das unwahrscheinlicher, weil er nach der fast völligen Beseitigung der zuvor stark wachenden Kolonie in Frankreich nur noch in Italien verbreiteter vorkommt. Als er früher nur in Italien war, wurden auch keine woanders gemeldet, was gegen viele Verflieger spricht. Und wenn jetzt Tiere auf Fuerteventura auftauchen sind die sicher auch nicht aus Italien, sondern vom Oasis Park nebenan.

Natürlich sind solche Angaben mit Vorsicht zu werten, dass aber die typischen Haltungstiere so weit vorne stehen – nach der Asiatischen Hornissen folgen sofort mehrere Arten, die nur aus Haltungen entkommen sein können – zeigt das schon an, wie relativ häufig Neuetablierungen auch von Zoo-Arten wie Muntjak oder Nasenbär sind. Dass nicht alle Neuvorkommen auch ohne Bekämpfung angehen würden, ist auch klar, aber wenn es beim Muntjak in zwei Jahren in immerhin 9 Ländern Ansiedlungen erfolgten, muss man davon ausgehen, dass die Art früher oder später bei uns überall vorkommt, wenn man nichts tut.

Die Mitgliedsländer müssen Neufunde nicht nur melden, sondern auch den Vollzug der Bekämpfung dieser Neuansiedlung. Wenn ein Land also wenig tut, fällt das auf und es wird nachgefragt. Im Juni hatte die EU ein halbes Dutzend Staaten verwarnt, mehr zu tun, auch D, sonst würden sie vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.

(14.10.2021, 09:10)
Sacha:   Es wäre interessant zu wissen, was hier unter Neufunde GENAU zu verstehen ist. Sind es nur "Sichtungen" oder "festgestellte etablierte Populationen", also mindestens je ein geschlechtsreifes(!) Paar.

Und nein, gerade bei den Vögeln müssen die "Neuansiedlungen" nicht unbedingt aus Haltungen stammen (hier: innerhalb der letzten zwei Jahre entwichene Exemplare), sondern können sich auch von bereits bestehenden Populationen ausgebreitet haben (wobei Exemplare der bereits bestehenden Populationen natürlich ursprünglich aus Haltungen stammen können).

Ausserdem ist es wegen diverser äusserer Einflüsse (harte Winter, Lebensraumveränderung etc., etc.) nicht seriös, diese Zahlen einfach hochzurechnen (auch wenn das für Befürworter natürlich eine nette Spielerei ist). Die Natur lässt sich nun mal nicht in ein mathematisches Raster von Theoretikern pressen.

Interessant ist übrigens, dass hier nicht die Waschbären erwähnt werden. Kaum vorstellbar, dass es da keine Neufunde gab (bzw. werden diese als so normal angesehen, dass sie gar nicht mehr notiert werden?). Oder liegt es daran, dass es schwerer ist, deren Auftauchen den Zoos in die Schuhe zu schieben...?

Immerhin werden offenbar wirklich auch Bekämpfungsmassnahmen unternommen und nicht nur am Tisch neue Verbote ausgebrütet.
(13.10.2021, 22:52)
Hystrix:   Die EU hat einen ersten Fazitbericht über die bisherige Umsetzung der Invasiven-Gesetze veröffentlicht. Da die Verordnung erst seit 2019 vollumfänglich gültig ist, ist dieser Bericht für nur zwei Jahre explizit vorläufig und knapp, sehr viel steht nicht drin und größere Konsequenzen werden nicht gezogen.

Interessant ist aber, dass in den nur zwei Berichtsjahren 135 Neufunde von zum ersten Mal in einer Region oder einem Land festgestellten Populationen gelisteter Arten von den Mitgliedsstaaten an die EU gemeldet wurden. Darunter stechen für mich überraschend zahlenmäßig außer und nach der Asiatischen Hornisse solche heraus, die wahrscheinlich nur aus Haltungen entkommen sein können. Nach der höchsten Anzahl von 43 Neuansiedlungen für die Asiatische Hornisse, die wohl passiv verschleppt wurde, folgen immerhin 9 Fälle von Neuansiedlungen des China-Muntjak, 8 von der Schwarzkopfruderente, jeweils 7 von Heiligem Ibis und Nutria und 4 vom Roten Nasenbären. Nun werden diese großen Tiere sicher leichter festgestellt als Insekten oder Pflanzen, weil sie bei neuem Auftreten mehr auffallen als unscheinbarere Arten, aber immerhin sind seit 2019 in nur 2 Jahren 9mal Muntjaks neu in einem Land aufgetaucht, 8x die Ruderenten und 4mal die Nasenbären. Das ist für eine so kurze Berichtsperiode nicht gerade wenig. Wenn man nur die eigentlichen Zoo- und Heimtierarten Muntjak, Ibis und Nasenbär nimmt, sind das 20 neue Etablierungen in nur zwei Jahren. Auf ein Jahrzehnt hochgerechnet kommt man auf eine dreistellige Zahl.

Das sollten sich die Kritiker vor Augen halten, die hier wiederholt argumentierten, diese Arten würde so extrem selten oder gar ausreißen oder ausgesetzt werden, dass die Listung lächerlich und unnötig sei. Bei einer so hohen Etablierungsfrequenz scheint mir sicher, dass man ohne das neue Gesetz in wenigen Jahren alle diese Arten, zuvorderst auch den Muntjak und den Nasenbär, weit in der EU angesiedelt hätte.

Von 135 Meldungen neu beobachteter Vorkommen aller gelisteter Arten in 19-EU-Staaten würden derzeit alle bekämpft und 35 seien bereits ganz getilgt.

(13.10.2021, 19:03)
cajun:   @Hysteix: Aus einer Studie vom Wolfszentrum in Sachsen- Anhalt. Hatte ich im Thread "Wölfe und Goldschakale" schon mal gepostet. Einfach über die Ministerum Seite
https://mule.sachsen-anhalt.de/startseite-mule/artikel-detail/news/dalbert-stellt-aktuellen-bericht-zur-wolfspopulation-vor-erfolgreicher-artenschutz/?no_cache=1&cHash=fa2baa23ba8cc7bb86ef1fa65dc91722
Da sind die einzelnen Berichte verlinkt. In Sachsen Anhalt besteht laut Studien bereits 4% der Wolfsnahrung aus Nutrias.
(18.06.2021, 12:24)
Hystrix:   Cajun: Woher stammt die Angabe, dass Wölfe viele Biber fressen?

Beim Nutria bin ich skeptisch, ob seltene Raubtiere angesichts der Massenbestände der Nutrias und deren Vermehrungskraft ausreichen. An sich aber sind Top-Prädatoren ein Segen fürs Ökosystem. Die meisten invasiven Raubtiere sind Kleinräuber, und die profitieren bei uns von dem, was man mesopredator release nennt, also keine Regulation mehr durch übergeordnete Großraubtiere. Das hat man sogar in afrikanischen Parks, wo Löwen ausgerottet wurden und plötzlich Schakale überhandnehmen und Kleinantilopen dezimieren. Bei uns könnten sowohl Waschbären wie andere invasive Kleinräuber ein wenig kontrolliert werden, wenn die Großraubtiere zurückkehren. Dass sie aber ganz auf so natürliche Weise verschwinden ist nicht zu erwarten. Auch invasive Flusskrebse reagieren stark auf die Rückkehr des Fischotters, und die englischen Grauhörnchen wurden vom wieder erstarkenden Baummarder in Schach gehalten und lokal sogar ausradiert. Bei Nutrias bin ich aber skeptisch.
(18.06.2021, 11:18)
Sacha:   @Cajun: Kann sein. Es kann aber auch sein, dass die eigentlich heimische Art leichter zu erbeuten ist als die invasive Art. Dann besteht die Gefahr, dass Erstere ausgerottet wird und Letztere den Platz der Ersteren einnimmt. Ich denke, dass gerade der Muntjak, der sich in vielen Teilen seines Verbreitungsgebietes gegen mehr verschiedene Räuber behaupten muss, sich gegen das Reh durchsetzen könnte. Und ich fürchte, ich bin mit dieser Meinung nicht allein.
Dazu noch einmal Klartext zu diesem Thema: Ich bin nicht und war nie grundsätzlich gegen Massnahmen zur Bekämpfung invasiver Arten. Nur halte ich nicht alle bislang getätigten Massnahmen für zielführend, effizient, durchdacht und sinnvoll.
(17.06.2021, 11:09)
cajun:   Ich habe öfter den Gedanken, dass ggf die Rückkehr der Großraubtiere, bestimmte Arten doch auf sehr natürliche Weise wieder von der europäischen Festplatte löschen könnte. Im Huftierbereich verschwindet das Mufflon dort, wo sich Wolfsrudel etablieren. Da der größte Teil der Speisekarte von Wölfen in Deutschland aus Rehwild besteht, fällt der Muntjak sicher auch ins Beuteschema. Nachgewiesenermaßen erbeuten Wölfe in nicht geringem Anteil Biber. Das ließe sich ggf auf Nutrias übertragen. Und auch der von selbst eingewanderte Goldschakal dürfte es schwer haben, sich bei hoher Wolfsdichte zu etablieren. Könnte daher auch den Marderhund betreffen.
(17.06.2021, 10:16)
Hystrix:   Morgen tagt das EU Committee wieder und es wird über die Listung von 34 weiteren Arten abgestimmt. Das ist mehr als letzte Mal, offenbar weil 2020 eine Listung auch wegen Corona ausfiel, und man einen Berg vor sich her schiebt. Ob die Abstimmung automatisch eine Listung bedeutet oder noch nicht weiß ich nicht. Darunter sind mit Kanadabiber, Axishirsch und einem Hörnchen auch einzelne Zootiere.

Übrigens hat die EU letzte Woche satte 18 Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, abgemahnt wegen zu laschem Vorantreiben der Umsetzung des Invasivengesetzes. Wad im Einzelnen Deutschland vorgeworfen wird stand in der Pressemeldung nicht. Die Staaten haben jetzt zwei Monate um zu reagieren. Ist die Reaktion ungenügend, wird die EU eine "begründete Stellungnahme" nachschieben, danach ist nochmals eine Frist und dann kann eine Verklagung vor dem europäischen Gerichtshof erfolgen.

(17.06.2021, 08:34)
cajun:   Sorry für die Dopplung: "Frei gelassen" ...
(16.06.2021, 20:24)
cajun:   @Sacha: Theoretisch könnte man davon ausgehen, dass aufgrund der restriktiven Ansagen, ein Privathalter seine Tiere " entsorgt" respk. freigelassen frei gelassen hat.
(16.06.2021, 20:22)
Sacha:   Da bin ich echt gespannt, was über die Herkunft der Tiere herausgefunden wird, genauer ob die aus einem offiziellen Zoo (VDZ, EAZA) oder von einem Privathalter stammen.

Mal ein Gedanke: Wenn ich sehe, über welche Distanzen heute mit Sendern ausgestattete Wildtiere geortet werden können, dann frage ich mich, ob bei gewissen in Gefangenschaft gehaltenen, potenziell invasiven Arten nicht eine Mini-Transponder-Pflicht eine Lösung sein könnte. Selbstverständlich verbunden mit rigorosen Strafen bei Zuwiderhandlung/Unterlassung.
(16.06.2021, 15:04)
cajun:   Ach, guck. Schon sind sie da

Muntjak: Ãœberraschende Entdeckung bei Wildunfall
Eine überraschende Entdeckung machte ein Jagdpächter in Esting (Bayern) als er zu einem vermeintlichen Wildunfall mit einem Reh gerufen wurde. Vor Ort stellte der Waidmann fest, dass es sich bei dem verunfallten Stück nicht um Rehwild sondern um ein Muntjak handelt. Bei einer nachfolgenden Auswertung von Wildkamerabildern entdeckte der Jäger dann ein oder mehrere Muntjakts, die ab dem 18. Mai in die Fotofalle geraten waren, so die Kreisgruppe Fürstenfeldbruck. Woher die Tiere stammen, sei bislang völlig unklar.

„Ein Bestand von über 10 Tieren könnte dabei bereits kritisch sein und eine Ansiedlung bzw. Verbreitung ermöglichen. Damit rechnet hier sicher niemand und die Begeisterung für so eine Entwicklung dürfte sich bei Waldbauern, Grundstücksbesitzern, Landratsamt und Jägerschaft in Grenzen halten. In unserem Jagdrecht kommen Muntjaks bisher nicht vor“, so der Sprecher der Brucker Jägerschaft Dr. Michael Pöllmann. Derzeit prüfe man, ob die Entnahme durch eine Allgemeinverfügung auf Grundlage des §40a Bundesnaturschutzgesetz freigegeben werden kann.
Das verunfallte Tier habe der Jagdpächter vorsichtshalber geborgen und eingefroren. Zusammen mit der Unteren Jagdbehörde soll nun das weitere Vorgehen abgesprochen werden. Auch bei Grafrath gab es nach Angaben der Kreisgruppe eine Muntjak-Sichtung.
Quelle:https://www.jagderleben.de/news/muntjak-ueberraschende-entdeckung-wildunfall-712732
(16.06.2021, 14:26)
Oliver Muller:   @Cajun: Kann ich nicht sagen, nur vermuten - zumindest ließen sie sich durch zahlreiche Menschen in ihrer direkten Nähe in keiner Weise stören.
(18.01.2021, 21:48)
cajun:   @Oliver Müller: Sind die Nutrias in Bonn schon "futterzahm"? In Mainz warten diverse Exemplare am Rheinufer auf tierliebende Spaziergänger. Neben Stockenten (-mischlingen), Nilgänsen und Höckerschwänen.
(15.01.2021, 23:31)
Oliver Muller:   Ich war heute in der Bonner Rheinaue unterwegs - da kommt man sich schon fast vor, wie in einem Invasoren-Zoo: Kanada- und Nilgänse in großen Gruppen, ein Pärchen Trauerschwäne und zwei schwarze (!) Nutrias in nur einer Stunde.
(15.01.2021, 21:16)
cajun:   In Great Britain erörtert man die Möglichkeit Halsbandsittiche zu "cullen". Die Ãœberlegungen entspringen den gleichen Wurzeln wie in Kontinentaleuropa.
Interessant ist hierbei, dass die Legende besteht, Jimi Hendrix hätte das erste Paar "Adam und Eva" absichtlich als Zeichen des Friedens ausgesetzt.
Um Liz zu zitieren: "Da ihr des Englischen mächtig seid, brauche ich es nicht weiter zu übersetzen" ;-.)

Defra is discussing shooting large populations of wild parakeets across Britain
Number of parakeets in the UK grew 1,500 per cent between 1995 and 2015
Parakeets face a massive cull as Government officials consider shooting the so-called 'grey squirrels of the sky,' that are Britain's fasted-spreading species of bird.
Sources at the Department for Environment, Food and Rural Affairs (Defra) are discussing plans to shoot populations of ring-necked parakeets for the first-time ever.
Between 1995 and 2015, parakeet numbers exploded by 1,455 per cent, with around 170,000 of the bright birds currently thought to be in the UK.
Ring-necked parakeets could be culled as experts warn the birds pose an 'urgent economic, society and environmental problem'. The wild parrots compete against native birds - including blue tits and great tits - at garden bird feeders and can cause damage to orchards if their numbers increase further.
Ring-necked parakeets could be culled as experts warn the birds pose an 'urgent economic, society and environmental problem'. The wild parrots compete against native birds - including blue tits and great tits - at garden bird feeders and can cause damage to orchards if their numbers increase further
Discussions are underway to cull the birds, which pose a threat to native wildlife, but there are no 'concrete plans,' according to The Telegraph.
While most parakeet populations are concentrated in London, there are also large flocks in the Home Counties, as well as Birmingham, Manchester and even as far as Glasgow.
In 2014, experts from the University of Kent warned parakeets pose 'an urgent economic, societal and environmental problem, as they are a main cause of global biodiversity loss'.
Officials are said to be considering culling birds as they arrive in new areas, before they can settle in and breed.
In 2009 landowners were given the right to shoot and poison ring-necked parakeets without requiring specific permission.
Most parakeet populations are found in London and the South East, but there have been spotted as far as Glasgow. Between 2017 and 2019, gamekeepers at Richmond Park shot 117 of the green birds.
Since then their numbers have slowly risen, with a recent explosion in numbers since 1995 seeing estimates rise to around 170,000.
A spokesman for the RSPB told The Telegraph: 'The RSPB is not in favour of a cull of parakeets at this time, but believes it is important that the spread of the ring-necked parakeet is monitored and its potential for negative impacts on our native bird species assessed.
'As the climate warms, they may spread into more rural areas which could then become a problem for native species ? however that is speculation, and very long term.'
It has been claimed that Jimi Hendrix released the first pair of parakeets, called Adam and Eve, as a symbol of peace when he was stoned in London's Carnaby Street in 1968. A rival theory maintains that the birds escaped from the set of The African Queen, the film starring Humphrey Bogart and Katharine Hepburn, in 1951.
But a study revealed the birds were reported in Britain as far back as 1855, when one was seen in Norfolk.
Dr Steven Le Comber, who led a study by Queen Mary University of London, said: 'The fun legends relating to the origins of the UK's parakeets are probably not going to go away any time soon.
'Our research only found evidence to support the belief of most ornithologists - the spread of parakeets in the UK is likely a consequence of repeated releases and introductions, and nothing to do with publicity stunts by musicians or movie stars.'
Quelle: https://www.dailymail.co.uk/news/article-9104197/Parakeets-face-massive-cull-Government-considers-shooting-grey-sq

(12.01.2021, 15:56)
Liz Thieme:   Alles klar, vielen Dank für die Antwort.
Das mit der Zuarbeit muss ich beim Durchsehen überlesen haben.
(25.11.2020, 12:26)
Hystrix:   Im Fall der letzten Meldung bin ich nur Ãœbermittler, entnahm die Information der EU-Webseite. Dort sind regelmäßig die Protokolle der Beiräte für dieses Gesetz eingestellt, eine angenehme Form der Transparenz gegenüber dem Bürger. Ich finde die Gesetzgebung zu Invasiven deshalb so interessant, weil es ein rechtlich so extrem komplexes Werk ist, das letztlich juristisch nur sehr schwer sauber zu machen ist. Es dürfte wegen der in Fall jeder Art andersartig gelagerten Verhältnisse und der extremen Verschiedenheit in der fördernden Behandlung potenziell Invasiver zu den am schwierigsten rechtssicher zu machenden Umweltgesetzen überhaupt gehören, sehr viel schwieriger, als nur die Einfuhr von Elfenbein zu verbieten oder einen Grenzwert für einen Schadstoff festzulegen, was juristisch simpel ist. Mich wundert dabei auch, wie wenig offenbar gegen das Gesetz gerichtlich geklagt wird, das allein ist eine Riesenleistung der EU.

Ich ?stecke aber insoweit drin?, dass ich mich seit Jahrzehnten mit dem Spanungsfeld Naturschutz und speziell auch Zoos befasse, das erheblich komplexer ist als manche Sonntagsdarstellungen glauben machen. Wie ich schon einmal früher hier bekannte, arbeitete ich vereinzelt auch dabei zu, risk assessments zu erarbeiten für Neulistungen der EU. Ich bin aber kein Angehöriger der EU-Verwaltung und auch keiner deutschen, auch kein Politiker oder Verbandsfuktionär.

(25.11.2020, 12:01)
Liz Thieme:   @hystrix - wie stark stecken Sie denn in dem Prozess der Entwicklung der EU-Haltungsverbote drin? Sind Sie hier reiner Ãœbermittler / Informant oder sind Sie in dem Prozess aktiv beteiligt?
(25.11.2020, 11:04)
Hystrix:   Zwar hat Corona den Takt der EU-Sitzungen verzögert, aber anscheinend gehen die Vorbereitungen für neue Verbote invasiver Arten trotzdem weiter. Für 2021 stehen gleich 33 Arten zur Abstimmung, darunter erstmals auch Ameisen und andere bisher kaum berücksichtige Gruppen. Wenn 33 gelistet werden, wäre das auf jedes Jahr betrachtet keine Verlangsamung, nur dass mehr pro Schub in größeren Zeitabständen kämen.

Diese Arten mit gewissem Interesse für Zoos sind dabei, wenn man diverse Fische auslässt, die aber alle nicht sehr farbenprächtig für Aquarien sind:

Callosciurus finlaysonii Finlayson Hörnchen
Axis axis Axishirsch
Castor canadensis Kanada-Biber
Pycnonotus cafer Rotbauchbülbül
Xenopus laevis Afrika-Krallenfrosch

Außerdem startet 2021 die erste Beratung über den Sikahirsch, und bis Ende nächsten Jahres soll eine Risikobewertung für ihn vorliegen, die dann frühestens 2022 abgestimmt werden kann.

(24.11.2020, 18:18)
cajun:   Bei folgender Meldung aus der Zoopresseschau stellt sich mir die Frage, inwiefern so ein Ereignis auf EU- Ebene bewertet wird:
rtl.fr ? 6. Okt. 2020
Tempête Alex : sept loups errants portés disparus
Sturm Alex: Sieben umherirrende Wölfe gelten als vermisst
Im Tierpark Alpha verwüstete Sturm Alex viele Gehege, darunter das der kanadischen schwarzen Wölfe, die nun in der Natur für sich selbst sorgen müssen. Im Hinterland von Nizza verwüstete Sturm Alex den Tierpark Alpha, in dem sich ein Rudel von sieben kanadischen schwarzen Wölfen befand. Ihr Gehege wurde durch die Naturkatastrophe zerstört. Heute sucht das französische Amt für biologische Vielfalt (OFB) nach ihnen. An diesem Dienstag, dem 6. Oktober, starteten zwei OFB-Agenten und ein Tierarzt der Feuerwehr mit einem Hubschrauber, um zu versuchen, die Tiere zu finden, von denen einige von Zeugen "zwischen Saint-Martin-Vésubie und Boréon" oder in der Nähe des Parks gesehen wurden, wo sie vor dem schlechten Wetter in Gefangenschaft waren. "Die Priorität besteht darin, sie zu lokalisieren und mit einem Betäubungsgewehr einzufangen", erklärte Eric Hansen, Regionaldirektor des OFB. In diesem Gebiet des Mercantour-Nationalparks leben Wölfe in freier Wildbahn, aber Eric Hansen wies darauf hin, dass die Tiere, die aus dem Park Alpha entkommen sind, "daran gewöhnt sind, gefüttert zu werden" und möglicherweise nicht überleben, wenn sie sich in der Natur verteilen. In dem Tierpark befanden sich auch arktische weiße Wölfe in Gefangenschaft in dem dem Wasser am nächsten gelegenen Gehege. Für sie gibt es fast keine Hoffnungen mehr, "ein toter Wolf wurde entdeckt und wahrscheinlich sind auch die anderen beiden tot". (Quelle: Nicolas Barreiro und AFP)

Es handelt sich zwar auf Artebene um die gleiche Spezies, allerdings kann es doch theoretisch sein, dass die amerikanischen Wölfe mit den Ansässigen hybridisieren, falls sie denn überleben. Ist diese sogenannte "Verwässerung des Genpools" nicht auch schlußfolgernd in ein Haltungsverbot für Unterarten o.Ä. von europäischen Tieren aus anderen Vorkommensgebieten zu fassen? Maral/ Rothirsch, Bison/ Wisent, (beide gabe es schon ganz bewusst herbei geführt) könnten auch Beispiele sein. Bei Enten- und Gänsevögeln potentiell auch sehr wahrscheinlich. Ich stelle das einfach mal zur Diskussion.
(14.10.2020, 11:23)
Hystrix:   Gemäß dem EU-Gesetz gegen invasive Arten erarbeitet de Bundesregierung derzeit einen Aktionsplan, wie gegen die Eintragspfade vorgegangen werden soll. Dieser Plan ist für Bürgerbeteiligung offengelegt und kann hier eingesehen und kommentiert werden:

https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/entwurf_aktionsplan_ias_2020_bf.pdf

Für den Eintragspfad Zoo wird primär die Aufnahme der Invasiven-Problematik in die Ausbildung der Tierpfleger vorgesehen, weiterhin die Umsetzung eines schon bestehenden Aktionsplans seitens des Europarats, der bislang noch freiwillig war (?European Code of Conduct on Zoological Gardens and Aquaria and Invasive Alien Species?). Dieser sieht u.a. vor, dass bei der Haltung von als invasiv bekannten Arten die Gehege gegen Entkommen überarbeitet und verstärkt werden müssen, die invasiven Tiere besser gekennzeichnet (Mikrochip), damit man sie nach Entkommen und Einfangen erkennt, und dass Alarmpläne entwickelt werden, wie man im Fall des Entkommens vorgeht.

Weitere Ziele des Aktionsplans sind private Tierhalter, botanische Gärten etc. Soweit ich das sehe sind die Maßnahmen des Plans verbindlich.

(12.10.2020, 09:57)
Hystrix:   Ich kann diese Frage nicht beantworten. Denkbar ist es, dass Wölfe Munjaks so leicht kriegen, dass sie verschwinden, ich weiß das aber nicht und denke, wenn man Daten dazu hätte, würde man davon gehört haben.

An sich ist dieses Prinzip aber verbreitet. So erweist sich der Baummarder als äußerst effektiv im Bekämpfen der in GB invasiven Grauhörnchen. Diese sind schwerer als Europ. Eichhörnchen und können nicht auf dünne Zweige fliehen, wohin der Marder nicht folgen kann. Wo sich der früher in GB fast ausgerottete Baummarder in England wieder ausbreitet, gehen die Grauhörnchen zumindest so weit zurück, dass Eichhörnchen wieder einwandern können, selbst wenn die Grauhörnchen nicht ganz verschwinden. Baummarder gibt es v.a. in Schottland, wo kaum Grauhörnchen sind, und Baummarder fehlen meist in England, wo Grauhörnchen sind.

Die sich wieder stärker ausbreitenden Fischotter erweisen sich auch ganz gut im Beseitigen der exotischen Flusskrebse, auch wenn es bisher keine Befunde gibt, dass diese Neozoen vom Otter ganz beseitigt werden. Sie gehen aber zurück.

Beim Mufflon ist aber zu bedenken, dass es keine Wildtiere sind, sondern verwilderte wenn auch primitive Hausschafe. Es gibt kein anderes Haustier, das gegenüber Wölfen so wehrlos und empfindlich ist wie es Hausschafe sind, die scheinen gegenüber Prädatoren ganz besonders blöd zu sein. Insofern darf man vom Mufflon wohl nicht zu sehr auf echte Wildtiere verallgemeinern.

(31.07.2020, 15:11)
cajun:   Ich hole hier meine Frage nochmal hoch: könnten nicht die Wölfe als Lösung für das Muntjak Problem als Lösungsoption mit einbezogen werden? Die eingeführten Mufflons haben denen nichts entgegenzusetzen. Sie werden schlichtweg aufgefressen.... die Populationen erlöschen überall dort, wo Wölfe einwandern.
(31.07.2020, 13:55)
Sacha:   Den Artikel habe ich mir gerade angesehen. Anhand der Verbreitungskarte scheint auch mir eine Ausbreitung aufgrund von bewusst oder unbewusst ausgesetzten Fischen wahrscheinlicher als durch Ballastwasser.
Ich war schon einige Male in der besagten Gegend (Küste vor West Palm Beach, Ostküste Floridas). Es gibt dort in der näheren Umgebung kein eigentliches öffentliches Schauaquarium (wenn man von den paar Tanks im The Reef Institute absieht, das aber m. W. nur westatlantische Meeresfauna zeigt - besucht habe ich das Institute noch nicht), dafür aber jede Menge Aquarienshops.
Nun liegen aber die wenigsten von diesen direkt an der Küste, sondern zumeist ein paar Kilometer landeinwärts. Und ausserdem frage ich mich, aus welchem Grund ein Aquarienshop-Betreiber seine (Jung-)Fische bewusst freilassen sollte bzw. ungenügend auf sie acht gibt, dass sie quasi bei einem Wasserwechsel über die Kanalisation oder direkt ins Meer gelangen können. Er will ja schliesslich mit den Tieren Geld verdienen.
Eine Möglichkeit wären Halter, die der Tiere überdrüssig geworden sind, ihnen aber nun ein "schönes Leben" in Freiheit gönnen wollen. Dafür würde etwa sprechen, dass mehrheitlich pro Location nur einzelne Individuen gesichtet wurden und dass ein Nachweis für die Etablierung einer dieser Nicht-heimischen Arten - sieht man vom Rotfeuerfisch und vielleicht vom Fledermausfisch ab - fehlt. Auf alle Fälle sehr interessant. Bin gespannt was sich da weiter tut und welche Erkenntnisse sich daraus noch ergeben.

(29.07.2020, 23:53)
Hystrix:   Ich habe nochmals nach der Karte des Rotfeuerfisches im Mittelmeer gegoogelt, finde sie aber nicht mehr. Dafür finde ich eine andere, die nicht ganz dem entsprechen, was ich in Erinnerung hatte, aber im Prinzip ähnlich ist. Demnach ist die Art im ganzen östl. Mittelmeer zu finden, von Israel über Libanon und der Südküste der Türkei und natürlich in Zypern, aber nur an den Rändern des Hauptmeeresbeckens und nicht tief in der Ägäis. In Griechenland nur entlang der Südkette der Inseln, also etwa in westlicher Fortsetzung der türkischen Südküste nach Westen über Rhodos bis Kreta. Dazu kommen westliche Vorposten in Sizilien und Tunis.

Es erscheinen auch immer mehr Artikel dazu, auch genetische. Danach gab es wohl molekulargenetisch verschiedene Einschleppungen, nicht nur eine, und wohl auch nicht erst vor wenigen Jahren nach Zypern, sondern schon ab 1992 nach Israel. Die Art hatte also für das Ostbecken des Meeres etwas mehr Zeit, aber selbst fast 30 Jahre sind für so große Distanzen wenig. Vielleicht braucht sie dann aber etwas länger, um in Spanien und Frankreich zu erscheinen.

Interessant ist auch folgender Artikel:
https://www.researchgate.net/publication/233412464_A_hotspot_of_non-native_marine_fishes_Evidence_for_the_aquarium_trade_as_an_invasion_pathway


Demnach leben in den Riffen vor Florida nicht nur Rotfeuerfische, sondern eine ganze Reihe exotischer Zierfischarten. Eine Prüfung habe ergeben, diese seien nicht mit Ballastwasser von Schiffen, sondern von Meeresaquarien eingeschleppt oder dem Handel dafür.

(29.07.2020, 21:21)
Sacha:   Zu 2: Dem kann ich für einmal nicht gross widersprechen.
(29.07.2020, 20:49)
Hystrix:   Jetzt erschien das Arbeitsprotokoll der jüngsten EU-Beiratssitzung. Drei Punkte sind für die Haltung von Zootieren interessant:

1. Der Vorstoß der EAZA, den China-Munjak in Form eines zukünftig einzurichtenden EEP per Ausnahmegenehmigung als europäisches Zootier zu retten (ich hatte schon darauf hingewiesen), wurde beraten und noch nicht entschieden. Es gab aber wohl aus mehreren Staaten Vorbehalte dagegen, der EAZA beim Munjak eine Ausnahme zu genehmigen, aus drei Gründen: Erstens sei die bereits vorhandene Etablierung der Art in Europa schwer unterschätzt worden, sie sei nach aktueller Einsicht durch die Meldungspflicht in dem Gesetz sehr viel verbreiteter als befürchtet. Zweitens seien Zoos bei dieser Art ein Hauptschuldiger für die Einschleppung, und drittens wäre es juristisch schwer, bei einer pauschalen Ausnahmegenehmigung für die EAZA die Privathalter auszugrenzen; man sieht auch im positiven Fall für die EAZA eine Fülle weiterer Forderungen kommen, besonders von privaten Tierhaltern. Ein endgültiges Votum erging nicht. Erwogen wurde eine genetische Studie, um den Anspruch der EAZA zu prüfen, ihre Munjaks wären artenschützerisch wertvoll. Letzters scheint imr wichtig, damit nicht mit heißer Nadel aus politischen Gründen ein EEP gemacht wird, nur um Artenschutz ev. nur vorzutäuschen. Die Taxonomie der Art ist nämlich niemals gut revidiert worden, und Zoos haben anonyme und niemals dokumentierte Importe ohne jedes Zuchtbuch über Jahrzehnte gezüchtet. Da ist wahrscheinlch alles hineingekreuzt worden, was jemals ankam, ohne dass mand as jetzt noch nachvollziehen kann.
Nach einer schnellen Entscheidung sieht das nicht aus.

2. Dänemark, das durch Fundamentalopposition die Listung des Mink verhindert hatte, kündigte an, wohl als Gutmachung ein großes Life-Projekt der EU anzustrengen, das die Schäden durch den Mink begrenzen soll. Dazu lud Dänemark vom Mink betroffene Staaten ein, von diesem Projekt im Naturschutz zu profitieren. Das ist natürlich ein guter Zug und zeigt, dass allein der Diskussionsprozeß im Umfeld der Gesetzgebung weiterhilft, auch wenn nicht (sofort) alle Hoffnungen des Naturschutzes erfüllt werden. Eine wirksame Bekämpfung des Mink in Hotspots des Artenschutzes, etwa an Vogelkolonien oder in Reliktgebieten de Europ. Nerzes, mag nämlich durchaus unmittelbar mehr für den Naturschutz bringen, wenn man wirklich Geld in die Hand nimmt, als allein eine Listung als zukünftig verbotene Farmart.

3. Die nächste Erweiterung der EU-Liste fällt aus aktueller Lage heraus aus und wird derzeit für Ende 2021 geplant. Für dann ist bisherige Planungsliste vorgesehen, also wieder eine üppige Nachlistung von ungefähr 20 Arten.

Zu Sacha: irgendwo im Iternet ist eine aktuelle Arealkarte des Rotfeuerfisches im Mittelmeer, habe den Link aber nicht parat.

(29.07.2020, 19:05)
Sacha:   Das stützt die Aussagen der Aquariumsmitarbeiter, von denen nur einer einen Rotfeuerfisch im Mittelmeer gesehen hat (wobei ich vergass zu fragen wo genau) und der lokalen Fischer, die gar keine Exemplare der Art in ihren Netzen hatten. Man mag mir verzeihen, dass ich hier zurückhaltend auf den Umstand hingewiesen habe und nicht gleich von "gar keinen" oder "keine Spur von" schrieb...

Fast ganz Griechenland erobert?: Ich kenne Personen, die regelmässig die Gegend um die griechischen Inseln betauchen. Da werde ich mal interessehalber nachfragen.
(29.07.2020, 18:28)
Hystrix:   In Frankreich sind wohl noch gar keine Rotfeuerfische, sondern nur im östlichen Mittelmeer, östlich von Sizilien. Dort sind sie aber schon angekommen, und wenn man bedenkt, dass die Einschleppung in Zypern erfolgte, ist eine Ausbreitung bis Italien in nur etwa 5 Jahren schon enorm, zumal auch fast ganz Griechenland schon erobert ist. In Frankreich sollten sie in 3-45 Jahren auch erscheinen, denn im Osten sind sie so erfolgreich, dass nichts dafür spricht, dass sie in Italien halt machen.
(29.07.2020, 14:55)
Sacha:   Erinnerungen können trügen.

War übrigens gerade in Südfrankreich und habe mich dabei mit Fischern und Mitarbeitern des Seaquariums le Grau-du-Roi und des Marinelands Antibes über das Thema Rotfeuerfische unterhalten. Fazit: Sichtungen/Fang bislang (sehr) selten. Von einer PLAGE kann zumindest jetzt im westlichen Mittelmeer keine Rede sein...

Bez. Juan-Fernandez-Inseln wird wohl absichtlich unterschlagen, dass es dort "im Jahres- und Tagesrhythmus weder besonders heiß noch besonders kalt" wird. Also anders als bei uns im nördlichen oder gar mittleren Europa.

Bez. der Möglichkeit, dass sich in Siedlungsnähe (wegen des Nahrungsangebots und/oder tendenziell wärmeren Temperaturen) lokale Populationen von Nasenbären bei uns etablieren könnten, kann man tatsächlich nicht ausschliessen. Bei gewissen Papageienarten ist das auch schon der Fall. Allerdings müssten dann unter solchen Kriterien in der Konsequenz tausende weitere exotische Arten gelistet werden.

Zur Behauptung, sich von monatelang klirrendem Frost zu verabschieden: Den Winter 2012 schon vergessen? Da herrschte eine rund dreiwöchige Kältewelle in ganz Europa mit etwa 600 Toten (Menschen) als direkte Opfer davon. Ist jetzt nicht so furchtbar lange her...
(29.07.2020, 13:48)
Hystrix:   Ich habe es so in Erinnerung, dass früher hier behauptet wurde, man könne die Flucht von aus Haltungen vernachlässigen, weil sie bei uns zu selten seinen und weil ja Halter kein Interesse hätte, Tiere zu verlieren. Wann genau das geschrieben wurde weiß ich nicht mehr und angesichts der sehr viele Posts kann ich es auch nicht herausfinden. Es erinnert an die Argumentation der Pelzindustrie, Minks könnten gar nicht aus Farmen entkommen, denn ein Verlust der Tiere wäre ein Geldverlust für die Züchter, woran sie kein Interesse haben.

Es wurde auch konkret geschrieben (das war Hannes Lueke), bei uns könnten Sie wegen des Klimas nicht überleben, es sei zu nasskalt. Und Sacha goss in Sachen Nasenbär Spott über die EU aus, weil die so blöd wären anzunehmen, Nasenbären könnten bei uns klimatisch überleben, wenn er auch hier etwas milder formulierte als bei seinem beissenden Spott über die von ihm befundene Unmöglichkeit, dass Rotfeuerfische im Mittelmeer leben könnten, wo sie inzwischen eine Plage sind.

Nun, Nasua nasua geht in den Anden bis auf mehrere 1000 Meter Höhe, wo schon Frost ist und es enorm viel regnet. Zudem sind sie zu einer Plage geworden auf den Juan Fernandez-Inseln vor Chile. Hier wird ab September 2020 mit hohem Geldaufwand die ganze Hauptinsel mit Giftködern aus Flugzeugen belegt, um die Nasenbären auszurotten, weil sie sonst endemische Vogelarten eliminieren. Diese Inseln haben ein extrem feuchtes, ozeanisches Klima, mit mittleren Wintertemperaturen von 7 Grad. Bei uns in Deutschland waren die mittleren Wintertemperaturen im Winter 2019/2020 bei 5 Grad, das ist nicht viel kühler als auf dieser chilenischen Insel, und näher am Atlantik in Frankreich oder GB dürfte das Klima dem dieser Chile-Insel ganz gut entsprechen, wobei es schon in Südfrankreich oder im Tessin wärmer ist. Wobei es in Juan Fernandez sogar viel nässer ist, weil es dauert regnet, was vom Nasenbären offenbar auch gut vertragen wird (er kommt am Amazonas ja auch in einem extrem regenreichen Gebiet vor und am Andenosthang sogar in einem noch nässeren und kühleren Gebiet).

Die Vorstellung monatelang tief verschneiter Winter, klirrendem Frost über lange Zeit und weiße Weihnachten mag nachschwingen, sie ist aber seit Jahrzehnten selbst in Deutschland nicht mehr gegeben. Ich sehe nicht, dass man kategorisch ausschließen kann, dass Nasenbären bei uns angehen können. Vielleicht frieren sie in extremen Jahrhundertwintern etwas zurück, wenn auch Eisvögel oder Schleiereulen massenhaft sterben, aber ob das ausreicht Nasenbären wieder ganz loszuwerden scheint mir zumindest im Umkreis von Siedlungen (Unterschlupf, Nahrungsabfälle) nicht sicher.
Die seit 2017 bei EASIN für D entkommen gemeldeten Nasenbären stammen aus dem Raum Darmstadt und aus Scheswig-Holstein, beides keine Regionen mit extremer Winterkälte oder Schnee. In der Rheinebene von Südhessen gab es wohl die letzten 5 Winter so gut wie gar keinen Schnee, und wenn es vereinzelt ( 1-3x im Jahr) mal nachts einige mm schneite, war es am Vormittag schon wieder weg.

(29.07.2020, 09:19)
Sacha:   Zu spekulieren, dass Südamerikanische Nasenbären einen finnischen Winter überleben, ist erlaubt, aber völlig aus der Luft gegriffen. Man kann auch behaupten, Yetis hätten sie eingeführt, das kann man auch nicht mit Sicherheit ausschließen.

Und nein: Es geht nicht um die Muntjakbestände, die erwiesenermassen bereits vor der Listung in einigen europäischen Ländern existierten, sondern um die - wie beschrieben - kürzlichen Sichtungen in D. Bitte genau lesen.

Und steht nun hier im Forum, dass es völlig unmöglich ist, dass Nasenbären in D aus Gefangenschaftshaltung entkommen können oder ist das auch nur wieder eine leere, effektheischende Behauptung?
(28.07.2020, 22:04)
Hystrix:   Normalerweise wird niemals herauskommen, wer an so einem Fall Verantwortung trägt. Gut ist immerhin, dass jetzt bindend vorgeschrieben ist, solche Fälle zentral zu melden und dann Rechenschaft abzulegen, welche Maßnahmen zur Beseitigung getroffen wurden. Im Fall der Munjaks ist fast sicher gewährleistet, dass man sie beseitigen kann, wenn man denn will und aktiv wird. Das muss jetzt rechtlichzwingend so sein, und so werden sogar die in Sachen Neozoen bisher total passiven deutschen Behörden aktiv und wird der Munjak in der EU nicht mehr als Neozoon neu auftreten und explodieren können. Da GB auch nach Austritt aus der EU das Invasivengesetz 1 : 1 übernimmt und unverändert fortführt, wird auch wahrscheinlich, dass selbst die dort sehr große etablierte Population mittelfristig verschwindet. Damit ist für den China-Munjak das Problem in Europa wahrscheinlich gelöst.

Beim Nasenbären ist das anders, weil dieser sehr schwer zu bekämpfen ist. Hier ist möglich, dass wie bei der Bisamratte selbst mit Aufwand der Erfolg nicht sicher ist.

Zu spekulieren, dass die Munjaks allein wegen des Haltungsverbots freigekommen sind, ist erlaubt, aber völlig aus der Luft gegriffen. Man kanna uch behaupten, UFOs hätten sie eingeflogen, das kann man auch nicht mit Sicherheit ausschließen. In Europa dürfte es aber mindestens 10 Fälle von etablierten China-Munjaks VOR der Gesetzgebung gegeben haben, deswegen wurde die Art überhaupt erst gelistet. Alle entkamen aus Haltungen. Ohne dieses Gesetz würde der Munjak früher oder später überall sein, auch bei uns, eben weil kein Verantwortlicher aktiv wurde..

(28.07.2020, 19:43)
cajun:   Für das "Entsorgen" spricht diese Quelle; " Seit einigen Monaten sorgt nicht nur der Delfin in der Eckernförder Bucht für Schlagzeilen, sondern ebenso ein paar kleine Hirsche auf der Halbinsel Schwansen. Wie Zeugen berichten, wurden in Kosel einige Chinesische Muntjaks in einem Gehege gehalten. Dies geschah offensichtlich illegal, denn die Haltung dieser Tiere ist einem Bericht der Eckernförder Zeitung von heute zufolge, seit 2016 verboten bzw. lediglich unter Auflagen erlaubt. Doch die kleinen Hirsche waren plötzlich aus dem Privatgehege verschwunden. Stattdessen laufen sie nun auf der gesamten Halbinsel herum. Mal wird ein Hirsch vor Damp gesehen, mal in Rieseby, häufiger in Kosel und Gammelby. Es wird durch das Landesamt dazu aufgerufen, unbedingt (möglichst mit Bild) Meldung zu machen, wenn man einen der ?Invasoren? entdeckt. Sogar eine eigene Mailadresse wurde für ?Invasoren? eingerichtet. Die ?invasiven Tiere? sollen nämlich ?entnommen werden?, wie es freundlich umschrieben heißt. Sie sind also zum Abschuss freigegeben. Man befürchtet, die Neozoen könnten heimisches Wild vertreiben bzw. negativen Einfluss auf das Ökosystem nehmen. Wie bereits bei den Sikahirschen erzählt man sich, die Muntjaks seien vermutlich aus Gattern ausgebrochen. Die Schwansener Sikahirschpopulation gehört mittlerweile zu den größten Populationen in Deutschland ? vielleicht ist sie sogar die größte. Und wenn man es genau nimmt, gehört das Damwild sogar zu den so genannten Neozoen, da es nach Beginn der Neuzeit (also nach 1492) durch den Menschen nach Deutschland eingeführt wurde. 1577 schenkte der dänische König dem kurhessischen Landgrafen nämlich 30 Damhirsche zur Haltung in dessen Wildgehege. Es ist abzuwarten, ob man nun denjenigen bestraft, der die Chinesischen Muntjaks eingeführt hat, oder ob dies bei aller Aufregung um die Asiaten untergeht."

Quelle: https://seeadlerschutz.de/2020/06/04/von-der-jagd-auf-muntjaks-auf-der-halbinsel-schwansen/
(28.07.2020, 16:56)
Sacha:   Interessant ist an diesem Umstand doch vor allem, dass die Sichtungen (zumindest im letzten geschilderten Fall) erst NACH der Listung erfolgten.
Da drängt sich die Vermutung auf, dass die Besitzer sich der Tiere entledigen wollten um sich die Kosten/Mühen für die Vermeidung einer unerlaubten Zucht zu ersparen. Sollte dem so sein, wäre das ein klarer Beweis dafür, wie kontraproduktiv die Listung ist.

Bevor man hier auch ein triumphales Geschrei macht, dass Nasenbären in der freien Wildbahn in D gesichtet wurden, wäre es vielleicht hilfreich festzustellen, ob diese überhaupt schon einen Winter hier überlebt haben...

Dann würde mich noch interessieren, wer hier im Forum behauptet hat, dass es "völlig unmöglich sei, dass Nasenbären in D aus der Gefangenschaft entweichen könn(t)en".
(28.07.2020, 16:11)
cajun:   Dazu gibt es ziemlich viel im Netz. Das halbe Bundesland geriet wohl in Aufruhr :-) Scherz*
Hier ein Artikel aus einer Jagdzeitschrift einkopiert.:

"In einem Waldstück bei Kosel wurden Muntjaks gesichtet. Die Behörden gehen davon aus, dass die Tiere ausgesetzt wurden. Die Ausbreitung der kleinen asiatischen Hirsche soll verhindert werden.

Ende März wurden erstmalig Chinesische Muntjaks (Muntiacus reevesi) in einem Waldstück östlich von Kosel (Schleswig-Holstein) gesehen. Das Vorkommen der Tiere wurde sehr zeitnah der Naturschutzabteilung im zuständigen Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) gemeldet.

Während zunächst von nur drei Tieren ausgegangen wurde, lassen die vielen Sichtungen der darauffolgenden Tage und Wochen darauf schließen, dass sich mindestens 8 Tiere im Raum Kosel und Umgebung aufhalten beziehungsweise aufgehalten haben.
Da die Art Chinesischer Muntjakals invasive gebietsfremde Art von unionsweiter Bedeutung gilt und zum Glück in Deutschland noch nicht weit verbreitet ist, sind sofortige Maßnahmen einzuleiten, die die Etablierung einer Population verhindern.

Anderenfalls werden durch die Art starke negative Auswirkungen auf die vorhandenen Ökosysteme, Lebensräume und Arten erwartet. Hier geht es vor allem um eine Konkurrenzsituation zum einheimischen Rehwild - sodass es besonders im Winter zur Nahrungskonkurrenz kommen kann - sowie um mögliche starke Verbissschäden an jungen Gehölzen.

Zu den Maßnahmen gehört neben der Möglichkeit des Einfangens auch die Entnahme durch einen Abschuss. Aufgrund des plötzlichen Auftretens mehrerer Tiere und der durch viele Bürger beobachteten Zutraulichkeit in dem gebiet nördlich von Eckernförde wird angenommen, dass es sich um ein ordnungswidrig erfolgtes Freisetzen der Tiere handelt und diese bis vor Kurzem noch in menschlicher Obhut waren.

Diese Zutraulichkeit machte es bisher möglich, vier Tiere einzufangen. Zwei weitere Tiere sind durch den Straßenverkehr und ein Verfangen in einem Zaun verendet. Für die eingefangenen Tiere wurde eine Unterbringung in die Wege geleitet.

Es ist nun wichtig, dass eine Fortpflanzung und damit eine Etablierung der Tiere in Kosel und Umgebung verhindert wird. Die zahlreichen Sichtungen, die durch Bürger in den vergangenen Wochen beim LLUR eingegangen sind, haben dazu beigetragen, einen Eindruck von der Anzahl und der Verbreitung der noch in freier Natur befindlichen Tiere zu bekommen.

So konnte festgestellt werden, dass nach einer anfänglichen sehr lokalen Präsenz in dem Waldstück die Tiere auch zum Teil in einigen Kilometern Entfernung gesehen werden konnten.

Zudem sind beim LLUR wertvolle Hinweise zu weiteren Sichtungen an anderen Orten Schleswig-Holsteins eingegangen. Diese Einzelsichtungen lassen auf entlaufene Tiere aus Privathaltungen schließen.

Die Haltung und Vermehrung von Chinesischen Muntjaks ist jedoch seit August 2016 mit wenigen und restriktiven Ausnahmen verboten.
Der Chinesiche Muntjak wird auf der Unionsliste der EU-Verordnung 1143/2014 für invasive Tierarten geführt. Bisher gab es keine aktuellen Meldungen aus Deutschland. Für solche nicht etablierte Arten der Unionsliste sieht die EU-Verordnung vor, dass die Vorkommen sofort zu beseitigen sind.

Für weit verbreitetet Arten ist ein Management zu etablieren. Für den Muntjak existiert daher kein Managementplan. Die Art wird deutschlandweit im Zoologischen Gärten oder Tierparks gehalten, es existieren aber auch private Haltungen.

Was können Jäger tun?
Wenn Sie einen Chinesischen Muntjak in Ihrem Jagdbezirk sichten, müssen Sie die Beobachtung an das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) melden.
invasive.arten@llur.landsh.de

Dabei sollen gerne auch weiter zurückliegende Beobachtungen sowie (sofern vorhanden) Bildmaterial übermittelt werden. Bitte geben Sie bei der Meldung an, ob Sie bereit wären, ein Individuum der invasiven Art zu entnehmen. Bitte geben Sie des Weiteren an, in welchem Jagdbezirk Sie über eine Jagderlaubnis verfügen."

Quelle: https://jagdpraxis.de/news/muntjaks-schleswig

Kann man nicht auch die Wölfe bei der Lösung des Problems mit einbeziehen? Das klappt ja sehr gut bei den Mufflons in Gebieten in denen Wölfe wieder einwandern...
(28.07.2020, 11:12)
Hystrix:   Im Internet kann man sich bei EASIN die Meldungen der EU-Mitgliedsstaaten von neu beobachteten Vorkommen gelisteter Arten in ihrem Staatsgebiet anschauen. Ohne Bekämpfung hat ein jeder dieser Fälle das Potential für eine neue Invasion. Insgesamt sind es wohl -geschätzt- etwa 100 Fälle seit 2017, die neu gemeldet wurden und derzeit beseitigt werden oder es bereits sind.

Darin sind für Deutschland mit zweimal Nasenbär und viermal China-Munjak zwar nicht viele, aber auch nicht Null Fälle bei Arten aufgetreten, die hier im Forum als "völlig unmöglich" aus Haltungen entweichend dargestellt wurden, in immerhin nur 3 Jahren. Beim Munjak ist dabei ein ganz aktueller Fall in Schleswig-Holstein noch nicht enthalten, damit sind es fünf. Außerdem gibt es weitere Fälle, die nicht gemeldet wurden, weil einzelne Munkas als Straßenopfer anfielen, oghne dass es Hinweis auf eine bereits etablierte Popujlataion gab. Im aktuellsten Fall in Schleswig-Holstein gibt es wohl eine bisher übersehene Population, die erst jetzt auffällt und die auf "Entkommen aus Privathaltungen" zurückgeführt wird, und mindestens mehrere etablierte Tiere umfasst, mindestens acht, vielleicht mehr. Da nunmehr sofortige Beseitigung vorgeschrieben ist, wird man sogar im bisher bei Invasiven so passiven Deutschland aktiv und hat die zwei Fälle der Nasenbären auch schon erwischt, von den Munjaks leben aber noch an drei der fünf Stellen welche.

Für ganz Europa ist es schwer, ohne große Mühe die Fälle genau auszuzählen, aber das Invasiven-Gesetz hat immerhin sichtlich viele Dutzend Eradikationen von solchen Neupopulationen erzwungen, also nicht ganz unerheblich wenige, wenn man sieht, wie leicht man doch so große Tiere merken müsste. Das sind nur de kleinen Aktionen, nicht die großen Projekte.

(27.07.2020, 16:42)
Hystrix:   Nachdem in den Niederlanden offenbar alle 500.000 Farmnerze getötet werden müssen, weil nicht wenige Corona bekamen, und damit das vorzeitige Ende der Nerzzucht in diesem Land erfolgt, zog jetzt die spanische Provinz Aragon nach. Hier müssen 92.000 Minks getötet werden, auch wegen vieler nachgewiesener Coronafällen. Das ist besonders bemerkenswert, weil es in Nordspanien noch einige der kritisch vom Aussterben bedrohten Europäischen Nerze freileben gibt, und aus Farmen entweichende Minks deren größter Feind sind. Vielleicht bedeutet diese Massenschlachtung das Ende der Minkzucht auch in Spanien.

Andererseits ist diese Nachricht natürlich auch für Zoos möglicherweise bedrohlich, denn wenn Minks so empfänglich für Corona sind, könnte das auch auf weitere Carnivoren, zumindest Musteliden und zuvorderst Nerze zutreffen. Bisher dachte man im Zoo eher an eine Gefahr für Menschenaffen, aber vielleicht sind Raubtiere noch eher gefährdet, von Zoobesuchern angesteckt zu werden. Zumindest das EEP der wertvollen Europ. Nerze sollte man ausreichend von Zoobesuchern isolieren.

(16.07.2020, 18:08)
Hystrix:   Zunehmend erscheinen wissenschaftliche Analysen zu den Einschleppungsmechanismen invasiver Arten, hier entsteht ein ganz neuer Forschungszweig. Ein für Tierhalter interessanter Artikel ist hier und stammt schon von 2015:

https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1365-2664.12470

In Kürze sprachen mich darin die Zahlen an, dass es in Europa bei Hobby- und professionellen Haltern 54 Millionen Ziervögel, 28 Millionen Kleinsäuger, 14 Millionen Aquarien und neun Millionen Reptilien gibt. Erstaunlich fand ich, dass nicht wie gedacht Deutschland mit an der Spitze steht, es ist nur bei Kleinsäugern mit führend, sondern oft unerwartete Länder wie Italien und Türkei bei Vögeln und Frankreich/England bei Reptilien. Es gibt eine nationenweise Graphik der jeweils in den Ländern gehaltenen Anzahlen pro Tiergruppe. Die pet industry mache in Europa 25 Milliarden Euro Umsatz. Genauso bedenklich wie die eingeschleppten Pets seien die damit verbundenen Krankheitserreger, die auf lokale Wildtiere überspringen, es werden Beispiele genannt.

Ein ganz aktueller Artikel von diesem Monat ist hier:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/brv.12627

Darin geht es weniger nur um Haltung als um übergeordnete Aspekte, insgesamt ein sehr kundiger Review der Gesamtproblematik. Eine Tabelle zeigt, welche Invasiven die meisten Ausrottungen bewirkt haben, wobei der Nilbarsch in Afrika mit 200 ausgerotteten Buntbarscharten führt vor einer Schnecke, die auf pazifischen Inseln 134 Schneckenarten ausrottete. Die Hauskatze mit 14 ausgerotteten Wirbeltierarten ist da fast schon harmlos, der Amphibienchytridpilz hat bisher 90 Arten ausgelöscht, aber zunehmend immer noch weitere mehr. An allen Ausrottungen bis heute waren Invasive in 25% der ausgelöschten Pflanzen und 33% der ausgelöschten Tiere beteiligt.

Die Schlusskapitel fassen Maßnahmen und deren Erfolg zusammen. Das EU-Gesetz wird auch kurz kommentiert, seine Hauptschwäche sei, dass zu wenige Arten gelistet sind und die Nachlistungen lange dauern.

(30.06.2020, 20:05)
Hystrix:   Bekanntlich hat sich 2019 keine Mehrheit in der EU dafür gefunden, den Mink trotz Anerkennung seiner hohen Invasivität zu listen. Grund dafür war die geradezu aggressive Rolle Dänemarks und weiterer Skandinavier, die mit Minkfellen sehr viel Geld verdienen, und die schwerste Konsequenzen bis zur Sabotage Europas androhten im Falle eine Verbots.

Nun stellt sich heraus, dass Minks zumindest in Farmen Corona-krank werden und wenn auch bisher offenbar kein Mensch nachweislich davon infiziert wurde, werden aktuell in NL (alle?) 500.000 noch in holländischen Nerzfarmen gehaltenen Minks getötet, um der Seuche unter ihnen Herr zu werden. Damit endet die Minkhaltung in Holland vier Jahre bevor dem ohnehin wegen Tierschutz bereits vorher gesetzlich vorgesehenem Verbot solcher Farmen in 2024. Offenbar geht seither auch im aggressivsten Verteidiger und weltgrößten Minkhalter, Dänemark, die Angst um, seither auch dort Farmnerze Corona-krank wurden. Mal sehen, ob dort die Farmen auch geschlossen werden.

In diesem Zusammenhang ist relevant, dass Minkfarmen schon in 15 EU-Ländern aus Tierschutzgründen verboten wurden, seit 2000, als zuerst England verbot, kamen fast jedes Jahr weitere Verbotsländer hinzu. So gelten Verbote bzw. müssen Farmen binnen weniger Jahre schließen auf den ganzen Britischen Inseln (Irland läuft erst noch aus), ganz Benelux (NL sind die letzten und ziehen jetzt vorzeitig nach) und mehreren Ländern des Ostens und des Balkans. In D wurden die Farmen nicht verboten, aber die Haltungsstandards so heraufgesetzt, dass Minkfarmen kaum noch profitabel sein können und man rechnet mit dem Auslaufen der letzten Haltung in spätestens 5 Jahren mangels Profit.

Bleibt Skandinavien als Bollwerk, wo ungefähr die Hälfte aller Minkfelle produziert werden und wo sich neben DK v.a. Schweden resistent gegen Kritik der Tierschützer und Naturschützer zeigt, aber auch Finnland sich windet. Immerhin hat kürzlich überraschend Norwegen als einer der weltbedeutendsten Erzeuger von Pelzen gleich sämtliche Pelztierzucht verboten, auch Füchse, und immerhin 17.000 Arbeitskräfte der zur Schließung gezwungenen Farmen müssen versorgt und entschädigt werden. Das ist in dem kleinen Land eine hohe Zahl, sicher relativ noch höher als bei uns die Autoindustrie, also eine ganz schön beachtliche Entscheidung der Norweger, damals allein wegen Tierschutz.

In USA läuft ähnliches, Kalifornien verbot jüngst Import und Verkauf von Pelzmänteln, was als einer der größten Märkte der USA die Pelzindustrie schwer nervt. Mal sehen, wie das jetzt mit Corona weitergeht, aber sobald nachgewiesen ist, dass Minkfarmen Menschen Corona-krank machen, könnte es ganz schnell zum Ende des Minks in Europa kommen, - bis auf die invasiven Verwilderten als schwere Hypothek der Pelztierhaltung.

(27.06.2020, 12:14)
Hystrix:   Die EAZA hat sich wegen des Verbots des China-Muntjak an die EU gewandt. Man argumentiert, dass dessen Gefährdungseinstufung in der Roten Liste veraltet sei und er entgegen der jetzigen Einstufung tatsächlich bedroht sei und dass es in der EAZA die einzige große Reservepopulation gebe. Es seien 289 Tiere in 13 Zoos. Man plane deshalb ein Zuchtprogramm und ersucht Ausnahmegenehmigung nach Artikel 8 des EU-Invasiven-Gesetzes, nach welchem bedrohte Arten unter Auflagen trotzdem gehalten werden können.

Das ist sicher rechtlich ein sauberes Vorgehen der EAZA. Schal wirkt auf mich nur, dass sich bisher niemals jemand um die Art kümmerte und sie über viel Jahrzehnte unkoordiniert gehalten wurde. Erst jetzt entdeckt man den Artenschutz?

Mal sehen, was aus dem Vorstoß wird. Der Brief der EAZA wurde auf der jüngsten Sitzung des Beirats der EU zur Kenntnis genommen. Ansonsten scheint Corona den Zeitplan verschoben zu haben. Eigentlich sollte im Juni 2020 eine weitere Ausweitung der Liste verabschiedet werden, aber es steht noch nicht einmal ein Termin für eine solche Sitzung fest.

(22.06.2020, 19:01)
Adrian Langer:   Coronavirus! So viel Zeit muss sein.
(27.04.2020, 14:17)
Hystrix:   Ganz so unpassend ist das Thema hier nicht. Eigentlich war Toxoplasma immer ein Erreger, der zwar potentiell ein breites Wirtsspektrum hat, aber trotzdem wesentlich auf Katzenarten als Wirte konzentriert war. Er kann aber im Prinzip ganz unterschiedliche Säuger infizieren, auch Menschen. Offenbar verhinderten früher nur weiche Schranken, dass das breit geschieht, auch wenn die Durchseuchungsraten mancher Menschenpopulationen nicht klein sind. Wenn nun im Zoo durch große räumliche Ballung und Enge diese weichen Schranken fallen und alle möglichen Wildarten infiziert sind, hat das potentiell gravierende Auswirkungen auch auf freilebende Bestände, in die Toxoplasma dann invasiv eindringen kann. Man denke an Wiederauswilderungen bedrohter Arten, besonders wenn aussterbende Reliktbestände mit ausgewilderten Zootieren aufgestockt werden. Dann kann leicht ein potentiell für diese Arten bedrohlicher Erreger aus dem Zoo, wo er von Feliden übergesprungen ist, in den Reliktbestand der Natur auch eines Primaten oder Huftiers eindringen und somit den ganzen überlebenden Restbestand einer bedrohten Art infizieren. Selbst wenn die Mortalität an sich gering ist, wird zukünftig die gesamte Evolution dieser Art anders verlaufen, eben mit anwesendem Toxoplasma als obligatorisch vorhandenem Selektionsfaktor. Das ist dann zwangsläufig die wenn auch leicht zu übersehende Schädigung eines Ökosystems durch ein dann invasive Art.

Angenommen, Bartgeier wären für Toxoplasma empfänglich, den sie im Zoo von Löwen oder Tigern erhalten, und sie wären dann ein Gesundheitsrisiko für ihre freilebenden Artgenossen. Dann könnte das EU-Gesetz zoogeborene Bartgeier als invasiv listen und Auswilderungen verbieten.

Es gibt analoge weitere Fälle. So haben alle Wiederkäuer im Pansen für sie überlebenswichtige Symbionten, also Wimpertierchen die die Bakterien fressen, welche im Magenbrei die Pflanzennahrung des Wiederkäuers aufarbeiten, und dann selbst von den Wimpertierchen gefressen als Eiweiß für das Huftiere dienen, das sie verdaut. Jede Huftierart hat besondere Arten dieser Symbionten. Das ist alles wenig erforscht, aber erste Hinweise lauten, dass im Zoo diese Einzeller die Wirtsgrenzen überspringen und besonders dominante Arten, etwa aus hochgezüchteten Hausrindern, auch in solchen wilden Huftieren sich durchsetzen, wo sie von Natur aus nicht vorkamen und deren natürliche Symbionten sie ersetzen. Es entsteht also im Zoo allmählich eine Einheitsfauna von Pansensymbionten, und einzelne artspezifische Wimpertierchen fallen weg. Das ist an sich schon ein Artenschutzproblem, eben für den Artenschutz der typischen Symbionten, aber es mag auch dazu beitragen, dass viele Wiederkäuer in Zoos krankhaft zurückgebildete Pansenzotten haben, wie das IZW früher mal feststellte, auch wenn mand as dem Tier äußerlich nciht anmerkt. Fast niemand schenkt diesem Thema Aufmerksamkeit, aber wenn ich eine Antilope aus Zoonachzucht in Afrika auswildere, führe ich leicht aggressiv-dominante Magensymbionten in einen Nationalpark ein, wo diese früher niemals vorkamen Auch das ein klarer Fall für Invasivität, was aber von Naturschützern und Zoofreunden nicht berücksichtigt wird, weil man diese Tierchen nicht sieht und man Wimpertiere sowieso nicht kennt oder sich dafür interessiert.

Analog Federlinge oder Haarlige als Ektoparasiten, die manchmal auch Wirtgrenzen überspringen und dann invasiv werden können.
(06.04.2020, 09:49)
Sacha:   Nein, passt eigentlich nicht hierher, da es weder um die Listung/Haltungsverbot noch um (explizit genannte) invasive Arten geht. Das heisst, es könnten bzw. werden mit Sicherheit unter den untersuchten Arten auch solche sein, die als nicht invasiv gelten.
Nichts desto trotz ist es richtig, dass Zoos den Kampf gegen Mäuse, Ratten und streunende Hauskatzen verstärken müssen/sollten. Hier meine vollste Zustimmung. Was natürlich wiederum die Frage aufwirft, ob man - angesichts der Tatsache, was streunende/verwilderte Hauskatzen an Masakern an Kleintieren anrichten und gewisse Populationen an den Rand der Ausrottung bringen (bzw. schon ausgerottet haben) - den Handel und die Zucht der Miezen nur schon aus naturschützerischen Gesichtspunkten EU-weit verbieten MÜSSTE. Wenn dann noch eine (weitere?) gesundheitliche Bedrohung für den Menschen dazukommt...
(05.04.2020, 21:06)
Hystrix:   Passt hierher, wenn auch nicht zum EU-Gesetz. Laut einer Studie der Universität Cordoba hatten von 393 untersuchten Zootieren in spanischen Zoos aus 91 Arten ganze 42 % den auch für Menschen gefährlichen, einzelligen Erreger Toxoplasma gondi. Toxoplasmose ist eine auch Menschen treffende Krankheit, wobei die Erreger in alle möglichen Organe und ins Gehirn eindringen können und wenn Schwangere erstinfiziert werden, missgeformte Babies geboren werden.

Die Autoren schlagen vor, dieses als Problem für die öffentliche Gesundheit zu werten und dass Zoos unbedingt verstärkt Mäuse und Ratten bekämpfen sowie streunenden Hauskatzen den Zugang verwehren, weil das die wichtigsten Überträger auf Menschen sind.

(05.04.2020, 18:23)
Sacha:   Wenn Sie die Wendung nicht mitmachen, warum dann das "übrigens"?

Mal ganz abgesehen davon: In Notzeiten können viele Länder gewisse Rechte und Vorschriften ausser Kraft setzen. Und wie wir gerade bei Tschechien, Ungarn und Polen bez. Flüchtlinge sehen können, fühlen sich offenbar selbst ohne Notstand (Zeitpunkt der Zuwiderhandlung) nicht alle verpflichtet, die "heiligen" EU-Gesetze einzuhalten (zumal die drei Länder mit hoher Sicherheit straflos davonkommen werden). Das aber nur am Rande und zugegebenermassen Off-Topic.

Auch sprach bzw. schrieb ich nicht, dass "ausschliesslich" im "tiernahen" Bereich bzw. Naturschutz gespart werden könnte/sollte. Da gibt es in der EU-Bürokratie (und auch in der Bürokratie der Schweiz!) noch anderes Sparpotenzial.
Und selbst wenn es nur wenige 10000 Euro/Franken wären. Wenn sie am Schluss den Ausschlag geben, dass (schneller) ein Mittel gegen Corona entwickelt werden kann und so Menschenleben gerettet werden können, ist es das alleweil Wert. Und ja: Dafür würde ich auch die Zoos opfern, allerdings sähe die Prioritätenliste in Sachen Opfer bei mir sicherlich anders aus als bei Ihnen.

Wäre spannend zu sehen, ob eine Mehrzahl der (Welt-)Bevölkerung eher auf Zoos oder auf die Arbeit bez. EU-Listung verzichten würde bzw. was sie zuerst "opfern" würde...
(03.04.2020, 14:13)
Hystrix:   Diese Wendung in der Diskussion mache ich nicht mit. Die Grundsatzfrage, ob Naturschutz an sich sein Geld wert ist oder nicht oder ob er in finanziuell angespannten Zeiten ausgesetzt werden kann, geht weit über unsere Thematik der invasiven Arten hinaus. Das bringt hier nicht weiter. Hier soll allein über die invasiven Arten und Zoos diskutiert werden, die Frage, ob man Naturschutz an sich einsparen will oder nicht gehört nicht hier her. Tatsache ist, dass gerade invasive Arten extrem viel mehr Steuergeld kosten, wenn man liberal alles erlaubt, als wenn man zumindest die Auswüchse verbietet. Einer der Hauptgründe, neben Naturschutz, für das EU-Gesetz, war ökonomische Natur.
Übrigens wäre es gar nicht so einfach, Naturschutz aus irgendwelchen Erwägungen auf einmal nicht mehr zu finanzieren, er ist vielfach Staatsziel in den nationalen Verfassungen, so auch in D, und damit dem Gesetzgeber zwingend vorgeschrieben, vergleichbar etwa der Rechtspflege oder der Gewährung polizeilicher Sicherheit. und laut Convention of Biological Diversity umfasst sogar das bindende Völkerrecht nicht nur allgemein den Artenschutz, sondern sogar speziell die effektive Bekämpfung invasiver Arten rechtsverbindliche Pflicht.

Wenn man wirklich im "tier-nahen" Bereich schnell viel Steuergeld sparen muss, wäre es einfacher, sofort sämtliche öffentliche Gelder für Zoos einzusparen, diese werden nämlich nur freiwillig gewährt und es gibt keinerlei gesetzliche Auflagen, auch kein Grundgesetz und nicht das Völkerrecht, die Staaten oder Kommunen auferlegen, Zoos zu fördern. Das könnte man binnen Sekunden auf Null fahren, was beim rechtlich Naturschutz gar nicht geht. Wobei ich nicht sage, dass ich das gut fände oder möchte.

(03.04.2020, 09:29)
Sacha:   Ich fange mal hinten an: Es gibt nun mal keine absolute Sicherheit. Man kann nicht alles verbieten bzw. nicht verhindern, dass Gesetze gebrochen werden. Selbst von der ökonomischen Seite halte ich es für sehr fraglich, ob tatsächlich viel mehr Geld gespart wird, wenn man die Kosten betrachtet, die für eine rigorose Umsetzung eines Haltungsverbotes anfallen bzw. anfallen KÖNNTEN. Nicht alles ist so einfach zu kontrollieren wie ein Import etwa eines Chinesischen Muntjaks. Ich denke da an Samen invasiver Zierpflanzen.

Natürlich sind die Kosten für ALL die Arbeit um die EU-Listung Peanuts im Vergleich zur Coronakrise bzw. die dadurch theoretisch eingesparten und auf die Bekämpfung des Coronavirus umverteilten Gelder nur ein Tröpfchen auf den heissen Stein. Aber wenn man bei allen EU-Projekten, die nicht dem akuten Weiterbestand eines EU-Landes und seiner Bevölkerung dienen, was abzwackt oder gleich alles umverteilt, kommt schon einiges zusammen. Mit Sicherheit würden die Gelder die Suche nach einem Impfstoff beschleunigen. Und wenn man rechnet, was die Coronakrise die Weltwirtschaft bzw. die Ökonomie jedes Landes kostet, ist jeder Tag, der die Krise verkürzt, ein Riesengewinn.
Womit wir beim Kostenvergleich wären. Corona kostet PRO TAG mehr, als - wenn wir Ihre geschätzten Zahlen als Massstabe nehmen - jede invasive Art PRO JAHR. Wenn wir schon von Peanuts sprechen...
(02.04.2020, 22:22)
Hystrix:   Natürlich kostet es ein klein wenig Geld, die Liste zu erweitern. Ich weiß nicht wieviel und würde so auf einige 10.000 Euro für eine einzelne Erweiterungsrunde tippen, wenn man Porto, Stromverbrauch für die dafür nötigen PCs, bezahlte Fremdgutachten, und so weiter rechnet. Die Beamten sind ja ohnehin vorhanden und würden auch ohne Neulistung bezahlt. Das ist aber angesichts der Summen, die dadurch an Unkosten vermieden werden, geradezu gar nichts. Allein die Ausrottung der Schwarzkopfruderente, und das ist einer der leichtesten Fälle der bisher gelisteten, dürfte bisher so um die 20 Millionen gekostet haben, und ist immer noch nicht zu Ende, und hat allein schon mehr Planungssitzungen gebraucht als eine Erweiterungsrunde für Verbote. Hätte man die Ente früher gelistet, bzw. hätte das Gesetz damals schon bestanden, wäre ein rechtzeitiges Verbot also ein hübsches Sümmchen Ersparnis für Europas Steuerzahler gewesen.

Der Rotfeuerfisch wird uns sicher viel mehr Geld kosten als die Ente, man muss abwarten und sehen, wie stark er das Mittelmeer beeinträchtigen wird. Aber wenn es so dick kommen sollte wie in der Karibik dürften viele Zehnermillionen, vermutlich Hundertemillionen auf europäische Steuerzahler zukommen, allein um die Umstrukturierung des rückgehenden Fischfangs abzufedern. Wenn dann noch die ersten Badegäste von Giftstacheln verletzt werden und der Tourismus ähnlich nochmals leiden sollte wie durch Quallen eh schon, wird es ganz teuer. Und das ist noch lange nicht die Bisamratte oder oder oder?

Das teuflische an diesen Fällen ist, dass es Dauerkosten sind, solange man diese Arten nicht wieder los wird. Selbst wenn die Kontrolle von Nutria oder Waschbär einen Staat "nur" läppische eine Million pro Jahr kosten sollte, sind das im Erwerbsleben eines Steuerzahlers, nehmen wir eine Lebensarbeitszeit von 45 jahren, schon 45 Millionen nur dafür pro Art, und in einem Jahrhundert sind es dann 100 Millionen, wohlgemerkt pro Art. Nach einem Jahrtausend wäre es eine Milliarde,

Es gibt überschlagsmäßige Schätzungen von Ökonomen, wie sehr invasive Arten die Volkswirtschaften belasten. Ich habe mich damit nie im Detail befasst aber die aufgeschnappten Unkosten sind enorm. Ich weiß aber nicht genug , um hier Zahlen zu nennen, auch nicht, wieviel das in der EU ist, würde aber derzeit auf einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr für die EU und für alle Arten rechnen. Da sind große Posten drin wie unbrauchbare Talsperren oder Bewässerungskanäle durch Wasserhyazinthe im Süden, oder ständige Bisamjad an Deichen, oder auch zwar an sich kleine, aber sich mächtig multiplizierende Summen wie Robinein oder Götterbäumen in Naturschutzgebieten auf Sandböden Jahr für Jahr auszumachen, auf Dauer und in aller Ewigkeit. Das läppert sich gewaltig. Da kann dann eine fahrlässige Einbürgerung im Zuge aller Jahre riesige Kosten erzeugen.

Dafür sind ein paar Videokonferenzen um ein paar Verbote auszusprechen sicher zwar - da haben Sie formal recht- auch Unkosten, aber nicht mal Peanuts, einfach gar nichts im Verhältnis dazu.

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen bezieht sich auf den Finanzaufwand und das Verhältnis von Aufwand und ebenfalls zu bedenkenden Folgeschäden. Wenn ich den breit etablierten Götterbaum bei uns ausrotten wollte, wäre das nicht zu bezahlen und wäre ohne das Verspritzen von Unmengen Herbizid auch nicht zu schaffen, also dann einfach nicht verhältnismäßig, auch nicht wegen der Kollateralschäden durch Herbizid. Leider ist das nicht selten so, die unzähligen eingeschleppten Flußkrebse wird man auch nicht mehr ganz los und viele andere Arten auch nicht. Im Detail kann man aber fast immer trotzdem was tun, etwa verschärfte Maßnahmen in Nationalparks oder in Reliktbiotopen von gefährdeten Arten, die ansonsten durch Invasive geschädigt werden. Es kann also etwa verhältnismäßig sein, den Götterbaum in einem konkreten Naturschutzgebiet auszurotten oder von einer Insel, die er sonst zuwachsen würde.

Umso wichtiger sind präventive Verbote, alle sind sich einige, dass Prävention die mit Abstand effektivste und auch ökonomischste Lösung ist. hzaltungsverbnote sind zweifellos enorm öknonomisch, sie verursachen keine bzw. unwesentliche Kosten und packen viele Probleme an der Wurzel, indem sie diese von vornherein ausschließen.

(02.04.2020, 19:50)
Sacha:   Man kann natürlich auch bewusst etwas falsch verstehen wollen.
Der ganze Aufwand, der betrieben wird, um Arten zu listen (Gespräche, Sitzungen, Übersetzungen usw.) kostet garantiert Zeit und Geld, unabhängig davon, ob dies im Rahmen der "normalen" Arbeit geschieht oder ob Extrastunden dafür anfallen.
Auch der zweite Punkt wurde offenbar (absichtlich?) missverstanden. Die Aussage bzw. Frage war, ob man bei den nun mal begrenzten finanziellen Resourcen nicht eine andere Verteilung vornehmen sollte. Selbstverständlich kann man hier aber anderer Meinung sein.
Und noch eine Frage: Steht man bei "verhältnismässigen Massnahmen" nicht zwangsläufig irgendwann wieder am Ausgangspunkt bzw. artet dies - im Gegensatz zu einer Ausrottung - nicht in Sisyphos-Arbeit und damit Geldverschwendung aus?
(02.04.2020, 18:06)
Hystrix:   Die Listung der Arten im Gesetz kostet gar nichts, und ein Haltungsverbot auch nicht. Darüber hinaus muss pflichtgemäß für jede Art ein Managementplan gemacht werden, aber der schreibt nicht notwendigerweise die komplette Entfernung invasiver Tiere vor, sondern soll gemäß EU vielmehr sicherstellen, dass verhältnismäßige Maßnahmen getroffen werden, die eine auch finanziell verhältnisgemäße Minderung der Schäden erfolgter Einschleppungen schafft, soweit möglich, aber nicht zwangsläufig die Ausrottung der Invasiven, weil das zumeist zu teuer wäre wenn überhaupt möglich. Zu meinen, weil derzeit einige Monate ein neues Virus grassiert, könne man Naturschutz unterlassen, ist absurd. Fatale Dinge kann man nicht gegeneinander aufrechnen, man behandelt ja auch Gallensteine und unterläßt es nicht weil es zusätzlich andere Krankheiten gibt, und im Ãœbrigen sind invasive Arten nicht nur ökologisch, sondern sehr oft, fast immer auch ein wirtschaftliches Problem. In der Karibik hat der Rotfeuerfisch vielerorts die Fischerei zerstört, weil eben nichts mehr da war zu fangen, und wenn ich an extreme finanzielle Kopfstände beí uns denke, Arten wie Dreikantmuschel aus Wasserrohren und Stauseen loszuwerden, oder die Abermilliarden, die die Bisamratte auf Dauer insgesamt schon kostete, damit entlang der Nordsee eine Zernagung der Seedeiche verhindert wird, indem dauerhaft Dutzende von Bisamjägern unterwegs sind, die der Steuerzahler auf alle Ewigkeit bezahlt, kann man sich fragen, ob ALLE invasive Arten zusammen nicht ein ebenso großes wirtschaftliches Desaster sind wie die derzeitige Viruskosten, oder ein größeres.

Eine kürzlich erschienene Planungsstudie überschlägt, dass die Beseitigung des Minks allein in GB mehrere Zehnermillionen Pfund kosten wird, aber das sei ganz langfristig immer noch billiger als auf Dauer jährlich weniger Geld zur bloßen Zurückdrängung aufzuwenden. Über solche Dimensionen redet man, nicht über Peanuts wie die lächerlich kleinen Etats von Zoos oder die paar Groschen, die der Heimtiermarkt zum Bruttosozialprodukt beiträgt. Das ist im Vergleich dazu wirtschaftlich völlig unerheblich. Invasionsbiologie ist fast immer auch die Behandlung großer bis extrem großer Unkosten, und zwar wenn die Ausrottung nicht mehr gelingt dann auf Dauer. Man muss das nicht beschreien, aber es mag sein, dass es mancherorts im Mittelmeer wegen der Rotfeuerfische es keine Fischerei mehr geben wird. Caulerpa hat kleinräumig bereits Fischer in den Bankrott getrieben, nur weil Schauaquarien achtlos waren, wenn auch bisher nicht die ganz große Fischerei.

Formal betrachtet könnte man das Corona-Virus aus als invasive Art betrachten, aber Mikroben und Viren sind explizit aus dem EU-Gesetz ausgeklammert. Sie spielen nur indirekt hinein, etwa wenn das Streifenhörnchen verboten wurde, auch weil es neue und unangenehme Erreger der Borreliose eintragen kann und es auch tut. Aber die Übergänge zwischen Quarantäne-Gesetzen und dem EU-Gesetz sind durchaus weich und etwas fließend. Auch der Pestfloh und die Wanderratte waren im Mittelalter invasive Neuankömmlinge in Europa, und die Pest wäre ohne die Wanderratte bei uns nicht gewesen. Das hängt alles zusammen. Ebola wurde vor Jahrzehnten unter dem Namen Marburg-Virus allein durch gehaltene Affen nach Europa eingeschleppt, und man muss froh sein, dass zufällig dieses Virus bei uns offenbar nicht funktioniert, sonst wäre es nicht bei einigen Toten geblieben und die meisten von uns würden wohl schon nicht mehr leben, allein weil man lebende Affen importierte und sie züchtete. Das kann stäündig auch in den besten Zoos erneut passieren.

(02.04.2020, 15:45)
Sacha:   Wurde hier nicht mal erwähnt, dass der Rotfeuerfisch-Spezies im Mittelmeer ein Lessepscher Einwanderer sein könnte?

Davon ausgehend, dass man (= Staaten, Behörden) nicht für alle Dinge Geld übrig hat, sollten wir uns mal grundsätzlich die Frage stellen, ob wir die Energie und die finanziellen Mittel, die wir für ein EU-Haltungsverbot aufwenden, nicht besser (VERSTÄRKT) in die Abwehr und Vernichtung von Viren und Bakterien stecken. Der Schaden, der durch dadurch ausgelöste Pandemien - in kürzester Zeit! - entsteht, ist wie wir gerade erleben, viel grösser.
(02.04.2020, 12:12)
Hystrix:   Die EU hat jetzt die bisher noch ausstehenden risk assessments für die restlichen aktuell zur Verbotslistung vorgeschlagenen Arten veröffentlicht.

Das Asssessment zum Rotfeuerfisch ist dahingehend betrüblich, weil offenbar zumindest lokal im Mittelmeer schon sehr hohe Dichten dieser Art vorliegen, wobei einzelne Tauchgänge von zur Tilgung ausgesandten Tauchertrupps pro Tauchgang bis zu 125 Exemplare erbeuteten. Tröstlich ist aber, dass bisher keine harte Evidenz vorliegt, dass Aquarien Schuld an der Misere haben. Vielmehr hätten strichprobenhafte Molekularanalysen Übereinstimmung der Genetik der invasiven Rotfeuerfische im Mittelmeer mit den natürlichen Beständen Roten Meer erbracht, und in den bisher untersuchten Vorkommen nicht mit jenen aus Südostasien, woher Zoos und Aquarien zumeist ihre Importe beziehen und die auch gerade in Zypern und Griechenland verbreitet für die Haltung gehandelt werden. Das spricht für eine Zuwanderung ins Mittelmeer über den Suezkanal, entweder spontan oder als Larventransport im Ballastwasser von Schiffen. Die Studie schlägt dennoch den Rotfeuerfisch zur Listung vor, der Importhandel mit dieser Art muss sehr hoch sein, auch am Mittelmeer, und die Folgen einer Einschleppung sind wohl dramatisch.

Auch die von mir lang erwartete Einschätzung des ebenfalls vorgeschlagenen Axishirsches ist fertig. Sie schätzt dieses Tier nur als "mäßiges Risiko" ein, nicht mehr. Hauptgefahr wird in Wildparks gesehen, die auch für viele andere Hirsche die Quelle für invasive Populationen gewesen wären, oftmals unterstützt von Jägern, die neues attraktives Wild ansiedeln wollten und offenbar gerne auf lokale Halter zurückgreifen. Für den Axishirsch selbst gibt es aber offenbar nur einen solchen Präzedenzfall in USA und einen nicht ganz transparenten Fall in England. Die Art gilt in Übersee als vielfach stark invasiv und kommt in Europa bisher in Koratien, Ukraine und Moldau invasiv vor. Mehrere Ansiedlujngen in älterer Zeit sind wieder erloschen bzw. sie konnten beseitigt werden. Von den bestehenden Vorkommen im Südosten Europeas wird aber keine Zuwanderung erwartet, die kroatischen Bestände leben auf Inseln der Adria. Allenfalls stellten die Haltungen in EU-Europa selbst ein Risiko dar. So abschwächend wie das aber alles klingt bin ich eher skeptisch, dass diese Listung eine Mehrheit der abstimmenden EU-Staaten bekommt. Ich erwarte eher, es geht aus wie beim Bison, also es wird eher nicht gelistet. Das muss aber abgewartet werden.

(01.04.2020, 22:57)
Hystrix:   Bisher war eine Lücke beim EU-Gesetz gegen invasive Arten, dass Arten, die irgendwo in einem Gebiet der EU von Natur aus vorkommen, in allen anderen EU-Staaten automatisch nicht als invasiv galten, auch wenn sie es biologisch gesehen nach Einschleppung dort sind. Wenn also der Nilflughund, der natürlich auf Zypern lebt, in Spanien eingeschleppt würde und dort die Obstplantagen kaputtmacht, hätte man ihn trotzdem nicht nach dem EU-Gesetz listen können, eben weil er -wenn auch nur in Zypern ? natürlich in der EU vorkommt. Das war seinerzeit aus juristischen Gründen beschlossen worden, und hat viel Kritik eingebracht. Das ist eine verbreitete Rechtspraxis, so zu verfahren. So ist die Verfichtung deutschen Wäldern auch deshalb möglich gewesen, weil die Fichte in Deutschland lokal natürlich vorkommt, etwa in den Alpen, im Bayerischen Wald und im Harz, und daher juristisch bundesweit als heimisch gilt und auch bei Anpflanzung in Forsten in der Tiefebene oder im Rheintal, wo sie niemals vorkam, immer erlaubt waren. Dieser juristisch wohl gebotenen, aber biologisch unsinnigen Regelung war auch die EU gefolgt, als sie ihr Gesetz erließ.

Deswegen ließ die EU jetzt prüfen, welche solcher Arten irgendwo in der EU tatsächlich invasiv sind. Da kam eine ganz lange Liste von Arten heraus. Nunmehr hat man die 20 "schlimmsten" Fälle auf einer short list identifiziert und trägt den Mitgliedsländern an, in diesen Fällen nationale Listungen vorzunehmen, wenn diese Arten bei ihnen invasiv auffallen. Dann wäre diese Gesetzeslücke behoben. Die 20 Arten umfassen auch mehrere Wirbeltiere, etwa Kaninchen, Vipernatter, Ruineneidechse, Wels, aber letztlich nichts, was für Zoos oder Hobbyhalter wirklich wesentliche Haltungsarten sind. Es sieht so aus, als ob dadurch neben den EU-weiten Listungen bald auch allein nationale Verbote folgen werden.

(14.03.2020, 19:27)
Sacha:   Kennt jemand von Euch eine öffentlich zugängliche zoologische Institution nördlich der Alpen, die Krallenfrösche das ganze Jahr über in Freilandhaltung hält?

Dazu folgenden Info aus Wikipedia:
"Rechtliches
Werden Krallenfrösche als Versuchstiere gehalten, so muss die Wassertemperatur gemäß Anhang 3, Tabelle 4 TschV der Schweiz zwischen 18 °C und 22 °C liegen, zudem ist die Mindestgrösse des Bassins vorgeschrieben."
(18.02.2020, 21:31)
Hystrix:   Das EU-Komitee für invasive Arten gab jetzt auf seiner letzzten Sitzung interne Zustimmung für die Abstimmung über folgende Tiere, über die dann im Sommer 2020 abgestimmt werden soll, ehe sie auf die Verbotsliste kommen können. Es ist aufgrund der Vorgeschichte in diesen Fällen wahrscheinlich, dass diese Arten demnächst gelistet werden:

Callosciurus finlaysonii
Lampropeltis getula
Morone americana
und 10 Arten Wirbellose und Pflanzen.

Von den weiteren bisher vorliegenden Vorschlägen werden wohl folgende noch rechtzeitig bearbeitet, bis Ende März 2020, damit wahrscheinlich im Sommer ebenfalls darüber abgestimmt werden kann; wenn nicht, dann 2021:

Castor canadensis
Axis axis
Pycnonotus cafer
Pterois miles
Ameiurus melas
Ameiurus nebulosus
Channa argus
Gambusia affinis
Gambusia holbrooki
Lagocephalus sceleratus
Micropterus dolomieu
Xenopus laevis
und 10 Pflanzen und Wirbellose.

Es stehen dieses Jahr also ungewöhnlich viele Wirbeltiere zur Abstimmung, Mit Axishirsch, Kanadabiber, Rotfeuerfisch und Rußbülbül erstmals seit einiger Zeit auch wieder Arten, die In Zoos verbreiteter sind. Man darf besonders auf die Begründung beim Axishirsch gespannt sein, dessen risk assessment aber noch nicht fertig ist. Alle risk assessments, sobald fertig und formal genehmigt, werden hier eingestellt:
https://circabc.europa.eu/ui/group/98665af0-7dfa-448c-8bf4-e1e086b50d2c/library/1dd916e3-e138-43c1-8a88-44a03100a9da?p=1&n=10&sort=name_ASC

(18.02.2020, 08:51)
Sacha:   Vielen Dank für die Antwort. Wie gesagt: Richtige Entscheidung. Und auch erfreulich, dass eine Bekämpfung nicht nur diskutiert und gesetzlich verankert, sondern auch angegangen wird.
(06.02.2020, 21:01)
Hystrix:   Vespa velutina ist seit 2016 gelistet, stand also schon in der ersten Fassung der EU-Liste.

Sie bereitet v.a. in S-Europa große Schäden, weil sie Honigbienen (und natürlich auch Wildbienen) verdrängt. Die wirtschaftlichen Schäden entstehen durch Verlust von Bienenvölkern und unterlassener Bestäubung von Obstbäumen. In einzelnen spanischen Provinzen sind Bekämpfer eingestellt, die die Art bekämpfen. Nur in Spezialfällen, etwa auf der Insel Mallora, kommt man damit aber gut voran.

Seit 2016 läuft ein EU-Projekt in Italien, das die Bekämpfung optimieren soll, u.a. wird spezielles Radar eingesetzt, um einzelnen Hornissen zu folgen bis ans Nest, um dieses entfernen zu können. Siehe:

https://www.vespavelutina.eu/it-it/

(06.02.2020, 17:48)
Sacha:   Interessante Meldung bei Bild:
https://www.bild.de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/vespa-velutina-nigrithorax-asiatische-hornisse-in-hamburg-entdeckt-68613896.bild.html

Was mich zur Frage bringt: Wurde besagte Asiatische Hornisse eigentlich auch gelistet? Wäre eine richtige Entscheidung. Ich meine nur, weil sie unter Umständen, aber natürlich nur unter Umständen, für den GESAMTEN EU-Raum eine grössere ökologische und ökonomische Bedrohung darstellt als die Südamerikanischen Nasenbären...
(06.02.2020, 11:52)
Hystrix:   Ja, bei wikipedia ist bei den Pythons nur von "breeding facility" die Rede. Das ist ungenau und kann von einem Zoo über eine Zuchtbasis für Privathandel alles bedeuten. In der unteren der beiden Zitatmeldungen steht aber wörtlich, es seien in dem Sturm auch Zoos komplett zerstört worden und Pythons offenbar aus vielen Etablissements ausgerissen. Aber letztlich ist es ja völlig egal, ob die schuldige "facility" für die jetzt 300.000 Pythons in den Everglades von Besuchern Eintritt nimmt gegen Tierschau oder nur eine Versorgungsstation für Terrarien ist. Wenn in Florida ständig Stürme sind und regelmäßig ganze Ortschaften verwüstet werden, beinahe alljährlich, müssen eben exotische Wildtiere, welche auch immer und wie immer gehalten werden, zwangsläufig irgendwann frei kommen. Dem Hurricane wird egal sein, ob es ein öffentlicher Zoo ist oder ein Privatzoo oder ein Privathaus, verwüstet werden alle. Hier ist Tierhaltung an sich ein Problem für die Natur, egal in welcher Form.

Nach TV-Auskünften baut man in Florida Häuser vielfach so billig, weil man ohnehin Hurricanes einkalkuliert, so dass die meisten Hausbesitzer im Lauf ihres Lebens einmal ihr Anwesen nach einem Sturm ausbessern oder sogar ganz neu bauen müssen. Das wäre immer noch billiger als teuer und stabil zu bauen, denn wenn sich stabile Häuser bei einem Hurricane dann doch nicht halten, wird es sündhaft teuer und ruiniert den Besitzer, zumal man sich oft nicht versichert. Also alles lieber billig und wenig stabil bauen und Schäden einkalkulieren, und nach dann unvermeidlicher Zerstörung lieber nochmals billig neu bauen und hoffen, dass es dann das eigene Leben über aushält. Die Häuser fallen ja auch oft nur wi Kartenhäuser zusammen, aus den Resten kan man oft erneut bauen, indem man die Wände wieder aufstellt. Zerstörung ist also einkalkuliert. Das heißt aber zwangsläufig, dass alle in solchen Häusern lebenden Exoten zwangsläufig früher oder später frei kommen. Eine ex und hopp-Mentalität, die sicher auch die Tierhaltung einschließt.
Verantwortung würde dort gebieten, potentiell invasive Exoten gar nicht halten zu dürfen, egal von wem. Das hat man versäumt so vorzuschreiben, und entsprechend sieht es offenbar in Südflorida auch in der Natur aus, ein Sammelsurium von Arten aus der ganzen Welt und bereits nicht wenige heimische Arten davon ausgerottet. Nochmals von früher: Im Weltnaturerbe Everglades sollen von exotischen Reptiilien sämtliche Wildsäuger ausgerottet worden sein. Dort in Südflorida einen Zoo zu eröffnen halte ich für rundweg unverantwortlich. Mal sehen wann es so weit ist, dass das dort verboten wird.

(08.01.2020, 14:20)
Sacha:   Tja, da muss ich wohl NICHT zurückkrebsen.
Bei 1. ist nur von Vögeln des Zoo Miami die Rede (Ich habe übrigens weder davon gehört noch gelesen, ob sich aus den Überlebenden invasive Populationen entwickelten), nicht von Riesenschlangen aus einem Zoo. Dort steht wiederum nur "a facility".
Bei 2. wird allgemein von "entkommenen Tieren" gesprochen, aber nicht die entkommenen Pythons einem oder mehreren bestimmten ZOOS(!) zugewiesen.
QED.
(08.01.2020, 10:45)
Hystrix:   Hier zwei längere Kopien aus dem Internet zu nur einem einzelnen Hurricane, genannt Andrew. Die erste ist aus Wikipedia, daraus auch noch eine Notiz zu entflohenen Affen aus einer Primatenstation. Egal wie viele der Schlangen parallel oder zuvor auch von Privatleuten ausgesetzt wurden, in einem derartig von Wirbelstürmen heimgesuchten Land scheint jede Tierhaltung geradezu Gewähr zur Einbürgerung invasiver Arten zu bieten. Früher oder später muss das wohl so kommen:

1.
https://en.wikipedia.org/wiki/Effects_of_Hurricane_Andrew_in_Florida

"During the storm, a facility housing Burmese pythons was destroyed, allowing many of them to escape into the Everglades. Although Burmese pythons ? native to Southeast Asia ? had been sighted in Everglades National Park since the 1980s, the destruction of this facility contributed significantly to the establishment of breeding populations in Florida. Due to rapid reproduction and ability to prey on many species, the population of Burmese pythons has exploded, with possibly as many as 300,000 in the Everglades alone. At Zoo Miami (then known as the Miami MetroZoo), winds toppled more than 5,000 trees and destroyed the Wings of Asia aviary ? which was only built to withstand sustained winds of 120 mph (190 km/h) ? causing the loss of approximately one-third of the 300 resident birds. Nearby, damage to the University of Miami Primate Center ? allowed about 1,800 monkeys and baboons to escape. Rumors began that the monkeys were injected with the AIDS virus for experimental purposes, causing at least 30 monkeys to be shot dead by residents, police officers, and members of the National Guard."

2.
http://www.reptileknowledge.com/articles/article22.php
"How did Burmese pythons populate the Florida Everglades, anyway? Where did these snakes come from? How are they thriving in an ecosystem so far from their native habitat? To answer these questions, we must go back to the early 1990s. Hurricane Andrew devastated Florida in 1992, and it damaged quite a few zoos, pet stores, exotic animal warehouses, and wildlife refuges in the process. Many of the escaped animals -- ranging from monkeys to mountain lions -- were rounded up after the storm. But many animals eluded capture. It has been documented that a large (but unknown) number of Burmese pythons were "liberated" by Hurricane Andrew, escaping into the Florida Everglades and other parts of the state. It is also likely that irresponsible pet keepers contributed to this problem, though to what extent I cannot say. We have a snake-care Q&A service on this website, and through it I have spoken to hundreds of snake keepers over the years. On several occasions, I have spoken to Burmese pythons owners who were desperately trying to find new homes for their pet snakes, to no avail. Based on this experience, I believe it's possible that a few pet pythons have been released into the wild over the years, in Florida and elsewhere. And, as you will soon learn, it only takes a single breeding pair to start an "invasion.""

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Das sind nur Zufallsfunde im Netz, ich kann für nichts Gewähr übernehmen. Dennoch scheint mir in einer solchen Region eine große Tierhaltung unverantwortlich zu sein, denn Hurricanes, wenn auch nicht so große, gibt es offenbar fast jährlich. Nicht umsonst wird Südflorida in Sachen invasiver Arten eine der am schlimmsten geschädigten Regionen der ganzen Welt sein, v.a. was pets angeht wie exotische Reptilien dürfte es anderswo kaum mehr invasive Arten geben.
(06.01.2020, 16:44)
Sacha:   Wenn man etwas immer und immer wieder behauptet, wird es trotzdem nicht wahr(er).

Die genannten Riesenschlangen in den Everglades stammen aus einer oder mehreren privaten Exotenhaltung(en) (gemäss CBS: Exotic Wildlife Facilities). Von einem öffentlichen Zoo (im eigentlichen Sinne bzw. gar einer AZA-Einrichtung) war in den mir zugänglichen Artikeln nie die Rede. Auch hat gemäss amerikanischen Fachleuten diese Flucht nicht den Grundstein für die Python-Population in Florida gelegt, sondern sie gestärkt/begünstigt. Die Gründertiere sollen von freigelassenen "Haustieren" (Pets) abstammen, also NICHT aus Zoos!
Aber falls hier ein Beweis für die Behauptung erbracht wird, nehme ich den Eingangs erwähnten Satz natürlich in aller Demut zurück...
(06.01.2020, 15:57)
Hystrix:   Interessanter Hinweis auf den invasiven Rotfeuerfisch:

https://www.islandconservation.org/technology-helps-control-invasive-lionfish-population/

Demnach wurde die Art in der Karibik eingeschleppt, als ein ?aquarium tank? infolge eines Hurrcanes ins Meer gepült wurde ? ob aus einem Zoo oder von privat steht da nicht. Das wäre eine ähnliche Einschleppung wie die mehrerer Riesenschlangen in den Everglades, die aus einem vom Hurricane verwüsteten Zoo ausbüchsten.

Die Strategie, den Rotfeuerfisch als Delikatesse zu fangen und in Feinschmeckerkreisen eine neue Nachfrage zu vermarkten und den Fisch so zurückzudrängen, scheint in Maßen erfolgreich, versagt aber in Meerestiefen von unter 1000 m, wo Fischer nicht hinkommen. Das führte jetzt zur Entwicklung eines selbstfahrenden Tauchroboters, um auch in großer Meerestiefe lebende Rotfeuerfische zu verfolgen. Dieses Gefährt betäubt die Fische mit Strom und saugt sie dann in eine Fangkammer. So ein Roboter kostet 1000 Euro, aber mit Erlösen von 10 Euro für ein Kilo Fleisch vom Rotfeuerfisch und einem Fangerfolg von 20 Fischen pro Tauchgang scheint sich das zu rentieren, sicher aber auch nur wenn die Art massenhaft vorkommt. Da die Art aber 2 Millionen Eier pro Weibchen und Jahr ablegt wird man auch so sie nicht wieder los und muss sich auf dauerhafte Schäden der Riffe und der sonstigen Fischerei einstellen.

Im Mittelmeer, wo die Art erstmals 2012 bei Zypern auftrat, hat sie sich inzwischen westwärts bis Italien und Tunesien ausgebreitet und damit in nur sieben Jahren den ganzen Ostteil des Mittelmeers erobert. Zypern startet ab diesem Jahr mit einer intensiven Bekämpfungsaktion, bei der 2x jeden Monat ein Tag lang bezahlte Taucher harpunieren. Auch hier spielt man einen Teil der Kosten durch Verkauf des angeblich hochwertigen Fleischs ein, teuer ist es aber trotzdem und ausrotten wird man den extrem fruchtbaren Fisch nicht mehr können.

(06.01.2020, 10:06)
Patrick Marburger:   Der Axishirsch könnte- so unklug und fatal ich die ganze Aktion finde- eine echte Chance sein. An selteneren, bedrohten Alternativen, die aktuell nur schwerlich Halter finden, mangelt es ja nicht...
(03.12.2019, 10:50)
Hystrix:   Bei der EU-Liste geht es weiter. 2020 sollen folgende Wirbeltierarten für die Nachlistung bewertet werden:

Axishirsch
Rußbülbül
Schwarzer und Brauner Zwergwels
Argus-Schlangenkopffisch
Rotfeuerfisch
Eine frühere Bewertung des Afrikanischen Krallenfrosches wird bis dahin neu bearbeitet.

Sodann sind in engerer Diskussion für mögliche Bewertung zwei Arten Moskitofische (Gambusia) und Amerikanischer Streifenbarsch.

Diese Arten könnten dann frühestens 2021 gelistet werden. Nachdem es 2019 primär Pflanzen waren, kommen jetzt die Fische in den Vordergrund.

(03.12.2019, 09:02)
Hystrix:   Die LIFE-Förderung der EU finanziert ein neues Projekt in Belgien gegen den invasiven Ochsenfrosch, dem bislang nur wenig beizukommen ist. Dort gibt es mehrere Populationen über 1500 Quadratkilometer verteilt, alle von Tierhaltern begründet. Man will jetzt triploide Kaulquappen im Labor erzeugen, also solche mit 3 Chromosomensätzen. Diese sind lebensfähig und zeigen ein normales Verhalten, sind aber unfruchtbar. Die Erwartung ist, dass wenn man genug Triploide aussetzt, dass sich die vorhandenen Weibchen oft mit triploiden Männchen paaren und dann nur noch unbefruchteten Laich absetzen. Man erwartet binnen sechs Jahren die Population um 90% abzusenken für vergleichsweise wenig Geld (immerhin noch 2 Millionen, also eigentlich doch viel).

Bei uns bei Karlsruhe versucht man Ochsenfrösche nachts mit Pistolen und Pfeil und Bogen abzuschießen, oder Taucher sammeln Larven in Baggerseen ein, was nicht sehr ergiebig und extrem aufwendig ist. Da könnte die neue Methode einen Durchbruch bedeuten, hofft man.

(07.11.2019, 09:37)
Hystrix:   Der Europarat fertigte eine neue Studie an, wie sog. E-commerce, also Internethandel, für den fortgesetzten Handel mit Arten verantwortlich ist, die in der EU jetzt als invasiv verboten wurden. Man fand 217 Internethändler, welche gelistete Arten trotzdem für die EU-Gebiete anboten, aus Nicht-EU-Ländern Europas wie in Ãœbersee bis hin zu China und USA. Da scheint sich für verantwortungslose Geschäftemacher eine Marktlücke aufgetan zu haben, durch Lieferungen von außen die Gesetze der EU zu unterlaufen. Am häufigsten werden verbotene Pflanzen zum Versand in die EU angeboten, etwa Wasserhyazinthen, eher als Tiere, am allerhäufigsten sind aber Schmuckschildkröten im Angebot.

Man erörtert mehrere Ansätze, wie das in Zukunft zu unterbinden ist.

Das zeigt aber auch, wie berechtigt seinerzeit das Argument war, Arten nicht nur in einzelnen EU-Ländern zu verbieten, sondern EU-weit, selbst wenn sie wärmeliebend sind wie die Wasserhyazinthe und im Norden nicht lebensfähig wären im Freiland. Wenn jetzt sogar Chinesen und Amerikaner von außen weiter liefern über Internet kann man sich ausmalen, wie nutzlos es gewesen wäre, etwa die Wasserhyazinthe nur in Spanien und Italien zu verbieten, nicht aber in GB oder D.

(25.10.2019, 15:08)
Sacha:   @Hystrix: Ich denke doch. Die Rede war von einem "Huftier und Regewaldbewohner" und das sind Kleinkantschile wissenschaftlich (zumindest Stand heute) nun mal. Ãœbrigens wurde gemäss Fachliteratur festgestellt, dass auch Muntjaks zumindest gelegentlich tierisches Eiweiss zu sich nehmen.

Und richtig, auch bei einigen Duckerarten wurde dieses Verhalten festgestellt. Nur ist bei denen m. W. (oder zumindest nicht bei allen) die Vermehrungsrate nicht (ganz) so hoch.
(19.10.2019, 09:08)
Hystrix:   Sacha: Das ist kein guter Einwand.
Kantschile sind mit um 2 kg Körpermasse gut 10x kleiner als Muntjaks, eine Mutter muss also drastisch weniger Eiweiß und mineralreiche Knochen produzieren, um ein Junges zu setzen. Außerdem sind Kantschile ernährungsökologisch etwas ganz anderes. Sie ernähren sich zusätzlich zu grünen Pflanzen großteils von Früchten und sind wohl auch carnivor (wenigstens werden in Gefangenschaft Insekten und Schnecken sehr gerne genommen, lieber noch als Pflanzen). Eine quantitative Nahrungsanalyse aus dem Freiland scheint zu fehlen, aber Zoobeobachtungen nach sind sie eher omnivor, nicht rein herbivor, Schweinen ähnlicher als Hirschen.

Muntjaks nehmen zwar ähnlich Rehen und anderen kleinen Wiederkäuern relativ eiweißreiche Pflanzenkost, also am liebsten junge, eiweißreiche Triebe und Knospen ujnd kaum alte Pflanzen oder Gras mit primär Fasern, dennoch ist der Nährstoffgehalt in der Muntjak-Diät sicher in keiner Weise mit der Diät von Kantschilen vergleichbar, sondern erheblich niedriger.

Ökologisch betrachtet sind Kantschile so etwas wie größere Nagetiere oder Schweine, weniger wie herbivore Wiederkäuer. Nicht umsonst ist die Fruchtbarkeit von Schweinen so hoch, sie müssen nur die Nährstoffe in der Nahrung in Nachwuchs umwandeln, während ein Herbivorer diese erst mühsamer akkumulieren muss.

Ähnlicher dürften diesbezüglich die Kantschile einigen Duckern sein, die wie der Zebraducker (Regenwaldbewohner!) richtig carnivor sein können ? im Zoo haben sie schon frei feiegende Tauben gejagt und gefressen.

(17.10.2019, 19:51)
Sacha:   Noch ein Nachtrag: Ein Huftier UND(!) Regenwaldbewohner, der/das eine ähnlich hohe Reproduktionsrate/Vermehrungsfreudigkeit aufweist wie der Chin. Muntjak ist der Kleinkantschil (bzw. die Kleinkantschile, da ja in mehrere Arten aufgeteilt).

@Adrian Langer und Oliver Muller: :D:D (statt Nasenbären-Wurst hätte ich lieber Nilgans-Braten;):))
(17.10.2019, 11:53)
Oliver Muller:   @Adrian: Muntjak-Steaks und Nasenbären-Wurst ;-)
(16.10.2019, 23:43)
Hystrix:   Der China-Muntjak scheint auf extrem hohe Reproduktion selektiert. Die Weibchen sind schon mit 6 Monaten geschlechtsreif und der Östrus dauert nur zwei Wochen, die Tragzeit sieben Monate, d.h. in zwei Jahren sind drei Geburten möglich einer Stamm-Mutter plus zwei der ersten Tochtergeneration und eine der dritten. Das heißt ein Weibchen kann in zwei Jahren Stamm-Mutter von sechs Individuen werden, owohl Einlinge geboren werden. Mir ist kaum ein anderes Huftier bekannt und schon gar kein kein Tropenwaldbewohner, ddas ähnlich schnell getaktet gebiert. Das ist fast schon wie bei Nagetieren.

Zum Riesen-Muntjak finde ich keine Angaben zur Fruchtbarkeit, die Art ist ja fast unbekannt und es gibt noch nicht mal viele Fotos davon. Da er aber 3x schwerer ist als der China-Muntjak wird es sehr viel gemächlicher gehen. Die allermeisten Huftiere des tropischen Regenwaldes werden erst spät geschlechtsreif und setzen auch nicht alljährlich, weil die Weibchen erst wieder Reservoire für Mineralien und Phosphor aufbauen müssen, was im Urwald sehr schwer ist und lange dauert. Wo der China-Muntjak in zwei Jahren 6 Nachkommen (inkl. Enkel) hinkriegt dürfte es nach allem Ermessen beim Riesenmuntjak nur ein Nachkommen sein, maximal unter günstigen Bedingungen zwei. Das ist schon ein drastischer Unterschied, denn es geht nach zwei Jahren ja weiter und zwar exponentiell. D.h. jedes Weibchen der 6 Tiere nach zwei Jahren versechsfacht sich binnen zwei weiterer und so fort. Wenn da keine Mortalität wäre, die natürlich hoch sein wird, würden bald nur noch Muntjaks herumlaufen.

Laut dem englischen Wikipedia rissen aus einem japanischen Zoo einige Individuen in den 1960er Jahren aus und vermehrten sich in 40 Jahren auf 60,000. Damit war offenbar die Landfläche abgesättigt. Laut derselben Wikipedia stammt übrigens die größte invasive Population des China-Muntjaks in Europa weitgehend von Flüchtlingen aus dem Zoo Whipsnade ab, Auch Woburn Abbey hätte zu einem invasiven Bestand geführt. Früher las ich mal, der Bestand sei von Jägern gegründet. Ich weiß nicht was stimmt. Allerdings wurden seit der Berichtspflicht wegen des neuen Gesetzes in Irland, Belgien und Frankreich größere und ganz junge Bestände bekannt, die mit Sicherheit aus Haltungen und wahrscheinlich auch aus Zoos oder Wildparks stammen.
(04.10.2019, 16:48)
Sacha:   @Hystrix: Wirklich? Ich meine mich zu erinnern, dass AUCH vom Klima geschrieben wurde (.... jedenfalls wurde bisher keine solche Art invasiv. Nicht nur wegen des Klimas, aber auch, aber Regenwaldbewohner haben...). Aber falls das immer noch nicht klar sein sollte: Die Aussage bezog sich in erster Linie auf die "Anpassungsfähigkeit".

Ich denke, dass bei 30000 Nachkommen eines Rotfeuerfisches pro Saison eben auch der Grossteil nicht die Geschlechtsreife erlangt, was dann doch einiges wieder relativiert....

Übrigens: Wenn die China-Muntjaks als ausrottungsresistent gelten, warum listet man sie dann überhaupt? Früher oder später werden sie ja dann ohnehin einen Weg in die noch unbesiedelten Gebiete finden. Und wenn man das "Geheimnis" ihrer Resistenz nicht kennt, wer sagt dann, dass dieses Geheimnis nicht auch im Riesenmuntjak enthalten ist. Kann ja sein, dass es etwas anderes ist als die (bessere?) Adaption an nicht-tropische Lebensräume.


(04.10.2019, 13:23)
Hystrix:   So weit ich weiß leben Rotfeuerfische eben nicht im Regenwald, muss mich nochmalsgenau belesen, aber ich glaube die leben im Meer, und zwar in einem für Raufische sehr nahrungsreichen.

Ich denke auch, die ungefähr 30.000 Nachkommen, die ein einzelner Rotfeuerfisch pro Saison erzeugt, sollten doch etwas weniger sein, was alle Huftierearten des immergrünen Tropenwaldes erzeugen. Man stelle sich mal vor, ein Hirsch setzt Zehntausende Nachkommen pro Jahr.

Der Rotfeuerfisch im Mittelmeer ist in sehr wenigen Jahren von Zypern aus in der ganzen östlichen Meereshälfte auftgetaucht, sicher eine Millionenfachung in wenigen Jahren. Man stelle sich mal vor, im immerfeuchten Tropenurwald müsste eine großer Hirsch so viel Calcium ansammeln, um das zu erreichen. Soviel Mineralien und Phosphat gibt es dort gar nicht. Nein der Riesen-Muntjak wird ein Junges pro Jahr setzen, die könnte wohl ein Blinder mit Krückszock schnell wieder einsammeln. Beim China-Muntjak in GB dagegen klappt das bis heute nicht, die gelten als ausrottungsresistent, wobei deren Geheimnis dabei wohl noch nicht ganz verstanden ist.

(04.10.2019, 10:40)
Sacha:   Ob die "neunmalklugen" Zoodirektoren als Veterinäre, Zoologen, Biologen etc. nicht auch ein ebensolches Rüstzeug in Sachen biologische Zusammenhänge mitbringen wie die bislang nicht mit den Namen öffentlich in Erscheinung getretenen angeblichen EU-Listen-"Experten"?

Ich wäre mit der Aussage bez. Anpassungsfähigkeit als Regenwaldbewohner und geringere Fruchtbarkeit vorsichtig. Wurde hier nicht mit Genuss aufgeführt, dass sich Rotfeuerfische als Bewohner tropischer Meere sogar in subtropisch-gemässigten Gewässern als adaptiv und vermehrungsfeudig zeigen können? Warum sollte das auf dem Land nicht auch für den Riesenmuntjak vorstellbar sein?

Darf ich übrigens daran erinnern, dass Zoos schon Artenschutz (und somit Naturschutz) betrieben haben, bevor es ein Gebilde wie die EU gab (Stichwort Wisent).
(03.10.2019, 23:16)
Hystrix:   Diese Art ist ein Regenwaldbewohner, also so ähnlich wie Zebraducker, Anoas oder Spießhirsche. Ob die wirklich bei uns invasiv werden können ist schwer zu widerlegen, jedenfalls wurde bisher keine solche Art invasiv. Nicht nur wegen des Klimas, aber auch, aber Regenwaldbewohner haben normalerweise auch eine geringere Fruchtbarkeit, weil sie unter Nährstoffmangel leiden, und kaum explosive Popujlationen bietren. Es ist also zumindest unwahrscheinlicher als beim China-Muntjak (als Bewohner auch kalter Klimate), dass sie bei uns angehen und zudem kaum zu bekämpfen sind weil so fruchtbar.

Aber zumindest erlaubt dieser Vorgang zwei segensreiche Vorteile: Einmal rettet man ev. dadurch den Riesen-Muntjak vor dem Aussterben, als möglicherweise wenn auch ungeplante, indirekte Folge des EU-Invasivengesetzes, und zweitens kann man dadurch diejeingen neunmalklugen Zoodirektoren durch eine attraktive Ersatzart mundtot machen, die glauben, plötzlich durch launische Beschimpfungen der Naturtschutzbehörden, wie aus Schönbrunn gekommen (die EU als verantwortungsloser ?Tierquäler?, der den Lieblingen Sex verbietet), oder durch Lügen wie aus Leipzig (?der Naturschutz zwingt Zoos dazu, süße Tiere umzubringen?) in ein früheres Jahrhundert zurückfallen zu müssen, als Zoos noch der krasse Gegensatz zum Naturschutz waren. Rein formal ist gegen den Riesen-Muntjak nichts einzuwenden. Das zeigte zumindest goodwill, was nicht ganz unwiochtig ist, wenn man mal wieder schlappe 100 Millionen will, weil man ja Naturschützer ist.

Auch würde ja ein solcher kritisch bedrohter Riesen-Muntjak nicht aus dem EEP angegeben an privat oder schlechte Kleinzoos, die ja vielleicht beim China-Muntjak die Hauptgefahr sind, sondern in der EAZA bleiben, so daß die Gefahr, dass genügend viele entweichen und selbst dann, wenn sie theoretisch bei uns invasiv werden könnten, dieses auch werden. Beim China-Muntjak sind ja primär gewolltes Aussetzen durch Jäger schuld, dass die Art invasiv wurde, weniger Zoos. Allerdings kommen seit der Berichtspflicht durch das EU-Gesetz inzwischen verdächtig viele Meldungen von Muntjaks, die etwa in Belgien und Frankreich offenbar relativ häufig aus Zoos entweichen müssen, sonst würde man nicht immer welche im Freiland nachweisen. Zumindest ein invasiver und anwachsender Bestand in F sollte aus Zoos stammen, wenn auch wie immer der Beweis äußerst schwer, wenn nicht unmöglich ist. Da aber Muntjaks vermutlich primär in Zoos gehalten werden, scheinen diese doch eine reale Gefahr zu sein.

Auf jeden Fall wäre der Riesen-Muntak ein Fortschritt, primär weil Zoos damit zeigen können, dass sie aus einer "Not" klug werden und auch dann Naturschutz unterstützen, wenn es sie ärgert, und sogar vorteilhafte Neuerungen daraus ableiten können. Ist jedenfalls besser als leicht zu durchschauende Lügen zu verbreiten und so langfristig den bisher relativ guten Ruf zu gefährden, den Artenschutz wirklich ernst zu nehmen.

(03.10.2019, 20:17)
Patrick Marburger:   Und der wäre auch tatsächlich nicht potentiell invasiv? Oder baut man hier (wenn man Tiere denn erhalten sollte) über ein oder zwei Jahrzehnte ein EEP auf, nur um in drei Jahrzehnten festzustellen, dass auch diese Art gelistet wird?
(03.10.2019, 19:11)
Hystrix:   Im neuen Newsletter der IUCN Deer Specialist Group wird von einem Workshop 2019 im Terpark Berlin berichtet, in dem die zukünftige EEP-Struktur der Hirsche in europäischen Zoos diskutiert wurde. Darin werden 18 EEPs für Hirsche empfohlen, darunter eines für den kritisch bedrohten Riesenmuntjak Muntiacus vuquangensis. Dieser ist einer der am wenigsten bekannten Großsäuger der Erde und wurde erst vor mehreren Jahren in Laos neu entdeckt und ist schon kritisch bedroht. Für ihn sollen Anstrengungen auch in Europa anlaufen, auch wenn es hier bisher keine in Zoos gibt.

Der Bericht zieht zwar keine Beziehung zum Verbot des China-Muntjak wegen der EU-Invasiven-Gesetzgebung, aber zweifellos ist diese Entwicklung der besser Weg damit umzugehen, nämlich einen für den Naturschutz vernünftigen Planungsschritt zu gehen, als den Weltuntergang herbeizuphantasieren, nur weil der in den Zoos ohne nicht herkunftsbekannte und genetisch definierte China-Muntjak ausläuft. Als Tropenwaldbewohner ist der Riesen-Muntjak wohl auch nicht so geeignet, bei uns invasiv zu werden, was auch hier Besseung erwarten läßt. Vielleicht können wir uns also bald auf einen unerhört seltenen und noch nie außerhalb Südpostasiens zu sehenden Muntjak freuen. Zunächst soll ein EEP gegründet werden ohne Tiere, in diesem Rahmen will man Maßnahmen zum Schutz der Art in Laos fördern und hofft auch gute Zusammenarbeit.

Dasselbe Prinzip, rational geplante Programme zu entwickeln als Ersatz für Verbotsarten, wünscht man sich auch für weitere der betroffenen Tiere.
(03.10.2019, 18:19)
Oliver Muller:   Wenn das die EU hört:

https://www.general-anzeiger-bonn.de/region/siebengebirge/bad-honnef/schwarzer-schwan-am-rhein-in-unkel-gesichtet_aid-46198973?utm_medium=Social&utm_source=Facebook&Echobox=1569903782&fbclid=IwAR2FxB9n2JtoE3zg7r1jwJs3Trou7cRZqv0Zz0k9Lbmcloz4CYiQIdBEQZA
(01.10.2019, 14:14)
Hystrix:   Die Bananen führen sicher vom Thema ab, ich denke wir lassen es dabei. Nur eine kurze Antwort, weil ich fürchte, wir Laien überblicken die Nöte einer Verwaltung nicht annhähernd. Normalerweise erfolgen sämtliche Verordnungen nur aufgrund eines Anlasses, nicht aus Ãœbermut und Unterschäftigung der Bürokratie. Wahrscheinlich gab es um die Banane einen Rechtsstreit, das weiß ich aber nicht. Es ist aber leicht vorstellbar, dass irgendwelche konkurrierende Betriebe sich um eine Vergünstigung oder ein Verbot rund um die Banane stritten, etwa ob ein Schlauchboot im Design einer Banane den Namen Chiquita führen darf oder sonst einen Grund, der einem Außenseiter eher wie Blödsinn vorkommt und dennoch vor Gericht zu Urteilen führt. Dabei war die Frage dann wichtig, ob es Bananen unterschiedlicher Größe oder Qualität einen Markenschutz haben oder so. Und dazu muss man erst mal definieren, was eine gute Banane ist. Ich hatte vor Jahren mitbekommen, dass Lebensmitteltoxikologen darunter litten, dass es keine EU-weite Definition einer Tomate gab, was deshalb wichtig ist, weil geringe Auszüge von Tomate in 1000 Lebensmitteln drin sind und je nachdem ob das schon die Definition von Tomate erfüllt oder noch nicht kann das sehr teure Folgen haben, man denke an unterlassene Warnhinweise auf der Verpackung einer Tütensuppe mit Tomatenaroma für Leute, die gegen Tomate allergisch sind oder so. Und dann stirbt einer an Tomaten-Asthma und die Angehörigen verklagt die Hersteller mder Tütensuppe. Dann geht es genau darum, ab wann ist Tomate Tomate und ist das wenige ppm in der Suppe schon Tomate.

Es gibt unzählige Gründe, weshalb Menschen prozessieren und am Ende stehen dann Regelungszwänge für den Gesetzgeber. Auch die meisten DIN-Normen sind für Laien ziemlich haarsträubend, etwa die Frage, wie eine bestimmte Schraube aussehen darf. Es ist aber wohl fast niemals so, dass unterbeschäftigte Beamte sich Bürokratie ausdenken, meist hat die einen Grund.

In der EU wird es allein schon deshlab regelungsbedarf geben, weil sich die Vorschriften der EU-Staaten unterscheiden. Wenn also eine krummere Banane in NL noch Güteklasse A wäre und in Belgen nur Güteklasse B, also nicht so teuer verkauft werden darf, wird es zu gerichtlichen Klagen der Bananen-Industrie kommen. Das landet dann alles bei der EU, und die muss halt regeln.

(01.10.2019, 13:38)
Sacha:   @Gudrun: Gemäss Wikipedia waren es europäische Siedler, die sich dadurch eine (zusätzliche) Nahrungsquelle sowie Pelze für Bekleidung versprachen.

@Hystrix:


Zu Zahnarzt: Okay, kann man auch so sehen. Ist eben eine Frage des Blickwinkels.
Zu Bürokratie: Das kann und will ich nicht alles abstreiten. Beim Abwägen zwischen Verboten und Freiheiten wird es immer welche geben, die mit einer Entscheidung nicht einverstanden sind. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Kritik an der Bürokratie zumindest gelegentlich auch ihre Berechtigung hat. Mir persönlich ist etwa nicht ersichtlich, warum es eine Verordnung für die Länge und Dicke von Bananen braucht (Verordnung (EG) Nr. 2257/94), wenn innerhalb der EU (zumindest in den Ländern, die ich kenne) Bananen nach Gewicht verkauft werden. Und komme mir keiner mit dem Transport. Als Naturprodukt weisen Bananen unterschiedliche Grössen und Krümmungen auf, demzufolge wird man nie jedes Mal gleich viele in einen Container/Behälter bringen.
Übrigens gibt es hier ebenfalls Ausnahmen von der Regelung. Bananen aus Madeira und Kreta etwa dürfen die Mindestmasse auch unterschreiten...
(01.10.2019, 13:06)
Gudrun Bardowicks:   Weshalb wurde der Fuchskusu überhaupt in Neuseeland eingebürgert?
(01.10.2019, 11:14)
Hystrix:   Für den falsch geschriebenen Namen entschuldige ich mich, das war keinerlei Absicht.

Das Beispiel mit dem Zahnarzt passt schon, denn die "faulen Zähne ziehen" geht nicht so leicht bei den Invasiven: gegen viele dieser Arten, man nehme die Bisamratte, gibt es nicht einmal Denkmöglichkei8ten, wie man die radikal wieder entfernen könnte. Also bleibt nur die Spritze, der kleine Fortschritt.

Sicher hätte man beim Fuchskusu auch anders entscheiden können, aber ich verstehe die Entscheidung. Erstens gibt es die Art in Europa fast nicht, anders als Waschbär und Nilgans, zweitens gibt es wohl wirklich keinen Beleg dafür, dass sie jemals selbst aufgrund von mehreren Einzelflüchtlingen irgendwo etabliert wurde. Es war in Neuseeland eine groß angelegte, aktive Einbürgerung, und die war nicht leiht, Es hat sich ja bei uns in der Bevölkerung breit gemacht, die EU mit Bürokratie gleichzusetzen, was zwar keine wirkliche Grundlage hat, weil wenn die EU die Vorschriften nicht machen würde, kämen sie von den Nationalstaaten, aber verbreitet ist diese Kritik schon. Dort ist man sehr empfindlich dafür, und man überlegt eigentlich bei jedem Schritt, ob eine gemeinschaftliche Vorschrift einen Mehrwert hat gegenüber einer dezentralen Vorschrift oder nicht. Diese Prüfung ist in jedem Prozess hin zu einem neuen Erlass der EU zwingend enthalten. Daher gibt es, was man auch schon bei anderen Listungen bzw. Nichtlistungen sah, eine gewisse Hemmschwelle gegen weitere Vorschriften, und man will nur bei relativ großem Nutzen mit Mehrwert eine EU-Vorschrift erlassen. Leider weiß ich nicht, wie groß die Abstimmungsmehrheit gegen den Kusu war, ich denke aber sie war sehr groß. Beim Bison war das schon ähnlich, ich glaube da ja es nur 5 Ja-Stimmen von 30 möglichen.

Dass Kusus tuberkulose übertragen würden weiß ich nicht, erwarte ich aber, denn TB kann eigentlich von fast jedem Säuger und vielen Nichtsäugern übertragen werden. Das kann aber in der EU erst sein, nachdem der Kusu etabliert ist, und wenn die Fachwelt bescheinigt, dass das sehr unwahrscheinlich ist nach allen Erfahrungen, ist auch das kein großes Argument.

Eine Anlandungspflicht gibt es in D schon seit Jahren für exotische Flusskrebse. Das bringt sehr wenig effektiv, aber besser als gar nichts wird es sein. Auch beim Sonnenbarsch dürfte es wenig bringen, außer lokal., Viel wichtiger ist, dass Teichwirte ihren Fischbestand von dem reinigen, was man "Fischunkraut" nennet, weil Unmengen Satzfische gehandelt werden und das sehr weit und darin oft auch Sonnenbarsche sind. Diesen Weg muss man verhindern, und das kann man auch. Das ist aber mit Auflagen und damit -Bürokratie- für die Fischwirtschaft verbunden, und um das einzuleiten braucht man eine Verwaltungsgrundlage, also hie diese Listung.

Das "Bürokratie-Argument" hängt mir als verlogen schon lange zum Hals raus. Man hat den Eindruck, 50% der Journalisten und viele Politiker suchen dauerhaft nach Skandalen und Behördenversagen und fordern dieses abzustellen, egal ob soziale Härten oder Gift im Essen. Und wenn dann Vorschriften kommen, schreien die anderen 50% gegen die Bürokratie, die damit zwangsläufig verbunden ist. Natürlich können sich Idioten schenkelklopfend darüber lustig machen, dass die EU u.a. vorschreibt, wie eine Salatgurke definiert ist, aber wenn sie das nicht täte müsste es Berlin oder Paris vorschreiben. Denn wenn ich Höchstmengen bestimmter Gifte in Gurken vorschreibe muss juristisch klar sein, was eine Gurke ist und was nicht (etwa im Unterschied zu Produkten, die nur wenig Gurke enthalten). Kommen die Vorschriften nicht und kommt ein Mensch zu Schaden, etwa durch Cadmium oder so in Gurken, schreit alles auf und kritisiert die Unterassung. Kommen dann die Vorschriften, schreiben die anderen gegen die Bürokratie. In der Schweiz ist mit Sicherheit auch definiert, was eine Gurke ist, ich habe aber noch Niemanden Bern dafür kritisieren hören, immer nur die EU.

(01.10.2019, 10:31)
Sacha:   Ich empfehle Hystrix, vielleicht das nächste Mal a. meinen Namen korrekt zu schreiben und b. ein besseres Beispiel als dieses mit dem Zahnarzt zu bringen. Genauso gut könnte man nämlich argumentieren, dass besagter Zahnarzt besser wirklich alle faulen Zähne zieht und somit die Schmerzen beendet, statt dass sie nie aufhören und er mit immer fragwürdigeren Schmerzmitteln agiert....

In einem Punkt sind wir uns allerdings einig: Kleinvieh macht auch Mist. Und genau das ist es, was teilweise bei diesen Listungen rauskommt. (Wenn die Vorlage schon so kommt...)

Statt hier vom hohem Ross des besserwisserischen Bürokraten auf den kleinen Bürger herabzublicken wäre es vielleicht sinnvoll, sich noch ein paar weitere Fakten anzuschauen, was den Fuchskusu anbelangt.
So kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer günstigen Konstellation die invasive Ausbreitung in Neuseeland auch bei wesentlich weniger "gewaltsamen Ansiedlungsversuchen" funktioniert hätte (gibt es dazu eigentlich Quellen?). Wie anders ist es zu erklären, dass sich der Fuchskusu in Neuseeland von der schmalen Ausgangssituation in den 1850er Jahren bis auf 60-70 Millionen(!!) Exemplare im Jahr 1980 (nach Kontrollmassnahmen Reduktion auf ca. 30 Millionen im Jahr 2009) vermehren konnte?
Weiter sind Fuchskusus Überträger der Rindertuberkulose und sind somit eine grosse Bedrohung für die Milch-, Rindfleisch- und ggf. Wildfleischindustrie. (Quelle u.a.: https://en.wikipedia.org/wiki/Common_brushtail_possum_in_New_Zealand)

Zum Sonnenbarsch: Nichts gegen Anlandungspflicht. Der Nutzen dürfte jedoch - wenn überhaupt - sehr klein sein. Und eine konsequente Umsetzung müsste man überwachen. Wer ist bereit, dies zu bezahlen? Abgesehen davon: Warum listet man ein Tier, bei dem eine Verdrängung von einheimischen Arten in den neu besiedelten Gebieten bisher nicht nachgewiesen werden konnte (= priorisiert dessen Bekämpfung/Ausrottung)? (Keine Ironie, ernsthafte Frage).


(01.10.2019, 01:00)
Hystrix:   Jede einzelne Listung ist ein unabhängiges politisches Projekt, wie auch anderswo in der Politik jede politische Wahl für sich. Die Entscheidung ergibt sich aus tausend Motiven, die sich in jedem Fall anders mischen.

Beim Fuchskusu waren die Fachgutachten für die Kommission nicht einheitlich für eine Listung, die Gegner einer Listung bemerkten, dass die Art angeblich ein sehr schlechter Kolonisierer sei. In Neuseeland ist er nur "mit Gewalt" heimisch geworden, Es hat vieler Aussetzungen vieler Kusus über lange Zeit bedurft, bis es geklappt habe. Dass einzelne Ausreisser einen Bestand begründen könnten, wir das bei Kaninchen oder Minks leicht möglich ist, sei niemals beobachtet worden. Also sei die Gefahr einer ungewollten Einbürgerung in der EU etwa durch Zooflüchtlinge sehr gering, eben weil eine solche noch nirgendwo woanders nachwiesen wurde. Überall wo es eingeschleppte Fuchskusus gibt wollte man das und hat es mit Macht betreiben.

Der Sonnenbarsch wurde mW nach Anregung aus den baltischen Staaten aufgenommen, ich glaube Estland. Er wird dadurch genauso wenig aus Europa verschwinden wie Waschbär oder Bisamratte, aber die Listung kann der ungewollten weiteren Ausbreitung in noch nicht befallene Länder relativ effizient verhindern, indem auf Grundlage dieser EU-Verordnung man für den Handel mit kommerziellen Satzfischen aus Teichkulturen Auflagen macht, also etwa Zuchtkarpfen, um deren "Verunreinigung" mit Sonnenbarschen? durch entsprechende Auflagen an die Teichwirte verhindert. Außerdem kann man vor den Hintergrund der Listung eine Anlandungspflicht erlassen, in dem Angler und Fischer wenigstens laut Rechtslage verdonnert werden, gefangene Sonnenbarsche zu entnehmen und nicht zurückzusetzen, wie für sonstigen Beifang eigentlich vorgesehen ist.

Wiederum empfehle ich Sascha, bei seiner Neigung zu "sweeping critique" an der EU sich an die reale Welt zu halten und nicht Utopien zu fordern: Auch kleine und mittlere Fortschritte sind hilfreich, eben hier die Vermeidung/Verlangsamung weiterer Ausbreitung, man muss nicht immer gleich die völlige Erlösung von einem Schädling verlangen und wenn die nicht kommt, schreit man gegen alle Fortschritte.
Ich lasse mir jedenfalls beim Zahnarzt gerne durch eine Spritze die Schmerzen vermindern, und kritisiere ihn nicht und unterlasse die Spritze, wenn ich trotzdem noch ein wenig Schmerzen beim Bohren habe. Auch mancher Krebspatient ist für ein paar gewonnene Lebensmonate dankbar, die ihm eine Chemotherapie bringt, und sollte seine Ärzte nicht verhöhnen, nur weil sie ihn nicht ganz heilen können. Im Naturschutz ist das nicht anders, Kleinvieh macht auch dort Mist.

(30.09.2019, 22:07)
Sacha:   Kann ich nicht so ganz nachvollziehen (und zwar dieses Mal umgekehrt): Der Fuchskusu hätte der bisherigen Logik bzw. den Kriterien nach gelistet werden MUESSEN. Immerhin hat der sein invasives Potenzial in Neuseeland unter Beweis gestellt (wenn auch bis auf verwilderte Hauskatzen und Haushunde dort keine Fressfeinde zu finden sind, aber diese Situation gibt es auch auf einigen europ. Inseln). Kommt hinzu, dass der Fuchskusu in wesentlich mehr EU-Ländern mit den jeweiligen klimatischen Bedingungen zurecht kommt als andere bisher gelistete Arten.

Interessant dürfte sein, wie man dem Gemeinen Sonnenbarsch/Kürbiskernbarsch an den Kragen will. Der lebt nun seit Jahrzehnten in diversen europäischen Ländern und konnte bisher nicht eliminiert werden. Aber jetzt, wo auch die Zoos die Haltung auslaufen lassen müssen und ihn nicht mehr "züchten" dürfen, wird das Problem sicher schnell gelöst sein (hust, hust).
Dazu interessante Infos auf -> Wikipedia: "Er wurde erstmals 1877 in Frankreich als Sportfisch und zum Besatz von Gartenteichen eingeführt."
und: "Eine Verdrängung von einheimischen Arten (durch den Sonnenbarsch) in den neu besiedelten Gebieten konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden."
(29.09.2019, 23:24)
Tino Vogel:   Da hier noch nicht erwähnt: zur Liste der Invasiven Arten von unionsweiter Bedeutung sind Hirtenmaina, Gemeiner Sonnenbarsch und Gestreifter Korallenwels hinzugekommen. Dies wurde durch die Europäische Kommission bestätigt. Fuchskusu und Muschelblume wurden hingegen nicht aufgenommen.
(29.09.2019, 22:22)
Hystrix:   Vor einiger Zeit wurde hier berichtet, dass Spanien das Vietnamesische Hängebauchschwein auf seine nationale Liste invasiver Arten setzte. Damals blieb unklar warum. Einer aktuellen Meldung zufolge besteht das Problem darin, dass Hängebauchschweine beliebte Heimtiere besondrs in Großstädten geworden sind, die sogar in Etagenwohnungen ohne Garten oder Balkon gehalten werden, zumindest solange es Ferkel sind. Werden sie in solchen Wohnungen dann doch zu groß oder unangenehm, lässt man sie einfach frei.
Eine aktuelle Zählung ergab einen Wildbestand von 700 nachgewiesenen Tieren allein in Katalonien, die meisten davon im Umfeld von Barcelona. Die Tiere hybridisieren gerne mit Wildschweinen und hätten lokal bei einigen Großstädten schon den Wildbestand merklich geändert. Neben verändertem Aussehen seien die Hybriden maximal fruchtbar und es folgt eine Explosion des lokalen Bestands frei lebender Schweine, und eine merklich Zunahme der Schäden in der Landwirtschaft.
(09.07.2019, 08:39)
Sacha:   Die Möglichkeit hätte ja bestanden (bzw. besteht m. W. immer noch). Das wäre folglich Behördenversagen, das man nicht dem Stimmbürger anlasten kann.

Richtig. Nur hat man in der Schweiz im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern die Möglichkeit, über Volksinitiativen und -referenden lenkend und korrigierend einzugreifen!

Den letzten Punkt würde ich in gewissen Bereichen sogar zustimmen. In Sachen Naturschutz läuft hier sicher nicht alles perfekt (in anderen Ländern, einschliesslich derer der EU, aber auch nicht).

Und ja, von mir aus können wir es dabei belassen.
(27.06.2019, 12:26)
Sacha:   Die Möglichkeit hätte ja bestanden (bzw. besteht m. W. immer noch). Das wäre folglich Behördenversagen, das man nicht dem Stimmbürger anlasten kann.

Richtig. Nur hat man in der Schweiz im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern die Möglichkeit, über Volksinitiativen und -referenden lenkend und korrigierend einzugreifen!

Den letzten Punkt würde ich in gewissen Bereichen sogar zustimmen. In Sachen Naturschutz läuft hier sicher nicht alles perfekt (in anderen Ländern, einschliesslich derer der EU, aber auch nicht).

Und ja, von mir aus können wir es dabei belassen.
(27.06.2019, 12:26)
Hystrix:   Wir sollten dieses Thema einstellen, denn es führt zu weit weg.

Auch der Basistunnel wird zu enormen Belastungen durch Lärm führen, sicher größere Belastungen für Anwohner an den Zuwegen als ein Nationalpark. Mi Sicherheit ließ man diese Lärmopfer nicht als einzige über den Tunnel abstimmen.

Selbst wenn die geplanten Parks teilweise Privatland gewesen sind: Dann muss man mit den Eigentümern verhandeln, aber nicht die Lokalgemeinden beschließen lassen. Hätten die zugestimmt wäre ja das Problem des Grundeigentums immer noch ungelöst. Das geht nur direkt zwischen Staat und den jeweiligen Besitzern. Bei Gemeindeland wäre es wieder anders, aber auch hier ist durchaus denkbar und auch intenational üblich, dass man das staatlich regelt. Schließlich besteht in allen Kulturstaaten Sozialbindung des Eigentums, und wenn die Mehrheit des Staatsvolks eine Regierung wählt, und diese beschließt es ist im Landesinteresse, einen Park einzurichten, darf sie eine Gemeinde auch zwingen, ihr Land einzubringen wenn auch ggf. gegen Finanzausgleich.Die erdrückende mehrheit aller Schutzgebiete weltweit liegt auf Land, dass Privat oder Kommunen gehört, und dennoch stellt man es unter Naturschutz. Auf die Idee zu kommen, einen besitzer zu fragen, kommt man in den meisten Staaten nicht. Natürlich aber muss man dann im Details verhandeln, wenn es Nutzungsauflagen gibt für den Naturschutz, ujnd das einvernehmlihch regeln, was praktisch immer Finanzausgleich bedeutet.

Unerheblich ist dabei, ob die Zentralregierung auch in der Schweiz wie fast überall in der Welt indirekt gewählt wird, von den gewählten Abgeordneten in den Parlamenten. Sie bleibt trotzdem von Volk bestimmt, eben nur indirekt, drückt den Volkswillen aus. Nur kann man sie nicht direkt abwählen, man muss ihr über neue Abgeordnete in der nächsten Wahl den Boden entziehen. Das ist in Deutschland natürlich auch so, meine Formulierung bleibt also richtig, dir Bundesregierung drückt den Volkswillen aus, wie in der Wahl bekundet.

Mein Eindruck bleibt, dass es Naturschutz in der Schweiz schwerer hat als bei uns, einfach weil Lokalinteressen einen höheren Stellenwert haben. Man sieht das auch an der Natura2000-Richtlinie der EU. Nachdem die EU diese erließ, sorgte der Europarate dafür, dass von den Nicht-EU-Staaten übernommen wurde. Dort heißt sie Emerald Network (Smaragd-Schutzgebiete, um auszudrücken, dass die zu schaffenden Schutzgebiete "grüne Edelsteine" sind). Jetzt muss auch die Schweiz ein landesweites Netz solcher Reservate einführen, analog zu den EU-Staaten, dabei die Liste schützenswerter Biotope und Arten der EU anerkennen. Das war alles im Vergleich zur EU später und verzögert, weil es Jahre dauerte, bis sich der Europarat durchsetzte. Inzwischen haben aber sogar Länder wie Russland, Georgien, Serbien etc., die auch dem Europarat angehören, ein überraschend umfangreiches Schutzgebietsnetz aufgebaut, von Norwegen ganz zu schweigen. Nur die Schweiz kommt nicht voran. Hier gibt es bisher nur ein sehr mageres eher symbolisches Netz, als Grund wird genannt, dass man in der Schweiz kaum was gegen lokale Partikularinteressen machen kann, überall wird verhindert und verschoben, oft reichen ganz wenige Leute, um Abstrimmungen zu erzwingen dun dann geht nichts mehr. Das ist halt, wenn einzelne Dörfer die Politik des ganzes Landes ablehnen und aushebeln können, entgegen den Beschlüssen der eigenen Regierung, die ? natürlich indirekt ? das ganze Wahlvolk vertritt.

Aber vom Thema invasive Arten sind wir weit weg, vielleicht lassen wir es dabei.

(27.06.2019, 08:37)
Sacha:   Einerseits Spekulation, andererseits Verwechslung: Ich sprach vom Gotthard-Basistunnel. Das ist ein jüngeres Projekt und ein EISENBAHNTUNNEL (also nichts da mit Strasse).
Zum "alten" Gotthard-Strassentunnel schreibt Wikipedia: "Bereits 1964 hatte der Bundesrat überraschend eine Botschaft für einen Gotthard-Strassentunnel vorgelegt, der 1968 ohne grosse Widerstände und vergleichende Studien in Bau ging"....

Da das Land den Gemeinden gehört: Ja.
Und was bislang vergessen ging: Befragungen müssen nicht immer mit dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten übereinstimmen. Gerade in der Schweiz lag man bei sogenannten "Gutmensch versus finanzielle/persönliche Interessen"-Abstimmungen bei den Prognosen nicht selten daneben. Das hat auch mich zuweilen überrascht, stellte sich gelegentlich hinterher aber auch nicht unbedingt als nachteilig für die Gesamtbevölkerung und/oder die Betroffenen heraus (zumal man ja wie gesagt ein Referendum ergreifen kann).

Und nein, es gibt in der Schweiz keine "von allen gewählte Regierung", sondern nur Vertreter, die von einer Mehrheit der Bevölkerung bzw. der Kammern/Parlamente gewählt wurden. Und wie alle Menschen machen auch diese Volksvertreter Fehler (absichtlich oder nicht) und das Stimmvolk kann etwa mit einem Referendum oder einer Initiative korrigierend eingreifen. Das nenne ich schon einen grossen Vorteil der direkten Demokratie und das hätte viele EU-Bürger in ihrem Land/in der EU auch gerne.

Es gab keine nationale und - ACHTUNG: BINDENDE - Volksabstimmung. Das ist nicht die Schuld des Volkes, sondern der Politparteien/Interessenvertreter = Befürworter/Behörden, die die Möglichkeit dazu nicht initiert/genutzt/aufgegleist haben.

Zu Stuttgart 21 kann ich nichts sagen, da ich die meisten Details dazu nicht kenne. Sind dort nicht noch juristische Prozesse/Entscheidungen hängig?

Wie auch immer: Grundsätzlich ist in der Schweiz genau geregelt, wer die Hoheit im jeweiligen Bereich hat. Würde der Bund z.B. das Land den Gemeinden abkaufen, würde die Sache mit den neuen Nationalparks sowie einer nationalen Abstimmung darüber evtl. anders aussehen...(das ist selbstverständlich ebenfalls Spekulation). Die Möglichkeit einer Enteignung bei übergeordneten Interessen wird in der Schweiz zumindest nicht so schnell angewandt wie etwa in Frankreich (Disneyland Paris), was wiederum einem friedlichen Miteinander förderlich ist... Streiks und Gelbwesten gibt es hier jedenfalls viel seltener als in der Grande Nation.
(26.06.2019, 19:07)
Hystrix:   Wäre der Gotthardtunnel auch gebaut worden, wenn man nur die vor Ort Betroffenen hätte abstimmen lassen, sagen wir 3000 Bürger in den Dörfern an der Einfahrt zum Tunnel? Ãœber deren Grundbesitz die Straße verläuft und die dafür ihr Land verloren, und die nach dem Bau des Tunnel einen wirklich wenig unzumutbaren Transitverkehr bei sich ertragen müssen? Ich bin völlig sicher, das hat man absichtlich schön unterlassen, eben weil man den Tunnel wollte. Das war ein Projekt des Gesamtstaates, nicht von Hintertupfingen am Gotthard. Recht so.

Meine Frage war ja vielmehr, warum man im Fall der beiden Nationalparks von den Millionen Schweizern und den Hunderttausenden in der betroffenen Region Tessin allein die Wenigen in den Ortsgemeinden am Park abstimmen ließ? Nehmen wir an, was ich nicht genau in Zahlen weiß, dass von den ungefähr Zehntausend Befragten hätten 2000 für die Parks gestimmt und 8000 dagegen. Dann hat der Staat Schweiz seine nationale Naturschutzstrategie, in welcher die neuen Parks das Aushängeschild waren, wegen 8000 Nein-Stimmen über Bord geworfen. Ist das Demokratie? Diese Planung war von der von allen Schweizern gewählten Bundesregierung gemacht, man sollte also erwarten, die damalige Mehrheit des Wahlvolks stand dahinter, denn sie haben diese Regierung gewählt. Und dann kommen 8000 Dörfler in einem sehr kleinen Teil des Staates und verhindern die Umsetzung des Volkswillens. Ist das Demokratie?

Ich argumentiere damit gar nicht gegen direkte Volksbeteiligung an sich, aber der Volkswillen waren ja offenbar diese Parks, denn sie waren das politische Ziel der von allen gewählten Regierung. Ich bin schon der Meinung, in einer Demokratie müsste ein solcher Volkswille umgesetzt werden, außer eine neue Wahl/Befragung bringt eine neue Mehrheit. Dann aber in der ganzen Schweiz, nicht in einzelnen Dörfern gegen den Rest der Welt und nicht gegen die Mehrheit aller.

Wie sehr der räumliche Zuschnitt das Ergebnis einer Volksbefragung vorwegnimmt, haben Politiker frühzeitig gelernt. Man muß nur den Zuschnitt verändern und aus dem Wahlvolk wird Stimmvieh, das das entscheidet, was gewünscht wird. Damals bei Stuttgart 21 wurde ein Volksentscheid durchgesetzt, und hätte man die direkt betroffenen Stuttgarter allein abstimmen lassen wäre das Projekt vermutlich abgelehnt worden. Aber, wie clever, man ließ alle Baden-Württemberger abstimmen und so wurde es genehmigt, denn die sind eher daran interessiert schneller nach Stuttgart zu kommen als wie es dort aussieht. Hätte man andererseits damals alle Deutsche abstimmen lassen, wäre das schon wieder fraglich gewesen. Angesichts der damals nicht allzu konservativen Grundstimmung im Land. Man kann mit der angeblich so gerechten direkten Demokratie trefflich spielen. Was wäre dabei richtig? Nur ndie direkt Betroffenen, oder alle Deutsche, die das auch alle bezahlen? Im Fall der Schweizer Nastionalparks ließ sich der Staat seine langfristige Naturschutzstrategie jedenfalls von einer Handvoll Lokalinteressen entrwerten, gegen die gewählte Regierung. Ist das besser als ohne Volksentscheid? Warum hier keine demokratische Entscheidung aller Bürger?

(26.06.2019, 14:49)
Sacha:   Dann gelang es den Befürwortern eben nicht, die Leute zu überzeugen. Soll es auch in anderen Demokratien geben.

Es kann in mehreren Medien nachgelesen werden, dass es sich damals um eine konsultative Abstimmung handelte.

Es müssen nicht ALLE Betroffenen zustimmen, nur die Mehrheit davon. Und dass dann nichts mehr zu Stande kommt, kann man auch nicht sagen. Das 12-Milliardenprojekt Gotthard-Basistunnel wurde
jedenfalls gebaut, wurde sogar etwas früher fertiggestellt und in Betriebe genommen, als man 2007 dachte (Juni bzw. September 2016 statt 2017). Dahingegen gibt es eine Hauptstadt eines EU-Landes, welche ihren neuen Flughafen trotz mehrjähriger Verspätung immer noch nicht fertiggestellt hat.
Kurz: Vorher zerfallen wohl andere europäische Staaten, bevor die Schweiz zerfällt...

Die Schweizer Bauern und Jäger können den Austritt fordern. Da hier aber die ganze Nation und nicht nur einzelne Gemeinden oder Kantone betroffen wären, könnte "im Ernstfall" auch die ganze Nation (genauer: Schweizer Stimmvolk) darüber abstimmen (und Gegner der Forderung mit den nötigen Unterschriften ggf. das Referendum ergreifen). Wäre die Mehrheit der Bevölkerung dafür, dann okay. Wenn nicht, dann haben eben die Bauern und Jäger das Nachsehen. In der Realität - und wie Erfahrungen zeigen - lehnt das Schweizer Stimmvolk Extremforderungen in 99 von 100 Fällen ab (eben weil man sich der Verantwortung bewusst ist). Mit dem Vorstoss hat man etwas Wind erzeugt, das war alles. Lobbyiert wird in allen Demokratien der Welt, da ist die Schweiz bei Gott kein Einzelfall.

(26.06.2019, 12:53)
Hystrix:   Im Fall der beiden Nationalparks gab es einen vieljährigen Planungsprozess. Ich denke so gegen 10 Jahre wurden die Regionen und Gemeinden eingebunden, die Nationalparkverordnung entwickelt. Man kam den Gemeinden enorm entgegen, etwa in einem Fall, dass nur etwa 10 % der Fläche als Kernzone wirklich ein echter Nationalpark war, und 90 % des Gebiets fast keine Auflagen hatten, die dortigen Dörfer aber unter dem Namen "Nationalpark" (eine Art Randzone) Werbung machen durften um den Tourismus zu steigern. Die Schweiz wollte die neuen Parks, Geld spielte keine Rolle, verbunden damit waren Programme zur Regionalförderung. Alle Fachleute des Bundes und einbezogene Experten waren überzeugt, dass man Alles getan hat und es nur Gewinner gäbe. Es gab unzählige Lokalkonferenzen, eine Webseite mit Beteiligung lief die ganze Zeit. In einem Fall, Tessin, waren sofort zwei Gemeinden ausgestiegen, weil einzelne im Gemeinderat alles dominierende Jäger dagaegen waren, die anderen Gemeinden waren aber auf der Leitungsebene auch dafür. Bei der Bürgerbefragung dann eine riesige Ãœberraschung, komplette Ablehnung, nicht mal ein Achtungserfolg der Befürworter. Im Fall Adula gab es in keinem Dorf eine Mehrheit für den Park, weit weg von einer Zustimmung. Danach verschob man die zweite Befragung im Tessin um ein Jahr und auch die dortigen Bürgermeister machten Seelenmassage. Dennoch stimmte auch dort fast niemand zu. Nachfragen ergaben, dass der entscheidende Grund ein starker Lokalpatriotismus war, also man wollte sich "von denen da oben in Bern" nichts reinsagen lassen. Um den Park ging es den meisten gar nicht, sie hätten wohl überwiegend sogar Vorteile gehabt, außer Jäger und einem Wanderverein, die echt dagegen waren. Die anderen waren einfach wie Asterix und Obelix eingestellt, wir hier im Dorf zeigen der großen Welt wer das Sagen hat.

Ob diese Befragung verbindlich war weiß ich nicht, aber schon in der darauffolgenden Woche stellte die Regierung die Projekte ein, ohne Hintertür, und entließ das umfangsreiche Personal des Planungsstabs. Lakonisch wurde mitgeteilt, dass ein Lastwagen voll Planungsunterlagen, die sehr viele Millionen gekostet hatten, den Gemeinden zugestellt würde, sollten sie sich später anders entscheiden.

Überall auf der Welt wäre dasselbe herausgekommen, das ist kein Makel für die Schweiz, es ist aber andererseits klar, dass so niemals ein echter Park geschaffen werden kann. In keinem deutschen Park gab es anfangs eine befürwortende Mehrheit in der Lokalbevölkerung, aber in sämtlichen Fällen hat sich das binnen weniger Jahre komplett gedreht und die Mehrheit dafür wurde überwältigend. Wenn man nur regiert, sofern alle Betroffenen zustimmen, kann man Regierung einstellen. Niemals würde eine Autobahn, eine stinkende Industrie, oder ein Kraftwerk gebaut, die Atomenergie wäre niemals gekommen, weil sie vor Ort nicht umsetzbar gewesen wäre, wenn man allein die Leute vor Ort hätte abstimmen lassen, und nur diese, aber die meisten Windräder würden auch nicht gebaut. Kein Strom mehr, keine Steuiern mehr, nichts. Nichts würde mehr gehen. Immer wird in solchen Fällen im ganzen Land beschlossen und die Betroffenen vor Ort werden gezwungen, im Interesse des Allgemeinwohls mitzumachen. Die Schweiz würde aufhören zu Funktionieren, wenn das Beispiel dieser Parks Schule machte. Man denke auch an eine Steuererhöhung oder Auflagen, die Schule oder Militärdienst schwerer machen. Wenn man dazu allein die Leidtragenden befragte käme gar nichts mehr, der Staat würde zerfallen.

Meine Frage war nur: Wer bestimmt, dass über einen Nationalpark man nur jene abstimmen lässt, wo alle Erfahrung aus allen Teilen der Welt sicher sein lässt, dass es gar nicht zur Zustimmung kommen kann? Schon hätte man das ganze Tessin gefragt und nicht nur etwa 10.000 Ortsansässige, wäre es anders ausgegangen, glaubt man den Umfragen. Letzztlich war es völlig klar, von Anfang an, dass das heruaskommen muss. Man hätte sich die Kosten sparen können.

Beim Wolf ging es nicht wie in D um einen Abschuss auffälliger Individuen im Einzelfall, sondern die Forderung war, alle auszurotten. Nachdem diesem die rechtsverbindliche Berner Konvention des Europarats entgegenstand, kam die Forderung, dort eine Ausnahmeregelung zu beantragen, dass allein für die Schweiz der Wolf von der Liste gestrichen werden soll. Was allein schon juristisch ähnlich dümmlich ist die der jüngste CSU-Versuch in Deutschland, wegen der Landtagswahlen in Bayern bei der EU durchsetzen zu wollen, das Gleichbehandlungsgebot aller EU-Bürger allein für und wegen der CSU in Sachen Maut außer Kraft zu setzen. Der Europatrat musste im Fall des Wolfs ablehnen, und die Schweizer Regierung musste sich wegen der wutschäumenden Wenigen blamieren, als ihnen erklärt wurde, dass ein rechtsverbindliches Gesetz nicht opportunistisch zurechtgebogen werden kann, ohne dieses Gesetz zu ändern. Dann kam von den Bauern und Jägern sofort die Forderung, die Schweiz solle die Berner Konvention kündigen und austreten, damit sie den Wolf ausrotten darf. Man stelle sich vor, die CSU würde jetzt zum Bürgerentscheid aufrufen, ob man aus der EU austritt, damit man das schöne Gefühl durchsetzen kann, dass ungeliebte österreichische Nachbarn aber nicht man selbst Maut zahlen müssen.

In beiden Fällen zeigt sich ein Nachteil direkter Demokratie, aber nicht in der Grundsache, sondern im Detail. In beiden Fällen bestimmen Partikularinteressen einer ganz kleinen aber vor Ort in mindestens einer Gebietskörperschaft dominierenden Lobbygruppe, dass der Willen des Gesamtvolkes nicht beachtet wurde. Die Parks gäbe es längst, hätte man alle Schweizer oder wenigstens alle Tessiner abstimmen lassen und nicht nur die negativ Betroffenen.

(26.06.2019, 09:08)
th.oma.s:   Ich glaube nicht, dass es dem Schweizer Volk gelungen ist sich einen Vorsprung gegenüber der BRD in Sachen Vernachlässigung und Aufweichung des Naturschutzes zu erarbeiten.
(25.06.2019, 23:45)
Sacha:   Es ist im Gegenteil richtig, dass vorab diejenigen entscheiden dürfen, die es in erster Linie trifft. Genau deswegen gibt es ja auch immer Ärger in der EU, weil die Bauern in Dänemark und Irland oft ganz andere Sorgen haben als diejenigen in Südspanien. Nur wird eben in Brüssel über deren Köpfe hinweg entschieden und alles nach Möglichkeit "gleichgeschaltet".
Ausserdem unterschlagen Sie im Fall der angedachten Schweizer Nationalparks, dass es sich dabei um eine konsultative (= rechtlich nicht bindende) Abstimmung handelte und andererseits die ungenügende Information durch die Behörden:
Zitat NZZ vom 30. 6. 2018: ....Dem hält Rusconi entgegen, die Projektleitung sei nicht darauf vorbereitet gewesen, die Fragen der Parkgegner zu beantworten, was bei der Abstimmung stark ins Gewicht gefallen sei....
Kommt hinzu, dass Sie da etwas vermischen: Abstimmen durften auch diejenigen, deren Grundstück nicht betroffen war. Der Vergleich mit der Autobahn und dem AKW geht also daneben.

Bei der Frage, wer jeweils welche demokratische Entscheidung festlegt und wer jeweils das Stimmvolk ist, hilft einerseits ein Blick in die Schweizerische Bundesverfassung sowie hier: https://www.vimentis.ch/d/publikation/231/Das+politische+System+der+Schweiz.html
In diesem Zusammenhang muss bemerkt werden, dass der AKTUELLE Nationalpark vom Bund nur gepachtet wurde, das Land gehört nach wie vor den entsprechenden Gemeinden.

Beim Thema Wolf sind Ihre Ausführungen etwas unübersichtlich geraten (frage mich, wer da wutschäumend war...), da bin ich mir jetzt nicht sicher, ob ich alles verstanden habe und sage darum nur soviel:
Wie war das mit dem in Deutschland geschützten Wolf, der im Januar in Brandenburg absichtlich von einem Jäger erschossen wurde?
Warum überlegt man sich in Deutschland, die Jagd auf Wölfe zu erleichtern?
Siehe: https://www.deutschlandfunk.de/lex-wolf-neues-gesetz-soll-abschuss-von-woelfen-erleichtern.697.de.html?dram:article_id=442631
Und - auf ein anderes Tier übergehend - war denn das mit dem Wisent, der vor etwa zwei Jahren aus Polen nach Deutschland "eindrang" und dort auf Geheiss eines Behördenvertreters (Veterinärs) erschossen wurde. Die potenziellen Schäden, die ein solches Tier verursachen könnte, kann offenbar ein armes EU-Land mit einen so tollen politischen System nicht tragen...
(25.06.2019, 23:04)
Hystrix:   In der Schweiz hat es Naturschutz noch schwerer als bei uns, weil lokale Lobbygruppen das Volk aufbringen und dann wird abgestimmt. Soweit so gut, aber anscheinend wird opportunistisch entschieden, wer jeweils abstimmen darf. Das scheint mir sogar demokratie-theoretisch ein echtes Problem, denn es öffnet Willkür Tür und Tor.

Letztes Jahr wurden zwei neu geplante Nationalparks von zwei angeblichen "Volksentscheiden" abgelehnt, nachdem die Schweizer Bundesregierung viele Millionen in ihre Vorbereitung gesteckt hat und Umfragen ergaben, dass schweizweit eine sehr hohe Zustimmung für die Parks vorlag, Aber, halt, von so viel Demokratie wollte man doch nichts wissen, und ließ nur die Handvoll Dörfer, wo die Parke entstehen sollten, allein abstimmen. "Volk" war plötzlich eine kleine Handvoll Betroffene in vielleicht 3 % des Landes, nicht etwa das Staatsvolk, obwohl ja schon das Wort "Nationalpark" vorgaukelt, die ganze Nation wäre betroffen. In einem Fall waren es eine Handvoll Jäger, die so viel irrwitzige Propaganda machten, dass die wenigen Dörfler nein sagten, im anderen Fall ein Wanderverein, dem das Wegegebot nicht passte, also beide Gründe vergleichbare Lappalien. Bei allem Verständnis, Laien über hochkomplexe Einzelfragen zu befragen, von denen sie bis zum Tag der Stimmabgabe niemals etwas hörten, habe ich nie gehört, dass man sogar in der Schweiz bei einem Bauprojekt, saqen wir einem Kraftwerk oder einer Autobahn, nur allein diejenigen Grunstückbesitzer abstimmen ließe, denen man das Land wegnehmen will für den Bau. Wenn über so was abgestimmt wird, dann das ganze Land und die betroffenen Grundbesitzer werden herausgeklagt. Bei einem Nationalpoark treibt man aber die Votenlust auf die lokale Spitze. Ich frage mich, welche demokratische Entscheidung festlegt, wer jeweils das Stimmvolk ist. Mir scheint, damit lässt sich treffliche Klüngelpolitik machen. Demokratie sieht anders aus.

Vor Jahren sah sich die extrem reiche Schweiz nicht in der Lage, etwa 30 von den neu eingewanderten Wölfen gerissene Schafe pro Jahr im Wallis zu tolerieren. Das war nicht tragbar, obwohl nicht teurer als ein schicker Bergurlaub für 2-3 Familien im Wallis, und das für den ganzen Staat, nicht mal als Portogeld relevant. Aber da man europarechtlich (Berner Konvention des Europarats) gezwungen war, den Wolf zu tolerieren, wühlten Bauernlobbies und noch mehr Jäger, sogar welche wo gar keine Wölfe waren, die die Bevölkerung auf. Plötzilch drohten Kinder gefressen zu werden und die Berge zu veröden, wenn die Bauern dem Wolf weichen mussten. Von diesem "Volk" hätte sogar unseer AFD noch was lernen können, wie man Stimmungsterror macht. Die Regierung sah sich veranlasst, den Europarat, auf Verweis auf solche ?Demokratie? für die Schweiz eine Ausnahme von der Berner Konvention zu erlassen, was aber schon allein jurtistisch nicht geht. Es stand kurz davor, unter Verweis auf ein paar wutschäumende Lobbyisten, dass die Schweiz, die sonst sicher keinen Anspruch auf Sozialhilfe hat, und sich sicher einzelne Schafe leisten kann, aus der Berner Konvention austreten wollte, mit allen unabsehbaren Folgen. Nur zum Glück kam es nicht zu einem formalen Volksentscheid über die Forderung, deswegen die Regierung zu zwingen, aus der Berner Konvention auszutreten, was von einem wutschäumenden Volk gefordert wurde, und danach das Beseitigen der Wölfe. Offenbar ist das Völkchen so schrecklich mündig doch nicht. Das Risiko bleibt aber, man stelle sich mal vor, der Wolf nimmt noch zu und die Schweizer müssen sagen wir 100.000 Franken im Jahr Ausgleich zahlen. Das ist dann so einem Land wirklich nicht zuzumuten.

(25.06.2019, 17:50)
Sacha:   @Hannes Lueke: Die Schweiz kennt die direkte Demokratie schon wesentlich länger als (alle?) andere(n) europäische(n) Staaten und hat gelernt, damit ziemlich verantwortungsvoll umzugehen. Das können die Bewohner anderer Staaten auch, wenn man ihnen die Chance und die Zeit dazu gibt und sie von Politikern und Medien korrekt und fair instruiert und begleitet werden.

Bezüglich Nachwuchs bei Nutrias und Muntjaks: Gebe ich Dir absolut recht. Ist wieder eine Frage der Durchsetzung. Beweist aber auch, dass wenn mit diesen Tieren geworben wird, sie eben NICHT UNBEDEUTENDE Arten sind.
(25.06.2019, 10:15)
Hannes Lueke:   Kurz zum Thema 1:1 Ãœbernahme von gesetzen. Das ist der Witz an den EFTA Staaten. Die machen eigene Gesetze aber wandeln Sie an Punkten ab an denen es Bedarf. Sehen die gewählten Volksvertreter keinen Grund etwas zu ändern wird es 1:1 übernommen. Die Staaten nehmen viele Rechte und Pflichten eines EU Mitglieds an aber nicht alle. Das ist nebenbei auch ein Problem beim Brexit gewesen. Die Briten wollten viele der Rechte eines EFTA Mitglieds erhalten (wie sie Norwegen hat) aber keine der Pflichten (wie sie Norwegen ebenfalls hat). Aber das Thema ist wirklich zu Komplex um es in einem Zooforum zu diskutieren.

Meine eigene Meinung zur Direkten Demokratie: Wenn ich mir ansehe was die Leute aktuell für Parteien wählen bis ich froh, keine Volksentscheide zu haben. Auch wenn ich mir ein schnelleres Umdenken in den großen Volksparteien wünsche.

Zurück zum Thema: Ich bin aktuell extrem erschrocken wie viele Zoos noch immer mit Nachwuchs bei Nutrias, Muntjak und co werben. Tatsächlich ist es aber so, dass diese Zoos häufig freigaben der örtlichen Kreise oder teils sogar Länder haben weiter zu züchten!
(25.06.2019, 09:35)
Sacha:   Dann bitte selber nicht vom Thema abkommen....

Dass die Schweiz das "Invasiven-Gesetz" übernehmen wird, ist - Stand heute - noch nicht klar. Mir ausserdem schleierhaft, wie man die direkte Demokratie der Schweiz mit der konstitutionellen Monarchie von Norwegen vergleichen kann.
Es wäre nicht schlecht, wenn man mal aus seinem Bürokraten-Schneckenhaus herauskommt und sich beim "gemeinen" Volk etwas umhört. Da würde man staunen, wie sehr man sich in den EU-Ländern ein System wie dieses der Schweiz wünscht.
Abgesehen davon ist die EU gegenwärtig für wirtschaftlich starke Nationen nicht gerade ein Magnet. Im Gegenteil. Grossbritannien ist schon weg. Wer folgt wohl als Nächstes?
(22.06.2019, 21:23)
Hystrix:   Bitte hier keine Debatte über direkte Demokratie. Dazu gibt fast 3 Jahrtausende Millionen von Seiten Literatur, manche mögen es sehr, andere überhauptnicht. Vor- und Nachteile sind bis zum Exzess ausdiskutiert. Als Schweizer darf man übrigens in Sachen der Invasiven gar nicht mitreden. Die Abgeordneten der EU-Bürger beschließen das und der Staat Schweiz wird es übernehmen. Ohne jede Mitsprache. Als Mitglied im Europarat bekommt er es genauso vorgesetzt wie er Natura2000 vorgesetzt bekam und geschluckt hat. Ohne Mitsprache. Eine größere Verulkung der angeblichen Souveränität der Schweizer geht kaum, Nationalfahne wedeln zur Fremdlenkung.

Ich las mal, Norwegen hat seit Jahrzehnten jede EU-Verordnung 1 : 1 übernommen, ohne jede Mitsprache bei der Gesetzgebung. Ich denke, damit ist Norwegen als EU-Verweigerer ein weniger souveränes Land als es beispielsweise die britische Kolonie Indien war, die immerhin einen Teil der Gesetze vom Mutterland unabhängig bescließen konnte. 80% aller Umweltgesetze kommen aus Brüssel, d.h. Norwegen kann noch ein Fünftel selbst regeln, der Rest kommt vom großen Bruder, Da war die DDR von der UDSSR souveräner. Man muss von Seiten der Nationalisten und EU-Gegnern in diesen "unabhängigen" Ländern nur einige Köder in emotional aufgeladenen Themen hinwerfen, etwa zur Visumerteilung oder zum Asylrecht, wo man dann noch Nationalstaat in eher kleinen Randfeldern spielen darf, und schon kann eine Mehrheit gegen die EU-Mitgliedschaft organisiert werden, verblüffenderweise ohne dass man darunter leidet und sogar Nationalstolz empfindet, Letztlich seine Souveränität als Bürger und Wähler weitestgehend aufzugeben, denn man importiert die Gesetze jetzt aus dem "Ausland". Weniger Souveränität und Demokratie geht kaum.

(22.06.2019, 17:59)
Sacha:   Noch Fragen, warum sich viele Leute in Deutschland eine direkte Demokratie wie in der Schweiz (mit Volksentscheiden von Gemeindeebene bis nationaler Ebene) wünschen....?
Dass viele unserer Politiker dann aus Angst vor der EU bei gewissen Themen (zum Glück nicht allen) einknicken, ist dann wieder eine andere Geschichte.
(21.06.2019, 16:18)
Hannes Lueke:   Ich habe nichts anderes gesagt als du eben beschreibst. Von dir kam der Satz: "So betrachtet also eine Dreiviertmehrheit der EU-Bürger, ...."
Du sprichts explizit von den Bürgern, nicht von Ihren Vertretern. Das es eine legitime Entscheidung ist bezweifle ich garnicht aber es ist eine Entscheidung der Volksvertreter und (zum Glück nicht) einer Bürgerbefragung.
(21.06.2019, 10:38)
Hystrix:   Doch, das ist repräsentative Demokratie. Wenn der Landtag oder Bundestag mit 52 % der Stimmen ein Gesetz beschließt, ist das auch nicht identisch mit 52 % der Einwohner. Vielleicht ist sogar die Mehrheit der Bürger dagegen, aber in einer indirekten Demokratie zählen nur die Abgeordneten. Unser ganzes System beruht darauf, national wie in der EU.

Es werden eben keine Umfragen gemacht, wer den Waschbär listen will, oder wer den Waschbär überhaupt kennt. Vielleicht meint die Mehrheit, "Waschbär" wäre ein Reinigungsmittel für die Waschmaschine oder "Götterbaum" wäre eine Statue in der Kirche. Aber für keines der etwa 1000 pro Jahr bei uns neu gefassten Gesetze und Erlässe werden die Bürger gefragt, Das geht allein in Wahlen, also indirekt, und die gewählten Politiker entscheiden dann ohne Rücksprache. Das kann man kritisieren, Ansätze für direkt Demokratie gibt es viele, die Vor- und Nachteile dafür sind bekannt und wurden seit der griechischen Antike erschöpfend wiederholt. In GB haben wir derzeit den Clash zwischen direkter Demokratie -Volksbefragung erzwingt Brexit- und indirekter Demokratie ? das Parlament kann sich nicht darauf einigen.

Aber das spielt in der Umweltpolitik keine Rolle, weder in den Nationalstaaten noch in der EU sind direkte Elemente vorgesehen. Und in diesem Fall haben die gewählten Spitzen, die für 75% der Bürger sprechen, jetzt abgestimmt. Das ist schon eine beindruckend Mehrheit.

Dem Bürger bleibt, sich bei Wahlen einzubringen. Letztlich hzat er ja in überwältigender Mehrheit dem Invasievngesetz zugestimmt, denn diese wurde über 15 Jahre oder mehr entwickelt, und immer wieder wurden die Politiker, die sich dafür einsetzten, wiedergewählt - sonst hätten wir das Gesetz nicht. Bei uns hat vor jahren etwa die FDP verkündet, Tiere aus Haltungen könnten gar nicht ausreißen noch nie sei aus einem Zoo ein Tier geflüchtet. Und die AFD hat auch solche Anbiederungen an Lobbies. Dann kan man die wählen, und später wird dann eben keine Art mehr zusätzlich gelistet.

Nach der letzten Europawahl scheint mir aber eher wahrscheinlich, dass die EU grüner wird,

(19.06.2019, 13:41)
Hannes Lueke:   Die Volksvertreter gleichzusetzen mit einem Volksvotum ist eine mutige Theorie. Meine Gegenbehauptung ist die, dass man keine 75 % Mehrheit zusammenbekommt wenn man die Leute befragt ob Sie dafür sind Waschbären udn Schildkröten zu erschießen (auch wenn es ja per se korrekt ist). Einer der Vorteile an demokratisch gewählten Volksvertretern ist aus meinem Verständis das rationale Denken beizubehalten, auch wenn die Breite Masse dem Populismus folgen würde oder sich schlicht und ergreifend nicht für das Thema interessiert (und genau das mangelnde Interesse impliziert dein Post indem du dich z.B. nur auf die Wirbeltiere und "dicken Brocken" beziehst).

Bei den Götterbäumen hätte ich garnicht mal die Sorge in Arbeit zu ertrinken sondern eher die Vorteile welche alte Baumbestände mit sich bringen für Jahre zu zerstören. Es sind schließlich auch invasive Bäume kleine Ökosysteme, insbesondere in Betonwüsten wie unseren Großstädten.

Sonnenbarsch ist für mich lange überfällig und nur ein kleiner Schritt bei der großzahl nicht heimischer Fische in unseren Gewässern. hier hat Deutschland echt etwas aufzuholen aber ich befürchte es wird eher EU-weit der Guppy gelistet als der Schuppenkarpfen.


(19.06.2019, 10:44)
Hystrix:   Letzten Freitag wurde über die zweite Erweiterung der EU-Verordnung gegen invasive Arten abgestimmt. Dabei wurden 17 weitere Arten in die Verbotsliste aufgenommen. Es sind überwiegend Pflanzen und niedere Tiere, nur folgende Wirbeltiere: Hirtenstar, Sonnenbarsch, zwei Korallenwelse. Zoos kamen also dieses Mal ziemlich ungeschoren davon.

Die eigentliche Nachricht ist aber, dass der Mink fehlt. Der fand keine Mehrheit, sicher aus wirtschaftlichen Gründen. Mal sehen, ob dieser nur einfach abgelehnt wurde, was bitter wäre, oder ob man nebenher einen Deal aushandelte mit einer Abmachung, ihn trotz unterlassener Listung gezielter einzudämmen.

Positiv ist, dass man sich nicht scheute, ebenfalls gegen Widerstand zwei andere "dicke Brocken" zu listen, nämlich Götterbaum und Pampasgras, die viele Probleme im Naturschutz machen und trotzdem viele Freunde im Vorfeld hatten. Gegen die Listung des Götterbaums hatte sich u.a. das Land berlin ausgesprochgen, weil man dort viele Götterbäume auf Trümmergelände hat - siehe Tierpark Berlin - und glaubt, im Fall der jetzt vollzogenen Listung in Arbeit zu ertrinken. Beide Arten sind auch in Zoos recht häufig, Pampasgras gezielt in Gehegen, Götterbaum meist spontan.

Das Votum war überzeugend, 22 Staaten mit 75% der EU-Bevölkerung stimmten gleichsinnig für diese Regelung, nur 4 waren dagegen, 2 waren nicht erschienen. So betrachtet also eine Dreiviertmehrheit der EU-Bürger, mehr als was im Bundestag für sogar für eine Verfassungsänderung nötig wäre, also durchaus eine sehr breite demokratische Legitimation. Das zeigt aber auch, wie stark die Lobby der Pelzindustrie ist, eine so große Mehrheit gegen die Listung des Mink zu organisieren.

(19.06.2019, 09:34)
Hystrix:   Der wissenschaftliche Beirat der EU für invasive Arten ? also nicht die zuständige Exekutive der Kommission - hat eine Liste von weiteren Arten veröffentlicht, für welche er jetzt risk assessments für die mögliche Nachlistung betreibt. Das ist sehr vorläufig, ich vermute, dass das erst für die übernächste Nachlistung 2021 relevant sein kann. Erstmals müssen nächstes jahr diese assessments offiziell eingereicht werden.

Immerhin sind nach einer Pause von zwei Jahren jetzt wieder Arten von Interesse für Zoos darunter, also Axishirsch, Rotfeuerfisch, zwei Arten der Katzenwelse, Schlangenkopffisch, Rußbülbül. Dazu kommen erstmals einige meeresbewohnende Wirbellose, die aber für Zoos egal sind.

Es ist zu früh, dazu was zu sagen, denn ob diese Arten nach gelistet werden, steht in den Sternen, ist aber durchaus möglich. Etwas unerwartet ist für mich der Axishirsch, keine Ahnung, was dahintersteht. Ich fände der Sika wäre viel dringender.

(14.06.2019, 15:07)
Hannes Lueke:   Wobei man dazu sagen sollte, das die lokalen Ämter in Ihrer Unsicherheit einiges an Suspekten Forderungen gestellt haben. Das ist zum Glück abgeflaut
(09.05.2019, 14:26)
Hystrix:   Die Erlaubnis, neu als invasiv gelistete Arten weiterhin zu halten, dient allein dem Tierschutz (Humanität), man muss sie eben nicht töten. Sie dürfen aber nicht nachzüchten, d.h. es ist schon so, dass die haltujng baldmöglich auslaufen soll. Pflanzen soll man dagegen vernichten, wenn ich die Verodnung recht verstehe. Implizit bedeutet das für gelistete Zootiere Kastration oder Verhütung.

Die Story über angebliche Tötungspflicht der Zoo-Muntjaks war kein Ruhmesblatt für den ansonsten in Naturschutzfragen glaubwürdigen Zoo Leipzig, aber Schönbrunn hat ja sogar über die Nachrichten verlautbart, die EU bestehe auf Tierquälerei von Zootieren, die man jetzt einer moralisch nicht vertretbaren "Hormonbehandlung" unterwerfen müsse. Gemeint war offenbar die Pille gegen Nachzuchten einiger weniger gelisteter Arten, die auch ohne solche maßlosen Entgleisung einer Zoodirektorin sogar im "moralisch so anspruchsvollen" Schönbrunn schon seit Jahrzehnten routinemäßig an viele Zootiere verabreicht wurde und wird, im Auftrag derselben Direktorin, die in der Zeitung deswegen die EU zu verleumden vorpreschte. Da kann man nur den Kopf schütteln bei einer Institut#ion, die überall als Artenschützer wirbt und Steuergelder dafür will. Was würde man denn in Schönbrunn ohne die Pille machen? Tiere in großer Zahl totschlagen?
(08.05.2019, 21:29)
Hystrix:   "Laie" ist ja kein Schimpfwort, sondern heißt nur, dass man in diesem Fall von der Genetik des Bibers aus eigener Kompetenz nichts versteht. Grzimek mag großer Fachmann für andere tierische Fragen gewesen sein, ich wüsste nur nicht, dass er zu Bibermorphologie oder -genetik irgendeine Expertise besaß. Dennoch war er "der" Zoologe für die handelnden bayerischen Vereine, deren Chef Weinzierl mir gar keinen biologischen Hintergrund zu haben schien, wobei ich mich hier irren kann. Ein anderer externe "Experte" war ürbigens Horst Stern, reiner Journalist.

Sicher wird man damals nicht arglistig oder fahrlässig haben handeln wollen. Man hat wohl "geglaubt" es richtig zu machen. Aber Glauben und Vermutung von Laien im Sinne von Nichtexperten reicht eben nicht.

Die Abstimmung für die EU-Liste beruht auf der Arbeit mehrerer Gremien. In der Abstimmung selbst sind pro Staat ein Exekutivbeamter vertreten, der für oder wider die Hand hebt, für Deutschland ist das ein Herr Nehring, der vom Bundesamt für Naturschutz speziell für invasive Arten angestellt ist. In den anderen Ländern sind es ebenfalls die zuständigen Beamten der Umweltverwaltungen. Aber diese entscheiden natürlich als reine Beauftragte erst nach interner fachlicher Abstimmung in ihrem Ministerium/Bundesamt, und dafür holt man auch externe Expertise ein. Dazu gibt es zur Grundlagenbearbeitung mehrere Beratungsgremien auf EU-Ebene, darunter ein Committee on Invasive Species, eine Invasive Alien Species Expert Group und ein Scientitific Forum on IAS. Dazu finden Sie im internet mit etwas Mühe die Zusammensetzung. Als Ausgang für Recherche empfehle ich

http://ec.europa.eu/environment/nature/invasivealien/index_en.htm

Für die fachliche Entscheidung über eine Listung stehen den Staaten ungefähr 15 Monate Zeit zur Verfügung, weil man Nachlistungen fürs Folgejahr bis Februar des Vorjahres angemeldet haben muss, und im Juni des Folgejahres wird abgestimmt. Normalerweise holt in diesem Zeitrahmen bei uns das Bundesamt für Naturschutz Informationen ein. Das wird jeder EU-Staat tun, d.h. die Abstimmung berugt auf 29 unabhängigen Gutachterprozessen und Informationschienen, eine für jedes land polsu noch einmal die Kommission.

Im EU Comitology Register werden zudem im Internet immer die Sitzungsprotokolle des Committees veröffentlicht, so dass man den Verlauf der Entscheidungen zumindest ansatzweise nachvollziehen kann.

(17.04.2019, 08:38)
Sacha:   Das mag ja alles sein (wobei ich zeitlich ein Fragezeichen setze, ob nicht noch während seiner Amtszeit als Zoodirektor die Seehundehaltung nach aussen verlegt wurde - kann ich gerade nicht nachprüfen). Auch war der Zeitgeist damals ein anderer und Grzimek "entwickelte" sich erst vom klassischen Zoodirektor zum Naturschützer. Der "späte/alte" Grzimek hätte in den 1950ern bis 60ern sicher einige Dinge anders gemacht als der "junge". Das ist nicht mal sonderlich spekulativ, wenn man seine Bücher gelesen hat. Aber ihn deshalb einen Laien schimpfen?...

Der "gefährliche Unsinn" fusst doch u. a. auf der Meinung, dass man fruchtbare Hybriden hätte erzeugen können, WENN man glaubte, es handle sich um verschiedene Unterarten. Darum kam vermutlich auch niemand auf die Idee, zu testen.
Sollte die Zusammensetzung so gewesen sein, wie Sie es schildern, dann gebe ich Ihnen recht. Dazu habe ich auch gleich eine Frage: Gibt es eine Namensliste der Experten/des Gremiums, die/das für die EU-Listung zuständig sind/ist bzw. die bestimmen, welche von den vorgeschlagenen Arten auf die EU-Liste kommen? Denn wenn Sie Grzimek als Laien (zumindest in Sachen Biber) bezeichnen, dann ist es doch interessant zu wissen, welche Experten z.B. in Sachen Südamerikanischer Nasenbär seitens der EU am Ruder sind (z.B. wieviele Jahre an Erfahrung die als Nasua-nasua-Halter mit sich bringen).
(16.04.2019, 18:26)
Hystrix:   Es wäre sicher der falsche Ort, hier eine Grzimek-Diskussion zu entfachen, aber er hatte doch viele schillernde Schattierungen trotz seinem historischen Verdienst, eine ganze Generation zur Naturliebe hin erzogen zu haben. Zur gleichen Zeit, als er im Fernsehen monatlich vortrug, wie er Gerichtsprozesse ausfocht gegen die Eierindustrie, um deren Legebatterien trotz gerichtlichem Einspruch derselben als "KZ" bezeichnen zu dürfen, hielt er im eigenen Zoo deutlich empfindsamere Tiere unter schlechteren Bedingungen als in Käfigbatterien. Es gibt viele Beispiele, ich nenne nur zwei Seehunde in einem Innenaquarium des Exotariums ohne Außengehege, die als einzigen Auslauf um aus dem Aquarium herauszugehen zwei Holzbretter hatten zum Abliegen direkt oberhalb des Aquariums. Sie schwammen lebzeitig immer im kleinen kreis, oder krochen auf ein Holzbrett oberhalob des Beckens, niemals Luft, licht, wirkliche Bewegung oder Abwechslung, und das für hoch entwickelte Robben. Woanders sind Quarantänegehege für Robben besser, Oder an zwei Meeresschildkröten, die im Aquarium nebenan sich kaum umwenden konnten, geschweige denn geradeaus schwimmen, sondern sich immer nur um sich selbst kreisten. Da hatte jede Batterielegehenne mehr Platz.

Aber das ist nicht das Thema hier. Es ging beim ersten Biberprojekt ja nicht um kontroverse taxonomische Konzepte, die von verschiedenen Fachleuten verschieden ausgelegt wersden, sondern um den gefährlichen Unsinn, aus angeblich genetischen Gründen eine Fremdart in die Linie einkreuzen zu wollen, die sich gar nicht einkreuzen lässt, sondern wenn überhaupt maximal unfruchtbare Hybriden erzeugt. Das konnte damals schon wissen, und wenn man es nicht wusste, hätte man es in einer Haltung austesten können, ehe man die Wildbahn belastet. Auch hatten die Finnen früh Alarm gegeben, dass sich Kanadabiber und Europäer ausschließen und nicht vertragen und daß die Kanadier überlegen sind und verdrängen und ausrotten. Offenbar haben die damaligen deutschen Projektplaner sich überhaupt nicht kundig gemacht. Man muss zu Gute halten, das Biberprojekt in Bayern war sehr früh und eines der erstenm eines Naturschutzverbandes hierzulande, aber dass man keine Fachleute einbezog, nicht einen einzigen Biberexperten, und nur auf bayerische Verbandsnaturschützer, Journalisten und Grzimek (Haushuhnveterinär mit allerdings 20 Jahren Hintergrund als Zoodirektor, aber nicht zu Bibern), wäre sehr leicht schief gegangen. Mit Pech wäre es wie heute in Finnland, unser Elbebiber wäre durch das Projekt ganz ausgerottet worden und wir hätten leicht nur noch Kanadier hier, die ganz Europa erobern. Dass es nicht so kam, war reines Glück, nicht die Idee der Planer.

(16.04.2019, 14:38)
Sacha:   Grzimek ein Laie? Hmh. Ich will nicht abstreiten, dass auch "St. Bernhard" Fehler machte, auch fachliche. Aber Laie???!!! Da muss man schon eine sehr hohe Meinung von der eigenen Kompetenz haben.

Ich denke auch, dass man wie Hannes schrieb, nicht vergessen sollte, dass einiges, was früher richtig schien, sich heute als falsch herausstellt (und in Zukunft vielleicht wieder als richtig). Man nehme als Beispiel nur die Medizin und die Verwendung der "Schröpf-Technik". Und in der Taxonomie der Tierwelt herrscht wirklich ein dauerndes Hin und Her.

Das heisst natürlich nicht, dass man nicht eingreifen sollte, wenn man die Möglichkeit zur Verbesserung hat (das als Allgemeinsatz, ohne auf die Biberproblematik näher einzugehen).

Dem Danke von @Adrian auf die Hinweise schliesse ich mich dagegen gerne an.
(16.04.2019, 14:03)
Hannes Lueke:   Hatten diese Laien denn die entsprechenden Informationen, dass Sie es besser hätten wissen müssen? Hatte man damals den Zeitgeist die heimische Natur möglichst rein zu halten? Ich, ein 80er Baby, weiß heute, dass es scheiße war, was damals gelaufen ist, ich bezeichne die damaligen Naturschützer, als mit die ersten Ihrer Art, aber nicht als Ignorant, da ich nicht weiß ob man ihnen gesagt hat, dass das quatsch ist, was man da macht.

In dem Zusammenhang möchte ich noch kurz bemängeln, dass man bis dato noch nicht die sibirischen Formen unserer heimischen Fauna ins rennen geworfen hat. Sibirische Rehe oder Marale sowie zig Formen des Ringfasan wurden in der vergangenheit gerne genutzt um unsere Wildbestände zu veredeln. Herrscht in dieser Richtung nirgends Sorge?
(16.04.2019, 12:54)
Hystrix:   Hannes Lueke:

So ganz entspannt sind die damaligen Fehler nicht zu sehen. Kanadische und Eurasische Biber haben unterschiedliche Chromosomen und können sie nicht erfolgreich miteinander fortpflanzen. Kanadier zusammen mit Europäern auszusetzen mit dem erklärten Ziel ?um die genetische Vielfalt der Population zu erhöhen?, kann also gar nicht funktionieren, weil die Chromosomen dazu "nein sagen", sondern zeigt nur, wie inkompetent -rein objektiv und nüchtern betrachtet ? diese Projekte damals geplant waren.

Außerdem zeigte sich in Finnland schon früh, dass die Kanadier den Europäern überlegen sind und diese verdrängen. Spätestens im Projekt in Österreich hätte man das wissen müssen, denn es gibt eigentlich gar keinen denkbaren Grund dafür, wenn ich eine seltene Art retten bzw. wiederansiedeln will, dass ich ihr einen überlegenen Konkurrenten beigeselle, der sie platt macht. Gut gemeint war es wohl, will ich nicht anzweifeln, gut gemacht aber unter keinen Umständen. Laien eben, die in Ihrem drang Gutes tun zu wollen wegen Ignoranz leicht mehr kaputt machen als gut.
(16.04.2019, 12:06)
Hannes Lueke:   Kurz zur Ehrenrettung der Natur und Artenschützer der 70er und 80er Jahre, Systematik ist ein nie endendes Schubladendenken und der Zeitgeist und Wissensstand ist eben ein anderer gewesen. Es als Bizarr zu bezeichnen eine Natur wiederherstellen zu wollen mit nicht ganz korrekten Arten, mangels brauchbarer Originale finde ich etwas überheblich. Mangels Ur und Tarpan setzt unsereins Wasserbüffel, Hochlandrinder und Konik Ponys zur renaturierung und "Landschaftspflege" ein, das ist für mich das selbe denken, Kanadische Biber in Europa auszusetzen, mangels genug Europäern. Man weiß es heute besser und wenn man heute noch dergleichen veranstalten würde, würde ich es auch bemängeln, die hsitorie anprangern möchte ich jedoch nicht.

Ich möchte auch begrüßen, dass man die Neulistungen so ausgiebig ausarbeitet und bewertet. So und nicht anders ergibt es für mich einen nachvollziehbaren Sinn. Lese ich von Neulistungen wie Bison, Kusu und Nachtbaumnattern kann ich dagegen nur mit dem Kopf schütteln.
(16.04.2019, 08:50)
Hystrix:   Sacha/Adrian Langer:

1. Der deutsche Zoo, aus dem der Kanadabiber ausgerissen ist, sei der Eifel-Zoo in Prüm. Von dort soll sich eine größere Population in der Eifel, Belgien und Luxemburg etabliert haben. Der österreichische Zoo wird als ?Animal and Natura Park in Styria, Austria? angegeben.

2.Die Stellungnahme der EAZA ist hier:

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiatives/ares-2019-1565888/feedback_en?size=10&page=1&p_id=4101650

Man muss auf die Stellungnahme der EAZA vom 5.4.19 scrollen. Die Frist zur Stellungnahme läuft aber in Kürze ab, danach könnte diese Webseite wieder verschwinden.

3.Die derzeit erörterten Arten für 2020 sind:

Säuger
Callosciurus finlaysoni
Castor canadensis

Lurche
Xenopus laevis

Fische
Fundulus heteroclitus
Lagocephalus sceleratus
Micropterus dolomieu
Morone americana

Wirbellose
Cydalima perspectalis
Hemigrapsus sanguineus
Perna viridis
Rapana venosa
Solenopsis geminata
Solenopsis richteri

Pflanzen
Celastrus orbiculatus
Koenigia_polystachya
Spartina pectinata

(16.04.2019, 08:12)
Hystrix:   Gudrun Bardowicks:

Das ist richtig. Die erste Biberauswilderung in Bayern in den 1970er Jahren setzte alle genetischen Herkünfte aus, die man bekommen konnte. Mit der bizarren Begründung, man müsse "genetische Vielfalt" auswildern, achtete man nicht auf die Arten, vielmehr wurden mehrere verschiedene Untertarten ausgesetzt, und vermutlich zusätzlich auch Kanadabiber, die damals aber nur vereinzelt als Art gewertet wurden, meist als Unterart. Pikanterweise wurde das sogar damals von Grzimek und Horst Stern als damalige lautstarke Wortführer des Naturschutzes befürwortet, wobei Grzimek, der im TV und in seinen Buchvermarktungen immer als makelloser Artenschützer auftrat, in seinen eigenen Projekten manches schief laufen ließ (Borneo-Orangs mit seinem Geld in Nationalparks von Sumatra gebracht, generische Zooschimpansen nach Ostafrika geflogen). Von den Kandabibern in Bayern hat man später nichts mehr gehört.

Später setzte man auch in Österreich nachweislich viele Kanadabiber aus, mit derselben verfehlten Begründung. Beide Fälle scheinen aber ohne Folgen zu sein, die Kanadabiber in Österreich hat man später mit viel Aufwand wieder einsammeln wollen und keine mehr gefunden. Dagegen hat sich in Finnland der Kanadabiber durchgesetzt, wo er ebenfalls gezielt angesiedelt woirden war, weil es bessere pelze hätte als unser Biber, und den heimischen Biber völlig verdrängt, dem er überlegen war. Inzwische ist der Kanadabiber über Finnland hinaus nach Scxhween und Russland vorgedrungen und verdrängt den Euroäer auch hier. Mal sehen, wenn es zur Listung des Kanadabibers kommt, ob die Finnen die Kanadabiber wieder eliminieren, was teuer würde, weil das ganze Land schon besiedelt ist.

Das risk assessment fasst diese frühen Erfahrungen ausführlich zusammen. Man sagt, früher seien gezielte Aussetzungen das Hauptproblem gewesen, heute seien es Haltungen.

(16.04.2019, 08:09)
Gudrun Bardowicks:   Soweit ich weiß wurden in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts Kanadabiber speziell in Bayern ausgesetzt, um in geeigneten ehemaligen Biberrevieren zur Steigerung der Biodiversität beizutragen und das durch die Ausrottung der heimischen Biberpopulation gestörte ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen . Dieses wurde damals als Naturschutzmaßnahme angesehen, führt aber mittlerweile zu Problemen, da sich diese Biberpopulations als sehr vermehrungs- und ausbreitungsfreudig erwiesen hat und zunehmend zu Problemen in der Landwirtschaft und bei Obstbauern führt. Diese Biber fressen wohl gerne Maispflanzen, Möhren und Rüben und fällen auch häufig Obstbäume.
(15.04.2019, 23:01)
Sacha:   Schliesse mich beiden Fragen von @Adrian Langer an.
Würde mich ausserdem interessieren, ob man die offizielle Stellungnahme der EAZA (Post vom 10.4.) irgendwo nachlesen kann.
(15.04.2019, 22:17)
Hystrix:   Jetzt wurden die ersten neuen Vorschläge für die übernächste Nachlistung invasiver Arten im Jahr 2020 veröffentlicht. Derzeit sind es 16 Arten, die im Visier sind. Darunter sind folgende, bei denen die risk assessments Hobbyhalter bzw. sogar explizit Zoos als Risikoquellen benennen:

Kanadabiber: Hier sollen, wenn auch letzte Beweise wie in allen solchen Fällen nicht lieferbar sind, zwei namentlich genannte Zoos zu Etablierungen in den letzten Jahren in der EU geführt haben, einer in Deutschland und einer in Österreich.

Finlayson-Hörnchen; Hauptsächlich Pets als Problem, Zoos am Rande.

Zebra-Killifsch: Aquarien als Problem, auch Zooaquarien.

Krallenfrosch: Problem hauptsächlich Pets, aber auch Versuchstiere in Forschungsinstituten, Zoos am Rande.

Sodann sind noch zwei weitere Fische im Visier, die möglicherweise auch in einigen Zoos leben, wenn auch wohl nur wenige: Schwarzbarsch, Streifenbarsch,

Sodann nur Arten, die für Haltungen uninteressant sind.

Interessant ist, dass sich das Vorschlagwesen für weitere Listungen professionalisiert hat. Waren es bisher immer nur kurze und eher schmucklose risk assessments der Kommission, sind jetzt mehrere der 16 Arten für 2020 von einer offenbar eigens für diesen Zweck gegründeten Institution/Kommission der Niederländer vorgelegt worden, die diese risk assessments als umfassende und aufwendig aufgemachte kleine Bücher vorlegen. Auch das Buch zum Kanadabiber mit erstmals konkreten Vorwürfen gegen zwei Zoos stammt von dort. Offenbar gibt die niederländische Rgeoirung jetzt Geld aus für fundierte Nachlistungen.

(15.04.2019, 20:03)
Hystrix:   Von Interesse ist die offizielle Stellungnahme der EAZA auf die neuen Vorschläge zur Erweiterung der EU-Verbotsliste invasiver Arten in diesem Sommer. Die Kommission hat eine Webseite zur öffentlichen Aussprache geschaltet und die EAZA hat einen der längsten Kommentare von allen Verbänden geliefert, und einen der inhaltsreichsten. Die EAZA begrüßt die Erweiterung der Liste ohne Abstrich und klagt als einzige Kritik scharf, dass derzeit der Mink nicht vorgesehen ist. Sie erklärt ihr Unverständnis darüber und fordert schärfere Erweiterung der Liste. Man verweist auf die Möglichkeit, auch nach Listung des Minks nach Paragraph 9 des Gesetzes für unzumutbare Nachteile einzelne ausbruchsichere Pelzfarmen unter strenger Auflage weiter zu führen. Man kritisiert diesen Ausnahmetatbestand einerseits, indem man darauf verweist, dass für Zoohaltung solche Ausnahmen nicht vorgesehen sind und fordert Gleichbehandlung aller Halter. Sofort danach steht aber, das sei für die EAZA nicht so wichtig (!), weil man sich zuvorderst dem Naturschutz verpflichtet fühlt und das Wohl des Naturschutzes vorgehe.

Welch wohltuende Öffentlichkeitsarbeit, seine eigenen Grundsätze auch dann einzuhalten, wenn man einen (winzig kleinen) Nachteil hat, und nicht wie mehrere Zoos in der Zeitung boshaft gegen den Naturschutz auszukeilen wenn was mal nicht gefällt. Offenbar denkt man im Zoobereich auf europäischer Ebene auch an morgen und seinen langfristigen Erfolg. Tröstlich. Und wie gut, dass die großen Zoos an die EAZA-Statuten gebunden sind.

(10.04.2019, 18:42)
Hystrix:   Ich muss bei meiner Formulierung bleiben, ich hatte nciht übertrieben, denn wenn in im letzten großen Wildnisgebiet des Ostens der USA, dem wichtigsten Naturschutzgebiet überhaupt, für das enorme Geldmittel eingesetzt wurden, um ein Wildnis im Urzustand zu bewahren, praktisch die gesamte Säugerfaune (größer als Mäuse) ausgelöscht wird, mit unabsehbaren Folgen für die Nahrungskette und mit Sicherheit auch mit weiter gehenden Folgeschäden für alle Arten, die mit diesen Säugern zusammenhängen, kann man das einfach nicht relativieren. Das ist ein Super-GAU. Das Phänomen wird ja nicht hochspekuliert oder gemutmaßt, und selbst wenn es nicht 100.000 Pythons im Park sind und die Zahl übertrieben ist, ist doch nicht das das Problem, sondern der Effekt: Die Säugerfauna wurde offenbar weitgehend ausgerottet ohne eine Aussicht auf Wiederkehr oder Besserung. Da hilft auch nicht rumzueiern, daß ein Python wegen Kaltblütigkeit gar nicht so viel frisst. Offenbar war es genug um den bedeutendsten Nationalpark dieser Region durch Ausrottung seiner Säugerfauna kritisch zu zerrütten und zu entwerten, und die Naturschutzinvestitionen von Generationen kaputtzumachen. Natürlich kann man alles relativeren, slebst zum drohenden Ende der ganzen Welt durch eine n Aotmkrieg könnte man noch tröstende Worte finden unter Verweis auf ein Leben nach dem Tod, aber der reale Schaden in Florida ist immens, vielleicht nicht zu reparieren und wenn zu reparieren, dann mit einem Aufwand, den zu bezahlen sich derzeit niemand vorstellen kann.
(05.04.2019, 10:01)
Hannes Lueke:   Niemand redet die Pythons klein. Ich koche sie nur nicht so hoch wie es gerne getan wird. Es gibt definitiv zu viele Pythons in den Everglades aber nach Gesprächen mit "Pythonjägern" muss man sagen, es sind alles nur Schätzungen! Auch ist der Wolf / Python Vergleich wirklich nicht besonders gut. Ein Tigerpython welcher ein Wildschwein (ein riesen Problem in den Everglades) frisst, benötigt für locker 6 Wochen nichts mehr zu fressen. Man kann grob sagen ein großes Kaninchen pro Woche ernährt einen Python. Wie gesagt, die müssen weg aber ich beharre darauf, dass die Pythons sicherlich nicht DER Auslöser sind, für das verschwinden diverser Arten. Es können so viele Kleinigkeiten sein. Aktuell hat man entdeckt, dass Seekühe bedroht werden durch aufsitzende Antennenwelse. Diese invasive Art sieht man in den Everglades wirklich überall. Wer rechnet damit, dass ein vegetarischer, kleiner Wels eine Seekuh gefährlich werden? Ein großer Python, natürlich aber ein Wels, ein Barsch, eine Ratte? Daran kann es natürlich nicht liegen.

Ich möchte einfach nur, in Zeiten wo junge Mädchen Freitags die Schule schwänzen um auf Probleme hinzuweisen, nicht blind schlucken was man mir auftischt. Es ist richtig, dass man Pythons in Florida verboten hat und es ist richtig, dass man sie entfernt und tolle Programme hat die Bevölkerung einzubeziehen. Ich persönlich würde auch gerne auf einer meiner Florida Reisen mal Pythonjäger begleiten um mir ein genaues Bild zu machen.
Ich möchte einfach nur nicht so etwas lesen wie "die Everglades sind mit Pythons verseucht und kein Kleinsäuger kann dort mehr leben". In den Everglades wird nach Öl gebort, der Tamiami Trail trennt die Gewässer und die Everglades trocken aus, der Meeresspiegel steigt und Meerwasser dringt weiter vor ohne, dass ein Austausch mit Süsswasser kommen kann, eben wegen dem Highway. Dann noch die "Red-Tide" eine durch Klimawandel verstärkte Algenblüte welche sich durch die Gesamte Nahrungskette zieht und hochgiftig ist. Da geschehen so viele Dinge, die das gesamte Ökosystem zerstören und die nicht immer und immer und immer wieder aufgekocht werden aber hey, ich bin mir sicher wenn die Pythons weg sind ist alles wieder gut!
(05.04.2019, 08:41)
Hystrix:   Ich hatte mich mit diesem Fall nie beschäftigt und war gestern Abend nur überrascht im TV, besonders als gesagt wurde, 98% aller Säuger (gemeint waren wohl größere Arten, nicht Mäuse) seien in den Everglades ausgelöscht worden. Das habe ich erst einmal nicht glauben wollen und daher gegoogelt. Das war aber nur ein Schweinsgalopp in aller Eile ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Daher weiß ich auch die einzelnen Quellen nicht mehr. Ich war dann schon zufrieden, als ich diese Angaben sowohl auch auf einer Regierungsseite fand als auch in einem akademischen Papier. Damit war es das für mich.

Meine Aussage ?Tierpark? bezog sich in der Tat auf dieselbe ?wildlife breeding facility? sowie ?wild animal facility?, die Sie offenbar auch fanden. Ich will nicht aussagen, das sei ein Zoo wie ein EAZA-Zoo, das weiß ich nicht. Es ist aber offenbar kein Einzelliebhaber mit einem Terrarium im Wohnzimmer, sondern der Hurricane hat Haltungszentren zerstört, wo zahlreiche Wildtiere gehalten wurden. In meinem Beitrag sagte ich dafür Tierpark, weil mir kein Pendant zu widllife facility einfiel, einfach als Anlage mit vielen Tieren zusammen an einem Platz. Ob der für Besucher offen ist und ob er in einer Tiergartenvereinigung Mitglied ist will ich nicht sagen. Die Aussage, dass insgesamt hunderte entflohen sind, habe ich aber wirklich wo gefunden ? nur fragen Sie mich nicht mehr wo.

Ich will aber wegen der Glaubwürdigkeit noch zwei sehr seriöse Quellen nennen:

https://www.pnas.org/content/109/7/2418.abstract (Das ist eine der am höchsten angesehenen wissenschaftlichen Journale der USA, dort wird die praktische Auslöschung der Mesosäuger im Nationalpark bestätigt.)

https://royalsocietypublishing.org/doi/full/10.1098/rspb.2015.0120 (Ebenfalls eine enorm seriöse, hoch angesehen Zeitschrift, wo gesagt wird, dass experimentell in die Everglades verfrachtete 95 Kaninchen schon nach einem Jahr zu 80% wieder von den Pythons ausgerottet wurden, man konnte das anhand Kotproben einwandfrei nachweisen. Man schließt daher aus, dass zukünftig Kaninchen oder mittelgroße Säuger ncht mehr in den Everglades noch leben können, ujnd sagt katastrophale Folgen für das Ökosystem voraus).

Man stelle sich vor, selbst ein so fertiles Tier wie Karnickel sind binnen Jahresfrist schon ausgerottet. Man muss sich das vorstellen wie das Eindringen von Dingo oder Fuchs nach Australien, eine Fauna ohne jede Gewöhnung an Großraubtiere wird plötzlich von einem üppigen, flächendeckenden Massenbestand eines Großprädators bedroht. Wenn wir als mittleres Gewicht für eine Python, die nach den Anhagen im Internet wohl bis 75 kg vor Ort gehen, nur 30 kg annehmen, ist das so viel wie ein Wolf auf 5 Hektar. Nun frisst ein Kaltblüter weniger als ein Wolf, sagen wir ein Drittel. Das bedeutete dann aber immer noch das Äquivalent von einem Wolf auf 15 Hektar, eine kaum glaubliche Dichte, das Tausendfache der Wolfsdichte in natürlichen Biotopen. Das ist Ausrottung pur, da geht nichts mehr.

Es ist natürlich ein spannendes Experiment für Ökologen, nach dem Wegfall der mittleren Bodensäuger werden nun auch Greifvögel aussterben etc. Es ist schon ein Jammer.

Everglades hat viele Parallelen zu Donana, bis hin zu seinem Status auf der bedrohungsliste des Weltnaturerbes bei der UNESCO, die sowohl den USA wie Spanien viel druck machen. Ich möchte annehmen, die Listung der Pythons in Spanien geht genau hierauf zurück. Dumm ist das nicht.

(04.04.2019, 18:34)
Sacha:   Mich würde interessieren, woher Ihre Quelle zu den Aussagen der entkommenen Pythons stammt?

Dass nach dem Hurricane Andrew AUS TIERPARKS "nachweislich hunderte von Riesenschlangen auf einmal getürmt seien" lässt sich zumindest meinen Informationen zu Folge nicht so darstellen:

https://www.cbsnews.com/news/burmese-python-invasive-species-in-florida-hurricane-andrew-legacy-cbsn-originals/

Im Bericht ist vielmehr die Rede von "exotic wildlife facilities", was vom echten Zoo oder Tierpark bis zum Restaurant mit Terrarium alles beinhalten kann. Eine grössere Menge (= many) entkam aus einer "breeding facility". Ersteres kann nicht nur Hunderte, sondern auch Dutzende bedeuten. Und eine breeding facility kann auch einem Tierhändler oder sonstigem Privatmann gehören. Das muss nicht zwingend ein Zoo sein.

Dazu scheint mir auch die Aussage: "Witnesses spotted hundreds of large snakes and non-venomous snakes loose." fragwürdig. We wollen "Zeugen" erkennen, ob eine Schlange eben erst entkommen ist oder schon Jahre in Freiheit rumkriecht? Ausserdem sind Riesenschlagen und nicht-giftige Schlangen als Einheit zusammengefasst. Theoretisch könnte es somit sein, dass es sich um nur 2 Riesenschlangen und 98 Sinaloa-Königsnatter oder Kornnattern (hier steht ja nicht mehr dass es "EXOTIC non-venomous snakes" seien) handelt

Nun kann es sein, dass meine Quelle nicht präzise genug ist. Dann hätte ich aber bitte gerne eine Quellenangabe, die genauer ist, wenn man schon solche Dinge behauptet.
(04.04.2019, 17:03)
Hystrix:   Also, die Everglades sind die letzte und einzige großräumige Naturlandschaft der USA östlich des Mississippi. Für viele menschen der Inbegriff unberührter Natur, und um dieses "paradies" zu retten wurden sehr teure Anstrengungen gemacht, etwa um mit viel Geld einen Ausgleich zwoischen Sumpf und landwirtschaft daneben zu schaffen. Das hat 100e Millionen gekostet, für den Naturschutz. Der Park ist 6000 qkm groß, zudem Weltnaturerbe. Wenn es dort wirklich 100.000 Pythons gibt, wie im TV behauptet, sind das rund eine Python auf 5 Hektar. Die Körperlänge der im Eliminierungs-programm abgelieferten Pythons betrug bis 17 Fuß, solche Tiere sollten laut wikipedia 75 kg wiegen, also doppelt so viel wie ein Wolf. Man kann also in diesem Weltnaturerbegebiet, bisher weitgehend unberührtes Paradies, vom gesättigten Bestand einem eingeschleppten Superprädators ausgehen, an den das Ökosystem nicht angepasst ist. Eine Website der US-Regierung schreibt: ?The most severe declines in native species have occurred in the remote southernmost regions of Everglades National Park, where pythons have been established the longest. In a 2012 study, populations of raccoons had dropped 99.3 percent, opossums 98.9 percent, and bobcats 87.5 percent since 1997. Marsh rabbits, cottontail rabbits, and foxes effectively disappeared.? Wohlgemerkt, im höchstausgezeichneten und bedeutendsten Naturschutzgebiet im Osten der USA, von kontinentweiter und weltweiter Bedeutung. Wie kann man da von übertreibender Augenwischerei sprechen?
Allein das Ausschalten des Luchses ist ein Drama, aus seiner wohl einzigen wirklich großräumig zusammenhängenden Population und damit langfristig lebensfähigen im Osten, aber auch der regionale Wegfall der Mesoprädatoren (selbst wenn sie als Arten immer noch lange nicht gefährdet sind) wie Waschbären und Füchse sowie der generellen Nahrungsbasis, welche Kaninchen in der Nahrungskette einnehmen, muss doch bedeuten, dass das Ökosystem der Everglades zutiefst gestört und zerrüttet ist. UNd das nach all den horrend teuren ANstrengungen, den wasserhaushalt zu sanieren - danach kommen die Terrarianer und machen kaputt. Zudem sollten die akut bedrohten Zwerghirsche der Keys auch zum bevorzugten Beutespektrum gehören, und hier lauert die echte Gefahr, daß diese Schlangen eine Unterart gänzlich auslöschen, wenn sie sich denn dort auch noch etablieren. Ich finde nicht, da sollte man auch als Terrarienfreund nicht rumeiern, das ist eine echte Katastrophe. Es sind übrigens folgende Arten, die von den Behörden zum Eliminieren aufgerufen wurden ? sozusagen ein echter Zoo, leider nicht hinter Gittern, sondern in einem Weltnaturerbegebiet. Ist das wirklich eine Sache zur Verharmlosung?
Burmese Python (Python bivittatus)
Northern African Python (Python sebae sebae)
Reticulated Python (Python reticulatus)
Southern African Python (Python sebae natalensis)
Amethystine/Scrub Python (Morelia amethistina)
Boa Constrictor (Boa constrictor)
Yellow Anaconda (Eunectes notaeus)
Green Anaconda (Eunectes murinus)
Beni Anaconda (Eunectes beniensis)
DeSchauensee?s Anaconda (Eunectes deschauenseei)

Mit einem rechtzeitgien Haltungsverbot wäre diese vielleicht nicht mehr reparable Schlamassel wohl zu verhindern gewesen.

(04.04.2019, 16:12)
Hannes Lueke:   Ich bezichtige auch niemand der Lüge aber sicherlich der Augenwischerei. Ein Problem größer zu machen als es ist um von anderen Dingen abzulenken hat es zuvor nie gegeben oder etwa doch?
Und könnte es sein, das Waschbären und Opossums (beides in den USA auch als "Pest" sprich Schädling angesehen), nicht vielleicht auch druch Dinge wie Umweltzerstörung, übermäßige Jagd oder andere Faktoren, neben den Riesenschlangen, abnehmen könnten?
(04.04.2019, 15:19)
Hystrix:   Nachtrag zu eben, weil ich mangels eigener Kentnnisse prüfen wollte, ob der Dokumentarfilm gestern gelogen hat:
Eine kurze Suche in google, nicht erschöpfend, zeigt, dass das Python-Problem in Florida viel komplexer ist als gedacht. Erstens sind ganze 10 Arten von Riesenschlangen beteiligt, wenn auch eine Pythonart am häufigsten ist und auch sonst Pythonarten führen, vor Anacondas. Zweitens gilt als ganz großes Einfallportal ein einziger Hurricane, der vor einigen Jahren viele Häuser und damit Terrarien zertörte, aber auch Tierparks. Allein aus letzteren seien durch Sturmschaden an den Anlagen nachweislich Hunderte Riesenschlangen auf einmal getürmt. Im Nationalpark der Everglades hätten racoons und opossums je nach Angabe zwischen 80-99% abgenommen und weitere Säuger wie Füchse und Kaninchens seien ganz aus der Region eliminiert worden. Der Staat ruft jetzt zur Pythonjagd in Südflorida auf und hat offenbar für jede abgegebene Schlange ein Kopfgeld von 50 Dollar ausgesetzt. Nach einer Statistik wächst die Zahl der in diesem Programm abgelieferter Schlangen kontinuierlich auf derzeit im 2000 im Jahr. Im Nationalpark selbst darf man natürlich nicht einfach vom Weg ab und jagen, hier haben die Schlangen ein Refugium.
Die UNESCO hat die Everglades auf die Liste des ?Weltnaturerbe in Gefahr? gesetzt, unter den Gründen dafür ist neben der Wasserzufuhr die Bedrohung durch die invasiven Arten, zuvorderst Reptilien. Man bemängelt, dass nicht genug Geld für di Bekämpfung bereitgestellt wird, obwohl bereits jetzt der Etat schwer beansprucht wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so viele voneinander unabhänmghige Internetmeldungen, Zeitungsausschnitte und auch die UNESCO alle lügen.

(04.04.2019, 13:28)
Hystrix:   Gestern abend war im NDR ein 45 Minuten-Film über die Everglades. Darin etwa 10 Minuten über die Pythons. Diese seien nach der gestörten Wasserversorgung des Gebiets das größte Problem des Parks. Der Bestand wird auf 100.000 geschätzt, er hat die Säugetiere im Park um 98% verringert, besonders mittelgroße Arten wie Waschbären könnten sich nur n och marginal halten, was seinerseits Nachwirkungen hat auf die Bestände von Arten, die von den Waschbären kontrolliert würden. Laborversuche hätten ergeben, dass Pythons im Meer lange überleben und derzeit versuche man zu verhindern, dass sie auf die Key-Inseln vor der Küste schwimmen und dort den kleinen Bestand der Key-Hirsche bedrohen, den man mit Mühe von 20 auf wieder 800 heranhegte und der nun latent in Gefahr sei. Es sei aber nicht wahrscheinlich, dass man das verhindern kann, weil die Pythoins sehr gewandte Schwimmer seien. Der Film endete etwas reißerisch mit einem Kampf zwischen einem Alligator und einer Python, wobei nicht klar war, wer gewann.
(04.04.2019, 12:21)
Sacha:   Lieber Hannes, Du kommst mir zuvor...;)
(04.04.2019, 11:08)
Hannes Lueke:   Ich möchte kurz einwerfen: Florida ist nicht von Pythons verseucht bzw sind diese nicht das große Problem der Everglades. Ich stehe im Kontakt zu Reptilienzüchtern in Florida und alle sind sich einig, der Tigerpython gehört dort nicht hin und es muss Programme gegen ihn geben ABER das ist alles Augenwischerei vor den gigantischen Problemen der Vermüllung der Glades, der Verseuchung durch Abwässer großer Industrieanlagen und natürlich den Highways welche direkt durch die Sümpfe gehen aber unablässig sind um die Küsten zu verbinden. Es ist das selbe wie mit dem Waschbären in Deutschland. Kaum eine Chance dagegen anzukommen, sicherlich kein Gewinn für die Natur aber eben nicht der Hauptgrund warum wir keine Singvögel mehr haben und Fische aus Gewässern verschwinden.
Ebenso herrscht in Florida ein rieisges Katzenproblem in den Everglades, welches niemanden stört, es gibt wilde Makaken Populationen welche geduldet werden da Besucherlieblinge, auf den Keys wimmelt es von Grünen Leguanen und von den vielen niedlichen Anolis Arten der Karibik und Taggeckos, welche den Rotkelhanolis nahezu vollständig verdrängt haben ganz zu schweigen. Stört niemanden!
(04.04.2019, 09:58)
Hystrix:   Die Kritik an der Ungleichheit der Stimmengewichte ist berechtigt, denn Deutschland hat für 80 Millionen Wähler im EU-Rat nur eine Stimme, das kleine Luxemburg aber auch eine. Allerdings ist das bei Föderalismus oft so, vielleicht sogar immer. Im deutschen Bundesrat haben kleine Bundesländer zwar weniger Stimmen als große, aber trotzdem stehen hinter einer Bundesratsstimme von NRW 2,9 Millionen Wähle und hinter einer Bundesratsstimme von Bremen nur 200.000 Wähler, d.h. ein Wähler aus Bremen hat 10x mehr Stimmgewicht als ein Bürger aus NRW oder Bayern. Das ist ein noch größeres Missverhältnis als im EU-Rat. Auch in der UNO haben Ministaaten eine Stimme, genau wie China. Ich weiß nicht wie es in der Schweiz ist, aber die Kantone dürften auch ungleichen Einfluss haben, welche mit vielen Einwohnern proportional weniger als welche mit wenigen. Das ist nicht gerecht, aber es kommt so durchgehend vor, dass es ein Wesensmerkmal von Föderalismus erscheint. Man stelle sich vor es sei gerecht, dann würden Chinesen plus Inder die Welt beherrschen.
(04.04.2019, 08:39)
Sacha:   Dann gibt es aber wiederum Grund zur Kritik, denn wenn alle Mitgliedsstaaten unabhängig von der jeweiligen Bevölkerungszahl die gleiche Stimmkraft haben, dürften dies nicht alle als fair empfinden.

Ihr Beispiel von den "geleimten" Bürgern aus Nicht-EU-Ländern ist mir zu simpel. Es gibt tatsächlich vieles, was z.B. die Schweiz von der EU übernimmt oder übernehmen muss. Glücklicherweise brauchen wir aber auch nicht jeden Mist mitzumachen, haben als Bürger wesentlich mehr und vor allem direkteren Einfluss auf die Gesetzgebung unseres Landes und auch im Handel mehr Möglichkeiten/die grössere Wahl. Nicht umsonst wollen fast alle meiner Verwandten in D in Sachen Politsystem (und Steuern) mit mir tauschen...

Und egal was Sie mir so grosszügig zugestehen oder nicht: Ich bleibe dabei, dass die EU-Invasivenliste bzw. das Konstrukt seine handwerklichen Fehler hat, die sich m. E. in der TEILWEISE fragwürdigen Artenwahl auf der Liste, der falschen Gewichtung in Sachen Ausnahmen, der unsicheren Rechtslage (jederzeit können neue Arten darauf gesetzt werden) und des langwierigen Zeitrahmens bei der Umsetzung (ruckzuck ist man von der Realität überholt) äussern. Zudem geben Sie ja selber zu, dass nicht alle Voraussetzungen für eine effiziente Durchsetzung gegeben sind. M. E. hätte man eben erst diese Voraussetzungen schaffen müssen, bevor man draufloslistet. Man baut auch nicht ein Haus, wenn man das Grundstück dafür noch nicht hat.
(03.04.2019, 21:20)
Hystrix:   Der Irrtum liegt in der Formulierung ?Brüssel beschließt?. Beschlossen haben alle EU-Europäer gemeinsam, die EU-Spitze selbst ist nur untergeordnet dabei. Gesetze werden von der EU veröffentlicht, erst nachdem ein anfänglicher Vorschlag der Kommission, der die Gesetzgebung aber nur eröffnet, vom EU-Parlament gutgeißen wurde, was immer und ausnahmslos mit Änderungen der Anfangsfassung verbunden ist. Im Parlament sitzen die von jedem EU-Bürger gewählten Politiker. Zweitens muss der EU-Rat zustimmen, also alle Regierungen und zwar einhellig. Bei 28 Mitgliedsstaaten hat im Rat die vielgescholtene EU-Kommission nur 1/29stel Anteil, also eine verschwindend geringe Minderheit.

Selbiges für die Listungen der invasiven Arten: Von 29 gleichberechtigten Stimmen kommt nur eine von der EU, aber 28 von den Staaten. 16 Ja-Stimmen reichen für eine Listung, da geht die einzelne Stimme der Brüsseler völlig unter. "Brüssel" ist nur unter ferner liefen dabei, aber nicht weiter wichtig, es entschließen immer alle Europäer über ihre gewählten Repräsentanten.

Gesetze werden also von den demokratisch gewählten Politikern aller EU-Euiopäer gemacht, nicht ?von Brüssel?. Ich selbst habe immer Einflusss, wenn auch nur statistisch geringen. Aber as ist im Bundestag dasselbe, da geht meine Stimme auch in der Masse unter.

Geleimt sind eigentlich nur diejenigen Bürger in Staaten, die sich gegen die EU entschieden haben, wie Norwegen. Diese Staaten, auch die Schweiz, übernehmen nämlich fast immer die EU-Gesetze, mit ganz wenigen Ausnahmen (Norwegen sogar alle). D.h., die so "unabhängig gestimmten" Nationen verlieren ihr Mitwirkungsrecht und laufen gezwungenermassen mit, die EU-Mitgliedsbürger aber sind voll dabei. Die Briten werden sich noch wundern, was sie später alls absegnen müssen, um wirtschaftlich überleben zu können. Sie werden einen Großteil ihrer zukünftigen Verordnungen aus "dem Ausland" vorgesetzt bekommen und zustimmmen müssen, denn sie sind auf den Freihandel angewiesen, ind em immer der "großen Bruder diktiert. Sie sind "unabhängig" in Sonntagsreden und fürs Bauchgefühl und können Fahnen hissen, aber zu sagen werden die weniger haben als jetzt.

Insofern ist es dasselbe, wenn die EU ein Gesetz erlässt und Deutschland muss auf eigene Kosten den Nutria eindämmen, als wenn der Bundestag ein Gesetz erlässt, etwa Flüchtlinge ins Land lässt, und die Sozialbehörden in Bayern müssen dafür bezahlen, oder die Stadt München.

Ich gestehe Ihnen zu, Aspekte des Invasivengesetzes nicht zu mögen, aber Sie können ihm nirgendwo den Vorwurf machen, es sei irgendwo ungewöhnlich oder handwerklich schlecht gemacht., Es ist vielmehr business as usual, wie 1000e andere Gesetze auch.
(03.04.2019, 19:40)
Sacha:   Sie verzeihen aber, wenn ich nicht so zuversichtlich bin. Zum einen, weil ich die von Ihnen geschilderten Mängel für enorm gravierend halte, zum anderen weil m. E. nach wie vor falsch gewichtet wird, was die Massnahmen betrifft. Und damit drehen wir uns wieder im Kreis.

Das mit den Steuergeldern ist übrigens ein gutes Beispiel, warum das EU-System nicht nur von aussen, sondern auch von innen kritisiert wird. Es kann doch nicht sein, das Brüssel etwas beschliesst und dann die einzelnen Länder dies umsetzen müssen. Vor allem dann nicht, wenn einzelne Länder von den Massnahmen stärker betroffen sind, aber keinen Ausgleich von der EU erhalten. Sind die EU-Gesetze bindend und übergeordnet, muss m. E. auch die EU für die Kosten der Umsetzung aufkommen. Dann gibt es eben weniger Steuern für den einzelnen Staat und/oder die Regionen und dafür mehr für die Zentralregierung. Ist die Mehrheit der Bevölkerung dafür nicht zu haben, muss man entweder das System überdenken und föderalistischer gestalten oder eben wie die Briten austreten (wobei ich Ersteres klar bevorzuge). Es sind im übrigen nicht nur die Rechten, die sich über "die in Brüssel" enervieren, sondern auch viele Linke. U.a. darum weil in der EU (auch durch ihre Historie) die Interessen der Wirtschaft/der Grossunternehmen deutlich mehr berücksichtigt werden als die des einfachen Bürgers/Arbeiters.
(03.04.2019, 19:05)
Hystrix:   Ja, der Mink müsste gelistet werden. Vielleicht wird er es im Sommer 2019 auch, wobei ich skeptisch bleibe, weil einfach der Widerstand zu stark ist. Aber wenn nicht, dann nicht darum, weil das Gesetz einen Macken hat, sondern weil jede einzelne Listung ein separater politischer Prozess ist, und wenn der politische Widerstand in einem Einzelfall derzeit nicht zu brechen ist, dann geht es halt, leider, nicht. Das mindert aber nicht die vielen anderen Fortschritte bei vielen Arten, trotz bitterer Note. Außerdem bleibt dann abzuwarten, was die EU und die anderen Staaten von der Pelzindustrie abverhandelt haben für den Fall, dass das Verbot nicht sofort kommt. Vielleicht zahlen die ja in einen Fonds zur Eradikation oder für den Europ. Nerz. Ich habe einfach zu wenige Infos um das schon einsehen zu können.

Laut Invasiven-Gesetz sind die EU-Staaten eindeutig verantwortlich für die Umsetzung des Gesetzes inklusive der Eradikation. Diese steht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Also: unzumutbare Aufwände können von der EU nicht eingeklagt werden, werden nicht einmal verlangt, ohne eine Definition, ab wann eine Aktion unzumutbar belastend wäre. Das ist m.E. das größte Manko des Gesetzes. Es wird in der realen Entwicklung so sein, dass die einzelnen Staaten sich unterschiedlich anstrengen. Spanien etwa ist einigermaßen aktiv, Deutschland dürfte mit verschiedenen Ausreden zu den Schlusslichtern in diesem Fall zählen. Lieber gibt die deutsche Regierung zum ohnehin schon beglückend großen Batzen von einer halben Milliarde, die man jährlich für Naturschutz in Drittweltländern spendet (also mehr als in Deutschland Naturschutz gemacht wird, was schon stark an einen Ablass erinnert!), noch mal eine Milliarde drauf, als sich im eigenen Land den Ärger einzuhandeln, gegen "liebe Tiere" vorzugehen und etwa die Nutrias oder Waschbären flächendeckend auszumerzen. Das ist so. So feig ist man ganz besonders ausgeprägt in deutschsprachigen Ländern, genau wie die Italiener lange nichts gegen die Grauhörnchen taten, weil diese von Tierrechtlern verteidigt wurden. Es steht aber zu hoffen und ist zu erwarten, dass es der Kommission wie schon bei Natura2000 mit der Zeit zu viel wird und D trotzdem verklagt wird wegen Inaktivität. So war das im Naturschutz bisher immer. Aber das wird dauern. Die Italiener hat man inzwischen gezwungen, wirksame Bekämpfung der Hörnchen einzuleiten, und lange Gerichtsprozesse seitens von Tierrechtlern durchzustehen. Auch uns steht diesbezüglich noch einiges bevor. Ich bin da zuversichtlich, aber es wird dauern.

Also, nochmals: Die Umsetzung ist im Gesetz geregelt, die Mitgliedsländer sind laut Gesetz in der Pflicht. Auch das ist bei der EU üblich, viele EU-Gesetze werden zwar gemeinschaftlich beschlossen, aber die Ausführung samt Finanzierung obliegt den einzelnen Staaten. Wenn es die EU ganz zahlen müsste, bräuchte sie einen hohen Anteil der Steuergelder, und dann würde die EU-Gegnerschaft nur noch wachsen. Man stelle sich vor, rechte Parteien könnten sagen, dass ein Drittel der Lohnabzüge "an die in Brüssel" gehen, da wäre die Ablehnung noch größer als sie schon ist. Ich vermute daher aus diesem Grund müssen normalerweise die Staaten die Umsetzung der EU-Gesetze zahlen, denn die EU zieht keine Steuern ein. Nicht nur nicht in diesem Fall, das ist überall so.

(03.04.2019, 17:44)
Sacha:   Nachtrag zum letzten Post von @Hystrix:

Ich habe auch nichts von Faulheit der EU-Behörden geschrieben, sondern nur, dass wenn man schon Arten listet, auch GLEICHZEITIG deren Ausrottung angehen muss. Und zwar effizient. Und da Sie ja so sehr das übergeordnete Recht betonen, sind damit eben auch Pflichten verbunden. Die Umsetzung ist ohne Zweifel schwierig und kostspielig. Aber wer A sagt muss auch B sagen. Denn wenn man das nicht schafft, kann man eine Listung ETABLIERTER Arten auch gleich sein lassen.

Die Pythons in Florida sind ein Thema, mit dem ich mich schon seit längerem beschäftige. Dazu an dieser Stelle mal mehr, wenn ich etwas mehr Zeit habe.
(03.04.2019, 16:40)
Sacha:   @Hystrix: Finden Sie es nicht etwas arrogant, jemandem vorzuwerfen, er lasse "politisches Denken vermissen", wenn er aus einem Land stammt, in dem die Bevölkerung seit Jahrzehnten direkte Demokratie mit Volksabstimmungen und -referenden bis auf nationale Stufe lebt? Und der Föderalismus mehr schätzt als Zentralismus?

Im übrigen habe ich mich ja nicht per se gegen "überregionale Gesetze" gewehrt. Ich denke, da wollen Sie mir was unterstellen. Es geht vielmehr darum, dass man mehr auf lokale Begebenheiten achten sollte und nur überregionale Gesetze schafft, wo diese auch Sinn machen (übrigens mit ein Grund, warum die Briten mehrheitlich für einen EU-Austritt gestimmt haben).

Beim Mink widersprechen Sie sich selbst. Der macht nicht vor Landesgrenzen halt, ergo nützt es nichts, wenn ihn Deutschland für sich listet, aber Dänemark nicht. Wiederum macht es beim Nasenbären keinen Sinn, wenn er EU-weit gelistet wird, aber nur in südlichen Gefilden potenziell invasiv werden kann.

Es sollten nur die Arten auf eine EU-Liste, die auch für den ganzen Raum eine potenzielle invasive Gefahr darstellen. Und es müssten - wenn ihnen diese Gefahren schon so am Herzen liegen - auch diejenigen Arten gelistet werden, die regional einen erheblichen Wirtschaftsfaktor darstellen. Das kann lokal zu Arbeitslosigkeit führen, wobei die EU als Ganzes aber finanziell einspringen könnte (Ausgleichszahlungen für Umschulungen, Unterstützungshilfe bis neue Arbeit gefunden etc.). Natürlich keine leichte Aufgabe, aber angesichts der Tatsache, dass es für ganz andere Dinge Fördergelder und Unterstützungshilfe von der EU gibt, durchaus möglich - wenn denn die Gefahr so hoch ist.
(03.04.2019, 16:19)
Hystrix:   Sacha - Fortsetzung 2:

Noch zu den übrigen Fragen.
Ich kenne die Kriterien für den nationalen Katalog in Spanien nicht. Von etablierten Beständen von Pythons oder Waranen in Spanien habe ich nicht gehört. Allerdings sind Pythons enorm riskant. Halb Florida ist damit verseucht, nur von ausgerissenen Terrarientieren, und es kostet ein Heidengeld, staatliche Pythonjäger zu zahlen, die gar nicht mal wenige fangen, aber trotzdem lässt es nicht nach. Der weltberühmte Everglades-Nationalpark hat sehr schwer unter dieser Invasion gelitten, obwohl man viel Geld zur Abwehr einsetzt. Eine Hoffnung die Art aus dem Nationalpark wieder zu vertreiben hat man wohl nicht mehr, und irreversible Schäden an der Natur im Park sind vorprogrammiert. Vielleicht war das abschreckend auch in Spanien, wo Pythons sicher leben könnten, wenigstens in den Gebieten im Süden, die immer frostfrei sind. Spanien hat bereits sowohl auf den Kanaren wie auf den Balearen massive Probleme mit zwei Schlangenarten, die trotz vieler Geldmittel einfach nicht abnehmen wollen. Nicht einmal nur auf kleinen Inseln. Vielleicht wollte man einfach bei der Python einen Riegel vorschieben, statt auch dann wieder im Regen zu stehen. Zudem sind von der Python v.a. Feuchtgebiete wie Donana oder die Albufera bedroht, das erstere Weltnaturerbe ist und wo Spanien am internationalen Pranger steht, weil die Erdbeerbauern im Umland dem Park das Wasser abzapfen und dieser austrocknet. Hier ist man in einem echten Problem, und ständig UN-Druck ausgesetzt und windet sich wie ein Aal, was man tun soll, und vermutlich beugt man lieber vor, dass nicht noch wegen der Lust einiger weniger, ausgerechnet Pythons zu halten, man von der internationalen Öffentlichkeit später noch mehr Druck bekommt, weil der Park vor die Hunde geht.

Zum Hängebauchschwein weiß ich nichts. Bedrohlich mag hier die wahrlich atronomische Fruchtbarkeit abschrecken, sowie dass man wahrscheinlich eine Einkreuzung ins Wildschwein sieht und kaum verheimlichen oder kleinreden könnte. Aber ich weiß es nicht und habe von Problemen in Spanien nichts gehört. Grundlos wird die Listung aber kaum sein.

Die Forderung, die EU dürfe nicht nur verbieten, sondern müsse auch für die Bekämpfung sorgen, ist leichter gesagt als getan. Nichts wird von Staaten und Verwaltungen eifersüchtiger verteidigt als Zuständigkeiten, und offenbar waren die EU-Staaten nicht bereit, diese Zuständigkeit pauschal an die EU zu übertragen. In Deutschland verteidigen ja sogar die Bundesländer ihre Teilzuständigkeit für Naturschutz, weshalb sie und nicht Berlin auch für invasive Arten zuständig sind, obwohl das Quatsch ist, wenn man sich anschaut, wie klein Saarland oder Thüringen sind, um aussichtsreich gegen europaweit agierende Schädlinge vorzugehen.

Dass es die EU "aus Faulheit" nicht will, das ist kaum anzunehmen, alle Verwaltungen streben danach, ihre Zuständigkeit zu verteidigen oder auszuweiten. Man darf aber nicht übersehen, dass im Rahmen der Förderung von ?beispielhaften Modellprojekten im Naturschutz? die LIFE-Finanzierung der EU ziemlich bedeutende Geldmittel ausschüttet für Naturschutz, und dass man auch zahlreiche Projekte finanziert gegen invasive Arten. Bereits mehrere Inseln in der EU wurden mit EU-geld rattenfrei gemacht, und es liefen große und teure Projekte u.a. gegen Grauhörnchen, Schmuckschildkröten, Ruderenten, Nutrias, Marderhund und viele andere Arten. Ich habe keine genauen Zahlen, aber ich vermute, dass die EU bisher schon der bedeutendste Geldgeber in Europa in der Bekämpfung invasiver Arten ist, vielleicht sogar mehr Geld ausgibt als alle Staaten zusammen.

Außerdem muss man sehen, dass das Thema noch jung ist bei uns, und erst allmählich hochläuft. Ich bin fest davon überzeugt, dass die nächsten 2-3 Jahrzehnte zu einem sehr großen Aufschwung in Bekämpfung und Vermeidung auflaufen, und dass was wir jetzt sehen nur ein müder Anfang ist.

(03.04.2019, 16:04)
Hystrix:   Sacha:
Ihre Entgegnung lässt "politisches Denken" vermissen.

Theoretisch bräuchte man das EU-Gesetz natürlich nicht, man kann sich eine Welt vorstellen, in der alle Staaten alles für sich regeln. Aber warum sollen es die Staaten dann regeln, warum nicht jedes Bundesland oder jede Gemeinde selbst? Die Frage nach dem Sinn von Staatlichkeit ist so alt wie die Welt. Steuern könnte auch jeder Bürgermeister einnehmen, also braucht hat man auch keine Staaten, und schon gar nicht die EU. Jeder Bürger könnte sich eine Pistole in den Schrank legen, also braucht man auch keine Polizei oder Armee. Aber warum braucht man überhaupt eine Gemeinde und warum einen Bürgermeister? Jede Familie könnte alles mit den Nachbarn regeln. Solche Utopien gab es schon immer, seit der Antike. Fakt ist, es gibt nun mal die EU, genau wie es Deutschland gibt, obwohl man vor 1871, seitdem es Deutschland erst gibt und vor Gründung der EU auch auskam. Schweizer lebten auch, ehe man die Schweiz gründete, jeder in seinem Dorf für sich. Historisch ist es anders gekommen, und man muss für Politik sich ins Bestehende einordnen. Es hat sich im späten 20. Jahrhundert im politischen Raum die Notwendigkeit ergeben, Gesetze gegen invasive Arten zu machen, weil ansonsten einfach zu viel kaputt geht. Dazu haben sich alle Staaten der Welt 1992 auf der UN-Konferenz in Rio verbindlich verpflichtet. Man musste handeln, es gab keinen Aufschub mehr. Auch die Schweiz. Die macht es -rein formal- für sich (faktisch stimmt das auch nicht, weil sie trotz viel nationalistischem Gedöns um ihre Unabhängigkeit fast alles einfach von der EU übernimmt, was dort beschlossen wird, sogar ohne mitbestimmt zu haben). In der EU ist man eben übereingekommen, am meisten Sinn machte es, das auf EU-Ebene zentral zu regeln, eben weil sich Invasive nicht an die kleinen Staatsgrenzen in Europa handeln. Daher ein EU-Gesetz, weil unter obwaltenden Umständen eine Mehrheit dafür optierte.

Wie immer aber kann man sich nicht auf alles einhellig einigen. Also hat man als Ventil den Föderalismus beibehalten und zusätzlich nationale Listen erlaubt. Genau wie man nach Gründung von Deutschland die Bundesländer beibehält, obwohl das viel doppelt gemoppelt ist. Nehmen wir den Mink als Beispiel: das ist einer der allerschlimmsten Invasiven, kaum eine Art müsste so dringend auf die Unionsliste drauf. Gleichzeitig hängen ganze Regionen in Dänemark und Finnland ökonomisch von der Pelzzucht ab, also ist eine Lösung langwierig und schwierig, denn entweder die Natur leidet oder ganze Regionen stürzen in Not. Ein genuiner Konflikt. Durch die zusätzlichen nationalen Listen können aber Länder wie Frankreich oder Spanien, oder Rumänien, wo es kaum Pelzzucht gibt aber dafür noch den höchstgradig aussterbebedrohten Europ. Nerz in kleinsten Restbeständen, voranschreiten und national den Mink verbieten, während man auf EU-Ebene erst allmählich durch wirtschaftlichen Umbau einer EU-weiten Verbotslistung langsamer nachkommt.

Das ist eine ganz normale Lösung komplexer Probleme. In Deutschland haben wie beispielsweise ein Bundesnaturschutzgesetz plus 16 Naturschutzgesetze aller Bundesländer. Das ist für Laien enorm verwirrend, weil es ?konkurrierende Gesetze? sind, wie übrigens auch die EU-Invasiven-Liste . D.h., was im übergeordneten Bundesnaturschutzgesetz anders steht als im Naturschutzgesetz von Bayern, gilt wie im Bund verordnet. Bayern wird nur relevant, wo der Bund was nicht regelt. Genau so ist es hier: Die EU-Unionsliste geht vor, dagegen kann man nichts machen. Die EU-Staaten können aber darüber hinaus gehen.

Diese Lösung einer doppelten Gesetzgebung ist für föderale Gebilde üblich und gilt in ganz vielen Rechtsbereichen, in den meisten sogar. Egal ob Steuern, Recht, Staatsschutz oder Foischerei, fast immer gibt es konkurrierendes Recht auf der Ebene EU und Nationalstaat, oft zudem noch bei Bundesländern oder sogar noch kommunal. Das ist ganz normal.

(03.04.2019, 14:48)
Sacha:   Ich danke beiden für die Infos, habe aber trotzdem Schwierigkeiten, den Sinn des Ganzen zu sehen:

1. Wenn einzelne Länder AUCH ihre eigenen Listen erstellen können, warum braucht es eine EU-Liste? Sprich: Es müsste in den jeweiligen Ländern doch genug Fachleute geben die wissen, welche Arten für ihr Land potenziell "gefährlich invasiv" sind und welche nicht. Dabei wäre es selbstverständlich nicht verboten, sich mit den jeweiligen Nachbarländern abzusprechen. (Föderalismus statt Zentralismus, funktioniert in der Schweiz übrigens ganz gut).

Nehmen wir das aktuelle Beispiel von Spanien: Wenn Pythons und Warane tatsächlich potenziell für Spanien invasiv sein können (was ich bezweifle, denn merkwürdigerweise werden diese Tiere schon seit mind. 80 Jahren in spanischen Zoos gehalten - von Privathaltern ganz zu schweigen - und mir ist nicht bekannt, dass eine Population aus einer dieser Familien sich in Spanien etablieren konnte), müsste Spanien denn nicht darauf drängen, dass diese Arten auch auf die EU-Liste kommen, da sie sich doch auch von Portugal oder Südfrankreich aus in Spanien ausbreiten könnten?
Noch krasser wäre es im Fall des Vietnamesischen Hängebauchschweins. Und das ist ja zudem noch ein Nutztier und somit ist der Entscheid noch viel schwieriger nachzuvollziehen.

@Hannes Lueke: Bezüglich der Grauhörnchen: Noch nicht. Aber es dürfte tatsächlich nur eine Frage der Zeit sein, bis diese von Italien über Österreich oder die Schweiz nach Deutschland kommen (oder im dümmsten Fall über den Kanal von Grossbritannien). WENN(!!!!) eine EU-weite Listung Sinn macht, dann gehört diese Art ohne Zweifel dazu. Insofern gebe ich @Hystrix für dieses Beispiel einmal recht (wobei ich unter gewissen Umständen für Grauhörnchen Ausnahmen für Zoos trotzdem zulassen würde). Beim Südamerikanischen Nasenbären sind wir dann wieder auf der gleichen Wellenlänge;)

2. Nach Ihren (@Hystrix) eigenen Aussagen wird bei der Listung nicht nur in Spanien besondere Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen genommen. Bleibt das Ganze somit nicht Flickwerk bzw. ineffizient? Insbesondere wenn es sich wie beim Mink um eine Art handelt, die ohne Zweifel den Grossteil der EU besiedeln könnte? Und ist es nicht eine Ungleichbehandlung, wenn man für Pelztierfarmen Ausnahmen ermöglicht, aber nicht für Zoos, nur weil Erstere "überwiegende wirtschaftliche Gründe" geltend machen können?

3. Müsste nicht zwingend zu einer Listung GLEICHZEITIG ein nicht nur nationales, sondern EU-weites "Ausrottungsprogramm" der bereits etablierten Wildpopulationen gestartet werden (Waschbär, Sonnenbarsch etc.)? So lange dies nicht geschieht, bleibt meiner Meinung nach eine Listung ein Papiertiger, also unnütz.
(03.04.2019, 11:16)
Hystrix:   Sacha:
Das EU-Gesetz sieht drei verschiedene Listen vor: Einmal eine unionsweite Liste für die "schlimmsten" Arten, sodann explizit die Möglichkeit, dass einzelne Staaten und darüber hinaus aus Gruppen von Staaten Listen für regional problematische Arten erlassen können, völlig unabhängig von der EU. Deutschland hat das bisher nicht gemacht, wie wir hierzulande ohnehin bei diesem Thema traditionell zurückliegen, aus diversen Gründender Historie. Bei uns gilt nur die EU-Liste, und zuvor galten nur die sieben Verbotsarten, die damals bereits EU-weit geächtet waren, schon bevor das Gesetz in Kraft trat, darunter Grauhörnchen und Ochsenfrosch. D hat es bisher niemals für nötig erachtet, sich mit dem Problem wirklich auseinanderzusetzen und folgt nur passiv den Aktionen auf EU-Ebene. Neben Spanien haben m.W. GB, Polen und Irland eine nationale Liste, die über die EU-Liste hinausgehen, wobei ich nicht den vollen Überblick habe und es auch in weiteren Staaten so sein mag.

Spanien hatte schon eine nationale Liste, lange ehe das EU-Gesetz in Kraft trat. Diese wird regelmäßig fortgeschrieben, wobei bei jagdlich relevanten Arten oder solchen, wo es eine Lobby zur Nutzung gibt, bisher immer linke Regierungen nachlisteten und wenn dann die Konservativen an die Macht kommen, werden einige politisch besonders umstrittene Arten wieder heruntergenommen. Derzeit regiert links und es wurde wieder nachgelistet. Immerhin sind die psanischen Konservativen so ehrlich, dass sie nicht herumlügen, sondern sie geben dann freimütig zu, dass ihnen der Unmut ihrer Stammwähler wichtiger ist als der Naturschutz. Wenigstens scheint der Klüngel sich nicht auf Hobbyhaltung auszuweiten, Hobbytierhaltern haben die Konservativen bisher niemals den Gefallen getan, eine Art wieder zu entlisten, wohl aber oft Jägern und Anglern.

(03.04.2019, 09:57)
Hannes Lueke:   Alleingänge sind geregelt und gewünscht. Die BRD hat bereits seit Jahrzehnten diverse Arten (Grauhörnchen und Schnappschildkröten als prominente Beispiele) gelistet.
Der Gedanke, dass immer argumentiert wurde, es mache keinen Sinn kam mir auch, das wir in der BRD keine reproduzierenden Populationen von Grauhörnchen und Schnappschildkröten haben lässt mich daran aber zweifeln. Von wilden Nasua Nasua Populationen mal ganz zu schweigen :-)
(03.04.2019, 09:37)
Sacha:   Also Spanien kann eigenständig Arten verbieten/listen. Merkwürdig, merkwürdig. Hatte hier nicht mal jemand behauptet, dass solche Alleingänge per Gesetz nicht möglich sind? Oder bezieht sich das nur auf Ausnahmebewilligungen?
Und falls Letzteres zutrifft: Müsste dann nicht ein gewisser Jemand sich dahingehend äussern, dass Alleingänge keinen Sinn machen, weil invasive Tiere nicht vor Landesgrenzen Halt machen und man alle Halter/Tierhändler in der EU gleich behandeln muss (hust, hust)?
(02.04.2019, 21:20)
Oliver Muller:   Wenn man mal andere Umweltprobleme mit der Hälfte dieser Energie angehen würde...
(02.04.2019, 14:05)
Hystrix:   Es tut sich was in Europa:

Der britische Gesetzgeber hat jetzt entschieden, dass mit dem Brexit das EU-Invasive-Arten-Gesetz in britisches Recht übergeht und danach genauso wie jetzt weiter gilt.

Spanien hat seinen nationalen Verbotskatalog im März erweitert und verbietet künftig weitere Arten, über den bereits umfangreichen alten Katalog und die EU-Liste hinaus. Neben mehreren Reptilien (Python, Warane) wird interessanterweise auch das Vietnamesische Hängebauchschwein verboten. Der Grund dafür ist mir nicht bekannt.

Spanien erlässt darüber hinaus noch einen erweiterten Artenkatalog nur für die Kanarischen Inseln, der mir v.a. exotische Pets zu enthalten scheint, darunter bei uns relativ unbekannte Arten der Singvögel und Beutler sowie mehrere Reptilien. Dieser kanarische Verbotskatalog umfasst jetzt 49 Arten, überwiegend Liebhaberpets..

Spanien startet jetzt auch für das erst 2018 in der EU nachgelistete Amerikanische Pampasgras, das auch bei uns in Parks und Anlagen gepflanzt wurde und auch noch mehrere Zoogehege ziert, einen landesweiten Feldzug zur Ausrottung. Mehrere Millionen wurden bereitgestellt um dieses Gras aus Küstenlebensräumen im atlantischen Spanien auszumerzen, insgesamt einige 1000 Quadratkilometer.

Die EU will im Sommer 16 Arten EU-weit nachlisten. Der Mink, der auch zur Entscheidung steht, ist bisher nicht dfarunter, worüber es noch Streit gibt. Es sind auch keine eigenlichen Zootiere darunter, am ehsten noch Mainastar und Sonnenbarsch. Aber noch ist nicht abgestimmt, die durchgesickerte Liste sind nur die Arten, die von der Kommission selbst in die Abstimmung eingebracht werden. Auch jedes Mitgliedsland kann einbringen, das ist noch im Dunkeln.

(02.04.2019, 13:25)
Sacha:   @Adrian Langer: Weil es die Problematik nicht löst. Eine bedrohte Unterart oder nahverwandte Art wäre genauso (potenziel) invasiv wie die nicht bedrohten UAs oder Hybriden.
Kommt hinzu, dass sich die Frage nach dem Bedrohungsstatus in der Realität relativ schnell ändern kann. Eine UA die heute nicht bedroht ist, kann es morgen schon sein und umgekehrt.
(24.01.2019, 21:32)
Hystrix:   Um Umsetzungsdetails ging es bei der anfänglichen Opposition aber nicht, es war primär die Ablehnung, von außen in die Allmacht eines Zoodirektors einzugreifen, der doch allein kompetent ist. Und auf europ. Ebene, mit anderen kommunizieren zu müssen (Sprachprobleme, politische Blöcke, Nationalismen). Am unerträglichsten war, dass andere hineinreden in die Zuchtpolitik, und eigenes Gutdünken nicht mehr statthaft sein sollte. Manche hatten auch schlicht intellektuelle Probleme, sich etwa in die Grundlagen der Zuchtgenetik einzuarbeiten, und nicht wenige scheiterten daran. Das wurde aber nicht offen angesprochen, sondern man wertete die Erneuerer hin zur EAZA als Dummköpfe und Extremisten ab. So gesehen machen Zoos heute jeden Tag hauptsächlich Extremismus, denn ohne diesen angeblich ?neumodischen Unfug? hätten wir die meisten attraktiven Zootierarten gar nicht mehr, die Bestände wären lange weg oder jedenfalls viele Arten nur noch selten zu finden.

Und genau so ist man heute nicht ehrlich, wenn man in der Zeitung als Spitze gegen die EU gegen Geburtenkontrolle bei Nutrias oder Waschbären polemisiert, das sei tierschutzwidrig (obwohl man schon immer genau das machte, um der Massenvermehrung der Nutrias Herr zu werden, und sie schon immer totschlug und verfütterte), oder behauptet, ?der Bildungsauftrag? eines Zoos leide, wenn man keine Schwarzkopfruderente mehr zeigen soll. Als ob irgend Jemand jemals diese Art für irgendein Bildungsprojekt benutzt hätte, das diesen Namen auch verdient.

Daher hielt ich es auch für unklug, falls tatsächlich Backhaus hier zum ?Retter aller Entrechteten? eine Anti-EU-Gesetz-Bewegung starten sollte, wenn Zoos mitmachten. Sie sollten besser von sich aus prüfen, was sie selbst gegen Invasive tun können und das umsetzen, und sich nicht in politische Spielchen einfangen lassen. Proaktiver Naturschutz hat Zoos bisher ausnahmslos genutzt, Stänkern gegen Naturschutz kann ihnen nur schaden. Kaum eine andere öffentliche Einrichtung ist zudem so sehr auf ein geeintes Europa angewiesen wie die Zoos mit ihrem unausweichlichen Zwang zu ständigem Zuchtaustausch. Ein zerfallendes Europa mit seuchenrechtlichen Grenzen alle paar km wäre das Ende der EEPs, würde sie zumindest schwer behindern, und ein Ende der EEPs wäre langfristig ein Ende attraktiver Tierbestände in Europa.

(24.01.2019, 15:59)
Sacha:   Wobei eben auch die EEPs ihre Fehler haben (siehe Auseinanderreissen funktionierender Zuchtpaare, Paarzusammenstellungen streng nach "Genplan" etc.).
Und noch was: Oftmals sind die progressiven jungen Macher von heute die konservativen alten Betonköpfe von morgen...
(24.01.2019, 15:37)
Hystrix:   Ja, das ist es: abwarten und sehen. Meine tiefe Ãœberzeugung ist, man wird erst in 15-20 Jahren absehen können, wie erfolgreich dieses EU-Gesetz ist. Schneller geht es einfach nicht, dazu ist die EU zu kompliziert zusammengesetzt und sind einfach zu viele Lobbies negativ betroffen. Die seit Frist von 2001 für die gesetzlich vorgeschriebene Klärung aller städtische Abwässer ist erst jetzt wirklich umgesetzt, fast 20 Jahre später, wenigstens in den alten EU-Mitgliedsländern. Und die neue Generation Naturschutzbehörden beginnt inzwischen auch Natura2000 ernsthaft zu machen, auch fast 20 später, aber heute ist es der zentrale Pfeiler im Naturschutz, was lange abgelehnt war. Das scheint mir einfach die Realität zu sein. Speziell bei den Invasiven hinken wir in D sowieso zurück, da sind die Briten, Spanier etc. viel weiter und schneller.

Auch in den Zoos scheinen mir Verzögerungen von 20 Jahre normal, ich denke noch an die emotionale Frontalablehnung und Sabotage von EEPs, Zuchtbüchern, EAZA etc. als Kopfgeburt durchgeknallter und ahnungsloser grüner Extremisten, die den Zoo der echten Könner zugrunde richten wollten. Heute ist das normal und niemand will oder kann das mehr missen, es ist einfach unverzichtbar. Aber auch das hat so ungefähr 15-20 Jahre gedauert, wobei die Verrentung von alten Betonköpfen wichtiger war als Dazulernen.

(24.01.2019, 15:03)
Sacha:   Ich bin zwar kein Befürworter des Brexits, da ich davon nicht nur für die Briten, sondern auch für die EU und die Schweiz mehr Schaden als Nutzen sehe, aber ich schlage doch mal vor, abzuwarten, ob ein Brexit wirklich so kurzlebig ist und nicht doch (und ggf. auf Dauer) erfolgreich umgesetzt wird...
(24.01.2019, 14:41)
Hystrix:   Man muss erst einmal abwarten, ob Herr Backhaus nicht ?missverstanden? wurde, was zwar ev. für ihn wählerwirksam wäre, dass endlich einer auf den "Volkswillen" reagiert, aber eben nur von den Journalisten missverstanden. Die SPD ist in Ostdeutschland im freien Fall, und Backhaus wird befürchten, bald seinen Job zu verlieren, Da wird man leicht findig und hört sich ?am Stammtisch? um. Auch analoge Forderungen, an ?der EU vorbei? Wölfe abschießen zu lassen, was ebenso nicht erlaubt wäre, passen ins Boot. In Polen ließ man sogar im EU-Schutzgebiet Urwald von Bialowieza Bäume fällen und versilbern und verhöhnte sogar noch das Urteil des EU-Gerichtshofs, als dieser nach Klage der Kommission dieses untersagte, und machte trotz Gerichtsurteil weiter, und wurde erst von saftigen Strafzahlungen, die für jeden Tag Gesetzesbruch fällig wurden, überzeugt. Diese ?Revolte? dauerte einige Monate, so ?erfolgreich? war der Revoluzzer, hat aber doch schon einigen Schaden im Urwald angerichtet, trotz Weltnaturerbe und EU-FFH-Gebiet.

In Deutschland ging bisher keine EU-Naturschutzrichtlinie glatt durch, soweit ich weiß immer kamen Gerichte ins Spiel. Die Frist, seinerzeit die Natura2000-Reservate an Brüssel zu melden ließ man verstreichen, weil Provinzfürsten ihren Bauern laut tönend vorgaukelten, man müsse das nicht, das seien nur Hirngespinste aus Brüssel. D zahlte dann Monate lang saftigste Strafzahlungen, sowitr ich weiß über 100 Millionen, wobei diese massive Verschwendung von Steuergeld aufgrund von Gesetzesbruch durch die Regierung niemals in der Öffentlichkeit problematisiert wurde. Der frühere Kollege von Backhaus in Niedersachsen, damals FDP, hörte noch nicht einmal auf den europ. Gerichtshof, man meldete zwar die Reservate an, führte sie aber nicht in nationales Recht um. Seine Nachfolger machten sich dann dran, aber eben verspätet, und so ist inzwischen die Frist verstrichen und es droht derzeit Niedersachen ein Strafgeld von Abermillionen, weil man wegen Großmannssucht eines sich anbiedernden Provinzpolitikers das Gesetz nicht einhielt. Wieder vermute ich, niemand regt sich auf, wenn Steuermillionen verpulvert werden, um den Populismus absteigender Politiker auszubügeln.

Es könnte also entgegen aller Plausibilität angesichts seiner langjährigen Amtserfahrung sein, dass auch der politisch angeschlagene Backhaus so lange es geht verschleppt und sich dicktut. Was""weiß" denn die AFD in MVP zu diesem Thema, mit der die SPD dort wahrscheinlich um Wähler buhlt? Ach ja, die wollen ganz aus der EU raus, das invasiven-Gesetz finden die sicher auch sinnlos, was ist schon Naturschutz. Wahrscheinlich wurde er m. E. trotzdem nur missverstanden, vielleicht erwägt er, dass Zoos eingelieferte Findelkinder von Waschbären halten dürfen sofern man sie kastriert, und diese nicht getötet werden müssen. Etwas dieser Art darf er vermutlich genehmigen. Aber so wie es in diesen Zeitungen klingt, würde sich MVP frontal aus EU-Recht ausklinken. Auch das gab es schon, siehe oben, und siehe Italien oder Brexit, ist aber immer kurzlebig, weil die Realität solche Bauernschlauen bald einholt.

(24.01.2019, 13:59)
Hannes Lueke:   Für mich ist das etwas großspurig von der deutschen Politik.
Was er machen könnte wäre eine einiheitliche Regelung für die BRD anstoßen in welcher zoologsiche Einrichtungen wie "nicht kommerzielle Haltungen" in der EU Verordnung behandelt werden und man so zumindest die Bestandssicherheit. Ich mache es nicht gerne aber ich stimme Hystrix zu, wenn ein Zuchtverbot für einzelne aufgehoben wird bringt die ganze Verordnung nichts. Ich würde mich eher freuen wenn man sich stark macht die Arten mit geringem invasiven potential anders behandeln zu lassen. Hier müsste man aber Rücksprache mit der EU halten ob man Zoos pauschal als "Ex-Situ" Populationen ansehen kann an denen ein öffentliches Interesse besteht. Das halte ich aber nicht wirklich für realistisch.
Als EU Staat, bzw ein winziger Teil eines solchen, ein offizielles Statement der Politik zu bekommen sich nicht an die Regeln zu halten ist für mich zu britisch um es mal frech zu äußern :-)
(24.01.2019, 13:14)
Sacha:   Falls(!!!) dem wirklich so ist (bzw. das auch so umgesetzt werden darf/kann) dürfte einer hier ziemlich kleinlaut werden...
(24.01.2019, 09:54)
Hannes Lueke:   Ich will mich garnicht mehr darüber aufregen, ich hoffe nur die beiden folgenden Dinge:
1. Hoffentlich klärt man vor der Listung von Boa Constrictor und Python Molorus in wie fern eine Weitergabe von Fundtieren oder Abgabetieren machbar ist (z.B. unentgeldlich wie aktuell in einigen Bundesländern mit Waschbären machbar).
2. Hoffentlich denkt man auch daran, dass von Boa Constrictor streng geschützte Unterarten existieren (Boa Constrictor occidentalis) und die Haltung und Zucht in Privathand ein immens großer Pfeiler im Erhalt dieser Unterart ist. Ohne eine pauschale, einfache Ausnahmeregelung (Artenschutz ist doch in den Ausnahmen festgehalten, wenn ich mich recht erinnere) ist die Ex-Situ Haltung zum scheitern verurteilt
(17.12.2018, 13:49)
Hystrix:   Eine möglicherweise folgenträchtige Publikation hat eine vorläufige Liste von möglichen invasiven Arten, vor denen sich die EU vorausschauend schützen sollte, erarbeitet. Ausgehend von einer in der EU bereits kreisenden Liste von 327 Arten, die man seitens der Kommission als präventiv zu listen erörtert, wurden 66 dieser Arten als ernst zu nehmende Bedrohung der europäischen Natur ermittelt. Diese werden in Risikoklassen eingeteilt und sind hier zu sehen:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/gcb.14527

Zu den acht riskantesten Arten zählen mit dem Argus-Schlangenkof, dem Korallenwels und dem Fuchshörnchen nur drei Wirbeltiere. Auch unter den weiteren der 66 Arten tauchen nur wenige für Zoos relevante Spezies aus, aber darunter, und vielleicht überraschend, mal wieder Bison, Fuchskusu, und als neu Tigerpython und Boa constrictor. Sonstige Wirbeltiere sind eher weniger bekannte Lurche, Reptilien und Fische, dazu auch Blutschnabelweber und Rothörnchen.

Auch wenn diese Aufgabe unendlich schwierig und etwas beliebig erscheint, kristallisieren sich doch in unabhängigen Studien dieses Formats gewisse Spezies immer wieder heraus, so sind Bison und Kusu besonders hartnäckig immer wieder im Gespräch. Kriterium für diese Studie war, dass nur Arten untersucht wurden, die noch nicht in der EU verwildert sind, um dem Auftrag des neuen Gesetzes für Prävention Rechnung zu tragen. Es ist durchaus möglich, dass die EU-Kommission aus dieser Liste weitere Artvorschläge fürs Verkehrs- und Haltungsverbot entnimmt.

Interessant ist zudem die Angabe, dass der Katalog der bereits in der EU verwilderten "aliens" inzwischen bei 14.000 Arten steht. Diese Zahl ist schon beachtlich.

(14.12.2018, 16:54)
Hystrix:   Bitte nicht wieder alles vermischen.

1. Ich hatte nirgends behauptet, jemand im Forum habe behaupttet er wolle in Europa Giftfleisch ausstreuen. Es war aber direkt zuvor falsch behauptet werden, nichts sei einfacher als invasive Nasenbären wieder los zu werden, genauso einfach wie es objektiv einfach ist einen riesigen Bison zu finden und abzuschiessen. Es würde sogar reichen, einfach die verwilderten Nasuas nicht zu füttern und das Problem wäre keines mehr. Das ist angesichts aller Erfahrung mit diesen Tieren falsch. Dazu diente mein Beispiel, indem ich aufzeigte, was man in Chile für Kopfstände macht und welche auch sehr negativen ökologischen wie tierschützerischen Nebenwirkungen man in Kauf nimmt, um diese Tierart loszuwerden, nämlich breiten Gifttod in einer Wildfauna. Ich habe auch nicht gesagt, dort sei diese Giftaktion für mich nicht zu akzeptieren sei, man wird Gründe dafür haben, denn auf dieser Insel, der Hauptinsel des Archipels Juan Fernandez tief im Meer, lebt eine Fauna fast allein von Endemiten, die vom Nasenbär bedrängt wird. Also: Entweder Nasenbär und Ausrottung, oder halt eine ekelhaft unmenschliche und unselektive Giftaktion und keine Nasenbären mehr, und wenn sich später das sonstige Ökosystem von den Giftopfern erholt hat ist das "Paradies" wieder hergestellt. Das kann gut und gerne okay sein. Dort gibt es auch nicht allzu viele Arten von Wirbeltieren, die parallel vergiftet werden (Wirbellosen leiden meist nicht an Gift gegen Säuger), allerdings werden auch dort sicher mehr Möwen und andere Seevögel vergiftet werden als Nasenbären. Bei uns in Europa geht eine solche offenbar wirksame Bekämpfung mit Giftfleisch aber nicht, weil in unserer reicheren Fauna zusammen mit dem Nasenbär Dutzende andere Fleischfresser leben und somit die Nebenwirkungen sowohl tatsächlich wie auch nur politisch untragbar wären.

2. Die Nasenbären in Juan Fernandez stammen natürlich auch nicht aus einem Zoo, dort gibt es zwar ein Dorf aber keinen Zoo. Sie werden entlaufene Pets sein. Und in Mallorca sollte es auch kein Zoo gewesen. Aber das EU-Gesetz ist kein Gesetz für Zoos, sondern gegen Schäden durch invasive Arten, von denen auch in Europa die allermeisten nichts mit Zoos zu tun haben.

(14.11.2018, 18:59)
Sacha:   Edit: Natürlich "können es nicht lassen" und "spielen natürlich noch andere Faktoren eine Rolle". Sorry für die Schreibfehler.

Noch was: Natürlich kann nie ausgeschlossen werden, dass Mikroklimata (ob von der Natur oder vom Menschen geschaffen) exotisches Leben in einem an sich ungeeigneten Lebensraum möglich macht. Ich denke da etwa an die warmen Abwässer von gewissen Energiewerken, in denen ausgesetzte tropische Süsswasserfische auch in HARTEN mitteleuropäischen Wintern überleben können. Aber wenn wir das auch noch berücksichtigen, dann brauchen wir gleich gar keine (kleineren) Exoten mehr zu halten. Dann findet sich überall eine Bio-"Insel" - vielleicht auch in Finnland/Schweden (ich meine doch, ich schrieb bei meinen Zweifeln von nord- und nicht mitteleuropäischen Ländern in diesem Fall).
Und da wir gerade von Zweifeln sprechen: Ich zweifle doch sehr, dass die invasiven Nasenbären auf der chilenischen Insel aus einem Zoo (i.E.S.) stammen (siehe Quelle: https://www.gochile.cl/en/flora-fauna/coatimundi.htm). Derartige Vorfälle können somit auch mit Listung im EU-Raum passieren (Stichwort kriminelle Energie)!
(14.11.2018, 18:25)
Sacha:  
Sie könne es nicht lassen, was?

Die Sache mit dem Rotfeuerfisch wurde präzisiert und ein Fehler meinerseits eingeräumt.

Und zum Nasenbären in Sachen Klima: Wenn auf der besagten Insel ein Klima herrscht wie in Irland, kann man dies durchaus mit einigen natürlichen Habitaten des Südamerik. Nasenbären vergleichen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es in Irland selbst im Winter eher selten richtig kalt wird, dort an allen Häuserecken Palmen gemässigter und subtropischer Zonen wachsen (z.B. Hanfpalmen) und diese auch im Winter draussen bleiben. Nebst dem Klima spielen natürlich noch andere Rolle, ob eine Art invasiv werden kann. Ich könnte mir vorstellen, dass auf besagter chilenischer Insel z.B. der Feinddruck wesentlich geringer ist als auf dem Festland.
Wie ein falsches Vorgehen zur Bekämpfung hier als Argument dienen soll, erschliesst sich mir ebenfalls nicht. Von den übrigen Forumsteilnehmern hat doch niemand gefordert, dieses Vorgehen auch in Europa umzusetzen.
(14.11.2018, 10:10)
Hystrix:   Hannes Lueke:
Was Sie über die behauptete Einfachheit der Bekämpfung invasiver Nasenbären schreiben und dass diese nur wegen Fütterung durch Touristen überhaupt invasiv überleben sollen ist grundfalsch. Forschen Sie ruhig einmal bei denen nach, die diesen Bären aufbinden wollen, und kriegen Sie mal heraus, wer das erfunden hat.

Die derzeit einzige mir bekannte Planung einer Beseitigung von invasiven Nasenbären wird von der auf die Bekämpfung von Neozoen spezialisierten US-Firma Islandconservation geplant. Sie betrifft eine noch nicht mal sehr große Insel im Pazifik vor Chile ?ürbigens in der kühl-gemäßigten Klimazone, Klima so ähnlich wie in Irland- wo der Nasenbär Endemiten ausrottet. Selbst auf dieser Insel sieht man trotz der kleinen Fläche wegen gerionger Aussicht von Jagd oder Fallenfang ab. Stattdessen will man mehrere Zentner vergifteter Fleischköder per Hubschrauber über der ganzen Insel ausstreuen Allein dass man zu einer solch wenig selektiven Brutalmethode greift, bei der sicher mehr unbetroffene Wildtiere, nämlich alle Fleisch- und Allesfresser, die dort vorkommen, vergiftet werden als die Nasenbären als Zielart zeigt schon, wie schwierig diese Aktion ist, aber auch asl welches Problem der Nasenbär empfunden wird. Bei uns scheidet das ohnehin aus, ganze Landstriche mit Giftfleisch zu überziehen wäre weder statthaft noch mit unserer Öffentlichkeit zu vereinbaren noch moralisch gerechtfertigt. Man würde nämlich außer ein paar Nasenbären auch alle Füchse, Dachse, die meisten Igel und Fleisch annehmenden Kleinsäuger sowie unzählige Vögel von Raben bis hinunter zur Kohlmeise flächig vergiften. Da Nasenbären aber kaum in Fallen gehen, bleibt so schrecklich viel nicht mehr als denkbare Lösungsversuche, sollten Nasuas auftreten. Das heißt, wo die rauskommen werden sie wahrscheinlich dauerhaft bleiben.

Worauf beruht eigentlich die behauptete Sicherheit, dass Nasua in Mitteleuropa nicht leben kann? Das klingt mir so ähnlich unglaubwürdig wie der Hohn und Spott, der jüngst über die EU in diesem Forum ausgegossen wurde, weil sie so dumm sei zu meinen, Rotfeuerfische könnten im Mittelmeer leben ? und schon jetzt müssen die ersten Millionen fließen diese Fische dort einzudämmen.

(13.11.2018, 17:59)
Hystrix:   Das ist alles okay, auch bin ich nicht böse dass Sie offenbar mich als reinen Theoretiker auffassen ohne tieferen sachlichen Bezug. Nur, woher wissen Sie das? Kennen wir uns, woher sind Sie so sicher, dass ich nicht mit Naturschutzproblemen mit solchen Arten seit Jahren zu tun habe? Sogar vielleicht beruflich?

Mir fällt auf, dass alle meine Kritiker in diesem Forum genau wie in diesem Fall immer wieder subjektive Annahmen, etwa wie hier ich sei nur rein theoretisch damit befasst, sich ausdenken, und danach irgendwann glauben das sei gewiss so. Darauf wird dann ein Gedankengebäude errichtet, und es wird vergessen, dass die Basis gar nicht stimmt. Ich will weiter unter meinem gewählten Forumnamen diskutieren, aber seien Sie versichert, reiner Theoretiker bin ich nicht. Ich habe sogar einen recht direkten Einfluss auf Details im EU-Listungsprozess gehabt und war darin einbezogen.

Dass es beim Umsetzen solcher Gesetze Probleme und Übergangsverzerrungen gibt, ist zu erwarten, wohl unvermeidlich. Aber Ihre Vermutung, in D sei man hier überaktiv und in anderen Ländern halte man sich nicht daran ist gerade das Gegenteil was richtig ist. In Sachen Invasiven gehört D zu den Schlusslichtern in Europa. Bei uns zeigt auch die Diskussion, wie wenige Fakten bekannt sind (oft fehlen auch noch die Fakten, weil bei uns kaum dazu geforscht wurde). Führend in Europa sind Länder wie Spanien, GB, irland, neuerdings sogar Italien, wo man schon lange aufgewacht ist, nachdem zuvor besonders viel gesündigt hat.

Wenn Sie gute Gründe haben, weitere Arten vorzuschlagen, wie die Schnappschildkröte, rate ich dazu, die Beteiligungsseite auf der Webseite zu Invasiven beim Bundesamt für Naturschutz zu benutzen, wo man aufgeschlossen reagiert. Ich hatte schon sehr guten Austausch mit denen bezüglich eines Fischs. Der Listungsprozess ist offen und wird alljährlich fortgeführt. Wenn eine Art noch nicht gelistet ist, die eigentlich sollte, liegt das normalerweise daran, dass noch niemand den Vorschlag machte. Bisher hat D noch keine einzige Listung vorgeschlagen, nicht mal von Ambrosia, woran auch hierzulande Menschen erkranken und die man recht leicht verhindern könnte. Damit gehört D, wiederum im direkten Gegensatz zu dem was Sie schreiben, zu den wenigen Staaten, die bisher nur passiv mitmachen. Oder eigentlich gar nicht und nur ausführen, was unbedingt nötig ist.

(13.11.2018, 10:39)
Hannes Lueke:   Mit Theoretiker die Kleinreden meinte ich eher explizit diejenigen welche in Internetforen die Liste verteidigen. Dass sich viele verschiedene Interessensgruppen etwas bei der Liste gedacht haben bezweifle ich nicht. Ich bin mir aber auch sicher, dass nicht alles die Ideale Lösung ist, was eine Regierung hervorbringt.

Den Vergleich Bison, Nasenbär finde ich überhaupt nicht weit hergeholt. Zum einen sind meine Informationen die, dass man in Spanien rein garnichts gegen die Nasenbären macht und diese auch nur so erfolgreich überleben weil sie von unwissenden Touris gefüttert werden. Ich weiß von einer Interessensgruppe von Tierhaltern welche aus eigener Tasche den Nasenbären bekämpfen will um zu belegen, dass eine Ausrottung schnell und kostengünstig möglich ist. Nasenbären als tagaktive, nicht scheue Tiere, welche in den kalten Gebieten europas definitiv nicht überleben ließen sich relativ gut bekämpfen. So die Theorie der Tierhalter. Man darf gespannt sein.
Zum anderen möchte ich nciht stehen lassen, dass ein Bison von höherem Interesse für den Landwirt ist als ein Nasenbär. Man muss davon ausgehen, dass wir hier über verantwortungsvolle Tierhalter reden und nicht immer über die schwarzen Schafe. Der Sinn einer Tierhaltung ist es, überpsitzt gesagt, Tiere einzusperren. Entkommt ein Tier wird es jeder Verantwortungsvolle Tierhalter einfangen wollen, unabhägig des Wertes. Ich hatte erwähnt, dass ich die Leichtsinnigkeit vieler Wassergeflügelhalter verurteile!
Beim Bison ist es für mich das Selbe. Entkommt ein Bison wird man Ihn schnell erlegen können. Hat er zu diesem Zeitpunkt aber schon die ein oder andere Wisentkuh gedeckt ist der ökologische Schaden nicht mehr aufzuhalten. Jetzt haben wir aber nicht in der gesamten EU wilde Wisente. Also macht eine EU-Weite Listung keinen Sinn, aber wohl dort wo Wisente leben. Ach blöd, wir haben ja freien Warenverkehr, dann könnte sich der polnische Landwirt einfach ein Bison aus Tschechien kaufen.

Wie gesagt, ich bezweifle nicht das invasive potential von Waschbären, von Mallorca bis nach Finland. Auch nicht von Mink oder selbst Muntjak (wobei sich hier der Schaden für mich noch nicht erschließt, aber as ist ein anderes Blatt). Was sich mir nicht erschließt ist die Gleichbehandlung aller Völker und eben der Mangel an an praktischer Umsetzung der Liste.
Auch simple Logikfehler in den Listen. Wieso Schmuckschildkröten, deren wilde Vermehrung in Nordeuropa bislang nicht passiert, aber nicht die Schnappschildkröte, wo ich belegte Fälle aus diesen (ungewöhnlich warmen) Sommer kenne, bei denen versehentlich Nachzuchten im Freiland passiert sind.

Wir Deutschen sind da evtl auch überempfindlich als folgsame Bürger. Wir können einfach nicht fünf gerade sein lassen. Aus vielen anderen EU Staaten hört man, dass dort wo man Bedarf sieht gehandelt wird, was ja auch richtig ist, aber dort wo man es für unnötig hält werden weiter Nasenbären gezogen.

Ich kann ehrlich von mir behaupten, ich habe keine wirtschaftlichen Interessen, ich hatte nie vor Waschbären nachzuziehen, das hat sich auch noch nie rentiert, ich möchte einfach nur nicht, dass dem deutschen Bürger unnötig Steine in den Weg gelegt werden und man so das Ziel der EU Verordnung gefährdet.
Ich bekomme täglich mit, dass Leute Ihre Zierschildkröten, Streifenhörnchen oder eben Fund-Waschbären in andere Haltung weitergeben wollen resp müssen und sie es einfach nicht können. Da muss nur mal wieder der ein oder andere mit dem Rücken zur Wand stehen und zack, wieder ist einfach ein Käfig aufgemacht worden und Tiere freigelassen.
Es kann doch nicht sein, dass ein Zoo 9 Monate auf eine Genehmigung warten muss um alte, kastrierte Waschbären von Bestand A nach Bestand B zu transferieren. Keine Zucht, kein Entkommen, keine Neuaufnahme von Haltungen. Das verschnupft mich tatsächlich, dass es keinen Plan B in der Verordnung gibt.
Und jetzt bitte nicht wieder kommen mit den "eigenen Nachteilen". Auffangstationen und Zoos reißen sich nicht um Tiere wie Waschbär und Co. Sie fühlen sich aber dem Individuum verpflichten und auch dem Naturschutz. Das ist durchaus vereinbar mit einer Verordnung invasiver Arten, wenn sie denn praktikabel Umsetzbar wäre und eben solche Institutionen nicht an den Rand Ihrer Kapazitäten bringt.

(13.11.2018, 09:01)
Hystrix:   Bitte nichts durcheinanderwerfen. Der Bison in Polen hat überhaupt nichts mit der EU-Verordnung zu tun. Die EU-Liste muss von allen Staaten beschlossen werden und ist für alle verbindlich. Einzelne Länder dürfen aber explizit weitergehende Listungen vornehmen, auch der Zusammenschluss mehrere EU-Staaten für Arten von regionaler Bedrohung ist ausdrücklich erwünscht, aber dann jenseits des EU-Gesetzes und mit ganz eigenen Verbotsfolgen. Die Listung des Bison wurde EU-weit diskutiert und abgelehnt, er sei nicht von EU-weiter Bedeutung. Dann hat wohl Polen im Interesse der nur dort frei lebenden Wisente nur national nachgezogen. Da ist unabhängig vom EU-Gesetz. Beim Nasenbär war aber die Mehrheit der Staaten der Meinung, er sei EU-weit zu verbieten.

Schon allein nach gesundem Menschenverstand sowie nach aller bisheriger Erfahrung ist es ein grandioser Unterschied ob einige Nasenbären entweichen oder einige Bisons. Letztere werden zunächst kaum entweichen, weil jeder Verlust für die Fleischproduktion des Halters ein merklicher Verlust ist, viele 100 Euro, da wird jeder Halter sofort versuchen, sein entlaufenes "Geld" wieder einzufangen, und zudem sind Bisons so groß und auffällig und pflanzen sich so langsam fort dass man nur einen einzelnen Jäger bitten muss und das Problem ist ohne Kosten binnen weniger Tage über Abschuß oder Narkotiserung und Zurückbringen ins Gehege wieder beseitigt. Beim Nasenbär zeigt aber die bisherige Erfahrung in Spanien, dass er extrem schwer und nur mit hohen Kosten wieder einzufangen ist, wenn überhaupt. Hier besteht dann die ALternative, entweder man verbietet oder oder man muss jährlich hohe Summen ausgeben, um die Fogen im Griff zu haben. Also sozusagen eine Steuersubventionierung der Halter, deren Negativfolgen von der öffentlichen Hand bezahlt werden muss. Ich darf ja auch keine Ölfarbe auf die Straße kippen mit dem Argument, das ist für meine künstlerische Ader nötig und erwarte, die Straße wir über Steuermittel wieder gereinigt. Haltung von hoch invasiven Arten ist aber so etwas Ähnliches, weil offenbar schon bei wenigen Nasenbeären (viel waren es sicher nicht) Invasivität auftritt.

Ich empfehle übrigens verschnupften Betroffenen eine andere Argumentationsschiene, nämlich Ehrlichkeit. Man darf sicher sagen, man ist gegen das Gesetz weil man die eigenen Nachteile für höher bewertet als Naturschutz oder Allgemeinwohl. Das steht jedem zu. Unglaubwürdig ist aber die Strategie, alle in die Genese dieser Verordnung einbezogenen Praktiker, das sind sicher einige Hundert gewesen, von fast allen wissenschaftichen Invasionsbiologen weltweit, die IUCN Invasive Species Specialist Group sowie alle Behörden, die in der EU sich seit Jahren sich mit invasiven Arten herumärgern müssen, pauschal als unfähige Theoretiker abzutun und die einzige Fachkompetenz einem betroffenen Halter von Wasch- oder Nasenbären zuschreiben zu wollen. Es gibt einen ec hten Konflikt zwischen Nutznießern und negativ Betroffenen dieses Gesetzes, und nagetiv Betroffene düren sich wehren. Aber ich finde wenigstens den Standpunkt der Pelzindustrie besser, dabei wirklich ehrlich direkt ihre finanziellen Interessen anzuführen als solche Stellungnahmen, die allen Erfahrungsträgern, die das Gesetz so wollten als unfähig hinstellen zu wollen und einem niemals mit der Materie behafteten Züchter oder Zoo als allein kompetent. Das ist grotesk iund entlarvt die Kritik sofort als das was sie ist- Betroffenheit einer Lobby.

(12.11.2018, 12:01)
Hannes Lueke:   Das traurige ist, dass diejenigen welche tagtäglich mit den Folgen der Liste kämpfen, die Fehler sehen und bemängeln und dann von Theoretikern kleingeredet werden.
Ich bezweifle in keiner Weise das höhere Ziel der Verordnung, ich finde die Nasenbären-Listung zwar dumm und ich wäre eher für regionale Listungen (man muss sich wirklich fargen wieso Polen es nicht geschafft hat das Bison zu listen aber der Nasenbär war kein Problem. ich will mal behaupten es gibt in Privathand nicht weniger Bisons als Nasenbären) aber Sie ist nun einmal da. Was aber die EU schlicht und ergreifend verpasst und nicht nachgebessert hat ist eine Anweisung wie mit dem, was nun einmal hier ist (insbesondere Waschbär und Schmuckschildkröte) umzugehen ist. Jaja, Kastration und kein Entkommen, aber was ist mit den vielen vielen Leuten die Ihre hübsche Schildi abgeben müssen? Oder diejenigen welche in bester Absicht Waschbärwaisen aufgezogen haben, ohne jemals was von einer EU Verordnung zu hören?
Die wurden früher schon von überfüllten Zoos abgewiesen. Jetzt haben die garkeine Chance mehr.

Ich bin sehr glücklich, dass mindestens Niedesachsen und NRW geregelt haben, dass besagte Arten unentgeltlich und, mindestens die Schildkröten, ohne Genehmigung weitergegeben werden dürfen. Dies widerspricht absolut der EU Verordnung, ist aber zumindest praktikabel und nachhaltig.
Die Historie der Schnappschildkröte in Deutschland hat uns gezeigt, dass Verbote unfassbar unpraktikabel sind und zwar Handel und Zucht eingedämmt werden, ein Verbot aber im Umkehrschluss ein Katalysator für ein Freilassen überdüssig gewordener Tiere ist.

Wer nicht sieht, dass hier die Verordnung eine massive Schwachstelle hat, mit der sie sich selbst sabotiert, der sollte sich garnicht erst mit der Thematik beschäftigen
(12.11.2018, 08:58)
Sacha:   @Hystrix: Danke für den insgesamt sehr sachlichen Post (und das meine ich echt und nicht ironisch).
Ich denke, wir können zusammenfassen, dass es hier bei einigen (nicht allen) Punkten auf eine "Glaubenssache/Überzeugungssache" hinausläuft. Die einen sind überzeugt, dass die Listung SO WIE SIE IST, am ehesten zum Ziel führt, die anderen sehen zu viele Fehlerquellen/Ungereimtheiten.

Nur noch kurz zu Punkt 4: Ich muss hier sogar selbst schmunzeln, weil ich oft auch dieser Ansicht bin (beruflich bedingt). Allerdings stimmt das leider nicht immer. Es kann durchaus auch sein, dass das Ergebnis tatsächlich schlecht ist, wenn beide Seiten "motzen"...
(10.11.2018, 09:34)
Hystrix:   1. Ich kann nur sagen, dass die Problematik, dass Arten nur in einem Teilbereich der EU frei leben können, aber überall verboten werden, sehr sehr lange im Gesetzgebungsprozess behandelt wurde, viele Jahre lang. In allen Richtungen ausgeleuchtet. Oft wurde erwogen, die EU in Verbotszonen zu unterteilen, aber die Evidenz dagegen war einfach erdrückend. Akzeptieren Sie doch bitte, dass diese Gesetzgebung sich über beinahe 20 Jahre hinzog und eine ungewöhnliche große Zahl nicht nur von Behörden, sondern auch Wissenschaftlern einbezog. Wenn diese in Mehrheit sagen, die intensive Handelsverflechtung und auch juristische Gründen schliessen ein zonenweises Handelsverbot aus, also Rotfeuerfisch verboten nur entlang der Mittelmeerküste, weil man sonst fast alle EU-Verträge ändern müsste, dann ist das halt so. Das Gesetz ist jedenfalls kein Unfall aus Ignoranz Zufall sondern der Schluss aus unzähligen Smyposien, Gutachten und Fachgesprächen über sehr viele Jahre.

Ich selbst habe kein Problem damit das auch einzusehen. Wenn allein mehrere Tausend Briten ein Ferienhaus nur allein in Mallorca haben, viele davon mit Gartenteich, ist es eben für mich plausibel dass bei einem Handelsverbot der Wasserhyazinthe nur in Spanien und nicht in England sehr bald welche dort die Flüsse verstopfen. Für die dann verzweifelnden Betroffenen (Hochwasser, tote Fische, faulende Gewässer, kein Bootsfahrten mehr, Unsummen zur regelmäßigen Bekämpfung) ist es aber egal, ob die Dinger aus einem Gartencenter in Spanien oder in London stammen. Auch habe ich keine Zweifel, angenommen der Nasenbär wird zum häufigen Pet in Finnland, dass er bald auch in Italien verwildert auftritt, einfach weil wir in der EU faktisch ein Staat sind. Schauen Sie sich doh mal die Autokarawanen an den "Grenzübertritten" an. Wieviele deutsche allein fahren jeden Sommer mit Kind, Kegel hund und Kaz nachx Süden in urlaiub, 10 Millionen oder noch mehr. In Europa dürften jährliche mehrere Hundert Millionen Menschen zwischen Nord und Süd pendeln, wie soll man da die Fiktion aufrecht erhalten von kleinen Handelszonen?

2. Bezüglich Invasivität dürfte die Taiwanform des Muntjaks der unterartlich nicht bestimmbaren in den meisten Zoos nicht nachstehen, außer dass sie vielleicht ein wenig wärmeliebender ist. Aber das wurde niemals behauptet. Wenn er auf Antrag als EEP als Zootier zukünftig weiter erlaubt würde, dann als explizite Ausnahme von Haltungsverbot einfach nur deshalbd weil ein anderes Rechtsgut, hier das Aussterben einer bedrohten Form, dem entgegensteht. Das entspricht dann analog dem diskutierten Fall, dass bei uns jeder Pistolenbesitz nicht erlaubt ist außer mit Genehmigung, dass man aber trotzdem der Polizei Waffen erlaubt. Auch Polizeiwaffen haben schon unschuldige Bürger getötet, aber das nimmt man in Kauf, weil eben das Rechtsgut der Gewährung öffentlicher Sicherheit vorgeht. So ist das beim Muntjak auch, aussterben lassen will man den Taiwanmuntjak nicht, also eine Ausnahme. Ein Restrisiko auf Invasivität bleibt dann aber, das nimmt man nur in Kauf wegen der noch unangenehmeren Folge des Aussterbens. Aber vielleicht enthalten solche Ausnahmegenehmigungen Auflagen, etwa dass Freihaltung verboten wird oder dass kein Tier aus dem EEP abgegeben werden darf. Das weiß ich aber nicht, ob solche Auflagen gemacht werden.

3. Der Marderhund war bei der letzten Nachlistung dabei. Ob dazu wirklich gehört, dass er nicht mehr in Pelzfarmen gezüchtet werden darf, weiß ich nicht. Das bleibt abzuwarten. Denn die Gesetzgebung sieht flexibel wie Sie ?entgegen Ihrer Kritik- in Wahrheit ist vor, dass unverhältnismäßige wirtschaftliche Schäden aufgrund des Gesetzes vermieden werden sollen. Es kann also sein, dass zwar Haltung aus nicht gesellschaftlich wichtigen Gründen, etwa aus Liebhaberei als Pet oder in Zoos zur reiner Tierschau, verboten wird, dass aber in Ländern mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung der Pelzzucht Marderhundfarmen erlaubt bleiben, wahrscheinlich dann aber unter sehr hohen Auflagen. Dasselbe wird momentan zum Mink diskutiert, der 2019 zur Abstimmung ansteht. Auch hier wäre ein Verbot aller Haltung für zwei Staaten, Dänemark und Finnland, in etwa so tragisch wie bei uns ein Verbot des Diesels. Beim Diesel hält ja der Staat nicht mal seine eigenen Grenzwerte ein und läßt Lungenkrebs zu, weil etwa eine Schließung von VW als unzumutbares und schlimmeres Problem gesehen wird. Hier bestehen in der Realität echte Konflikte der Abwägung, die erheblich wichtiger sind als die PROBLEMCHEN von Zoos; die schwarzköpfige durc h weißköpfige Enten ersetzen müssen, Im politischen Geschehen sind dann bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung, etwa durch Schließung von Pelzfarmen in Regionen, die ganz davon leben, Kompromisse das Übliche.
Also: Marderhunde sind an sich verboten, aber ob in allen Ländern auch in Farmen bleibt offen (weiß ich nicht), wenigstens für eine Übergangsphase. Trotzdem bringt die Listung bereits kurzfristig was für den Naturschutz, etwa höhere Auflagen gegen Entweichen der Tiere für Farmen oder die Auflage, dass die Haltung nur auf Zeit genehmigt wird, dass keine neuen Farmen dazukommen sowie dass es Geld für Projekte gibt, um frei lebende Marderhunde zu beseitigen. Das geht übrigens recht gut, und Schweden ist bereits mit Hilfe von EU-Mitteln weitgehend frei. Seither sieht man fast keine mehr im größten Landesteil, und so ist auch die ?Zuwanderung aus Russland? sicher nicht so stark wie vielleicht gedacht. Regelmäßigen Austausch zwischen Russland und Skandinavien scheint es jedenfalls nicht zu geben, Hier ist eine echte Chance, die Art im Freiland in der EU wegzukriegen, was aber sicher einige 100 Millionen Euro kosten wird. Durch die Listung rückt das näher, auch wenn nicht alle Farmen sofort geschlossen würden, was ich wie gesagt nicht weiß.

4. Witzig finde ich, dass Sie dem Gesetz mangelnde Flexibillität vorwerfen, die Kritik vom Naturschutz aber ist,, es sei zu flexibel, indem es etwa das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen hochhält. Wenn verschiedene Lobbies solche diametral entgegengesetzte Kritik vorbringen ist das meist ein Zeiche dafür, dass der Gesetzgeber einen guten Kompromiss ziwschen unvereinbaren Standpunkten fand.

(09.11.2018, 19:57)
Patrick Marburger:   Dass die EU klimatisch und in Folge dessen auch bzgl. des Risikos, dass Art XYZ invasiv wird nicht überall gleich ist wird in der Tat gebetsmühlenartig wiederholt. Nur ist diese Masse an unberechtigten Verboten so hoch, dass diese Schwäche der Verordnung jedes vernünftige Maß übersteigt. In diesem Punkt konnte aber niemand (trotz aller Wiederholung) vernünftige Gegenargumente liefern und dadurch (und nicht nur dadurch) scheint die Verordnung viel zu sehr (grundlos) zu schaden, als das man über diesen Punkt hinwegsehen könnte, nur weil er schon x-mal diskutiert wurde.
(09.11.2018, 19:16)
Sacha:   Also erst einmal finde ich es gut, dass Sie doch über Ihren Schatten springen konnten und eine interessante Diskussion wieder aufnehmen. (Nur so kommt man weiter, auch wenn einem die Argumente der Gegenseite nicht passen).

Kommen wir zu den einzelnen Abschnitten Ihres letzten Posts.

- Zur "gebetsmühlenhaften" Wiederholung am Beispiel des Nasenbären gesellt sich Ihre "gebetsmühlenhafte" Wiederholung, die EU sei ein EINHEITLICHER Rechtsraum, was nun mal schlicht nicht wahr ist. Einige Beispiele von Abweichungen wurden in anderen Posts genannt.

- Das mit dem "jeder Privatmensch der nur wolle müsse zwangsläufig Ochsenfrösche halten dürfen..." ist nun eine Unterstellung Ihrerseits (habe ich nie geschrieben). Was aber stimmt ist, dass ich für Zoos i. e. S. (= öffentliche, durch Behörden kontrollierte Haltungen) Ausnahmen fordere. Das der Gesetzgeber da kein "übergeordnetes gesellschaftliches Interesse" gesehen hat, ist schon klar. Nur wurden m. E. die Risiken falsch und/oder inkonsequent beurteilt. Glücklicherweise hat der Gesetzgeber aber auch die Meinungsfreiheit vorgesehen und meine widerspricht nun mal der des Gesetzgebers (und offenbar der Ihrigem).
M.E. wurde nicht nur der Artenschutz als solcher zu wenig berücksichtigt (siehe die hier erwähnten bedrohten Muntjak-Formen) sondern auch Bildungsaspekte. Das sich vorher "kein Schwein" um den Taiwan-Muntjak kümmerte, ist kein Argument. Vorher hat sich doch aus Ihrer Sicht auch keiner (richtig) um ein Verbot der Haltung invasiver Arten gekümmert.
Und hier sind wir dann wieder bei einem Punkt, der gebetsmühlenhaft wiederholt wurde. Wenn eine Gefahr der Invasion durch eine einzelne Art besteht, dann besteht sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (um nicht zu sagen: mit Sicherheit) auch durch eine ihrer Unterarten. Heisst: Ein Taiwan-Muntjak ist potenziell genauso invasiv wie die Nominatform/eine Mischform und die Haltung muss/müsste nach Risikoabwägung in der Konsequenz ausnahmslos(!) verboten werden/bleiben (wenn denn der angeblich befürchtete Schaden soooo gross sein sollte).

- Der Marderhund ist (wenn ich es richtig in Erinnerung habe, allfällige Korrektur aber ausdrücklich erwünscht) für Anfang 2019 gelistet. Zucht in der EU somit verboten. Aber eben nicht in Russland, wo über die langen Grenzen zur EU jederzeit wieder Exemplare einwandern können, selbst wenn man alle aktuell in der EU lebenden Marderhunde killt.

- Das Unterlassen tendenziöser Verzerrungen wünsche ich mir auch bei Ihnen (Beispiel: "Nur um im Zoo als 350. Art noch eine weiteres Gehegeschild hinzustellen, das klein rot das Herkunftsgebiet zeigt, wurde eben von der EU weder als Grundlagenforschung noch als vital wichtige Umweltbildung akzeptiert")
(09.11.2018, 18:17)
Hystrix:   Meine Abneigung fortzufahren beruht auf zwei Gründen: Erstens kommen gebetsmühlenhaft immer wieder dieselben Punkte identisch auf, die schon viele Male ausreichend abgehandelt wurden. Jetzt müssen schon wieder die Nasenbären im Norden, dieses Mal in Finnland, dazu dienen, das Gesetz schlecht zu machen, was wir schon mehrfach vorher hatten. Wo doch niemand jemals behauptet hat, die könnten dort frei überleben. Diese Unterstellung ist bösartig und abwegig, Die Gründe warum ein EU-weites Gesetz auch EU-weit gelten MUSS, wurden doch unzählige Male diskutiert. Ein Rechtsraum, ein Handelsraum, die Unmöglichkeit der Kontrolle grenzüberschreitender Ausbreitung innerhalb der EU. Nur deshalb ist der Nasenbär auch in Finnland verboten, nicht etwa weil dumme Beamte nicht in Brehms Tierleben oder wikipedia schauen könnten und nicht wüssten, dass die Art wärmeres Klima mag.

Zweitens wird zu x-ten Mal gerügt, es müsse Ausnahmen gelten. Genau wie die Polizei Waffen tragen muss um funktionsfähig zu sein muss es natürlich auch Ausnahmen vom Haltungsverbot geben. Es gibt sie natürlich auch, ein ganzer Paragraph regelt allein die Ausnahmetatbestände. Sie stört offenbar, dass da nicht drinsteht, jeder Privatmensch der nur wolle müsse zwangsläufig Ochsenfrösche halten dürfen, weil sonst seine Welt zusammenbricht. Aber darin hat der Gesetzgeber anders als beim Waffenbesitz der Polizei eben kein übergeordnetes gesellschaftliches Interesse gesehen, welches dem Risiko der Einschleppung entgegengesetzt werden müsste. Auch nicht, dass unbedingt Zoo X unbedingt Schwarzkopfruderenten halten muss. Auch das hat die EU nicht so gesehen. Sie stellte sogar ausdrücklich fest, dass reine Tierschau unter keinen Gründen ein Ausnahmetatbestand sein kann. Auch nicht in einem Zoo, dessen Direktor in seiner Ausbildung Biologie studiert hat und der sich deshalb hochtrabend ?wissenschaftlicher Zoo? nennt. Echte Wissenschaft, die diesen Ansprüchen genügt, darf aber Haltungsverbotausnahmen beantragen. In Deutschland werden etwa Ausnahmen für Schmuckschildkörten für Forschungsinstitute gewährt. Nur um im Zoo als 350. Art noch eine weiteres Gehegeschild hinzustellen, das klein rot das Herkunftsgebiet zeigt, wurde eben von der EU weder als Grundlagenforschung noch als vital wichtige Umweltbildung akzeptiert. Dazu muss man eben mehr bieten als nur die Selbstbeweihräucherung eines Zoodirektors. Wohl aber ist im Zoo eine Erhaltungszucht als Ausnahmetatbestand anzuerkennen, sollte das Taxon im Freiland bedroht sein. Das kann mit Aussicht beantragt werden. Das trifft aber bisher nicht zu, sogar die neuerdings ins Feld geführte angebliche Kümmerung der Zoos für Taiwanmuntjaks wurde erst jetzt aufgrund des neuen Verbots im Nachhinein als Problem erkannt, vorher hat sich kein Schwein in Zoos um die Erhaltungszucht dieser Form gekümmert. Wen das Haltungsberbot für China-Muntjaks jetzt als Reaktion ein EEP für die Taiwanform induziert, ist das eine nur zu begrüßende weitere Hilfe der EU-Verordnung für Artenschutz.

Wo ist also der Grund das alles nochmals durchzukauen? War doch schon unzählige Male. Mich stört die undifferenzierte Haltung dass ein Gesetz, an dem wahrscheinlich gegen 1000 der besten Fachleute über Jahrzehnte arbeiteten einen ?Dreck wert? sein soll, nur weil die Türkei oder Aserbeidschan derzeit noch die Haltung von Nutrias erlaubt. Das ist so grotesk dass mir echt die Zeit zu schade ist.
Alle bei uns invasiven Arten sind nachweislich in der EU freigekommen, auch der Marderhund. Von diesen werden zusätzlich welche aus Russland zugewandert sein. Dort ist aber die Art heimisch, die spontane Zuwanderung ist also eher vergleichbar mit Türkentaube, Girlitz oder Beutelmeise. Zwar haben die Russen die Art im eigenen Land ausgedehnt, auch nach Westen verfrachtet, so dass sie früher weiter wetslich war als sie ohnehin später gekommen wäre, sie hat aber aber auch spontan aufgeschlossen. Nach der Definition des EU-Gesetzes erfüllt sich nur den Status als invasive Art in dem Masse, wie sie aus skandinavischen Pelzfarmen entwich.

Wenn Sie weiter mit mir diskutieren wollen, achten Sie bitte darauf, nicht tendenziös zu verzerren.

(09.11.2018, 17:11)
Sacha:   Das wäre sehr schade (wobei noch zu klären wäre, wer alles übellaunig ist). Aber wenn man keine Argumente mehr hat...
(09.11.2018, 15:13)
Hystrix:   Ich denke eine übellaunische Diskussion auf einem derartig sachfremden Niveau sollte so nicht weitergeführt werden.
(09.11.2018, 13:12)
Sacha:   @Hystrix: Gegenfrage: Wo ist denn der Realitätsbezug bei der Ausbreitungsgefahr des Südamerik. Nasenbären im z.B. EU-Land Finnland?
Aber gut, wenn Ihnen die Türkei nicht als MÖGLICHER Ausgangspunkt einer "Invasion" passt, dann nehmen wir eben (West-)Russland. Dort ist der Marderhund verbreitet. Was, wenn Russland (auch in Zukunft) nicht bei der Listung mitmacht?

Dann noch ein paar Hinweise:
"arbeitet daran" ist nicht gleich "gilt/ist umgesetzt" (wie sich dieser Begriff in die Länge ziehen kann, sieht man z.B. am BER). Und selbst wenn es klappt, kann in der Zwischenzeit ein Teil der Arten wieder "rückgewandert" sein und das Problem beginnt von Neuen. Abgesehen davon haben gerade die Maghrebländer ganz andere Probleme (Stichwort Flüchtlinge) und wohl auch kein Geld, um ein Verbot invasiver Arten konsequent umzusetzen.

Quatsch? Hmh, ich denke Sie haben den übertragenen Sinn schon verstanden. Aber nehmen wir Sie beim Wort: Gesetze gelten für alle. Warum dürfen dann (Berufs-)Soldaten und Polizisten eine Waffe tragen und andere nicht?? - Voilà, weil es eben für gewisse Personen (zur Ausübung ihrer Aufgaben und Pflichten) AUSNAHMEN!!!!!! oder in ihren Worten "spezielle Genehmigungen" gibt. Warum soll es die nicht auch für Zoos geben?
(09.11.2018, 12:43)
Hannes Lueke:   Da ich gestern noch eine Brexit versanstaltung der IHK besuchen durfte möchte ich meinen Senf dazu geben. Wenn das Austrittsabkommen erfolgreich vereinbart wird, dann werden ersteinmal alle europaweiten Gesetze übernommen bis mindestens 31.12.2020 damit der status quo erhalten bleibt. Ob Änderungen der EU übernommen werden ist ungewiss, dass Änderungen durch das VK kommen dagegen gewiss.

Was den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten angeht muss man sagen, dass Sendungen mit Tieren auch innerhalb der EU nicht "mal eben" sind. Wer schon mal mit seinem Hund nach Dänemark wollte oder eine Ziege aus Schweden kaufen wird das bestätigen können. Deklariert der beispielsweise deutsche Händler den Rotfeuerfisch für Spanien falsch, dann sind wir wieder bei den illegalen Handlungen. Das wird mir immer und immer wieder durcheinander geworfen. Zwar kann man theoretsich eine Schnappschildkröte aus Holland bestellen aber zwischendrin geht die durch so viele Hände, dass theoretsich eine Kontrolle möglich wäre. Wenn der Spediteur den Auftrag in NL schon ablehnt weil er die Schnappi nicht nach DE verbringen darf wäre alles gut. Ich wette wenn ich bei UPS NL anrufe und sage ich will 100 kg Cannabis nach Berlin liefern lehnen die den Auftrag auch ab!
Ist dir das Realitätsbezug genug?
Mir geht bei deinen Beispielen irgendwie die Realität abhanden. Bei Waffen geht es um Kontrolle (und beim Jugendschutz geht man davon aus, dass jedes Kind gefährdet ist. Und wer mal ehrlich ist, wir waren alle mal Kinder und wir waren alle dumm! Schaue ich mir an wie viele Erwachsene Personen mit Alkohol Probleme haben ist es garkeine Frage Minderjährige zu schützen.

Die EU Verordnung macht aber leider aus Einzelfällen die Regel und mir erschließt sich einfach nicht wieso man nicht viel mehr Gebrauch des Paragraphen macht, welcher besagt, dass Listungen auf nationaler Ebene gewünscht sind.
Die EU sollte eine Ziel und Wertevorgabe machen und Unterstützung bieten welche die einzelnen Völker umsetzen können.




(09.11.2018, 11:27)
Hystrix:   So langsam kommen immer mehr ?ad hoc?-Argumente aus der Tiefe des Bauchs ohne Realitätsbezug.

Erstens sind alle uns derzeit im Naturschutz der EU machende Problemarten in unserem Gebiet in Europa freigekommen. Aus der ?West-Türkei? wanderte die letzten 150 Jahren keine einzige zu. ?Keinen Dreck? wert ist so überzogen, dass es einfach irreal ist.

Zweitens gilt das Gesetz nicht nur in der EU. Norwegen hat von Anfang an mitgemacht, freiwillig und einfach die EU-Regelung übernommen. Erste Reaktionen lassen auch erwarten, dass GB nach dem Brexit weiter mitmacht. Außerdem arbeitet der Europarat daran, dass die Regelung auch im Nicht-EU-Europa übernommen wird, dazu zählen die ehemaligen Jugoslawienstaaten, die Schweiz, Russland, die Türkei (!), der Maghreb und die Kaukasusstaaten. Dieses Bemühen ist nicht abgeschlossen, macht aber Fortschritte. Bei natura2000 hat es zehn Jahre gedauert, bis der Europarat die Übernahme durch die Nicht-EU-Staaten durchsetzen konnte, inzwischen klappt das. So ist auch bei diesem Gesetz zu erwarten, dass es in absehbarer Zeit in ganz Europa, Nordafrika und Nordasien bis zum Pazifik gilt. Was will man mehr? Aber wie gesagt, alle unsere bisherigen Problemarten sind hausgemacht bei uns, von außerhalöb ist bisher keine einzige aktiv und von selbst zugewandert, es war immer aktive Einschleppung und Freisetzung in der EU.
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Auch die angebliche ?Sippenhaft? ist Quatsch. Alle Gesetze müssen grundsätzlich immer für alle gelten, das ist unser Verfassungsprinzip, eine lex specialis nur für Anteile der Bevölkerung sind verfassungswidrig. Immer liegt also bei jedem Gesetz in diesem völlig überzogenen Sinn ?Sippenhaft? vor, weil immer alle betroffen sind, unabhängig davon ob sie ohne Gesetz Verstöße machen würden oder nicht. Waffen sind ohne spezielle Genehmigung grundsätzlich verboten, auch wenn ein Großteil von Waffenbesitzern niemals aggressiv würde und andere erschiessen würde. Alkohol darf an unter 18jährige nicht verkauft werden, auch wenn nur ein kleiner Teil der Jugendlichen ohne dieses Gesetz Komasaufen würden. Bei jedem Gesetz werden auch Leute betroffen, die auch ohne das Gesetz keine Probleme machen würden. Grundsätzlich immer. Wieso soll das ausgerechnet gegen diese Verordnung sprechen, wenn ein Grundsatz jeglichen staatlichen Handelns ist?

(09.11.2018, 10:00)
Sacha:   Nein, tut mir leid. Das ist jetzt nur eine Ausrede um nicht zugeben zu müssen, dass man sich da widerspricht.
In der von Ihnen genannten "Übergangsphase" ist es doch ebenfalls möglich, dass Tiere entweichen und invasiv werden. Das Risiko bleibt.
Das mit der EU hatten wir schon, richtig. Und wie schon erwähnt besteht der Kontinent Europa nicht nur aus EU-Mitgliedsstaaten und auch der Übergang zum Kontinent Asien ist fliessend. Sprich: Ein Halter in der (West-)Türkei kann potenziell invasive Arten entlassen und die ganze EU-Listung ist einen Dreck Wert. Dito Afrika, wenn ein Ägypter oder Tunesier potenziell invasive Meeresfische ins Mittelmeer aussetzt.

Noch was zum Thema Gesetz: Eigentlich sollten die Zeiten von Sippenhaft vorbei sein. Das ist aber genau das, was nun passiert. Ein Zoo oder ein Privathalter verursacht einen Schaden und alle anderen, die sorgfältig mit der Haltung umgegangen sind, müssen dafür büssen. Wer nicht gänzlich ohne Gerechtigkeitssinn ist, dem muss das missfallen. Gerade solchen, die fordern, Gesetze seien nicht nur nach dem Buchstaben (Nur Südamerik. Nasenbär ist gelistet) zu befolgen, sondern auch sinngemäss (Weissrüsselbär in Verbot miteinbezogen)...
(08.11.2018, 20:51)
Hystrix:   Ein Haltungsverbot wird mindestens von allen öffentlichen Haltern eingehalten und auch kommerzielle Züchter und Händler scheiden nach einem Verbot weitgehend als Lieferanten aus. Zumindest erlöschen alle üblichen Vertriebswege für diese Arten. Damit kann man wenigstens keinen oder kaum noch Nachschub gelisteter Arten nachkaufen, außer ?mit krimineller Energie?. Auch ein Teil der Privathalter wird sofort oder bald gesetzeskonform sein, andere werden heimlich weitermachen. Nachdem aber Nachschub immer schwieriger wird und Zuchten immer auch von selbst mit der Zeit erlöschen, aus Gründen der Biologie der Tiere selbst oder Gründen die beim Halter liegen, wenn Nachschub ausbleibt, wird langsam auch der Privatbestand zurückgehen und in mehreren jahren erlöschen.

Deshalb ist auch so wichtig, dass das Verbot in der ganzen EU ausgesprochen wird und nicht nur in den konkreten Staaten, wo eine Art etwa aus klimatischen Gründen invasiv werden kann. Das hatten wir ja schon oft in der Diskussion. Sonst läßt sich ein Halter in Zypern seine Rotfeuerfische einfach per Mausklick von einem deutschen Händler schicken, wenn sie nur in Zypern bzw. direkt am Mittelmeer verboten wären.

Ich kann es drehen und wenden wie ich will. Natürlich sehe ich, dass dieses Gesetz nicht optimal ist, aber welches Gesetz ist optimal? Mehr noch, ich wüsste nicht wie ich es verbessern könnte. Wo immer man dreht, um gewisse Nachteile zu beseitigen kommen bei einer alterativen Formulierung andere Nachteile, die noch schlimmer sind. Ich finde wirklich, die EU hat hervorragende Arbeit geleistet. Dass man bei einem derart komplexen Gesetz, wo man eigentlich zu jeder einzelnen Art vielfältig differenzieren müsste, aber eben bei jeder Art anders differenzieren, trotzdem eine ebenso praktikable wie mit anderen gesellschaftlichen Werten vereinbare Verordnung schaffen konnte ist für mich ein echtes Meisterwerk.

(08.11.2018, 17:47)
Sacha:   Und Gesetze (Listungen) sind dann praktikabel?????? Muss da nicht auch kontrolliert werden, ob sie eingehalten werden? Als ob jeder Grenzbeamte jedes Auto anhält und nach Ochsenfröschen oder Wasserhyazinthen untersucht, die man auf einem abgeschiedenen Landsitz jahrelang unbemerkt halten und sich vermehren lassen kann....

"Gegen kriminelle Energie ist man machtlos" - da stimme ich voll zu.
(08.11.2018, 16:14)
Hystrix:   Kontrollen von allen Haltern sind absolut unpraktikabel. Erstens, wie viele Halter mag es geben, bei manchen Arten werden es in der EU Millionen sein. Wie will man kontrollieren, ob alle Besitzer von Gartenteichen ihre Wasserhyazinthen richtig einzäunen? Und nichts auf den Kompost werfen? Ob wirklich jeder Terrarianer seinen Ochsenfrosch gut bewacht?

Zweitens kann man selbst mit riesigem finanziellen und büroratischem Aufwand, Millionen von Aquarianern von tausenden von eigens zu bezahlenden Beamten besuchen zu lassen und in ihren Wohnungen zu schnüffeln, nur die technische Qualität der Anlagen begutachten. Viele Freisetzungen erfolgen aber fahrlässig oder vorsätzlich. Die Ochsenfrösche bei Karlsruhe wurden von dem Zoohändler absichtlich freigesetzt, als er in Urlaub fuhr und sie los werden wollte. Selbst das schärfste Gütesiegel für die Dichtigkeit seiner Terrarien bewirkt da nichts.

Die Pelzindustrie musste schon vor Jahren viel Geld ausgeben, um die Farmen gegen Flucht der Minks abzusichern. Hat man wohl auch getan und das wurde auch kontrolliert. Was nützt das aber, wenn Tierrechtler einbrechen und die Tiere freilassen, wie vor einigen Jahren in Ostdeutschland geschehen, als Hunderte oder tausende Minks bei Nacht und Nebel absichtlich freigelassen wurden? Die Pelzindustrie war unschuldig, gegen kriminelle Energie ist man machtlos, der Schaden trotz aller Investitionen in Gehegesicherheit enorm. Natürlich ist das kriminell, aber solange das alle paar Jahrzehnte vorkommt bewirkt selbst teuerster Gehegeschutz nichts, wenn er absichtlich konterkariert wird.

Was nützen vom Staat kontrollierte Gehegezäune, wenn der Tierpfleger aus emotionalen Gründen die süßen jungen Waschsbären heimlich freilässt, damit sie nicht eingeschläfert oder kastriert werden?

Für manche minderinvasive Arten mag Halterkontrolle ausreichen, für die wirklich gefährlichen Arten, die sofort schon aus kleinsten Pionierzahlen explosiv sich vermehren, aber nicht. Und welch Aufschrei wäre in einem solchen ?Überwachungsstaat? zu Recht in der Öffentlichkeit, wenn die Polizei Wohnungen durchkämmt nur um Gehege zu überwachen? Völlig unrealistisch.

(08.11.2018, 16:05)
Hannes Lueke:   Dein letzter Beitrag ist der erste, für mich, welcher Sinn und Verstand hat ABER rein garnichts mit dem EU Verbot zu tun.
Ja, es ist falsch wenn mit einer potentiell sehr invasiven Art in genau dem potentiell sehr gefährdeten Gebiet fahrlässig gehandelt wird. Jegliche fahrlässige Form der Tierhaltung lehne ich ab. Seien es freifliegende Enten, fremde Fische (man schaue sich mal an was wir hier an Fischbesatz in deutschen GEwässern habenw as nicht heimisch ist) besetzen oder eben nicht ausbruchssichere Gehege. Das lehne ich für ALLE Arten ab.

Es hilft nur leider auch kein EU Verbot der Neon-Tetra Haltung (als Beispiel) um in Asien die Zuchten zu schließen.
Ja ich bin für ein sensibilisieren, ja ich würde es als positiv empfinden wenn sich Zoos, Handel und zuchtverbände auf einen Standard, eine Art Gütesiegel, einigen welches nachhaltige Zucht oder auch Wildfangentnahme verschreibt.
Ein EU Verbot bringt da aber nix!
(08.11.2018, 08:51)
Hannes Lueke:   Der Witz an der ganzen Geschichte ist doch der, dass man versucht die EU als eins zu sehen und nicht die Chance nutzt (die Deutschland mit Verbot von Grauhörnchen und Schnappschildkröten seit Jahrzehnten ergreift) in den tatsächlich potentiell gefährdeten Habitaten Verbote durchzusetzen. Wer sich tatsächlich mal mit der Tierhaltung beschäftigt wird merken, das Nasua Nasua ebensowenig invasiv werden kann, nördlich der Alpen wie Nasua Narica. Das ist keine Spitzfindigkeit, das ist Fakt!
Ja wir haben den freien Warenverkehr. Trotzdem kann ich nicht in die Niederlande fahren, mir einen Beutel Gras und ein paar Schnappschildkröten legal kaufen und dann bei Ebay-Kleinanzeigen legal in der BRD verkaufen. Ich kann es versuchen, vielleicht gelingt es auch aber in der breiten Masse wird es nicht passieren. Und das ist doch das wichtige. Wenn man es in der breiten Masse, in den gefährdeten Gebieten unterbindet und dann noch die wenigen Brandherde sofort, dank EU Unterstützung, bekämpft, dann hat man eine wirklich gelungene Lösung. So versucht man nur mal wieder eine vielfalt von Kulturen, die sich über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende entwickelt haben, glattzubügeln. Dadurch kommt es zu so einem Brexit Blödsinn!

Ich weiß garnicht warum ich überhaupt noch antworte, es kommt sowieso wieder nur eine Antwort welche nur die EAZA Zoos betrachtet und in keiner Weise auf die realen Gegebenheiten der Tierhaltung reagiert.
(08.11.2018, 08:28)
Hystrix:   Es ist müßig zu spekulieren wie der Rotfeuerfisch nach Zypern kam. Das wird niemals herauskommen. Für spontane Einwanderung über den Suezkanal würde die Lage Zyperns sprechen, dagegen spricht, dass auch Zypern trotzdem noch recht weit von Suez weg liegt und ein schlechter Schwimmer wie der Rotfeuerfisch 100e km über offenen Ozean ohne Riffe schwimmen müsste. Ob er das tut? Ob seine Eier verdriften können? Ob Ballastwasser wirklich für diese Art funktioniert? Immerhin wurde die andere tropische Invasivart im Mittelmeer, Caulerpa, nachweislich über ein Schauaquarium eingeschleppt und kam nicht über Suez. Auch wird man sicher annehmen können, der Rotfeuerfisch ist über Aquaristik in die Karibik gekommen, wie denn sonst? Dort habe ich Zuchtanstalten für Zierfische im Verdacht, die den US-Markt mit tropischen Fischen beliefern.

Dieser Punkt spielte übrigens in unserer Diskussion noch keine Rolle. Aquarienhändler und auch Zoos kaufen die meisten Fische, auch Riff-Fische, aus Zuchtfabriken in warmen Ländern. Nur die wenigsten werden selbst im Zoo gezüchtet. Ich besuchte einmal eine solchen Lieferanten in tropisch Asien. Ich war nicht in dessen Meeresabteilung, die auch riesengroß ist, wohl aber in seinem Zuchtbetrieb für Süßwasserfische. Dort schwammen in Dutzenden Teichen und Naturbecken Millionen von Zierfischen aus allen Kontinenten. Ich schaute mir die Teiche für Neonfische an, wo Abermillionen dieser Fische in direkter Bewässerung aus dem nahen Fluss standen, in den auch das Abwasser aus den Teichen lief. Es kann gar nicht anders sein als dass dieser Betrieb alljährlich Abertausende Neonfische in den örtlichen Fluss freisetzt, denn aus jedem Teich werden Kot, Futterreste und Fischleichen direkt in den Fluss geschwemmt. Dasselbe mit Dutzenden, wenn nicht 100 weiteren Arten von Salmlern und Buntbarschen aus allen Kontinenten. Ohne das beweisen zu können ist sicher, dass allein dieser Betrieb für zahlreiche Neozoen in diesem asiatischen Land verantwortlich ein muss. Niemand dort hat jemals auch nur an die Neozoenproblematik gedacht. Der Besitzer war sehr stolz, dass die ganze Creme der europäischen Zooaquarien zu seinen Kunden zählte, sie waren sein besten Kunden. Insofern kann auch ein Aquarium in Nordeuropa, wo niemals direkt Tropenfische sich ansiedeln könnten, indirekt für neozoische Freisetzung von solchen Warmwasserfischen mitverantwortlich sein, indem man von Betrieben importiert, und zwar in Massen, die in anderen Ländern Neozoen erzeugen.

Ob auch am Mittelmeer Betriebe für Meereszierfische existieren weiß ich nicht, Im streng naturgeschützten spanischen Ebrodelta hat aber ein Zuchtbetrieb für Großschnecken und Wasserpflanzen für Süßwasseraquarien nachweislich zahlreiche tropische Schneckenarten freigesetzt. Niemand außer ein paar Naturschützer nahmen das ernst bis jüngst eine besonders gefräßige Schnecke angesiedelt wurde die den Reisanbau schädigt. Jetzt wird hastig gehandelt und der Betrieb eher kontrolliert. Der hatte viele Molluskenarten einfach ohne jede Vorkehrung gegen Entweichen in ungeschützten Teichen mitten im zweitgrößten Feuchtgebiet Spaniens vermehrt und an Aquarien in Mittel- und Nordeuropa geschickt.

Man macht sich oft zu wenig klar, einen welch gigantischer Tierverbrauch Aquarien haben und dass nach früher unhaltbaren Zuständen, diesen allein mit Wildfängen zu decken, seither eine gigantische Zuchtindustrie in warmen Ländern entstand, die mit absoluter Sicherheit zu Neozoen dort führt. Ohne Aquarianer und Zoos im Norden wäre das nicht.

Wobei auch das nbicht gottgegeben ist: Zoos sollten Standards festelegen, mit welchen Züchtern man kooperiert und Ihnen Auflagen machen, damit auch bei denen keien Noezoen entweichen. Man muss nur das problem endlich anerkennen und nicht launischz dagegen maulen und das Unschuldslamm spielen. Kein Zoo hat nachteile, wenn er seinen Lieferanten auferlegt, Mindeststandards einzuhalten. man kauft ja auch keine Orang Utans mehr wie früher von Lieferanten, die wilde Babies einsammeln indem sie die Affenmütter erschiessen. Warum muss ich dann Schnecken und Fische kaufen von Lieferanten, die die heimische Natur mit Neozoen überschwemmen?

(08.11.2018, 08:20)
Sacha:   @Hystrix: Stimmt. Ich hatte nicht weit genug zurückgescrollt. Mein Fehler. Ich bitte um Entschuldigung.
(Zur Nachahmung empfohlen: Siehe "Lessepscher Einwanderer")

Ich schrieb allerdings auch: "Gemeint war, dass der Rotfeuerfisch das Potenzial hat, um über den Suezkanal einzuwandern, wenn nicht selbst - so wie etwa der Schwarzspitzen-Riffhai - dann eben über das Ballastwasser der Schiffe. Ob er sich dann im Mittelmeer, vor allem im nördlichen Teil, festsetzen könnte, ist wieder eine andere Frage." - Und Zypern gehört wohl sicher nicht zum nördlichen Bereich des Mittelmeers.

Ein Punkt bestreite auch ich nicht: Wenn die globale Erwärmung so weiter geht, werden natürlich immer mehr Arten potenziell invasiv. Das muss man im Auge behalten, aber ohne gleich in Hyperaktivismus zu verfallen.
(08.11.2018, 07:48)
Hystrix:   Ihre Reaktion ist sachlich unzutreffend. Siehe 21.08.2018, 05:33.

Damals hießt es? ?Zur angedachten Listung des Rotfeuerfisches. Dieser ist ein tropischer Korallenfisch, der zwar in der Tat in der Region Karibik/Golf von Mexiko als invasive Art grosse oder zumindest grössere Probleme bereitet, aber das trifft nur auf tropische und bestenfalls angrenzende subtropische Gebiete zu. Die gibt es aber im EU-Raum (die Übersee-Destinationen einiger Nationen wie etwa Frankreich einmal ausgeklammert) nicht. ? Warum also um Gotteswillen sollte ein derart schauattraktives Tier gelistet werden? Der Nutzen ist gleich null und befriedigt höchstens EU-Schreibtischtäter...?

(07.11.2018, 22:07)
Sacha:   @Patrick Marburger: Danke!
@Hystrix: Bitte das nächste Mal die Posts genauer lesen!
(07.11.2018, 22:04)
Patrick Marburger:   Ich habe die ganze Diskussion zum Rotfeuerfisch hier gerade eben abermals gelesen. Wie ich vermutete wurde nie bestritten, dass er in der EU invasiv werden könnte. Bestritten wurde nur, dass (Zoo)haltung zu verbieten die Gefahr gänzlich bannen würde und, dass er in der ganzen EU potentiell invasiv ist. Hier muss halt in der Diskussion genau differenziert werden und hieran hapert es, mal wieder...
(07.11.2018, 20:37)
Hystrix:   Neulich war hier bestritten worden, dass der Rotfeuerfisch in der EU leben könne. Nunmehr hat ein EU-LIFE-Projekt gestartet, um ihn im Mittelmeer zu bekämpfen. Dort sei er um Zypern ab 2012 vereinzelt aufgetreten und entwickle sich seither "exponentiell". Ein einzelner Tauchgang zum kontrollieren hat jetzt 74 pro Hektar erbeutet, wo noch vor kurzem keine waren. Man fürchtet ähnlich negative Auswirkungen im Mittelmeer wie schon der Karibik, wo die Art ganze Lebensgemeinschaften leergefressen hat.

Hier ist das Faktenblatt zum Projekt:
http://ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/index.cfm?fuseaction=search.dspPage&n_proj_id=6358

Und hier ist die Projektseite, wo man auch einen Video anschauen kann zur Ausbreitung der Art:
http://relionmed.eu/

Das Projekt läuft von 2017-2021 und kostet 1,6 Millionen Euro.

(07.11.2018, 19:44)
Hystrix:   Ich würde mir wünschen, dass man in Zoos aufwacht und die Zeichen der Zeit erkennt. Auch die EEPs waren anfangs hoch kontrovers und wurden als überflüssige Neuerung übergeschnappter Dummköpfe gebrandmarkt, zumindest in manchen Zoos. Heute ist überdeutlich, dass nur aufgrund dieser Erhaltungszuchten ein attraktiver Tierbestand überhaupt noch vorhanden ist und viele kleine (finanzschwache) Zoos nur deshalb an hochspektakuläre Arten kommen, weil sie nichts mehr kosten. Die teilweise heftige Kritik, bis zur persönlichen Verunglimpfung der ersten EAZA-Befürworter, ist verstimmt und heute keiner will jemals abgewehrt haben. Genauso sollte und wird es wahrscheinlich betreff der Invasiven auch kommen. Jetzt kommt mit invasiven Arten ein zusätzliches Naturschutzthema auf Zoos zu. Ich würde mir wünschen, dass die EAZA einen Ausschuss einsetzt und man von Zooseite her angeht, wie man damit umgeht. Das kann nicht heißen, mit Bauernschläue zwar gesetzeskonform zu sein aber inhaltlich nicht weiter auf die Problematik einzugehen. Diese ist neben der Verpflichtung zur Erhaltungszucht und Einhaltung ethischer Standards bei Tierhandel und -import das dritte große Naturschutzthema, das Zoos aufgreifen müssen, um glaubwürdig zu sein. Man sollte das eher als Chance begreifen, um sich noch stärker als moderne Institution des Artenschutzes profilieren zu können. Dazu gehört nach meiner Meinung:

1. Zoos halten nicht nur die Buchstaben des Gesetzes ein, sondern auch dessen Geist und Intention, d.h. sie ersetzen Caulerpa toxifolia nicht einfach durch eine weitere, zwar nicht verbotene aber potenziell ebenso riskante Schwesterart mit identischer Biologie. Dito bei den übrigen Verboten. Man sucht stattdessen echte Alternativen, die keine große Gefahr für die heimische Natur erwarten lassen.

2. Zoos screenen von selbst ihren kompletten Tierbestand und nehmen freiwillig und prophylaktisch weitere hoch riskante Arten aus dem Programm, auch wenn diese (noch) nicht verboten sind. Einfach nur, weil man seine Rolle im Naturschutz ernst nimmt und glaubwürdig sein will..

3. Selbst mittelriskante Arten werden wenigstens nicht mehr in Freihaltung ausgestellt, sondern in Gehegen mit Mindeststandards der Sicherheit gegen Entkommen. Oder wenigstens geben sie riskante Arten nicht mehr einfach ab an Tierhandel oder privat.

4. Zoos überlegen sich strategisch, wie dadurch auftretende Probleme, etwa der Verlust einiger weniger Arten mit Schauwert, ausgeglichen werden kann, indem man gezielt risikoarme Ersatzarten importiert. Dazu sollte man versuchen, die EU als Finanzier einzubinden, auch um dort für die Interessenlage der Zoos zu sensibilisieren. Auch das wäre am besten zentral durch die EAZA zu erreichen.

Vergleichbares könnten die organisierten Verbände der Heimtierhalter agieren. Der Europarat hat für spezielle Tier und Pflanzengruppen Standards gegen die Invasivengefahr veröffentlicht, zu denen könnte man sich auch als Heimtierverband bekennen, oder diese wenigstens in überarbeiter und ggf modifizierter Form übernehmen und seinen Mitgliedern empfehlen oder auferlegen.

Dann ist die Kuh bald vom Eis, und letztlich hat außer vorübergehender Umstellungshürden niemand ein Problem, nur die Natur profitiert.

(31.10.2018, 16:33)
Hannes Lueke:   Ich hätte es garnicht als Gesetzeslücke gesehen eine komplett andere Art zu halten. Für mich wäre es eine Lücke gewesen alte Taxonomie aufleben zu lassen, Unterarten zu Artstatus zu erheben (z.B. Taiwanmuntjak), Tiere mit Farbabweichungen als unklar zu deklarieren und somit als legal (man zeige mir wie man einen albinotischen Nasua Nasua von Nasua Narica unterscheidet). Auch sagst du zurecht, dass man eine Art gelistet hat weil Sie potentiell Invasiv ist. Sascha schreibt zurecht, dass (fast) alle Listungen winterhart sind. Die Anpassung an kalte Temperaturen führt oft zu einer so starken Entwicklung, dass man Gattungen in Arten splitten muss. So mag Nasua Nasua mit dem Klima auf den Balearen klar kommen, Nasua Narica aber nicht zwingend. Ein Krabbenwaschbär unter Garantie nicht! Das ist es was ich meine. Man ist nicht spitzfindig und geht neue risiken ein. Man beseitigt das Risiko (Nördl. Waschbär weg) und wechselt zu sicheren Arten (Krabbenwaschbär).
(31.10.2018, 13:01)
Sacha:   @Hystrix: Hmh, wo aber bleibt die "Redlichkeit" wenn durch die Listung ALLE Zoos "bestraft" werden und nicht nur die, die nachweislich(!) durch Gefangenschaftsflüchtlinge invasiven Schaden angerichtet haben...?

Hier ist übrigens auch ein Punkt, der bei den von Ihnen geäusserten Vorschlägen nicht aufgeht: Die meisten der gelisteten Arten sind winterhart (darum ja das Problem), die von Ihnen vorgeschlagenen Ducker als Ersatz nicht. Und um Zebraducker (wieder) zu bekommen, müsste man heutzutage nicht nur afrikanische Diktatoren bestechen, sondern auch fanatische Tierrechtler mundtot machen (die es einen Dreck interessiert, dass die Ducker in Westafrika gegessen oder vergiftet und darum wohl einige Arten ausgerottet werden). Dito Beira.
(30.10.2018, 16:50)
Hystrix:   Hannes Lueke: Weltweit gibt es bei solchen Gesetzen zwei Modelle. Die Schwarze Liste listet nur Arten, die vorher bereits negativ als invasiv aufgefallen sind. Wenn in der EU Nasua nasua negativ auffiel, hier in Spanien, kann sie gelistet werden, eine weitere Nasenbärenart aber nicht, die bisher in Europa nicht entwich und invasiv wurde. Das andere Modell ist die Weiße Liste, bei der rein vorsorglich letztlich alle Arten verboten sind außer jenen, die man explizit freigibt. In deren Fall wäre vor jedem Import und der Haltung einer neuen Art eine Prüfung auf mögliche Invasivität vorzunehmen ujnd der IMport muss dann genehmigt werden. Dann könnte man etwa alle nasenbärarten aufführen. Weltweit wird die Schwarze Liste häufiger eingesetzt als die Weiße, vielleicht weil es weniger Aufwand und Bürokratie bedeutet. In der EU hat man sich sehr lange, über Jahre, ausgetauscht, welches Modell man wählt, und einigte sich am Ende auf die Schwarze Liste. Daher können nur Arten gelistet werden, die bereits bisher in der EU invasiv aufgefallen sind, und nicht einmal deren nahe Verwandte.

Trotzdem muss ein Zoos, der in der Öffentlichkeit mit dem Anspruch als Naturschutzinstitution auftritt, aufpassen, dass er sich adäquat verhält. Ich kann schlecht 100e Millionen Steuermittel fordern um angeblich Artenschutz zu machen, und dann verhalte ich mich in der Praxis zwar formal gesetzestreu aber praktisch doch naturschutzwidrig. Wenn die Schwarzkopfruderente dem Naturschutz so viel Kopfzerbrechen machte, dass man zu ihrer Beseitigung aus knappen Naturschutzgeldern bisher 5 Millionen verausgabte, ist das halt ein Problem, und ein Umstieg auf eine, sagen wir auf eine fiktive "Grünkopfruderente" wäre zwar gesetzestreu, nutzt aber nur die Schwäche der Schwarzen Liste aus. Wenn ich als Naturschutzinstitution ernst genommen werden will, sollte ich nicht "clever" Gesetzeslücken ausnutzen sondern mir als Ersatzart eine aussuchen, die nach bestem Ermessen keine Wahrscheinlichkeit für Invasivität besitzt. Besonders wenn ich wie von mir angeraten EU-Geld anfrage, um attraktive Ersatzarten zu etablieren.

Analoges gilt für Nasenbär und andere Arten. Wenn Caulerpa toxifolia im Mittelmeer ganze Biotope und Nationalparks ruiniert ist es doch nicht wirklich überzeugend, wenn ein Zooaquarium "clever" auf Caulerpa japonica umsteigt? Dann sollte man halt Hirnschmalz investieren und als Ersatz eine Aquarienpflanze suchen, die aufgrund ihrer Biologie mutmaßlich nicht invasiv werden kann.

Es ist einfach eine Frage der Redlichkeit und Ernsthaftigkeit. Und es gibt ja wahrlich genug Ersatzarten, auch vom Schauwert her viel attraktivere als die nun verbotenen. Weniger als 5% aller Wirbeltierearten werden in Zoos ausgestellt, Da gibt es ein unendliches Reservoir um Ersatz zu suchen. Zoos leben stark von öffentlichen Geldern und ihr mühsam aufgebautes Image, weg vom Tiergefängnis hin zur modern Naturschutzstätte ist nicht gottgegeben. Es verpflichtet, sonst wird man unglaubwürdig.

(30.10.2018, 15:27)
Sacha:   @Hystrix: Vielen Dank für die Info. Das wollte ich wissen. Selbst wenn es nicht 100prozentig erwiesen ist, scheint in diesem Fall auch mir die Problematik in einem Zoo (Der Wildfowl Trust in Slimbridge ist oder war zumindest öffentlich zugänglich) begründet zu liegen.
Auch die Überlegungen hinsichtlich der Forderung, die Zoos sollten (wenn schon) koordiniert gegen die EU-Verordnungen vorgehen, finden meine Zustimmung (wenn auch nicht genau aus den gleichen Gründen bzw. mit dem gleichen Ziel).
(29.10.2018, 22:37)
Hannes Lueke:   Ich glaube ich habe mich unklar ausgedrückt. Das Problem haben nicht nur die 300 Eaza Mitgliedszoos oder die 71 VDZ Mitglieder sondern eine bedeutend größere Anzahl von Wildparks, Auffangstationen, Tiergehegen, Tierparks, Erlebniszoos und und und. Zoo-infos.de führt in diesem Jahr 889 Tiergehege in Deutschland. Die Zootierliste führt aktuell 466 Waschbärhaltungen und 396 Roter Nasenbärhaltungen in der EU auf. Es geht nicht um ein paar Bären auf die Pille. Es geht um kleine Tierparks denen man einfach Waschbären vor die Tür setzt. Es geht um Tierschutzwidirge Haltungen die geschlossen gehören und deren Bewohner irgendwo hin müssen. Diese Tiere gehen zu 99,9 % nicht in die großen Eaza Zoos. Diese Zoos haben schon immer das Geld gehabt bzw die Möglichkeit Spender zu generieren mal ein paar Ducker oder dergleich zu importieren. Wenn man denn will.
Wer hilflos ist und dann evtl in der Presse unbeholfen aggiert sind die Vorsitzenden irgendwelcher kleinen Vereinszoos oder dergleichen die nicht Wissen wohin mit Ihrem Ruderentennachwuchs.

Ich weiß, dass die EU das anders sieht aber der Tod ist für viele Tierhalter keine Lösung.

Nicht auf Nasua Narica schielen zu dürfen halte ich für extrem falsch. Es wurde explizit die Art gelistet und das wird seine Gründe gehabt haben. Ein Bison ist kein Wisent und ein Sumatra Tiger ist kein Sibirischer Tiger. Linien werden nicht ohne Grund gezogen und wenn wir uns schon an Gesetze halten müssen dann doch bitte beide Seiten. Wenn ich nun von Marderhund, Waschbär und roten Nasenbär auf Krabbenwaschbär, Waldhund und Weißrüsselnasenbär wechsel soll mir bitte keiner sagen das wäre doch das Selbe und man müsste es auch Listen. Hat man nicht und es gibt keinen Grund.
(29.10.2018, 16:16)
Hystrix:   Zoos dürften hier nicht individuell agieren. Es wäre eine Aufgabe der EAZA, oder wenigstens der VDZ, eine ?Politik zu invasiven Tieren? zu formulieren und dann Forderungen zu stellen. Das geht aber nicht so, indem man in der Zeitung die EU als weltfremde Dummbären anprangert und der Tierquälerei bezichtigt, wenn ab jetzt neben tausenden weiteren Zootieren ohnehin zusätzlich jetzt auch ein noch paar weitere Waschbären auf Pille gesetzt werden müssen.

Es ist auch keine gute Idee, auf die noch nicht verbotene direkte Nachbarart gelisteter Arten zu setzen. Andere Ruderenten oder weitere Nasenbärarten dürften grundsätzlich genauso gefährlich sein für die Natur in Europa wie die verbotenen. Man müsste mal ganz unbeschwert weiter denken und versuchen, diesen Verboten durch eine proaktive Politik zu begegnen. Strategisch überlget, nicht launisch. Sicher gibt es supertolle kleine Huftiere, die selbst der am wenigsten naturschutzfreundliche Zoo mit Kusshand gerne anstatt der Muntjaks hätte. Für die EAZA als Ganzes wäre es doch machbar, hier Wünsche zu sammeln und daraus ein Konzept zu machen, sagen wir 10-20 neue Zootierarten, die klug ausgewählt sind hinsichtlich Schauwert und Naturschutzwert, an Stelle der verbotenen zu fordern und zu importieren. Ich bin mir fast sicher, die EU würde dann ein Beschaffungsprogramm, wenn es gut gemacht ist, finanzieren. Das würde dann auch wohl die traurigen Zoofreunde trösten, die sich mit einem Muntjank oder Nasenbär ?persönlich? angefreundet haben, wenn sie stattdessen ein EEP für Zebraducker, Beira oder einen schicken Mazama bekämen, oder statt Nutrias irgendwelche langsam vermehrende Großnager aus Südamerika, die noch viel putziger sind als eine Nutria.

(29.10.2018, 16:01)
Hannes Lueke:   Den Ansatz EU-Gelder zu fordern finde ich sehr schön. Das man bsi dato im großen Stil noch nicht so weit gedacht hat könne mM nach daran liegen, dass die betroffenen Einrichtungen zum großen Teil die kleinen Parks sind, welche sich selbst mit Förderung keine schicken neuen Anlagen leisten können und vor eben ganz andere Probleme des Alltags gestellt werden. Erst in diesem Jahr haben die ersten Bundesländer brauchbare und nicht unbedingt Verordnungskonforme aber praktikable Anweisungen gegeben wie zum Beispiel mit Fundwaschbären oder Abgabe Schmuckschildkröten umzugehen ist. Das ist es ja was die Zoos beunruhigt. Ich denke die meisten Zoos haben kein Problem damit ihre Nasua Nasua auslaufen zu lassen und auf Narica umzuschwenken. Aber Haltungen welche aufgegeben werden sollen, Not-Tiere, Fundtiere und und und waren nicht geregelt. In diese Richtung denkt der Praktiker meist zuerst.
(29.10.2018, 14:30)
Hystrix:   Sacha: Die Herkunft der Schwarzkopfruderenten scheint unstrittig. Sie gingen zurück auf einen der Wildfowl Trusts in England, in diesem Fall Slimbridge. Das hat sein im Artenschutz äußerst engagierter früherer Leiter Peter Scott auch niemals bestritten, es scheint zu stimmen. Es waren anfangs wenige einzelne Tiere, vermutlich sind ganz wenige entkommen, vielleicht sogar nur ein Weibchen mit Eiern, aber das ist nicht gesichert, weil diese Trusts die Enten halb frei halten und nicht völlig den Ãœberblick hatten, was sie überhaupt hielten. Sie explodierten geradezu in GB und schon vor vielen Jahren führte man dort ein EU-LIFE-Projekt durch, in dem seit zwanzig Jahren die meisten der bisher immerhin 14000 in Europa erlegten Tiere geschossen wurden. Seitdem es aber nur noch ganz wenige sind (weniger als 100 in England nach zwei Jahrzehnte staatlich bezahlter Ausrottung) wird die Verfolgung der letzten immer schwieriger, zumal wenn sie sich auf privaten Grundstücken aufhalten, wo die staatlich angestellten Jäger nicht hinkommen oder erst Zugang gewährt bekommen müssen. Daher kostet die Verfolgung der letzten wenige Vögel ein relativ immer teureres Geld, weil der Personalaufwand pro Ente immer mehr steigt. Primär war es diese englische Population, die sich v.a. nach NL und F ausdehnte, das scheint gesichert, sie tauchten auch in Spanien und Marokko auf und hybridisierten mit den Weißkopfruderenten, für deren Rettung Spanien gerade mehrere Millionenprojekte durchgeführt hatte. Hauptproblem ist seither Frankreich, wo noch immer einige 100 überleben. Hier stellte man vor einigen Jahre eigene Schützen ein, aber da der wichtigste Bestand im dichten Röhricht eines strengen Totalreservats für Wasservögel Zuflucht fand, wo bedrohte und empfindliche Vogelkolonien nisten, will und darf man bisher dort nicht schießen. Damit ist der größte Bestand quasi vor Verfolgung sicher und es bleibt abzuwarten, wie das neue LIFE-Projekt dieses löst. Es gibt Hinweise, dass auch auf dem Kontinent zusätzliche Enten aus Haltungen entkamen, zuletzt im mediterranen Frankreich, wo ein Vogelpark im Verdacht steht. Ganz sicher ist das aber nicht, weil eben die englische Population so groß war und weit umherzog. Ob Zoos auf dem Kontinent beteiligt waren ist nicht klar, und wird niemals klar werden, denn es dürfte allein mehrere 1000 Enten dieser Art bei Privathaltern geben.

Hannes Lueke: Gefährdete Taxa, sofern als invasiv gelistet, können vom Haltungsverbot unter Auflagen ausgenommen werden. Allerdings erfolgt das m.W. nicht automatisch, sondern muss im Einzelfall beantragt und von der EU genehmigt werden. Mir ist nicht bekannt, dass ein Zoo für irgendeine der Arten einen solchen Antrag stellte. Irgendwo im Internet liest man die Ausnahmegenehmigungen vom Haltungsverbot in Deutschland, darunter ist nichts von einem Zoo zu finden, nur ganz wenige Forschungsinstitute, die an Schmuckschildkröten etc. Grundlagenforschung betreiben.
Problematisch scheint mir, dass mehrere Zoos zwar in der Presse gegen diese Verordnung polemisierten, aber offenbar keine koordinierte sachliche Stellungnahme erfolgte. Auch von der EAZA nicht. Man hätte beispielsweise für gefährdete Taxa Ausnahmen beantragen können, oder Geld von der EU anfordern, um für den Verlust einiger weniger Schautiere ein attraktives Ausgleichprogramm auflegen können. Also wenn China-Muntjaks verboten werden etwa einen attraktiven neuen Hirsch oder Ducker importieren und mit EU-Geld seinen Populationsaufbau ermöglichen. Soweit ging aber das Interesse der Zoos bisher nicht. Bei Pflanzen gab es solche Aktionen, in Belgien gab es von der EU für den Gartenhandel EU-Geld, um für jetzt verbotene Zierpflanzen nach Ersatz zu suchen und diesen zu importieren und im Handel aufzubauen. Die Zoos sollten mal daran denken und sich schicke neue Arten bezahlen lassen als wegen eher banaler Verbote gegen lange vom Naturschutz ersehnte Gesetze übellaunisch zu polemisieren.

(29.10.2018, 13:47)
Hannes Lueke:   Zu den Muntjaks in Krefeld: Formosa Muntjaks sind eine Unterart des Zwergmuntjak und somit gelistet.
Die Verordnung sieht vor, dass man Aussnahmen für Forschung und Artenschutz schaffen kann. ich kann mir vorstellen, dass Tiere die tatsächlich bedroht sind und in einem EEP geführt werden, mit viel bürokratischem Aufwand, Ausnahmen unterliegen können. Ob es da bislang Anstrengungen gibt weiß ich nicht.
(29.10.2018, 08:42)
Hannes Lueke:   Ich mag diese pauschalen Aussagen wie "auf ein einziges entkommenes Tier zurückzuführen" und dergleichen.
Enten können fliegen. Die können weite Strecken zurücklegen und wenn man überlegt, dass sich selbst nicht so häufig gehaltene Tiere wie Flamingos im Ahauser Moor finden, dann ist es beim besten Willen sehr unwahrscheinlich, dass eine einzige Institution Schuld an der Verbreitung einer Art ist. Ich muss sagen, ich finde auch, dass viele Wassergeflügelhalter sehr fahrlässig mit der freien Haltung Ihrer Tiere umgehen aber genau diese Haltung spricht für mich dafür, dass eben nicht nur eine Perrson / Institution ausschlaggebend für die Verbreitung dieser (und anderer) Art ist.

etwas off-topic: Auf der just stattgefundenen Geflügelbörse in Geel / Belgien, die durchaus ein bedeutendes Event ist, gab es keine flugunfähig gemachten Vögel mehr, was sehr kritisch gesehen wurde. Viele Ziergeflügelhalter haben sehr große Teiche, bei denen ein einnetzen tatsächlich nicht machbar ist. Die einen Halter sehen es als Ende des Hobbys an, die anderen als Gewinn für den Tierschutz. Ich sehe es als Risiko, dass noch mehr Mandarinenten, Brautenten und sicherlich noch einige arten die man nicht auf dem Schirm hat (Pfeifgänse, Pfeifenten, Rostgänse uvm) bald auf unseren natürlichen Seen und Flüssen rudern.
(29.10.2018, 08:40)
W. Dreier:   Hatte ich wohl schon erwähnt: Im Heimatland China sind die chinesischen Zwergmuntjaks gefährdet !
(28.10.2018, 15:31)
Sacha:   Finde im Internet nur den Hinweis "1981 wurden die ersten frei lebenden Schwarzkopfruderenten in Deutschland entdeckt. Sie waren aus einem Gehege entkommen". - Ist bekannt aus WELCHEM Zoo diese Tiere entkommen sind? Oder kommt auch ein Privathalter ohne öffentliche Zugänglichkeit auf sein Gelände (und somit KEIN Zoo im eigentlichen Sinn) in Betracht? Danke schon im Voraus für eine Antwort.
(28.10.2018, 12:02)
Hystrix:   Zwei neue LIFE-Projekte gegen invasive Arten von Interesse für Zoos wurden soeben genehmigt:

In Frankreich wird für 1,6 Millionen Euro das fünfjährige Projekt LIFE OXYURA gestartet. Ziel ist die Entfernung der letzten geschätzten 400 Schwarzkopfruderenten aus freier Natur in Frankreich und Nachbarstaaten. Seit 1997 hat man zwar schon 14000 dieser invasiven Art in Europa abgeschossen, die letzten sind aber hartnäckig und gehen seit Jahren nicht mehr weiter zurück. Mit dem neuen Geld sollen die Anstrengungen vermehrt werden, auch will man alle Halter ansprechen, damit nach dem Haltungsverbot unschlüssige Halter nicht einfach ihre Vögel fliegen lassen. Mit diesem neuen Projekt erhöht sich allein die ausgegebene Geldsumme gegen diese aus einem einzigen Zoo gekommene Art (ursprünglich ein einziges Weibchen?) auf etwa fünf Millionen Euro seit 1997.

Am deutschen Niederrhein soll für 1,8 Millionen Euro der lokale Nutriabestand an einem Altrhein entfernt werden. Er hat das Röhricht dezimiert und der seltenen Trauerseeschwalbe und der Rohrdommel geschadet.

(28.10.2018, 09:49)
Hystrix:   Das ist alles richtig, aber man muss doch sehen, dass ein Handelsverbot nur in wenigen EU-Ländern völlig unwirksam wäre. Man hatte das bei der Wasserhyazinthe durchgespielt. Allein nur auf dem winzig kleinen Eiland Mallorca gibt es einige 10.000 Ferienhäuser, die Nordländern gehören, viele mit Gartenteich. Diese Besitzer fahren jedes Jahr einmal bis mehrfach nach Mallorca. Wenn nur jeder tausendste davon Interesse hat und die Pflanze in D oder GB frei kaufen darf und mitnimmt, wäre sie weiterhin alljährlich mehrfach in Mallorca importiert und sehr bald dann auch verwildert. Und das ist nur Mallorca, man rechne das mal auf alle Südländer hoch. Ohne Möglichkeit zu einer Kontrolle.

Und Aquarien- oder Terrarientiere, wenn frei im Internet geahndet, wären auch gar nicht zu kontrollieren, wenn man sie jenseits der Grenze bestellen kann.

Man muss sich mal vor Augen führen, welche Völkerwanderung von Reisenden in der EU jedes Jahr von Süd nach Nord und umgekehrt fahren. Das sind sicher viele 100e Millionen in der EU. Dazu der freie Handel, der Wegfall selbst der kleinsten Grenzkontrollen, die aber ohnehin gegen geschmuggelte Ochsenfrösche oder Zierpflanzen wirkungslos wären.

Verbote sind ja ohnehin das eine, und die Einhaltung was anderes. Heroin und illegale Waffen sind sogar weltweit verboten und werden trotzdem gehandelt. Aber wenn dänische Händler frei im Internet Ochsenfrösche anbieten dürfen, ist abzusehen, dass ein Verbot der Haltung nur in Südländern völlig unterlaufen würde. Man sollte schon liberal sein, aber blöd muss man nicht sein.
Es bleibt ohnehin abzusehen, wie gut man alles durchsetzen kann. In Spanien wurde wegen der vielen vergifteten Adler, Geier und Wölfe das Auslegen von Giftködern durch Bauern und Schäfer sowie deren Handel untersagt und was passierte? Die Leute lassen sich die Gifte per Internet von woanders her schicken, die EU machts möglich, weil niemand mehr grenzüberschreitende Pakete anschaut. Selbiges beim Verbot von Bleischrot für die Vogeljagd, man bestellt halt einen Mausklick weiter.
Ein EU-weites Verbot ist schon was anderes, jedenfalls bedeutend wirksamer.

(24.08.2018, 19:49)
Hannes Lueke:   Und besagt die Verordnung zu den Invasiven Arten nicht explizit, dass über die Liste hinaus Arten regional Verboten werden können, wie in Deutschland bereits mit Grauhörnchen, Schnapp und Geierschildkröte seit Jahrzehnten existent?
Ich wohne an der niederlänischen Grenze und kann seit Jahrzehnten damit leben, das ich in wenigen Kilometern entfernt in Koffie-Shops rauchen darf und mit meiner Geierschildkröte spielen aber mein Joint und ich nicht über die Grenze hinaus dürfen.
Kommen Urlauber damit klar ihren Kampfhund nicht mit nach Dänemark zu nehmen?
Kommen Menschen aus dem wenige Kilometer entfernten Niedersachsen damit klar ihren Kampfhund nicht mit nach NRW zu nehmen?
Regionale (an die Gegebenheiten und Kulturen / Mentalitäten angepasste) Gesetze und Regelungen gibt es auf absoluter Mikroebene.


(24.08.2018, 09:46)
Sacha:   Ich kann einem Teil Ihrer Aussagen durchaus zustimmen. Und obwohl ich aus unterschiedlichen Gründen froh bin, dass die Schweiz nicht der EU angehört, bin ich nicht DURCHWEG ein EU-Gegner und schon gar nicht ein Anti-Europäer (mal so zur Information). Ich gebe Ihnen auch absolut recht, dass invasive Arten nicht vor Landesgrenzen Halt machen. Aber es gibt Zonen bzw. GANZE Länder, in denen eine gelistete Art aus klimatischen Gründen nicht invasiv werden kann: Der Nasenbär in Schweden oder Finnland zum Beispiel. Oder der Rotfeuerfisch an den Küsten Deutschlands, Polens und der nordeuropäischen Länder. Etc.
Womit ich zum nächsten Punkt komme: Ist die EU wirklich ein einziger Rechtsraum (siehe dazu auch mein Beispiel bezüglich unterschiedlicher Schutz-vor-Passivrauchen-Gesetzen)?
Im speziellen Beispiel des Rotfeuerfisches würde übrigens ein Haltungsverbot völlig ins Leere laufen, wenn nicht auch die NICHT-EU-Mittelmeerländer wie Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Israel usw. mitziehen. In den letzten beiden Fällen entstünde sogar die paradoxe Situation, dass die Art ja an Ägyptens und Israels Rotmeerküste durchaus natürlicherweise vorkommt...
Allerdings - und das macht die Situation völlig verwirrend - wird seit neuerer Zeit der Eigentliche Rotfeuerfisch (Pterois volitans) in zwei, nur schwer unterscheidbare Arten aufgeteilt: Der Pazifische Rotfeuerfisch (Pterois volitans) und der Indische Rotfeuerfisch (Pterois miles). Letzterer ist gemäss Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Indischer_Rotfeuerfisch) derjenige, der sich invasiv in der Karibik verbreitet hat (und auch ein Lessepscher Einwanderer ist!!!!!). Also müsste eigentlich er VORAB gelistet werden...
(23.08.2018, 01:43)
Hystrix:   Also, das Gesetz ist nicht dadurch entstanden, dass sich Brüssel etwas frei ausdachte, nur um mitmischen zu können. Invasive Arten sind weltweit die zweitwichtigste Ursache für Artensterben, und regional sind sie die wichtigste. Erstens. Daher wurde zweitens auf der berühmten UN-Konferenz in Rio, welche die inzwischen weltweit gültige Convention on Biological Diversity in die Wege leitete, von allen UN-Staaten der Erde, darunter alle EU-Staaten, beschlossen, wirksame Gesetze gegen invasive Arten auf den Weg zu bringen. Das ist Teil dieser völkerrechtlich bindenden Konvention, die von fast allen Staaten der Erde unterzeichnet wurde. Wenn es also in Europa nicht die EU gemacht hätte, hätte es jeder Staat für sich machen müssen. Es ist eine unendlich alte zentrale Forderung des Naturschutzes und gilt später einmal sicher als einer von vielleicht nur drei Hauptpfeilern unseres Naturschutzes. Man muss auch die indirekten Folgewirkungen des Gesetzes bedenken, von denen die wichtigste ist, dass in Behörden, aber auch in der Gesellschaft allmählich Kompetenz aufgebaut wird. Die fehlt bisher nämlich himmelschreiend. Nur so kann sich allmählich auch Fähigkeit aufbauen, dass man etablierte Invasive wieder los wird. In Neuseeland hat es 50 Jahre Forschung gedauert, bis man jetzt daran denken kann, das ganze Land (!) sogar von Ratten zu befreien. Das war früher immer als unmöglich hingestellt worden, jetzt nimmt man es in Angriff, weil inzwischen die Kompetenz gewachsen ist. Das dürfte auch in der EU die wesentlichste langfristige Wirkung der Verordnung sein.

Dass es die EU macht und nicht die einzelnen europ-. Länder kann man einerseits gut begründen, denn invasive Arten machen nicht an Staatsgrenzen halt und im kleinen engen Europa macht es mehr Sinn, EU-weit zu handeln. Seitdem ist zudem der Europarat aufgesprungen und dehnt das Gesetz, wenn auch nur in Absprachen und freiwillig, auch auf die Nicht-EU-Staaten in Europa aus, wie Schweiz und Russland.

Ich glaube aber, dass es die EU machen musste liegt nicht primär am Sinn, welches das macht, sondern am Opportunismus der Politiker. Man schiebt nämlich alles nach Brüssel, wozu man selbst zu feige ist oder was keine Wählerstimmen einbringt. So schob man die unsäglichen Subventionen für Landwirschaft ganz nach Brüssel, auch den ständigen Zoff wegen Fischereiquoten darf Brüssel übernehmen und invasive Arten sind für Politiker mega-unattraktiv. Kaum ein Wähler weiß, was eine Schwarzkofpfruderente oder eine Wandermuschel ist und wenn sie es wüssten, wäre es ihnen egal. Wenn dann putzige Tiere abgeschossen werden erzeugt es Widerstand bis hin zu gerichtlichen KLagen gegen die Regierung. Man muss sich zudem mit einem solchen Gesetz mit Nutzergruppen anlegen und das schafft großen Verdruss. Also durfte Brüssel ran. Wir erleben ja hierzulande, dass irgendwelche drittklassigen Politiker in Zoos fahren, einen Waschbär streicheln und versprechen zu helfen ?Brüsseler Bürokratie? zu mindern. Verlogener geht es kaum. Brüssel ist immer der Depp, Nachdem man ihm die Subventionen für Bauern aufgzwungen hat wird geschimpft, Brüssel fiele nicht mehr ein, als Steuergeld zu verdudeln? Natürlich kommt da schlechte Stimmujng auf, wenn man die EU nur ran lässt wenn es politisch heikel oder kontrovers ist. Ich kann die Krokodilstränen wegen "Europamüdigkeit" nicht mehr hören, man bräuchte Brüssel einfach mal Zuständigkeiten zu geben etwa für Steuererleichterungen, aber solche Erfolge will man selbst einheimsen und so muss Brüssel Grauhörnchen erschießen lassen was nur Opposition erzeugt.

Die Frage, ob eine Art in einem, in zehn oder sonst wie EU-Staaten verwildert existieren kann ist nicht wirklich wichtig. Wir sind in Europa ein einziger Rechtsraum und so gilt eben dasselbe Gesetz. Man hat übrigens das ?das Schlimmste? dadurch verhindert, dass man als Bezugsraum nicht die ganze EU wählte, sondern alle überseeischen Gebiete (wie Reunion, Martinique oder St. Helena) ausnahm, es bezieht sich also nur auf das geographische Europa und zusätzlich aus juristische n Gründen Kanaren, Azoren und Madeira.

Das Gesetz ist handwrklich sauber und es muss sich jetzt bewähren., Auch das wird nicht einfach so kommen, sondern die Trägheit der EU-Staaten wir genau wie bei allen anderen Naturschutzgesetzen von der EU überwacht und durch die eine oder andere Gerichtsklage angefeuert werden müssen. Bei einem solchen Gesetz muss man 10-20 Jahre zugeben um seinen Erfolg beurteilen zu können.

(22.08.2018, 08:43)
Sacha:   @Hystrix:
Zum ersten Teil: Hier liegt ja genau der Hund begraben. Die EU-Bürokratie und die EU-Gesetze! Alles muss gleichgemacht werden, ohne Rücksicht auf lokale klimatische, ökonomische, ökologische, kulturelle oder andere Bedingungen. Was in gewissen Bereichen (Finanzdienstleistungen, freier Personenverkehr) bez. gemeinsamer Gesetze sinnvoll sein MAG, ist in anderen völliger Quatsch. Hier müsste man den Hebel ansetzen. Und warum es nicht unterschiedliche Gesetze im EU-Raum geben können soll, ist mir schleierhaft. Nehmen wir die Anti-Raucher-Massnahmen. In Österreich ist meines Wissens rauchen in Gaststätten erlaubt, in andern Ländern gar nicht oder nur in separierten Räumen.
Mit Ihrer Aussage: "Verbote regional zu beschränken waren von den Juristen verworfen worden" stimmen Sie mir sogar (ungewollt) zu. Gibt es da eine treffendere Bezeichnung als "EU-Schreibtischtäter"? Aber es darf natürlich jeder so obrigkeitsgläubig und vertrauensseelig gegenüber Behörden sein wie er will....
Zum Rotfeuerfisch im Speziellen: Gemeint war, dass der Rotfeuerfisch das Potenzial hat, um über den Suezkanal einzuwandern, wenn nicht selbst - so wie etwa der Schwarzspitzen-Riffhai - dann eben über das Ballastwasser der Schiffe. Ob er sich dann im Mittelmeer, vor allem im nördlichen Teil, festsetzen könnte, ist wieder eine andere Frage. Insofern wäre es für mich - und wohl auch andere Forumsteilnehmer - interessant zu erfahren, welcher Wissenschaftler behauptet hat, die Art könnte sich AN DEN KÜSTEN von (sicherlich nicht "in") 9 EU-Ländern etablieren. An den südeuropäischen Küsten kann nämlich das Wasser im Winter saukalt werden (eigene Erfahrung). Und die Schauaquarien könnten es sich somit eigentlich ersparen, die Becken der Rotfeuerfische zu heizen.
Vergleiche mit den invasiven Pflanzenspezies Dickstielige Wasserhyazinthe und insbesondere Kreuzstrauch hinken. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Letzteren reicht etwa bis nach Nova Scotia herauf. Er ist also mitnichten nur eine tropisch-subtropische Art.
(22.08.2018, 05:35)
Hystrix:   Jeder darf sich seine eigene Welt zurechtbasteln, aber wieso die Listung des Rotfeuerfisches die sinnlose Tat eines Schreibtischtäters wäre ist nicht im Ansatz nachzuvollziehen. Die Art dürfte in neun EU-Staaten und damit einem Drittel des EU-Gebiets verwildert leben und sich etablieren können. Das ist keineswegs weniger als bei vielen anderen invasiven Arten der Liste, etwa Wasserhyazinthe oder Kreuzstrauch. Zudem haben eingeschleppte Rotfeuerfische mancherorts in Ãœbersee ganze Meeresgebiete ökologisch ausgeräumt und lokal auch die Küstenfischerei schwer geschädigt, bis hin zum kompletten Zerstören der Fischerei. Er gehört eindeutig zu den Arten, die auch in Südeuropa Beachtung verdienen. Dass er im Norden nicht leben kann ist klar, aber wenn er im Norden der EU als ein gemeinsames Rechts- und Handelsgebiet frei verkauft werden darf ich nicht zu verhindern, dass interessierte Halter auch im Süden ihn leicht beschaffen. Wieso soll ein Zypriote nicht solche Fische im Internet bestellen und sich schicken lassen, wenn sie in GB frei angeboten werden dürfen? Es gibt ja keinerlei interne Schranken und Kontrollen. Zudem hatte die ellenlange Vorbereitungsdiskussion des Gesetzes gezeigt, dass rein juristisch regional beschränkte Verbote rechtlich bedenklich sind. Ansätze, Verbote regional zu beschränken waren von den Juristen verworfen worden.

Der Rotfeuerfisch ist übrigens in keiner Weise durch den Suezkanal zugewandert, die Gefahr droht allein von Aquarianern.

(21.08.2018, 10:06)
Hannes Lueke:   Man kann sich auch auf der Zunge zergehen lassen, das die einzige Meldung zu Nasua Nasua dieses Einzeltier in Deutschland war....
(21.08.2018, 09:11)
Hannes Lueke:   Nasenbären sind super im Ausbrechen aber wirklich schlecht darin Nasskalte Winter zu überleben und ausreichend hochwertige Nahrung zu finden, aber hey, was weiß ich schon als ehemaliger Nasenbärenhalter.

Es gibt ja auf einer Insel im Mittelmeer eine Nasenbärenpopulation welche sich nur durch zufüttern hält und welche aktuell nicht bejagt wird.

Ich weiß von Plänen von Gegenern (!!!) der Liste in die Bejagung des Nasenbären zu investieren um Listung langfristig auszusetzen, die spanische Regierung macht ja schließlich nichts.
Das Ziel der Liste war ganz klar gefahren abzuwenden wo sie faktisch da sind (Waschbär, Nerz, Nutria und viele Pfalnzen lasse ich alle durchgehen) aber die Listung nicht gehaltener oder tropischer Arten geht voll am Ziel vorbei, und das auslassen von Arten (Nerz) aus wirtschaftliche Bendenken ebenso.

Einige Bundesländer haben nebenbei Management Pläne veröffentlich für die gravierenden Arten und es scheint so als ließen sich Waschbär auf Dauer, nicht kommerziell, weitervermitteln. Also werden Fundtiere die kommenden Generationen noch in Zoos erfreuen können. Das selbe gilt für Zierschildkröten.


(21.08.2018, 09:08)
Sacha:   Nachtrag: Zur angedachten Listung des Rotfeuerfisches. Dieser ist ein tropischer Korallenfisch, der zwar in der Tat in der Region Karibik/Golf von Mexiko als invasive Art grosse oder zumindest grössere Probleme bereitet, aber das trifft nur auf tropische und bestenfalls angrenzende subtropische Gebiete zu. Die gibt es aber im EU-Raum (die Ãœbersee-Destinationen einiger Nationen wie etwa Frankreich einmal ausgeklammert) nicht, Kommt hinzu, dass der Rotfeuerfisch ein Lessepscher Einwanderer sein könnte oder gar ist (Zahlen über Vorkommen im Mittelmeer sind mir nicht bekannt). Warum also um Gotteswillen sollte ein derart schauattraktives Tier gelistet werden? Der Nutzen ist gleich null und befriedigt höchstens EU-Schreibtischtäter...
(21.08.2018, 05:33)
Sacha:   @Hystrix: Würde mich interessieren wer hier im Forum behauptet hat, dass Nasenbär und Muntjak bei uns nicht ausreissen können. Ich jedenfalls zweifelte am Etablieren eines Freilandbestandes in nordeuropäischen EU-Ländern beim Nasenbären. Das ist m. W. noch nicht passiert.
Und jetzt bei einem einzelnen entflohenen (sind die überhaupt aus Zoos und nicht aus Privathaltungen entflohen?) Nasenbären oder Muntjak gleich einen auf Panik zu machen und zu implizieren, dass ohne Geschlechtspartner innert Minuten eine Invasion zu Stande kommt ist schon etwas weit her geholt, um es mal höflich auszudrücken.
(21.08.2018, 05:17)
Patrick Marburger:   Ich hatte jetzt konkret den Nasenbär in Deutschland vor Augen.

Bei anderen Arten und/oder anderen Staaten mag das natürlich anders aussehen.
(20.08.2018, 19:57)
Hystrix:   Wie um Himmels willen kann man das Etablieren bestreiten?

Die Ruderente hatte sich aus Zooflüchtlingen schnell in fünf EU-Staaten etabliert. In GB schwoll sie binnen weniger Jahren von einzelnen (ein Weibchen mit Eiern?) aus Slimbridge-Vogelpark auf 6000 an, und man investiert seit 15 Jahren enormes Geld sie loszuwerden,darunter ein LIFE-Projekt für Millionen. Seit jahren stockt das bei nur noch 30 Vögeln, die aber inzwischen so versteckt sind dass man pro Jahr kaum mehr absc hießen kann als nu brüten. Nachdem sie auch damals aus so einem Zwergenbestand heranwuchs wäre aufgeben jetzt nicht opportun, also kostet es Jahr für Jahr weiter Geld. 2018 wurde endlich auch für Frankreich ein neues LIFE-Projekt genehmigt für einige Millionen, um sie auch dort loszuwerden, nachdem acht Jahre mit wenigen Schützen dazu nicht reichten. Die bei uns in D dürften von dort stammen, es gibt nur noch 150 in Westfrankreich, aber da sie sich in eines der strengsten Vogelschutzgebiete Frankreichs in ein riesiges Schilfreservat zurückzog kriegt man sie nicht, ohne durch das Herumballern und suchen die dort ebenfalls brütenden Vogelkolonien anderer Arten (u.a. Löffler) zu schädigen. Mal sehen wie das LIFE-Projekt dieses Dilemma löst.

Der Muntjak ist in GB und Irland etabliert und etabliert sich momentan in Frankreich. Das waren anfangs sicher auch nicht viele.

Beim Nasenbär auf den Balearen sind sicher auch nicht sehr viele ausgerissen, und auch der hat sich etabliert und macht enormes Kopfzerbrechen. Wie kann man da zweifeln?

(20.08.2018, 18:42)
Patrick Marburger:   Nen ß wäre beim Ausreisen nicht schlecht (;
(20.08.2018, 18:08)
Patrick Marburger:   Bestritten wurde nicht das Ausreisen sondern das (dauerhafte) Ãœberleben und Etablieren der Arten.
(20.08.2018, 18:07)
Hystrix:   Inzwischen werden im Internet routinemäßig die einzelnen Nachweise aus den EU-Staaten von neu entdeckten wilden Vorkommen gelisteter invasiver Arten veröffentlicht:

https://easin.jrc.ec.europa.eu/notsys

Für Deutschland sind es aktuell neun Meldungen. Darunter sind allein vier der Schwarzkopfruderenten, aber auch ein China-Muntjak in der Eifel und ein Nasenbär im Taunus. Solche Funde müssen, da gelistet, gesucht und beseitigt werden. Der Nasenbär wurde daraufhin schon beseitigt, der Muntjak wird noch gesucht. Das ist interessant für diejenigen Forum-Mitglieder, die früher heftig bestritten hatten, dass auch bei uns Muntjaks oder Nasenbären ausreißen können sollen.

Sodann stehen offenbar für 2019 bis zu 30 neue Arten-Listungen an, vorbehaltlich Abstimmung der EU-Staaten. Darunter ist kein einziges wirklich wichtiges Zootier, von größeren Wirbeltieren eigentlich nur Mink und Hirtenmaina, sonst am ehesten noch Krallenfrosch, Fuchskusu und Finlayson-Hörnchen sowie einige eher unbekannte Fischarten. Auf die Liste für fernere Planungen steht jetzt auch der Rotfeuerfisch.

(20.08.2018, 17:26)
Hystrix:   Dieses Jahr bekommen die Tierhalter von der EU eine Verschnaufpause: Der Beirat der EU für die invasiven Arten hat auf seiner Sitzung vor zwei Wochen es unterlassen, wie eigentlich früher angekündigt über die zweite Erweiterung der Liste invasiver Arten abzustimmen. Offenbar ist man der Kritik einzelner EU-Staaten gefolgt, dass es bisher zu schnell gegangen sei, und der Verwaltungsvollzug bei zu rasch aufeindander folgenden Nachlistungen nicht nachkommt.

Damit liegen die 10 Artvorschäge, über die eigentlich jetzt im Juni 2018 abgestimmt werden sollte, auf Halde, darunter der Mink. Jetzt soll im Frühjahr 2019 darüber abgestimmt werden.

Aber das heißt nicht, dass man nicht auch jetzt in 2018 weitere Vorschläge angenommen hätte: In den ersten Monaten von 2018 kamen sogar 20 weitere Arten, von EU-Staaten neu vorgeschlagen, neu in die Erörterung und das Bewertungsverfahren. Damit müssten im Frühjahr 2019 dann über stattliche 30 zusätzliche Arten abgestimmt werden, die 10 Vorschläge vom Vorjahr plus die 20 neuen. Also nur eine Zäsur zum Verschaufen, an sich aber keine Verringerung des Zuwachses zu der Liste.

Soweit ich sehe, sind die 2018 neu vorgeschlagenen Arten für Zoos ziemlich uninteressante Tiere und Pflanzen. Kein einziges wichtiges Zootier dabei, außer vom Vorjahr noch der Mink, sofern man diesen als Zootier sehen will.

(28.06.2018, 17:07)
Hannes Lueke:   Ich denke die Ausnahmegenehmigung ist hier anders gemeint.
Abweichend von der Verordnung (jaja, das gibt Strafen, es hat ja auch sonst noch kein Staat gegen die Regeln der EU verstoßen) soll der ganze humbug mit den staatlichen Aufnahmestellen auf die Zoos abgeschoben werden.
Aus der Praxis kann ich nämlich berichten, dass die ersten Waschbärwelpen in diesem Jahr kommen, Veterinäre sie nicht töten wollen, Naturschutzbehörden nichts von Waschbärwelpen hören wollen und wertlose mündliche "Genehmigungen" an die Halter geben, Tierheime fröhlich Wasserschildkröten, Wasch- und Nasenbären vermitteln und die Zoos noch immer Nutrias (Nymphea) und Muntjaks (Hagenbeck, Duisburg) nachziehen und es interessiert keinen.
Eine holsteinische Wildtierhilfe wartet seit Monaten auf eine Auskunft wann die "legalen" vor 08/16 geborenen Waschbären aus der Hilfe in den Wildpark Lüneburger Heide ziehen dürfen. Niemand will etwas entscheiden weil für genau diese Fälle keine klaren Anweisungen existieren. Das seit nunmehr 1,5 Jahren. Den Zoos einen Freifahrtschein zu geben ist ein Hilfeschrei
(02.03.2018, 08:09)
Hystrix:   Da wäre ich vorsichtig, was dahinter steckt, vermutlich nämlich gar nichts. Bei allem Respekt vor einer gewählten Landtagsabgeordneten, sie war jedoch sicher nicht instrumental dafür, daß Zoos Haltungsgenehmigungen von gelisteten Arten beantragen können, dazu ist nämlich kein deutscher Landtag jemals gefragt worden und auch nicht zuständig. Diese Möglichkeit für Anträge steht seit eh und je in der EU-Verordnung; jeder Halter, nicht nur Zoos, dürfen Anträge stellen, seit Anfang an. Für Ausnahmegenehmigungen ist aber nicht die nette Kollegin von nebenan zuständig, die ihren Kater liebt, sondern allein die Kommission in Brüssel, und zwar in jedem Einzelfall. Auch hier hat die Landtagsabgeordnete nichts zu melden. Zumindest 2017 kam von der Kommission auf erste solche Anträge die Auskunft, dass die bisher gelisteten Arten für eine solche Ausnahme nicht qualifizieren, weil ihr Verbot keinen unzumutbar beschädigt. Gedacht ist wohl eher an wirkliche Zumutungen wie der Verbot von Minks in einzelnen Farmen, wo die Betroffenen Arbeitsplätze verlieren oder Miliarden an Einbußen, wobei selbst dort kein unbedingter Anspruch auf Ausnahme bestünde Die ?Katastrophe?, dass ein deutscher Kleinzoo statt China-Munjaks andere Kleinhirsche oder ähnliche Tiere zeigen muss, ist sicher nicht von diesem Kaliber. Man hätte sicher gehört, wenn das EU-Parlament mit Mehrheit eine Gesetzesänderung angestrengt hätte, einzelne Politiker mit putzigem Tierfoto in der Presse dürfen das aus Nettigkeit nicht.
(01.03.2018, 20:23)
Sacha:   Sing Hallelujah!! Es gibt doch noch Politiker, die ihren Kopf gebrauchen und nicht nur profilierungssüchtig sind. Hoffentlich ziehen andere Bundesländer nach.

(28.02.2018, 15:37)
Hystrix:   Tim Meschke:
Über diese Arten wird beraten, weil sie formal gültig vorgeschlagen wurden. Ich glaube der Vorschlag kam in allen Fällen von der EU-Kommission. Drei dieser Arten kommen in der EU schon vor, zur Bekämpfung der Kettennatter etwa läuft auf den Kanaren seit Jahren ein großes Projekt. Trotz sehr viel Geldeinsatz wird man diese Art, obwohl es noch relativ wenige sind, offenbar nicht mehr los, und befürchtet, dass dadurch auf Gran Canaria endemische Echsen ausgerottet werden. Auf Inseln im Mittelmeer ist sie auch schon aufgetaucht, offenbar immer durch Terrarianer. Der Fuchskusu kommt meines Wissens nicht in der EU vor, rangiert aber in einem Planungsgutachten für die EU, welche noch nicht vorkommende Arten bei Etablierung größtmögliche Schäden anrichten würden, weit vorne. Als vor zwei Jahren die ersten 37 Arten gelistet wurden, kam viel Kritik, dass die EU dem Gedanken der Prävention zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätte, und nur schon etablierte Arten gelistet hatte. Mehrere Wissenschaftsorganisationen forderten, vermehrt auch Arten rein präventiv zu listen, ehe sie auftauchen und ehe es zu spät ist. Vielleicht hat man mit dem Fuchskusu das aufgegriffen.

Ulli:
Daß ohne Listung des Minks das ganze Gesetz keinen Sinn macht kann man natürlich nicht sagen. Jede der bereits gelisteten Arten schafft für sich Probleme, und wenn diese zukünftig kleiner werden ist das gut für die Natur, egal ob auch der Mink berücksichtigt wird oder nicht. Genauso gut wäre zu sagen, Krankenhäuser machten keinen Sinn solange man Lungenkrebs nicht heilen kann, und dass man ehe das gelingt man Magengeschwüre oder Knochenbrüche auch nicht behandeln muss.
Richtig ist aber, dass der Mink einer der allerschwersten Fälle ist, andererseits gibt es meines Wissens keinen einzigen Präzedenzfall, dass eine finanziell so bedeutende Industrie wie die Pelzzucht per Federstrich nur allein aus Naturschutzgründen verboten wurde. Gelogen ist ja nicht, dass in Dänemark und Finnland die Pelzzucht eine ganz enorme volkswirtschaftliche Rolle spielt. Man muss abwarten wohin der Konflikt führt. Es sind ja auch Kompromisse denkbar wie die Listung und das Verbot in 25 EU-Staaten, und Übergangsfristen oder spezielle Auflagen für die Industrie in Dänemark etc. Das Ausrottungswerk des Mink gegen den europäischen Nerz läuft ja nicht in Dänemark oder Nordeuropa, sondern in Spanien, Frankreich und Rumänien, wo die Listung Gegenmaßnahmen erzwingen würde. Da sind sachdienliche Kompromisse denkbar, wenn man diese denn sieht und will. Es ist jedenfalls ein spannender Konflikt, der in dieser prallen Schärfe m.E. noch nie da war.

(01.01.2018, 19:57)
Tim Meschke:   @Hystrix: Aus welchem Grund wird jetzt über Fuchskusu, Kettennatter, Zierschildkröte und Hirtenmaina beraten? Diese Arten kommen in Europa doch gar nicht vor und können demnach doch gar keine invasiven Tierarten sein (auch wenn sie es in anderen Ländern vielleicht sind).
(01.01.2018, 18:16)
Ulli:   Mal im Ernst: Wer trägt heute noch guten Gewissens Pelz - die Haltung der Minks in den Farmen ist reine Tierqäulerei ... und die Pelzindustrie kann mich mal LMAA
(01.01.2018, 17:35)
Ulli:   Ohne die Listung gerade des Minks macht das Ganze doch wenig Sinn !!!
(01.01.2018, 17:33)
Hystrix:   Kürzlich tagte wieder der Beirat der EU-Kommission für invasive Arten. Dabei wurden zunächst die Nachlistungen beraten, die schon bald, 2018, zur Abstimmung anstehen. V.a. der Vorschlag den Mink zu listen sorgt für heftigen Streit. Die Pelzindustrie läuft Sturm, nach ihr ist der Mink zu wichtig, um verboten zu werden, sie beruft sich auf den Passus im Gesetz, dass Listungen auch die finanziellen Konsequenzen einer solchen Entscheidung berücksichtigen müssen. In der EU würden jährlich 31 Millionen Felle erzeugt, enorm viele Arbeitsplätze hingen daran. Finnland und besonders Dänemark übernehmen diese Position, Dänemark will nach einem Brandbrief an die Kommission eine Listung unter keinen Umständen akzeptieren, weil es jährlich für 1,3 Milliarden Euro Minkfelle exportiert, was angeblich 2 % des nationalen Exporterlöses ausmacht. Die Bewertungsunterlagen, die bisher für die Abstimmung vorliegen, lassen aber keinen Zweifel, dass der Mink aus ökologischer Sicht zu listen wäre, denn die anerkannten Schadwirkungen sind einfach zu eindeutig dramatisch. Nicht nur der Europäische Nerz, sondern auch der Pyrenäendesman und sogar die Wühlmaus können nicht überleben, wo Minke einwandern. Es wird also eine offen politische Abstimmung werden, Naturschutzlobby gegen Pelzlobby, man muss abwarten.

Sodann wurden die ersten etwa 20 Arten genannt, die für eine dritte Nachlistung (Abstimmung erst 2019) bisher schon vorgeschlagen wurden. Darunter ist endlich als Pflanze auch die Ambrosie, die vielfach schon vermisst wurde. Folgende für Zoos interessante Wirbeltiere sind bisher darunter und werden aktuell für 2019 beraten:

Hirtenmainah, Fuchskusu, Zierschildkröte, Kettennatter, 2 Arten Lebendgebärende Zahnkarpfen, 1 Art Korallenwels.

(31.12.2017, 13:31)
Hystrix:   Die Jagdbehörde Frankreichs erstellt jetzt Jahresberichte zu invasiven Arten in diesem Land. In dem für 2016 ist für Zoos interessant:

Weitere Populationen in Frankreich neu etabliert aus Gehegefluchten von China-Muntjak (Loire), Mähnenschaf (Provence), Waschbär (Zentralmassiv) und Bennett-Wallaby (Yvelines). Beim Waschbär forscht man genetisch nach, woher sie ausgerissen sind.

Trotz erheblicher Eradikation stagniert der Restbestand der Schwarzkopfruderente bei 150 Vögeln, weil diese im Röhricht in einem strengen Totalreservat Zuflucht fanden, in dem wegen anderer koloniebrütender und seltener Vögel nicht oder nur zeitweise geschossen werden kann. Man stellt sich darauf an, langfristig abschießen zu müssen, weil man die letzten dort kaum kriegen wird, ohne erhebliche Artenschutzwerte zu zerstören.

Obwohl mit Aufwand 2016 weitere 275 Ibisse erlegt wurden, stagniert auch hier der Bestand vom Vorjahr, immerhin nur noch 155 Brutpaare gegenüber 1700 vor 10 Jahren.

(21.10.2017, 18:32)
Hystrix:   In den TAG Reports 2016, eingestellt auf der EAZA-Webseite, steht, dass Polen eine eigene nationale Liste gegen invasive Arten hat, die jetzt auch den Sika-Hirsch enthält. Daher müssen alle gehaltenen Sikas in Polen abgeschafft werden. Das hat nichts mit dem EU-Gesetz zu tun und gilt in diesem Fall sogar für EEP-Hirsche des Vietnam-Sika.
(19.09.2017, 22:22)
Michael Mettler:   Beim Waschbären wäre es doch ein erster logischer Schritt, die jagdliche Schonzeit generell abzuschaffen. Wenn es um Schädlingsbekämpfung geht, nimmt schließlich auch bei Mäusen und Ratten kein Mensch darauf Rücksicht, dass säugende Weibchen in die Fallen bzw. an die Giftköder geraten können und niedliche Jungtiere dann mutterlos verhungern müssen.
(18.09.2017, 23:31)
Hystrix:   Ich weiss weder, wer diese Entwürfe erstellte noch ob sie für ganz Deutschland gelten. Es fehlen ja auch noch die meisten, denn bei uns leben mehr gelistete Arten als jetzt in die Anhörung gingen. Eine Umsicht bei den Webseiten der Umweltministerien der Länder erbringt lediglich, dass allein Brandenburg und Sachsen-Anhalt auf diese Anhörung hinweisen. Vielleicht sind es also nur die Entwürfe für diese Länder. An sich muss jedes Land für sich wirken, es kann aber trotzdem sein, dass es ein Entwurf schon für alle ist.

Bei etwas Googeln fällt aber auf, dass allein schon das offizielle Planen eine Diskussion entfacht, so kommen schon die ersten Forderungen von Lokalpolitikern, Forschung für neuartige Bekämpfungsmethoden zu finanzieren, die in der Fläche agieren können. Es ist ja keineswegs so, dass Irgendjemand eine Patentlösung hätte, wie man mache Arten wieder loswird. Es muss viel Intelligenz investiert werden, nur schon dafür dass es allmählich und langsam besser wird, alles andere ist Illusion. Sinnloses Töten das am Ende doch nichts bringt kann ja auch niemand wollen.

Völlig inakzeptabel ist aber, dass noch nicht mal nur punkthaft etablierte Arten wie der Ochsenfrosch lokal in Baden nicht völlig und intensiv beseitigt werden, wie aus diesem Entwurf zu erahnen ist. Wahrscheinlich gibt es aber auch innerhalb der Regierungen gespaltene Meinungen. Da sind die Tierschutzorientierten, die bisher immer jedwede Aktion verhindert haben und jetzt dumm dastehen, weil sie jetzt das Gegenteil davon machen müssen, und die eher Naturschutzorientierten, die aber sicher auch noch nicht wissen, wie es denn geht selbst wenn man will. Ich sehe das ganze als bloßen Anfang.

(18.09.2017, 17:03)
Hannes Lueke:   Mir erschließt sich noch nicht ganz wer genau diese Managementpläne erarbeitet hat.
Das weiter Findelkinder aufgenommen werden können und unter den, in der EU Verordnung aufgestellten Kriterien gehalten werden dürfen, überrascht und erfreut mich.
Ich halte es für durchaus praktikabel für Zoos als auch für den Natur- und Tierschutz. Das blose töten von Tieren wird keine Unterstützung in der breiten Masse finden und die Fundtiere stellen bereits jetzt die Ämter vor Herausforderungen. Auch eine ganzjährige Jagd auf Waschbären wird realistischer durch ein Management der Jungtiere.
(18.09.2017, 16:11)
Hystrix:   Es sind dieEntwürfe der ersten deutschen Managementpläne für den Umgang mit EU-gelisteten Invasiven zur öffentlichen Anhörung ins Internet gestellt:

https://www.anhoerungsportal.de/

Für Zootiere ist nur der Waschbär darunter. Das vorgestellte zukünftige Management der Population im Freiland ist aus Sicht des Naturschutzes sehr beschieden, letztlich wird nur die punkthafte Bekämpfung in ökologischen Hotspots vorgesehen, wie Brutgebiete der Grosstrappe oder Fledermausansammlungen oder Schildkrötenareale. Selbst diesbezüglich sind die Formulierungen wachsweich. Eine flächige Beseitigung wird nicht einmal angestrebt. Bereits im Managementplan werden exemplarische Kosten wie zur Rettung der Grosstrappe genannt, offenbar als teuer aufgefasst, auch wenn sie nur punkthaft sind. Eine wirklich effektive Bekämpfung wird also zunächst nicht kommen. Immerhin müssen die Behörden jetzt solche Maßnahmen wie zur Rettung der Trappe bezahlen, was für den Artenschutz auch schon ein unübersehbarer Vorteil ist. Der Schwarzstorch wird nicht genannt, dürfte aber ebenso unmittelbar davon profitieren.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der EU dieses minimale Management langfristig ausreicht. Wahrscheinlich wird man abwarten und sehen, wie sich das Management in unterschiedlichen EU-Ländern gestaltet und wo was Erfolg bringt, und wird dann nachfordern. Auch bei den Natura2000-Gebieten hat man Deutschland bis hin zur gerichtlichen Klage zum besseren Naturschutz gezwungen, mühsam abtrotzend und langwierig gegen nationales Taktieren. Das hat fast zwei Jahrzehnte gedauert, bis man hierzulande zum EU-Standard aufschloss. Andererseits darf man jetzt nicht zu enttäuscht sein, mehr war wahrscheinlich gar nicht nicht möglich, denn bei uns gibt es noch keinerlei Sachverstand dazu wie man weit verbreitete Arten wieder loswird. Zumal die Bundesregierung die Ausführung allein den Ländern aufgebrummt hat, die noch gar kein Fachpersonal mit Ahnung haben. Wahrscheinlich sind die jetzigen Managementpläne schnell am Telefon mit heisser Nadel gestrickt, nach etwas Internetrecherche und gegenseitiger Versicherung der Landesbeamten, was man tun muss um das Gesicht in dieser Situation zu wahren und die EU-Frist zu erfüllen. Das muss sich erst entwickeln.

Interessant ist die Anmerkung, dass aufgefundene Findelkinder von Waschbären nicht getötet werden müssen, sondern dann aufgezogen und gehalten werden können, wenn man sie kastriert. Das wird dann wohl auch für Zoos gelten. Man muß abwarten, ob dadurch auch längerfristig Waschbären noch in Zoos bleiben werden, oder ob die Kastrationspflicht wegen ausbleibender Nachzucht nicht doch zum baldigen Erlöschen führt. Auch bleibt abzuwarten, ob die EU das so akzeptiert.

(18.09.2017, 13:03)
Hystrix:   Der VdZ hat die deutschen Parteien anlässlich der Bundestagswahl um ihre Haltung zu aktuellen Zoothemen befragt, darunter auch, ob sie für Ausnahmegenehmigungen von der EU-Liste gegen invasive Arten für Zoos seien.

Siehe:
http://www.zoodirektoren.de/images/Nachrichten/2017/00_VdZ_original_Antworten_050917.pdf

Die Antworten sind sehr verschieden. Nur SPD und Grüne antworten ehrlich und verweisen korrekt darauf, dass die deutschen Parteien zu dieser Frage nichts bewegen können, weil es allein EU-Sache ist. Bizarr und unverständlich ist die Antwort der CDU, die behauptet, selbst im Bundestag dafür gesorgt zu haben, dass Zoos die EU-gelisteten Arten genehmigungsfrei weiter halten dürfen, solange sie an der Reproduktion gehindert werden, also natürlich auslaufen. Hier scheinen Wunschvorstellungen zu herrschen, denn das hat nicht die CDU eingeführt, das steht so im EU-Gesetz. Die FDP weiss, dass Zoos nicht am Freikommen invasiver Arten beteiligt waren oder sind und will Ausnahmegenehmigungen, was wie bei der CDU die Unwahrheit ist, weil die FDP zu dieser Frage nicht zuständig ist, es sei denn die Liberalen im Europaparlament kippen mit absoluter Mehrheit das vom EU-Parlament eingeführte Gesetz wieder, was bei ihrer Minorität Utopie ist. Die FDP weiss auch, dass die Zoos durch die EU in "Rechtsunsicherheit" und "Bürokratie" gestossen wurden. Die Linke gibt eine ausweichende und für Laien kaum verständliche Antwort, die AFD will keine Ausnahmegenehmigungen für Zoos.

(10.09.2017, 19:34)
Tim Meschke:   Danke für die Aufklärung über die Robinie in der Zootierfütterung.
(03.09.2017, 21:05)
Hystrix:   In solchen Fällen, wo der Propagierung oder Nutzung einer auch nützlichen Invasions-Art durch eine EU-Listung der Boden entzogen würde, muss man halt rechtzeitig Ersatz schaffen. Im Fall des Kirschlorbeer besteht das ökologische Problem darin, dass seine Früchte von Vögeln eifrig gesammelt und verbreitet werden, also muss man nach einer immergrünen Ersatzart suchen die genauso gut im Garten wüchsig ist und durch großen Schatten Unkraut unterdrückt, aber eben nicht fruchtet oder keine Vogelfrüchte hat. Fürs warme Südeuropa gibt es das schon, nämlich Ficus microcarpa, eine immergrüne als Baum oder Busch kultivierbare Art, die aber außerhalb ihrer subtropischen Heimat in Europa keine Früchte ausbildet, und sich auch nicht durch Austriebe vegetativ vermehrt. Sie ist ebenso immergrün und wirft denselben schwarzen Schatten wie Kirschlorbeer, und kann ihn im warmen Südeuropa als Gartenpflanze vollständig und leicht ersetzen. Bei uns wäre sie klimatisch nicht geeignet, aber sicher findet man auch für unser Klima einen Ersatz, es gibt etwa auch Prunus-Arten mit immergrünem Laub und grünen oder giftigen Früchten, die für Vögel nicht attraktiv sind. Bei der Robinie kommen invasionsbezogen drei Nachteile zusammen: Erstens stößt sie bei uns in ein ökologisches Vakuum, weil die auf trockenwarmen Sandböden wüchsiger ist als alle Bäume Europas und an solchen Standorten alle anderen Arten platt macht. Zweitens treibt sie auch nach wiederholtem Fällen massiv immer wieder aus und ist kaum zu beseitigen, und drittens düngt sie den Boden massiv mit Stickstoff auf und verdrängt daher die meisten Kräuter zugunsten weniger Stickstoffpflanzen. Ihr Laub ist aber wie fast alle Schmetterlingsblütler eiweißreich, daher gerne als Futter verwandt, und der reichliche Nektar ist für Honigbienen attraktiv. Am besten suchte man sich im Falle eines Nutzungsverbots dafür dafür als Ersatz einen anderen Schmetterlingsblütler-Baum, dessen Laub wäre wahrscheinlich ein genauso wichtiges Futterlaub, aber eben eine Art aus frischen oder feuchteren Waldstandorten Nordamerikas oder Chinas, denn in unseren dichten Naturwäldern aus Buche oder Hainbuche kann ein solcher Eindringling kaum invasiv werden. Auch die Robinie schafft das nicht, kann aber auf trockene Sandböden ausweichen wo die Buche kümmert oder fehlt. Ich vermute, schon kurzes Ãœberlegen wird mehrere geeignete Ersatzarten ausfindig machen können.

Auch als Asbest, Quecksilber oder DDT verboten wurden, herrschte weithin Wehklagen und die betroffenen Branchen malten Schreckensszenarien an die Wand. Heute vermisst das keiner mehr, für alles gab es mehr als guten Ersatz. Dabei war es viel schwieriger, etwa für Asbest Ersatz zu finden als für die Weißkopfruderente oder den Kirschlorbeer.

(03.09.2017, 19:09)
W. Dreier:   Kurz zur Nutzung der Robinie als Futter (übrigens mit striktem Verbot für Equiden) nicht nur in frischer und getrockneter Form: im letzten wie auch in diesem Jahr habe ich mit vielen weiteren ``Schnipplern`` für Zoo und Tierpark Robinienlaub zu Silage verarbeitet. Die abgetrennten Blätter werden in großen Plastetonnen fest gepresst, ein Vacuum wird angesetzt - und dann bleibt das ohne Zusatzstoffe oder Bakterien``animpfung`` stehen. Zielgruppe sollen Antilopen sein.
(03.09.2017, 17:58)
Michael Mettler:   @Sacha: Auch in jüngerer Haltungsliteratur wird Robinienlaub als Futter für Giraffen, Okapis und Antilopen angegeben, sowohl in frischer als auch in getrockneter Form. Unverzichtbar scheint es aber auch für Giraffen nicht zu sein, um die Frage aus deinem vorletzten Beitrag aufzugreifen, somit wäre die Giraffenhaltung durch eine EU-Ausrottung der Robinie nicht gefährdet...

Zoos könnten allerdings zukünftig auch hinsichtlich ihrer Landschaftsgestaltung Einschränkungen ausgesetzt sein, wenn weitere Pflanzenarten auf die EU-Liste kommen. Dass sich die aus Kleinasien stammende Lorbeerkirsche alias Kirschlorbeer in unseren Wäldern zunehmend ausbreitet, habe ich schon mehrfach gelesen - das ist nun wegen seiner Sichtschutzqualitäten und seiner Anspruchslosigkeit ein gärtnerisch sehr häufig verwendetes immergrünes Gehölz. Falls da mal ein Ausrottungsbefehl kommen sollte, hätte der einen gigantischen Kahlschlag in Gärten, Parks, Friedhöfen und eben auch Zoos zur Folge. Auch zu dieser Art gleich wieder ein Beispiel fragwürdiger Argumentation: Auf einer Website zum Thema (http://www.kirschlorbeer-pflanzen.de/neophyten) fand ich den Aufruf, dass die Lorbeerkirsche neben ihrer nicht-heimischen Abstammung auch wegen der Giftigkeit verschiedener Pflanzenteile, die sie gefährlich für Kinder und Haustiere mache, besser nicht gepflanzt werden sollte. Als heimischer, ebenfalls immergrüner Ersatz wird dann aber ausgerechnet Eibe (!!!) empfohlen...
(02.09.2017, 17:57)
Sacha:   @Tim Meschke: Hmh, kann es sein, dass bezüglich der Robinie ein Wandel/Umdenken in der Fütterung stattgefunden hat? Ich war nämlich erst unsicher, woher ich die Info hatte. Gefunden habe ich sie schliesslich in "Wildtiere in Menschenhand" von Puschmann (1975er Ausgabe) auf Seite 449. Dort steht wörtlich zur Fütterung von Giraffen: "..., im Winter getrocknete Robinie oder Eiche,...."
(02.09.2017, 13:05)
Hystrix:   Wie wenig auch sonst der Normalbürger über fast alle Gesetze weiß, sieht man jetzt mit den Autos. Millionen haben Dieselautos gekauft, die gegen die Vorschriften verstoßen, und nicht unwahrscheinlich dürfen sie bald damit in manchen Städten nicht mehr fahren. Haben also aus Unkenntnis der hoch bezahlten Technik und der Vorschriften für 10.000e Euro eine illegale Maschine gekauft und sich dafür oft sogar verschuldet. Es gibt vergleichbare, unzählige Gesetze, gegen die laufend verstoßen wird, weil sie niemand kennt. Es würde zweifellos helfen, wenn alle Bürger das neue EU-Gesetz gegen invasive Arten kennen würden, damit sie es bewußt einhalten können. Aber unumstößlich nötig ist das nicht, solange nur die betroffenen Branchen Bescheid wissen. Bei den Gartenpflanzen also v.a. der Handel, denn wenn es eine Art nicht mehr zu kaufen gibt, geht sie allmählich zurück. Auch Zöllner und berufsmäßige Züchter und Halter. Es kennt ja auch nicht jeder Halter von Wellensittichen oder Haushunden die Gesetze gegen Papageienkrankheit oder Tollwut. Besser wäre es wenn, unverzichtbar ist es nicht.

Zudem: Nicht alles was als ?Naturschutz? verkauft wird, macht Sinn, da haben Sie völlig recht. Sogar bei den Naturschutzverbänden wird oft viel sinnarmer oder sogar schädlicher Aktionismus gemacht. Allein die Idee, etwas ?für Insekten? zu tun, ist aberwitzig. Ich kann natürlich nektarreiche Pflanzen fördern, und dann helfe ich wahrscheinlich den genau daran angepassten Arten, und im Garten eher den ohnehin nicht bedrohten Kulturfolgern. Ob das aber wirklich Naturschutz ist oder nicht eher durch einseitige Förderung von Anpassungsfähigen viel mehr unterlegene und viel seltenere Arten verdrängt, wird nicht mal überlegt. Der Drang ?Gutes? zu tun ist stark, und Selbstgewissheit oft stärker als Fachwissen. Auch manche sog. Naturschutzprojekte von Zoos sind aberwitzig, ich denke an die damals pressewirksam vermarktete Auswilderung von Borneo-Orangs auf Sumatra durch Grzimek, der auch sonst bei seinen von der Öffentlichkeit fast heilig gesprochenen Aktionen sich selten darum scherte, ob eine aus einem Zoo in die Freiheit gekarrte Art dort überhaupt heimisch war, sondern einfach Gutes tun wollte und darüber im TV reden. Der Unsinn bei den Orangs, der wegen der Artverschiedenheit zu den auf Sumatra tatsächlich heimischen Orangs diesen nur geschadet haben wird, wurde sogar mit Spendenaufrufen bezahlt. Auch das Entsorgen von überflüssigen Tieren in die freie Widlbahn wie ?Löwen zurück nach Afrika? gehört dazu. Unter dem Deckmantel von Naturschutzargumenten wird tagtäglich unsäglicher Schwachsinn gemacht, und nicht selten wäre weniger mehr. Da gebe ich recht. ?Insekten? zu fördern, also irgendwelche beliebige und artlich nicht mal bekannte der allein bei uns 30.000 Arten, durch Hinausschmeißen in die Landschaft von Zuckerpflanzen, entspricht in etwa dem Hinausschütten von Hausmüll in die Landschaft, denn dieser nützt Ratten, also Säugetieren, also ist "Säugetierschutz", und wer wüsste nicht, dass "Säugetiere bedroht sind", siehe Pandas und Javanashörner. Also hinaus mit den Küchenabfällen in den Wald. So was Vergleichbares wird im Falle von "Insektenförderung" gemacht, egal, ob es dem Artenschutz nützt oder schadet.

(01.09.2017, 19:01)
Tim Meschke:   Robinien werden hoffentlich nicht an Zootiere verfüttert, da sie für Pferde, Rinder, Hunde etc. hochgiftig sind, weil sie Lektine enthalten, die die Blutkörperchen verklumpen und das Gewebe zerstören. Der Honig dagegen ist ungiftig. Ein weiterer Nachteil ist, dass Robinien den Boden mit Stickstoff anreichern und Substanzen absondern, die andere Pflanzen unterdrücken und so der natürliche Bewuchs verändert wird.

Die Insekten Europas müssten rein theoretisch aber auch ohne die Neopyhten als Nahrungs- und Nektarquelle auskommen können. Es gibt genug heimische Bienentrachtpflanzen wie Steinklee, Natternkopf, usw.... Außerdem könnten Imker auch auf Nutzpflanzen ausweichen, die sowieso nicht verboten werden wie Topinambur, Sylvien, Raps...
(01.09.2017, 18:58)
Michael Mettler:   @Hystrix, zu Ihren beiden letzten Beiträgen: Der Vergleich mit den anderen Gesetzgebungen hinkt insofern, als hier die breite Öffentlichkeit nicht viel zur Umsetzung beitragen kann. Für den Naturschutz wird dagegen richtigerweise an diese appelliert, nur kann man über das "Wie" der Informationspolitik streiten. Ich möchte behaupten, dass die wenigsten Gartenbesitzer eine Homepage des Bundesamtes über die neue EU-Schädlingsliste besuchen, bevor sie sich Pflanzen beschaffen, mit denen sie z.T. nicht nur ästhetische Bedürfnisse befriedigen, sondern auch der heimischen Tierwelt etwas Gutes tun wollen. Ich habe regelmäßig einige der auflagenstärksten deutschen Gartenmagazine in der Hand und darin bisher meiner Erinnerung nach nichts zum Thema gesehen. Ganz im Gegenteil, z.B. tauchte unter den Tipps zur Bepflanzung von Gartengewässern in dieser Saison noch immer die jetzt als pflanzlicher Schädling gelistete Wasserhyazinthe auf (die übrigens in unserer Region auch noch problemlos im Handel zu bekommen war). Diese Pflanze wurde wie auch andere Schwimmpflanzen aus warmen Klimaten seit vielen Jahren als nützlich für Gartenteiche propagiert, da sie das Wasser abschattet (und damit kühler und algenfreier hält) und mit ihren langen Wurzelbärten Unterschlupf für Jungfische, Amphibienlarven und Wirbellose bietet. Der Öffentlichkeit zu verkaufen, dass sie nun schlagartig vom Nützling zum Schädling befördert wurde, ist wohl kaum mit Broschüren und einer amtlichen Homepage zu schaffen. Zumal ja auch hier ein Weg gefunden werden müsste, gleichwertigen und vom Naturschutz für gut befundenen ökologischen Ersatz zu empfehlen.

Auch für die Außendarstellung des Insektenschwundes scheint es mir dann Optimierungsbedarf zu geben bzw. die Notwendigkeit besserer Absprache unter den beteiligten Organen. Ich weiß nicht, wie oft ich in diesem Jahr aus Naturschutzkreisen das an sich sehr gut persönlich nachvollziehbare Bildnis gelesen oder gehört habe, dass man den Rückgang der Insektenfauna allein schon daran sehen kann, dass man selbst nach einer längeren Überlandfahrt kaum noch tote Insekten an der Windschutzscheibe kleben hat. Nun haben früher sicherlich nicht nur die heute bedrohten Nahrungsspezialisten unter den Insekten diese Art von Roadkills gestellt, sondern zu einem großen Teil auch die von Ihnen so genannten "beliebigen Fliegen und Käfer", die selbst heute keiner Gefährdung unterliegen sollen, aber offenbar trotzdem nicht mehr in vergleichbarer Zahl gegen Autoscheiben klatschen (und laut Argumentation dann auch der heimischen Vogelwelt als Nahrung fehlen). Wird nun also unnötige Panikmache betrieben...? In den letzten Jahren wurden Gartenbesitzer über die Medien verstärkt sensibilisiert, ihre Pflanzungen insektenfreundlicher zu machen, "Insektenhotels" als Nistmöglichkeiten aufzuhängen usw. Mal abgesehen davon, dass viele der gut geeigneten und empfohlenen Gartenpflanzen einen ebensolchen "Migrationshintergrund" haben wie Balsamine, Herkulesstaude & Co. und möglicherweise ebenfalls in der Zukunft auf der EU-Schädlingsliste auftauchen können, bestünde dann ja gemäß Ihren Ausführungen durchaus das Potenzial, durch solche Maßnahmen analog zum Robinien-Beispiel das Nutztier Honigbiene und "Allerweltsarten" unter den Blütenbesuchern zu übervorteilen und durch die propagierten Insektenschutzmaßnahmen sogar noch zur Verdrängung seltenerer Arten beizutragen.

Welche Überraschungen die EU-Liste für die Zukunft bereithalten könnte, betrifft also keineswegs nur Zoos, Händler und bestimmte Wirtschaftsbranchen, sondern auch eine sehr große Zahl von "Unkundigen", die gern aktiv zu Natur- und Artenschutz beitragen möchten, dann aber auch entsprechend "mitgenommen" werden müssen. Ein wenig "Unterricht für das Verständnis von Laien" seitens des Gesetzgebers, wie Sie es nennen, kann da sicher nicht schaden.
(01.09.2017, 09:49)
Hystrix:   Falls ein Staat die Robine zur Listung vorschlägt, steht der Fachbehörde aller EU-Staaten frei, sich eine Meinung zu bilden, ja sie müssen das sogar tun und werden es normalerweise durch Einholen von Expertise tun. Sogar schon ganz früh, als noch das EU-Rahmengesetz beraten wurde, also lange vor den Listungen konkreter Arten, hat Dänemark klar gemacht dass man dort niemals ein Verbot des Mink, und Ungarn, dass man niemals das Verbot der Robinie akzeptieren würde. Die Ungarn führten an, dass man dort einmal die Robinie seit Jahrzehnten als Forstbaum kultiviert und es vielfach nur noch reinen Robinienwald gäbe, und dass die Imker nicht auf diese wichtige Honigquelle verzichten könnten. Bisher wurde die Robinie nicht vorgeschlagen, aber nach meinem Eindruck muss sich Ungarn fügen, wenn die Mehrheit der Staaten gegen die Robinie stimmt, und kann nichts dagegen unternehmen. Es gibt aber irgendwo eine Klausel, dass im Falle unzumutbarer wirtschaftlicher Kosten auch eine gelistete Art nicht völlig bekämpft werden muß.

Ich finde jedoch die Frage, ob einige dieser Arten wichtige Futterpflanzen sind, übersteigt den Kompetenzrahmen dieses Forums. Wir argumentieren ja durchaus zu grob. Zweifellos sind sowohl Robinie wie Springkraut reiche Nektartrachten. Aber ob dadurch nicht primär bestimmte Masseninsekten gefördert werden, die dann große Bestände aufbauen und andere unterlegene und spezialisierte Arten, die wirklich bedroht sind, verdrängen, was ja gut möglich ist, können wir nicht beurteilen. Oder auch nicht die Frage, für welche Insekten genau dieser Nektar der Robinie vielleicht giftig ist und ob die dadurch geschädigten Arten nicht seltener sind als die vom Nektar geförderten. Man muss dazu wirklich verteufelt divers ins Detail gehen und sich anschauen, wer wird gefördert, wer geschädigt, und das in verschiedenen Teilen Europas. Robinen reichern den Boden mit Stickstoff an und verdrängen so großflächig empfindliche Pflanzenarten, fördern aber etwa die Stickstoff liebenden Brenn-Nesseln. Diese haben nun gar keinen Nektar. Ob also ohne Robinie auf nährstoffarmem Boden nicht mehr Blüten vieler Blumenarten und dadurch stärker artlich diverser Nektar gebildet würde als durch Robinien in einem blütenarmen Dickicht von Nesseln und Holunder bliebe auch auszurechnen, und das für alle möglichen Biotope. Man kommt dann sehr leicht in so große Komplexität, dass man sich verliert.

Sicher ist aber, dass ein Ausfall von Robinie und Springkraut Honigbienen negativ betreffen würde, sofern nicht an Stelle dieser alles Verdrängenden Neophyten gleichwertige heimische Blumen wachsen, was manchmal so sein wird und manchmal nicht. Aber die Honigbiene ist ein Haustier, und wo sie häufig gehalten wird leiden die mehreren Hundert heimischen Arten von Wildbienen, denen die Haustiere den Pollen wegfressen. Die Honigbiene kriegt ja im Winter Zucker gefüttert, erfährt also eine enorme Begünstigung, was die Wildbienen nicht kriegen. Wenn man dann noch Zuckerbomben wie Robinien pflanzt kann gut sein, dass man in der Natur eine Massenzucht der Honigbiene macht und die zahllosen Wildarten zugrunde gehen, Alles das müsste man quantitativ abschätzen, und auf jeden Fall berücksichtigen. Man kommt dabei leicht vom Hundertsten ins Tausendste, und am Wahrscheinlichsten wird man am Ende aufgeben und sagen, das läßt sich gar nicht genau beurteilen.

(31.08.2017, 12:47)
Sacha:   Frage 1: Ist nicht der Rückgang der Honigbiene genau so ein Fall der "Güterabwägung", der für die Beibehaltung/Nicht Listung von invasiven, ABER nahrungsreichen Pflanzen sprechen würde. Vor allem, wenn man die ökologische UND ökonomische Wichtigkeit von Bienen betrachtet?

Frage 2: Meines Wissens sind Blätter der Robinie ein wichtiges Zoo-Futter (z.B. für Giraffen). Welche heimischen bzw. nicht gelisteten Arten könnten die Robinie in dieser Beziehung ersetzten?
(31.08.2017, 10:39)
Hystrix:   Gesetze sind selten mit breitem Unterricht für das Verständnis von Laien verbunden. Warum man für leichten Betrug unter Alkoholeinfluss im Jugendstrafrecht sagen wir zwei Monate weniger Haft aufgebrummt bekommt als für sehr leichten Betrug ohne Alkohol aber bei psychiatrischer Beeinträchtigung wird keinem Laien erläutert, sondernd dieser wird einfach verurteilt und wenn er wissen will warum muss er einen von ihm bezahlten Fachanwalt fragen. Gesetze sind einfach einzuhalten, es besteht niemals Unterrichtspflicht seitens des Gesetzgebers. Auch warum von einem polyzyklisch aromatischen Kohlenwasserstoff 87 ppm im Joghurt erlaubt sind, aber von einem anderen, der noch zusätzlich ein Chloratom enthält, stattdessen 97 ppm, muss von den Anwendern nicht nachvollzogen werden können. Nichtverstehen strafrechtlich egal, Vergehen wird bestraft, auch wenn man nicht versteht warum man ein Vergehen begangen hat.

Es gibt aber bereits sowohl von der EU wie von einigen deutschen Bundesländern Broschüren über die gelisteten Arten, und das Bundesamt hat sogar eine ausführliche Webseite geschaltet. Ich denke, wenn man weiß, wie in der Praxis das Zurückdrängen aussieht, wird man da noch nachlegen und die Öffentlichkeit informieren, warum und wie es gemacht werden soll. Das wäre schon viel mehr als für Gesetze üblich ist, dieser werden normalerweise gegenüber Laien nicht begründet.

Ihr Beispiel ist zudem zu grob. Viel Nektar hat von den genannten Arten nur das Springkraut und auch die Robinie. Es sind auch bei uns nicht pauschal ?die Insekten? bedroht, davon gibt es etwa 30.000 Arten, sondern ganz konkrete Arten. Springkraut bietet eine offene Nektarquelle an, dazu muss man keinen langen Rüssel oder sonst welche Anpassungen haben. Arten die durch mangelnde Nektarquellen aussterben sind dagegen Spezialisten, die auf bestimmte Blütentypen oder Pflanzen angewiesen sind, welche ihrerseits bedroht sind. Irgendwelche beliebigen Fliegen oder Käfer, die nicht speziell an seltene Blütentypen angepasst sind, unterliegen dagegen keiner Gefährdung. Es geht auch nicht die gesamte Insektenfauna zurück, Bauern können ein Lied davon singen, wieviel Gift sie spritzen müssen, um Masseninsekten zu bekämpfen. Um zu erkennen, dass etwa ein Zurückdrängen des Springkrauts durch das EU-Gesetz seinerseits negative Folgen für bestimmte Insektenarten hat, müsste man lange im Detail untersuchen. Aber selbst dann können höherrangige Schutzgüter trotzdem für ein Zurückdrängen sprechen, etwa weil dieses Springkraut ganze Lebensgemeinschaften an Feuchtstellen verdrängt und nachweislich Hunderte von Arten bis zum lokalen Erlöschen schädigt. Dass es im Naturschutz oft Konflikte gibt, weil eine Maßnahme auch unerwünschte Nebenwirkungen haben kann, trifft fast immer zu. Ökosysteme sind so komplex, dass wohl niemals ein Eingriff ohne Kollateralschäden ist. Die Frage ist immer, was die höherrangigen Schutzgüter sind. Pandas fressen Bambus, dem Bambus in China geht es also besser ohne Pandas. Dennoch heißt das für guten Naturschutz nicht, dass man Pandas ohne Kampf aussterben läßt, auch wenn der Bambus zweifellos davon profitieren würde. Bei uns ist die von der EU gelistete Bisamratte so ein Fall, weil sie in vielen Nahrungsketten inzwischen eine wichtige Beuteart ist. Zweifellos würde ihr Entfernen viele ökologische Änderungen bewirken, im Einzelfall auch negative. So ist das immer, wenn man in komplexe Systeme eingreift. Der fachliche Anspruch an den Naturschutz ist, hier die beste Güterabwägung zu treffen. Ich habe aber im Konkreten niemals gehört, dass eine der bisher gelisteten Pflanzenarten irgendwo jemals als relevante Nahrungsquelle für sehr seltene oder aussterbende Insekten dienen würde. Ich halte Ihr Beispiel für konstruiert.

Es wird aber wenn man weitere Arten listet sicher auch mal Fälle geben, wo die Listung selbst auch Naturschutzprobleme schafft, keine Frage. Die Frage ist dann die der Wertung der Gesamtmaßnahme, ob solche Kollateralschäden als hinnehmbar gelten.

(31.08.2017, 09:19)
Michael Mettler:   @Hystrix: Dann möchte ich daran erinnern, dass es die große Masse der "Unkundigen" ist, welche u.a. die Politik, die breite Öffentlichkeit und nicht zuletzt auch eine riesige Menge von Tier- und Pflanzenhaltern umfasst, der die Naturschutzbelange "verkauft" werden müssen, um den notwendigen Rückhalt (und das notwendige Geld) zu bekommen. Eine Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen der "Kundigen" dürfte dafür ein besseres Ãœberzeugungsmittel sein als nur auf die Richtigkeit einer fachlichen Entscheidung zu pochen (die sich übrigens genauso mit dem Zeitgeist wandeln kann, wie Sie es in Ihren Beispielen aus anderen Themenbereichen völlig richtig erwähnen - auch die "Wieder"ansiedlung von Tieren gebietsfremder Formen wurde schließlich einst von "Kundigen" befürwortet) . Es sind z.B. schließlich auch "Kundige", die den drastischen Rückgang der Insektenfauna verkünden und "Kundige", die gleichzeitig Pflanzen ausrotten wollen, die von wieder anderen "Kundigen" als wertvolle und wichtige Insektennährpflanzen eingestuft werden.

"Gutdünken" ist per se keine negative Wertung. Ich hätte genauso gut "Ermessen" oder "Einschätzung" schreiben können. Ihren Beispielen von Wertfestlegungen stimme ich durchaus zu, auch aus eigenen Erfahrungen heraus; z.B. hatte ich in den letzten Jahren genug damit zu tun, bei Renovierungsarbeiten Baumaterialien zu entsorgen, die einst als "Lösung der Zukunft" galten und heute als Sondermüll eingestuft werden. Das wird mit heutigen Materialien in 50 Jahren vielleicht nicht anders sein. Und wer weiß, vielleicht wird man in 50 Jahren beklagen, dass die Wiederansiedelung des Europäischen Nerzes zu einem weiteren Rückgang der Amphibienfauna und der bodenbrütenden Vögel in Feuchtgebieten geführt habe, und gleichzeitig feststellen, dass irgendeine früher als invasiv eingestufte Pflanzenart z.B. als Nahrungsgrundlage derartige Vorteile für die heimische Fauna mit sich brachte, dass ihr die Wiedererholung von Beständen einst bedrohter heimischer Tierarten zu verdanken war...
(31.08.2017, 08:50)
Hystrix:   Trotzdem wirkt Naturschutz nur für Unkundige beliebig, und wenn man sich eine Weile damit beschäftigt verschwinden solche Grundsatzprobleme wie Sie sie aufwerfen. Die gleiche Thematik der Werteabhängigkeit trifft nämlich auf alle Felder zu, sofern diese nur ein wenig komplexer sind. Man kann beliebig argumentieren, dass man "Gesundheit" nicht definieren kann ausser durch "Gutdünken", und dass man sowieso irgendwann stirbt, also wäre jede Gesetzgebung mit Grenzwerten von Giften in der Nahrung überflüssig, zumal häufig die Dosis macht, was ein Gift ist, und gar manches Gift in Spezialfällen sogar Medizin ist. Früher hat man radioaktive Radiumquellen in Kurbädern propagiert, weil diese für bestimmte Leiden gut sind, heute ist Radioaktivität in Nahrung und direkter Umgebung des Menschen verboten. Deswegen die Medizin und Toxikologie als "Gutdünken" zu bezeichnen geht aber auch nicht. Es ist erstaunlich wenig "Gutdünken" im Naturschutz, wenn man sich nur wirklich tief einarbeitet, verschwinden manche Zweifel, die bei overflächlicher Betrachtung vielleicht auftreten. Auch müsste man sonst alle Kunstförderung einstellen, denn was "Kunst" ist, darüber kann man trefflich streiten. Dennoch gibt es selbst da viele Fälle, wo es objektivierbar ist, etwa dass die Mona Lisa "Kunst" ist, auch wenn allgemeinverbindliche Wrete, wo "Kunst" beginnt und wo sie aufhört, sicher auch als "Gutdünken" bezeichnet werden könnten. In diesem Sinn wird unser ganzes Leben und die meisten Gesetze allein aufgrund von "Gutdünken", sprich Wertesetzungen begründet, nehmen Sie nur mal das "Gutdünken", welche Aktivitäten "gerecht" und welche "kriminell" sind, was sogar in verschiedenen Ländern ganz verschieden ist, also nach Ihrer Terminologie "Gutdünken". Das ist keineswegs spezifisch für den Naturschutz, sondern für alle Werte-abhängige Gesetze, und das sind fats alle, etwa alle Strafgesetze..
(30.08.2017, 09:03)
Michael Mettler:   @Hystrix: Ja. Ist eben alles eine Frage, wie der Mensch nach seinem Gutdünken die Rollen von Gut und Böse unter anderen Lebewesen verteilt - auch im Artenschutz.

Konsequent umgesetzt müsste im Grunde die Gartenkultur von nicht einheimischen, aber in europäischen Klimazonen vermehrungsfähigen Pflanzenarten (man überlege nur mal, wie viele das sind!) komplett untersagt werden, weil sich jede von ihnen durch Aussaat, Ableger, Wurzelrisslinge oder andere Teilstücke auch außerhalb von Gärten ansiedeln und eine ähnliche Karriere wie Riesenbärenklau & Co. machen könnte - irgendwann mal. An den Ortsrändern in meiner Umgebung kann man immer wieder auf Stellen treffen, wo offensichtlich mal jemand seine Gartenabfälle "wild" entsorgt hat und wo jetzt nette Bestände nicht-heimischer Pflanzen wachsen - teilweise intensiv besucht von heimischen Insekten.
(29.08.2017, 21:07)
Hystrix:   Da haben Sie natürlich recht, aber mit dieser Argumentionsschiene kann man Alles relativieren. So gestattet die Zerstörung des Regenwaldes zugunsten von Ölpalmenplantagen sicher unzähligen Arten von Unkräutern oder von Kulturfolgern wie Ratten und Kakerlaken ungeahnte neue Möglichkeiten, und vielleicht entsteht ja langfristig dadurch eine neue Rattenart aus der Wanderratte auf einer früheren Regenwaldinsel in Indonesien. Auch würde die komplette Betonierung des Schwarzwaldes vielen Moosarten, die nur in Pflasterritzen zwischen Steinen gedeihen, Auftrieb geben, darunter eventuell sogar einigen Arten der roten Liste, die sonst nur in seltenen Felsaufrissen wachsen.
(29.08.2017, 20:30)
Michael Mettler:   Arten wie Indisches Springkraut (alias Balsamine), Riesenbärenklau (alias Herkulesstaude) und Staudenknöterich sind für mich Beispiel dafür, wie auch Naturschutzinteressen miteinander kollidieren können. Den invasiven Charakter dieser Pflanzen will ich überhaupt nicht bestreiten. Andererseits ist gerade das Wehklagen über das Bienensterben und den allgemeinen Rückgang der Insektenfauna groß, und alle diese Pflanzen verdanken ihre Ausbreitung wohl auch gezielten Anpflanzungen durch Imker in den vergangenen Jahrzehnten, da sie mengenweise Nektar liefern und mit ihren Blütezeiten Versorgungslücken für die Bienen schließen, wenn der Blühkalender der heimischen Flora Durststrecken liefert. Vom fremdländischen Nektarangebot profitiert dann aber nicht nur das Nutztier Honigbiene, sondern auch eine ganze Menge von "Wild"insekten. Zeitgleich mit der geplanten Ausrottung der Invasiven müsste dann also eine großflächige "Wiederaufforstung" mit heimischen Blütenpflanzen gleicher Blütezeit (!) erfolgen, wenn der Insektenbestand nicht noch zusätzlich geschwächt werden soll.

Diverse Websites über Bienennährpflanzen (übrigens seit einiger Zeit aktuelles Modethema unter Gartenliebhabern) gehen mit dem Thema sehr ambivalent um. Zwar findet man bei verschiedenen der gelisteten Arten durchaus den Hinweis, dass eine Anpflanzung wegen des invasiven Charakters nicht empfohlen werden kann, aber anderer Stelle im Text dann auch Wertungen, dass die gleiche Pflanze "wertvoll" oder "wichtig" für Bienen sei. Der Leser "darf" sich also selbst entscheiden, welche Seite des Artenschutzes er priorisieren soll... Selbst wenn der eigentliche Handel mit den gelisteten Pflanzenarten unterbunden wird, wird die Selbstversorgung mit Vermehrungsmaterial aus verwilderten Beständen oder aus Privatgärten (also von Liebhaber zu Liebhaber) sicherlich noch für lange Zeit leicht durchführbar sein.
(29.08.2017, 09:46)
Hystrix:   Von Ihren vermissten Arten stehen tatsächlich das Indische Springkraut und er Bärenklau bereits auf der Liste, und der Götterbaum ist zur Nachlistung 2018 vorgeschlagen. Die Robinie wird seit Anfang an erörtert, aber Ungarn läuft Sturm dagegen. Beim Staudenknöterich ist problematisch, das man ihn ohne Gift kaum bekämpfen kann und wohl alle Angst haben, einer hysterischen Öffentlichkeit und alleswissenden Medien erklären zu müssen, dass in freier Landschaft Herbizid eingesetzt wird.

Das EU-Gesetz an sich nannte keine einzige Art, setzte nur den Rahmen. für die Listungen entscheidet überhaupt nicht das Parlament, sondern allein die Fachverwaltungen der EU-Staaten nach Mehrheit. Dafür ist Voraussetzung, dass die Arten zunächst von einem Staat vorgeschlagen wurden, was dauerhaft möglich ist, dann wird darüber beraten und abgestimmt. Ich denke schon, daß im Lauf der Jahre die Robinie noch draufkommt, auch die Staudenknöteriche. Deutschland glänzt übrigens seit Beginn dadurch, keine einzige Art vorgeschlagen zu haben, man drückt sich.

Es sind alles politische Entscheidungen, und oft stehen Interessen dagegen. Wenn sogar einige Zoofreunde schon meinen die Welt geht unter, wenn sie zukünftig im Zoo statt Schwarzkopfruderenten halt Weißkopfruderenten anschauen müssen und wegen so viel Unglück lospoltern, ist doch verständlich, daß ein Staat wie Ungarn, dessen Forste weithin nur noch aus kultivierten Robinien bestehen, die auch aktiv als manchmal einziger Waldbaum gepflanzt werden, gegen ein Verbot mauert. Man muß sich mal anschauen was unser Staat für Kopfstände wegen Dieselautos macht und sich erst von den eigenen Gerichten zu Fahrverboten zwingen lassen will, um die selbst verordneten Grenzwerte einzuhalten als auf Befolgung dieser selbst erlassenen Gesetze zu dringen. Da ist doch kein Wunder, dass es Zeit dauert, bis ein Staat wie Ungarn auf seine seit Jahrzehnten geübte Forstwirtschaft verzichten will. Dahinter stehen Millionen und wahrscheinliche 100e Millionen Einbußen, wenn man die bisher liebevoll kultivierten Robinien nicht mehr verkaufen darf, da ist die Aufforstungsarbeit von vielen Jahren kaputt und wertlos. Bei uns ist die Douglasie so eine heilige Kuh, für die sich sogar Politiker brav die Lobbies bedienend aussprechen, obwohl sie vorher wahrscheinlich niemals von einer Douglasie gehört haben und gar nicht wissen, was das ist, außer dass sie auf keinen Fall gelistet werden dürfe.

Das ist ähnlich beim Mink als wirtschaftlich überragend wichtigem Pelztier. Es ist eine große Überraschung wie schnell die EU fortschreitet und schon fürs nächste Jahr über den Mink abstimmt. Das hätte von den Insidern niemals erwartet, dass so viel Glaubwürdigkeit möglich wäre gegen den Lobbydruck. Es läuft viel besser als befürchtet.

(25.08.2017, 14:49)
Tim Meschke:   Ich bin ein wenig hin und hergerissen in meiner Meinung über die Liste.
Es kann doch nicht sein, dass Arten wie Götterbaum, Essigbaum, Robinie, Riesen-Bärenklau, die Staudenknöteriche, Schmetterlingsflieder und Springkraut (das ich persönlich sehr attraktiv finde) nicht gelistet werden, die schon seit Jahrzehnten z.T. sehr starke Probleme bereiten, aber man über Arten wie Haubenmaina, Braune Nachtbaumnatter und Fuchskusu nachdenkt, die in keinster Weise in Europa vorkommen und es auch keine Anzeichen davongibt, dass sie es in naher Zukunft werden.

Weiß eigentlich jemand wie das Fuchshörnchen auf diese Liste gekommen ist? Finlayson-Hörnchen gibt es ja in Italien, Pallas-Hörnchen in Frankreich und Belgien und Streifenhörnchen in Deutschland, Österreich, Benelux und Schweiz. Aber vom Fuchshörnchen habe ich bisher keine Vorkommen in Europa mitbekommen.
(25.08.2017, 12:15)
Hystrix:   Trotzdem bleibt die Tatsache, dass das Verbot einzelner Arten ja an sich überhaupt kein Problem ist außer für Zoos, die keinen Ersatz beschaffen können, weil sie zu arm oder zu klein sind. Es gibt Dutzende Hirschtaxa und hunderte Anseriformes, die nirgendwo auf der Welt gehalten werden, und als hoch attraktiver Ersatz herangezogen werden könnten. Warum macht der VDZ oder die EAZA nicht eine Aktion, von sich aus auf problematische Arten freiwillig zu verzichten und dafür in gemeinsamer Anstrengung ganz neue Arten zu importieren, die allen heutigen Bedürfnissen entsprechen? So wird es zunehmend bei Zierpflanzen gemacht, auf mehreren kleinen Inseln berät der Verein "island conservation" Behörden und Gartenbesitzer, wie sie attraktive Zierpflanzen bekommen können ohne Arten zu pflanzen mit hohem Invasionspotential. Es gibt immer Ersatz.

Problem sind immer die kleinen, die Nicht-EAZA-Zoos sowie die EAZA-Zoos, die Naturschutz nur als Lippenbekenntnis heucheln, v.a. aber die kleinen Tierparks als Hungerleider, die mit dem auskommen müssen was sie kostenlos selbst züchten oder als Überschuß von anderen kriegen. Natürlich macht es für einen kleinen halb-bankrotten Heimtierpark einen Unterschied, mit den Waschbären vielleicht sein attraktivstes Gehege zu verlieren, und man muss Phantasie aufbringen einen Ersatz stemmen zu können. Aber das ist eher ein soziales Problem denn ein grundsätzliches, an sich gibt es Ersatz in Hülle und Fülle.

Jüngst hörte ich, der Zoo Dresden gab ?übrigens ohne die Tränendrüse zu bemühen und einen Weltuntergang heraufzubeschwören- seine Heiligen Ibisse ab und ersetzt sie durch Glatzenrappe. Welche glückliche Entscheidung auch für die Besucher, sie bekommen einen schrill aussehenden Vogel, vor dem auch ein Unkundiger eher mal stehen bleibt als vor einem hundsgewöhnlich aussehenden schwarzweißen Ibis, und die Art ist zudem bedroht und macht auch für das Image des Zoos Sinn sie mit zu erhalten. Welch schöne Entwicklung, so kann es aber immer sein. Ich wiederhole: Von den knapp 50.000 Arten der Wirbeltiere sind sicher nur 1/50 oder 1/40 überhaupt in irgendeinen Zoo der Welt zu sehen, da muß ich doch nicht jammern, einmal ein wenig austauschen zu müssen und mich neu zu organisieren.

Noch weiter gedacht: Ich halte es sogar für möglich, dass die EAZA ein LIFE-Projekt von der EU bezahlt bekäme, um Ersatz zu finden. Gartencenter in Belgien kriegten vor Jahren Geld, um hochinvasive Zierpflanzen durch ebenso oder noch attraktivere Arten zu ersetzen, die ökologisch weniger bedenklich sind. Man stelle sich vor, die EU zahlt Geld, damit sagen wir für das grobe Dutzend bisher verbotener Arten ein Dutzend hoch attraktive EEPs neu entstehen können. Das wäre doch mal ein proaktiver Ansatz, anstatt von Zooseite gegen Artenschutz zu stänkern
(17.08.2017, 20:48)
Michael Mettler:   @Hystrix: Was die Besucherattraktivität der Tierart Chinamuntjak oder Schwarzkopf-Ruderente betrifft, stimme ich durchaus zu. Dennoch haben m.E. vor allem einige der kleineren Säugetierarten durchaus Bedeutung erlangt, wie man allein an der Zunahme ihrer Haltungen in den letzten Jahrzehnten sehen kann. Als ich in den frühen 80er Jahren anfing, andere deutsche Zoos zu besuchen, waren Arten wie Nasenbär und China-Muntjak relativ selten zu sehen (übrigens auch Zwergotter, Kattas und Erdmännchen, die heute selbst in Kleinzoos zum Standard gehören). Der Aufschwung solcher Tiere ging m.E. Hand in Hand mit der Präsentation in naturnah gestalteten Anlagen statt in den früher üblichen Kleintierkäfigen und -gruben und maschendrahtumzäunten Sandflächen. Attraktiv für das Publikum ist in solchen Fällen häufig wohl weniger die Tierart an sich (ich kann mich von früher her jedenfalls nicht an Entzückensbekundungen von Besuchern angesichts von gekäfigten Kattas oder Nasenbären erinnern, selbst Erdmännchen galten Manchen als "eine Art Ratte") als viel mehr das Zusammenspiel von Tierart und Landschaftsgehege als Schau-Einheit und Kontrast zu den noch immer häufig kahl wirkenden Anlagen von Publikums-Zugtieren wie Elefant, Nashorn, Giraffe und Zebra.

Insofern kann ich das Dilemma der Zoos durchaus verstehen. Die genannten Publikumslieblinge bilden zwar das Rückgrat der Zoobestände, sind aber gleichzeitig auch die Lieblinge der Zookritiker. Und jetzt geraten eben auch noch kleine Arten auf eine gewisse Weise in die Kritik, die bisher zudem relativ frei von bürokratischen Zwängen gehalten und gezüchtet werden können und bei denen man nicht mal von Entscheidungen eines Koordinators abhängig ist. Der Vorteil einiger dieser Arten, mit den europäischen Klimazonen gut zurecht zu kommen und deshalb die meiste Zeit des Jahres - wenn nicht sogar ganzjährig - in ansprechend gestalteten Anlagen präsentiert werden zu können, droht sich ins Gegenteil umzukehren, da die Klimapassung gleichzeitig auch das Potenzial für eine Etablierung freigekommener Artgenossen bilden kann. Dass sich da Sorgen bilden, wohin sich die schwarze Liste in Zukunft noch ausdehnen könnte, kann ich nachvollziehen. Und wenn die Entscheidungsträger tatsächlich ihre Beispiele auch in Übersee suchen sollten, um Präventivmaßnahmen vorzuschlagen...

Die Grünen Meerkatzen auf den Antillen sind bestimmt nicht die einzigen problematischen Invasiv-Primaten. Die Javaneraffen auf Mauritius haben doch durch den Nestraub bei vielen endemischen Vogelarten traurige Bekanntheit erlangt und sind bestimmt nicht so leicht wieder auszurotten. Ich habe vorhin kurz zum Thema gegoogelt, der Javaneraffe soll auf der Liste der 100 gefährlichsten Invasivarten weltweit stehen. Die spannende Frage wäre, ob Primaten nur deshalb noch nicht für Präventivlistungen ins Auge gefasst wurden, weil ausgerechnet die Arten mit dem vermutlich größten Invasivpotenzial (Paviane und Makaken) noch immer große Bedeutung für Tierversuche haben dürften und deshalb ähnlich den Pelztieren eine Lobby besitzen könnten....?
(17.08.2017, 20:01)
Hystrix:   Sacha:
Von den Pavianen in Andalusien hatte ich gehört, bin aber skeptisch, dass man einen solchen Fall listen würde. Alle bisher gelisteten Arten haben zwei Eigenschaften: Erstens sind sie schwer bis sehr schwer zu bekämpfen, weil sie ein hohes Vermehrungspotential haben und/oder versteckt leben, so dass sie nur mit großem Aufwand auszumerzen sind. Das ist bei den tagaktiv im Offenland lebenden Affen mit ihrer langen Generationszeit und Einzeljungen nicht der Fall. Sie sind sehr leicht zu finden und ohne Zeitdruck durch wenige Jäger und kostengünstig wieder loszuwerden, auch ohne EU-Maschinerie. Dieses Argument dürfte auch bei der Ablehnung der Listung des Bisons eine Rolle gespielt haben, solche Arten haben einfach keine EU-weite Bedeutung, selbst wenn man sie vor Ort bekämpfen müsste. Zweitens haben alle bisher gelistete Arten enorme ökologische oder wirtschaftliche Nachteile. Paviane sind Allesfresser im Kulturland, die nehmen alles was sie finden und in Spanien mit Vorliebe Kulturpflanzen und menschliche Abfälle, werden also kaum bis gar nicht eine Beutetierart gefährden. Die einzigen Affen, von denen ich weiß dass sie ökologische Schäden anrichteten sind die auf einen sehr winzigen Antilleninseln ausgesetzte Grünen Meerkatzen, aber eben nur weil auf Inseln von wenigen Hektar Größe auch solche Allesfresser natürlich bestimmte Beutearten wie endemische Großinsekten oder Schnecken schon stören können, wenn diese nur in winzigen Arealen vorkommen. Aber bereits auf Inseln der Größe von Ibiza oder Elba wäre das nicht oder kaum der Fall.

Ich bin auch skeptisch, ob der Fuchskusu wirklich gelistet wird. Ihn gibt es wahrscheinlich nirgends in der EU, und nur weil er in Neuseeland ein arger Schädling ist scheint mir zumindest keine Garantie zu sein, dass sich mehr als 16 Mitgliedsstaaten gegen ihn aussprechen. Es genügt ja nicht, dass eine Art in Europa überleben können muss, sie muss zusätzlich den Aufwand und die Kosten einer Listung rechtfertigen.


Michael Mettler:
Der Ausdruck "keine echten Zootiere" ist sicher zu lax und verfänglich, aber was ich meinte sind Arten, die für die Institution Zoo keine große oder gar keine Bedeutung haben. Fragen Sie doch mal einen Besucher, der den Zoo Berlin verläßt, wie die Schwarzkopfruderenten oder die China-Muntjaks aussahen, an denen er gerade vorbeigelaufen ist. Ich würde mich wundern wenn man bei einer Umfrage einen Nachmittag lang auch nur einen Zufallsbesucher antreffen würde, der diese Arten aktiv und bewußt wahrgenommen hat und sich erinnert. Wenn man Glück hat erinnern sich einige an die "Rehe", mit denen sie die Muntjaks verwechselet haben, oder sie meinen es waren Gebirsgziegen,.

Wenn man bei einem größeren Zoo von insgesamt 500 Arten ausgeht, sind das nur etwa 1% der Wirbeltierarten der Erde, d.h. das hervorstechende Wesensmerkmal eines Zoos sind v.a. die Masse derjenigen Arten, die er nicht zeigt, nämlich rund 99% allein der Wirbeltiere. Bei Wirbellosen ist der Prozentsatz noch geringer. Da ist eigentlich die Artenauswahl recht unwichtig, denn die meisten werden immer nicht gezeigt. Nur ganz wenige, und die meinte ich mit "echte Zootiere", gehören wirklich dazu, wie Elefanten, Großkatzen, Menschenaffen und einige Dutzend weitere. Diese werden aufgesucht, wahrgenommen, wiedererkannt. Ob von den 300 Arten Gänsevögel ausgerechnet die Schwarzkopfruderente gezeigt werden muss, damit die Welt eines Zoofreundes sich nicht eintrübt, oder ob man an ihrer Stelle nicht genauso gut eine der 200 sowieso nicht gezeigten anderen Enten und Gänse zu sehen kriegt, scheint mir weitgehend wurscht zu sein. Man müsste schon viele Tausende Arten listen und verbieten, bis Zoos in die Verlegenheit kämen, kein ansprechendes Angebot mehr ausstellen zu können.

(17.08.2017, 19:05)
Michael Mettler:   @Hystrix: Was sollen denn nun wieder "echte Zootiere" sein? Sind Arten wie z.B. Nasenbär, Zwergmuntjak und der andiskutierte Axishirsch keine...?

Zu den "nachweislich irgendwo invasiven" Arten gehört z.B. der Javaneraffe (siehe Mauritius), und wenn man - wie beim Streifenhörnchen weiter unten im Thread diskutiert - die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen als Schaden definiert, dann müsste man wohl auch den Rhesusaffen nach Erfahrungen in den USA dazu rechnen. Wenn es doch der Fuchkusu zur Kandidatur für die Liste geschafft hat, obwohl er bisher "nur" in Übersee Schaden angerichtet hat, dann würde das Kriterium auf die beiden Makakenarten ebenfalls zutreffen. Und daran, dass die zumindest in den südlichen EU-Staaten im Freiland gut zurecht kämen, hätte ich wenig Zweifel.
(17.08.2017, 18:30)
Sacha:   @Hystrix: Das stimmt leider nicht so ganz. Es gab bis vor ca. 15 Jahren eine Pavianpopulation in Südspanien, die aus einem Safaripark (m. W. nicht EAZA-Mitglied) stammt, sich nicht nur etablierte, sondern auch wuchs und Schäden anrichtete, so dass von Behördenseite eingegriffen und die Tiere eliminiert werden mussten.
Hinweis u. a. hier: https://www.iberianatureforum.com/index.php?topic=2837.0


(17.08.2017, 14:32)
Hystrix:   Sacha:
Ich glaube Sie machen sich viel zu viele Sorgen. Die EU-Liste ist eine "schwarze Liste", d.h. es werden nur Arten aufgenommen, die nachweislich bereits irgendwo invasiv sind und Schäden verursachen. Das trifft für Ihre Affenarten nicht zu und für die meisten echten Zootiere auch nicht.

Ich selbst gehe auch davon aus, dass noch einige Jahre im bisherigen Tempo weitergelistet wird, aber schon allein aus Kostengründen kann das nicht unbegrenzt weitergehen. Das Management dieser Arten ist unerhört teuer. Ganz neu wurde ein LIFE-Projekt gegen invasive Lurche genehmigt, allein das sind Miillionen nur gegen wenige Vorkommen von Ochsen- und Krallenfrosch in Frankreich:

http://www.life-croaa.eu/en/home/

Wenn man die bisherige EU-Liste ernst nimmt und was tut, sind das allein Hunderte Millionen Euro, und das auf viele Jahre. Übermut und Fließbandlistung kommen das bald an eine Grenze.

(17.08.2017, 12:10)
Sacha:   Das traurigste daran ist, dass es wohl leider noch lange nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Abgesehen davon finde ich es ziemlich anmassend, von "völlig unwichtigen Arten" zu sprechen, denn gerade für kleinere Zoos und Tierparks sind etwa Waschbären und Südamerikanische Nasenbären als Publikumsmagneten durchaus nicht unwichtig.
Und nein, es sind gegenwärtig nicht genügend Weissrüssel-Nasenbären vorhanden, um den Bedarf zu decken (zumal diese ja als verwandte Art auch bald auf der Liste landen könnten).

Wenn ich mir so ansehe, wie in den dafür zuständigen Kommissionen und Gremien gewichtet wird (Arten in Zoos verbieten wichtiger als bereits vorhandene invasive Arten in der Natur auszurotten) denke ich eher, dass nicht die Zooverantwortlichen Amok laufen, sondern die sogenannten Experten, die diese Liste zu verantworten haben.

Übrigens: Was diese Experten können, kann ich schon lange. Ich wähle hierfür aus Zeitgründen mit den Primaten nur eine Ordnung, aus der es nur wenige potenzielle Kandidaten hat. Trotzdem fallen mir ad hoc gleich vier ein;

Magot
Japanmakak
Mantelpavian
Bärenpavian

Und jetzt stellt Euch bitte mal vor, was abgeht, wenn Ihr noch die potenziellen Kandidaten unter den Raubtieren und vor allem Nagetieren dazunehmt, dazu die nicht tropischen Vögel und ggf. auch Reptilien. Muss nicht der Mississippi-Alligator in ganz Europa verboten werden, weil er sich rein theoretisch - wenn man sein nördlichstes Verbreitungsgebiet Virginia als Masstab nimmt - z.B. in Spaniens Guadalquivir etablieren könnte? Oder was ist mit dem Nilkrokodil, welches z.B. im Zoo von Lissabon das ganze Jahr über im Freien gehalten wird? Oder all die Schlangenarten aus dem nördlichen Nordamerika? Nicht wenige davon dürften wesentlich grösseren Schaden verursachen können als einige der bereits gelisteten Arten.
Aber wie Hystrix ja so schön geschrieben hat, kann ja die Liste immer wieder ergänzt werden. Und dann merkt man vielleicht plötzlich, das auch die bislang in ihrer Existenz bedrohten Fremdarten invasiv sein können, nimmt sie ebenfalls auf die Liste (Rechtssicherheit gibt es ja nicht mehr) und das wars dann mit den Zoos in Europa.
(17.08.2017, 01:12)
Hannes Lueke:   Der Vietnam Sika ist gelistet und in freier Wildbahn wohl ausgerottet. Danke EU, sehr großzügig Jahrzehnte von Zooarbeit nicht zu zerstören da Zoos sehr aufwendig bei der EU Ausnahmen beantragen dürfen. Geforderte Vereinfachungen für Zoos und Ausnahmen für Auffangstationen wurden abgelehnt. Privathalter sind auch komplett raus. Es wurde ebenso geklärt, dass die Tötung nicht gegen das Tierschutzgesetz verstößt
(16.08.2017, 22:00)
Hystrix:   Wir sollten aufpassen, nicht durch Gerüchte erneut zu verunsichern und unbedachte Zoos nicht schon wieder auf die image-schädigende Welle aufspringen zu lassen, Amok gegen den Naturschutz zu laufen, nur weil sie auf ein paar völlig unwichtige Arten zu verzichten ist. Es hat genug selbsternannte ?Experten? gegeben, die in Zeitungen den mühsam aufgebauten Ruf der Zoos als Naturschützer durch Falschmeldungen geschädigt haben.

Die von Adrian Langer jetzt eingestellten Texte sind eine Stellungnahme des Bundesrates vom März, die schon deswegen Schnee von gestern sind, weil inzwischen längst entschieden wurde und auch der Bundesrat selbst im Juli auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet hat. Insofern sind die Bedenken dieser Texte überholt. Geblieben ist der Bundesrat allerdings auch am Ende bei seiner Kritik, Jäger nicht allein schon weil sie das Jagdrecht ausüben aufgrund ihrer Hegepflicht zu Eradikationen verpflichten zu können. Das ist aber nur der vom Bundesrat ausgedrückte Dissens zur Bundesregierung, der den Bundesrat trotzdem nicht davon abhielt, trotz dieser abweichenden Meinung zuzustimmen.

Ich vermute auch, dass selbst wenn man von einigen naturschutzfeindlichen Betonköpfen in einzelnen Bundesländern auf Lockerungen bestanden hätte, um sich durch Populismus beliebt zu machen, es völlig wirkungslos wäre, weil der Bundesrat für die Gesetzesinhalte gar nicht gefragt ist. Das macht allein die EU, auch die Bundesregierung hat lediglich erlassen, wie im Rahmen der föderalen Ordnung ausgeführt wird, was inhaltlich allein die EU bestimmte. Deutschland muss ausführen, nicht ändern.

Der Bundesrat vom März hatte aber recht mit seiner Kritik, dass der Ausnahmetatbestand vom Haltungsverbot der ex situ-Erhaltung auslegungsfähig sei. Das könnte man in der Tat so verstehen, dass Zoos etwa Waschbären weiter züchte dürften, allein um deren Bestand ex situ zu erhalten. Inzwischen hat die EU das aber geklärt, unter dieser Ausnahme gilt lediglich und allein die Erhaltung einer tatsächlich im Freiland bedrohten Art, die auf einen Zoobestand angewiesen ist. Das gilt laut EU explizit für keine einzige der bisher gelisteten Arten, auf alle diese af der bisherigen Liste müssen Zoos verzichten.

Die Kritik des Bundesrates, das Gesetz verstosse gegen deutsches Recht, weil nach diesem mehrere der nunmehr gelisteten Arten ?heimisch? seien, ist nur peinlich. Wer hatte diesen biologisch unsinnigen Mist denn damals ins deutsc he Recht geschrieben? Ich meine, dass Robinie als heimisch gilt aber Wisent, Braunbär oder Waldrapp nicht. Damals hatte man doch in Deutschland Liebedienerei aus Angst vor der Öffentlichkeit gemacht und im Gesetz gelogen. Jetzt muss halt das deutsche Recht geändert werden, EU-Recht geht vor. Was für ein Glück dass es die EU gibt, sonst würden sich solche heimtückischen Lokalfürsten niemals bewegen.

(16.08.2017, 21:47)
Sacha:   Da kann ich für einmal nicht widersprechen.
(13.08.2017, 13:36)
Hystrix:   Das weiss ich nicht, aber wahrscheinlich müsste diese Frage erst aufwendig vor Gericht geklärt werden. Zunächst kann man zwar nur das betroffene Volk, in diesem Fall alle EU-Bürger belangen, denn nur für sie gilt ein Gesetz der EU oder der EU-Staaten. Im Fall der Schweiz ist das aber kompliziert, denn die Schweizer sind zwar sehr stolz auf ihre Nichtzugehörigkeit, faktisch stimmt das aber oft nicht, denn um beim Handel nicht ausgegrenzt und wirtschaftlich kaputtgemacht zu werden hat sich die Schweiz in unzähligen Abkommen an die EU gebunden. Sie muss eine ganze Menge EU-Bestimmungen völlig umsetzen, und ihre Unabhängigkeit beschränkt sich nicht selten auf den Nachteil, EU-Gesetze ausführen zu müssen, an deren Zustandekommen in Brüssel sie nicht mitreden konnte. Inwiefern auch Umweltgesetze daher trotzdem auch die Schweiz ganz oder teilweise Gültigkeit haben, dürfte nur im Einzelfall in aufwendiger Prüfung deutlich werden.
(11.08.2017, 18:21)
Michael Mettler:   Wie sähe eigentlich die rechtliche Situation in Sachen potenziellen Schadenersatzes aus, wenn die Waschbären aus dem Nicht-EU-Land Schweiz nach Frankreich eingewandert wären...?
(11.08.2017, 17:23)
Hystrix:   Laut Jahresbericht der französischen Jagdbehörde haben sich zusätzlich zu den aus Deutschland nach Lothringen einwandernden Waschbären in den letzten Jahren zwei zusätzliche neue Populationen entwickelt, im Zentralmassiv und im Südwesten. Jetzt will man mit genetischen Markern prüfen, woher diese kommen. Das kann spannend werden, mal sehen ob man wirklich die schuldigen Halter dingfest machen kann und ob diese dann zahlen müssen.

Immerhin sind das nach den beiden spanischen Neukolonisationen der letzten Zeit bereits 4 weitere Pionierbestädne allein in den kletzten 10 jahren nur in zwei Ländern westlich von Deutschland.
(11.08.2017, 15:38)
Hystrix:   Diese von Ihnen jetzt zitierte Liste aus meinem früheren post inklusive der Nachtbaumnatter entstammen einer Planungsstudie eines Instituts, die von der EU in Auftrag gegeben wurde. Die Studie sollte Arten nennen, die derzeit nicht oder fast nicht in der EU verwildert sind, wohl aber drohen es zu werden wenn man nicht aufpasst, und die dann invasiv wären. Das ist also zunächst nur eine unverbindliche Artensammlung von Wissenschaftlern. Von dieser sind für die nachlistung 2017 und 2018 bereits einige Arten ausgewählt und ins offizielle Verfahren der Listung einbezogen worden. Der Fuchskusu, der für 2018 zur Beratung ansteht, stand beispielsweise in dieser Studie. Soweit mir bekannt ist, ruht aber bislang die Nachtbaumnatter noch allein auf dieser Liste des Instituts und für sie wurde im Gegensatz zum Fuchskusu kein Verfahren eingeleitet. Dieses setzt voraus, dass ein EU-Staat oder die Kommission selbst die Art als so bedrohlich empfindet, dass sie für eine Listung vorgeschlagen wird. Erst danach läuft das risk assessment, die darauf aufbauende Beratung aller EU-Länder und am Ende die Abstimmung an. So weit ist meines Wissens bisher keine Schlange gedrungen, für keine wurde das Verfahren eröffnet. Da aber offenbar diese Planungsliste allmählich "abgearbeitet" wird kann gut sein, dass in Zukunft auch für die Nachtbaumnatter das Listungsverfahren eröffnet wird.

(01.08.2017, 19:38)
Sacha:   @Hystrix: Da komme ich jetzt nicht mehr mit. Erst schreiben Sie:

"denn auch die meisten Arten der ersten Erweiterung 2017 waren bereits auf dieser Liste:

Axishirsch
Bison
Nandu
Haubenmaina
Russbülbül
Rotohrbülbül
Alexandersittich
Nachtbaumnatter!!!!!!!!!!!
Feuerbauchmolch
China-Schlammpeitzger"

und dann:

"Ich glaube, bisher war keine Schlange vorgesehen."

Was gilt denn nun?
(01.08.2017, 17:49)
Hystrix:   W. Dreier:
Der Götterbaum ist bisher nicht gelistet, wird aber für die zweite Nachlistung 2018 derzeit erwogen. Sie finden seine erste Risikobewertung, die derzeit beraten wird, hier:

https://circabc.europa.eu/faces/jsp/extension/wai/navigation/container.jsp

Sie sprechen das Hauptproblem an: wenn man den Götterbaum umsägt, treibt er freudig aus, fast üppiger als vorher wieder aus. Er ist letztlich nur zu bekämpfen, wenn man entweder über viele Jahre immer wieder absägt, bis die Wurzel erschöpft ist und man selber auch, oder aber Herbizid ins Holz spritzt. Das geht gut, wird aber bei uns fast schon reflexhaft von Vielen abgelehnt. Dennoch geht es auf kleiner Fläche bis zur völligen Beseitigung, es gab gerade ein EU-LIFE-Projekt auf der Nationalpark-Insel Montechristo im MItelmeer, wo er alles überwuchert hatte. Das sind aber nur wenige Quadratkilometer.

Im Tierpark Berlin grüßt auch die Robinie, die ebenfalls nach Absägen reich nachtreibt. Sie wächst im Tierpark v.a. auf Trümmerschutt, den sie mit Stickstoff anreichert und somit den Boden für andere aggressive Pflanzen düngt. Sie müsste auch gelistet werden, nicht dass man sie wieder ganz aus Europa loskriegen würde, aber vielerorts wird sie immer noch gezielt aufgeforstet, das müsste nun wirklich nicht sein und würde nach Listung entfallen. Die Robinie hat aber in Ungarn Freunde, denn dort gibt es vielfach gar keinen Wald mehr ? außer Robinien. Dort schrie eine Imkerlobby laut auf, und man drohte seinerzeit genau wie Dänemark im Fall des Minks von ungarischer Seite aus, das gesamte EU-Gesetz nicht durchgehen zu lassen, aus Angst, irgendwann könne die Robinie gelistet werden.


Sacha:
Ich glaube, bisher war keine Schlange vorgesehen. Darüber abgestimmt und abgelehnt wurde keine, das hätte man gehört. Für 2018 habe ich auch nichts gehört, aber da ist noch nicht alles publiziert. Es sind aber sicher irgendwann einige im Kommen, weil man in Südeuropa derzeit sehr viel Geld ausgibt, um die Kettennater und die Hufeisennatter zu bekämpfen, beide auf Inseln, wo sie bei endemischen Reptilienarten aufräumen (balearen, Kanaren). Die dürften aber aus privaten Haltungen ausbreissen sein.
(31.07.2017, 19:51)
W. Dreier:   pardon - die Blätter sind paarig!
(31.07.2017, 09:44)
W. Dreier:   @Hystrix; Ich darf etwas aus dem zoologischen Rahmen fallen, doch betrifft dies die Bepflanzung auch zoologischer Einrichtungen - dies wäre der Götterbaum (Ailanthus), der u. a. in den Freianlagen des Tierparkes z.B: des ABH, angepflanzt wurde. Anläßlich der Vorbereitung einer botanischen Führung wurde mir gesagt, dass man z. B: gegenwärtig bezüglich des Weges zwischen Dickhäuteranlagen und Zebraanlagen doch besser auf eine Bepflanzung verzichtet hätte. Ailanthus ist an günstigen Wärmepunkten fast nicht mehr ausrottbar und durch die intensive Schoß-Wurzelvermehrung (als Klon) in kurzer Zeit vom ``Mutterbaum`` (Ailanthus ist allerdings zweihäusig) bald hunderte Meter weiter vorzufinden. Ich beobachtet dies vor ca 40 Jahren vor einem repräsentativen Gebäude unweit meines Institutes. 4 Bäumen am Eingang mit prächtigen unpaarigen Fiederblättern wurden im Frühjahr die Äste abgesägt - woraufhin schnell neue befiederte Äste in Form eines Busches gebildet wurden. Hübsch. Nach wenigen Jahren krochen in der Umgebung des Institutes, der Charitè etc. die Schößlinge aus allen Ecken - speziell aus Kellerfenstern.
Der Götterbaum wurde wegen der malerischen Wirkung, speziell aber wegen des ungemein resistenten Verhaltens gegenüber allen Schädigungen der Städte durch Staub, Gase, Trockenheit etc. angepflanzt.
Gerade durch das Eindringen in Mauerritzen kann er zum Zerstören von Grundmauern führen. In Berlin kann man ihn nun kilometerweit an allen Bahnlinien sehen.
Übrigens: einige Großstädte -wohl auch Bern und Wien - sind bei der Vernichtung - großer Einsatz - noch wenig Erfolg.

Anfrage: steht Ailanthus auch auf einer Negativ-Liste?

Noch dazu ein ähnlicher Fall: an den Autostraßen Schwedens bemüht man sich um die Ausrottung der aus Kanada stammenden Lupine - in großen Beständen blühte sie dort. Durch bestimmte giftige Alkaloide ist sie für die Viehzucht nicht gerade geeignet - bei den in der Landwirtschaft genutzten Lupinen (Lupinen binden Luftstickstoff unter letztlich Nitratbildung) handelt es sich um Sorten ohne diese Alkaloide.

(30.07.2017, 19:39)
Michael Mettler:   @Sacha: Zwar weiß ich es nicht, aber wenn es schon der Fuchskusu auf die Kandidatenliste geschafft hat und damit den Verdacht nährt, dass man sich daran orientiert, welche Arten - auch wenn in der EU nicht unbedingt vorhanden - irgendwo auf der Welt schon als Neozoen unangenehm aufgefallen sind, dann würde ich bei der Nachtbaumnatter auf Boiga irregularis tippen, den Vogelausrotter von Guam.
(30.07.2017, 15:38)
Sacha:   @Hystrix (oder wer es sonst weiss):

Welche Nachtbaumnattern-Art war denn für die erste 2017-Erweiterung vorgesehen?
(30.07.2017, 12:17)
Hystrix:   Keine Ahnung.
(16.07.2017, 17:17)
Hannes Lueke:   Wo in der EU sollen Fuchskusus vorkommen?
(16.07.2017, 16:56)
Hystrix:   Weil danach gefragt wurde: Offenbar sind die von mir am 9.7.2017 genannten Arten die einzigen Tiere, die für die zweite Erweiterung der EU-Liste vorgeschlagen, die 2018 kommen soll, und aktenmässig bereits abgearbeitet wurden. Von "Grosstieren" also nur der Mink.

Zusätzlich aber sind weitere risk assessments in Vorbereitung, darunter für diese Arten von gewissem wenn auch randlichem Interesse für Zoos. Für welches Abstimmungs- bzw. Listungsjahr diese Arten relevant werden weiß ich nicht, vielleicht schon für 2018, eher aber später, weil ja erst die Akten erarbeitet werden:

Fuchskusu
Hirtenmaina
Zierschildkröte
Kettennatter
zwei Arten gambusen-Zahnkärpflinge
zwei Korallenwelse
Kugelfisch Lagocephalus
Rotfeuerfisch
Rostkrebs


Weiterhin gab die Kommission eine Studie in Auftrag, die über Horizont-Scanning präventiv ermitteln sollte, welche Arten, die derzeit noch nicht oder kaum freilebend in der EU vorkommen, eine möglicherweise bedeutende Gefahr darstellen könnten, und sie somit besser präventiv auf die Liste kommen. Das sind 95 Arten, von denen ich nur die für Zoos am ehesten interessanten nenne; es sind weitere Fische und Lurche dabei sowie mehrere Wirbellose, die ev. für ein Aquarium interessant sind. Der Bison war aber schon vorgeschlagen und ist von den Staaten abgelehnt worden, der scheint also erledigt zu sein. Wann die anderen drankommen zur Abstimmung weiss ich nicht. Es kann aber sein, dass allähnlich die Kommission selbst welche vorschlägt, denn auch die meisten Arten der ersten Erweiterung 2017 waren bereits auf dieser Liste:

Axishirsch
Bison
Nandu
Haubenmaina
Russbülbül
Rotohrbülbül
Alexandersittich
Nachtbaumnatter
Feuerbauchmolch
China-Schlammpeitzger

(15.07.2017, 22:40)
Hannes Lueke:   Danke für deine Ausführungen. Im Großen und Ganzen bin ich ganz bei dir. Was deine Prognose angeht sehe ich das schwieriger. Die Schnappschildkröte wurde bereits 1999 verboten (ohne Ãœbergangsregelung) und noch immer existieren Bestände, Tiere landen in weihern und gelegentlich werden sogar welche ganz offen zum Kauf angeboten. Tiere legal abzugeben ist bis heute unmöglich wie mir aus zwei der wenigen privaten, legalen Haltungen berichtet wurde. Ich selbst bin Waschbär Halter und habe bis vor kurzem noch Nasenbören und Nutrias gehalten. Ich kann dir sagen unter den privaten Säuger Haltern ist die Panik und Unsicherheit bereits da. Viele Halter haben je nach Bundesland ihre Gehege genehmigen lassen müssen bzw Haltungen gemeldet und werden bereits von den Ämtern bedrängt. Ich weiß das nie so heiß gegessen wird wie gekocht aber ich erlebe aktuell die Verzweiflung von Wildtierhilfe denen man reihenweise Waschbären Welpen bringt die man natürlich nicht töten wird bzw es kein Tierarzt macht aber am Ende nicht vermitteln kann. Da es keine staatlichen Auffangstationen gibt bezahlen leidet einzig und allein der wohltätige Mensch.
Ich prognostiziere bald die ersten ausgesetzten Nasenbören und Zahmen Waschbären auf deutschen Terrassen. Von den Wasserschildkröten will ich garnicht anfangen, die Reptilienauffangstation München wartet aber auch bereits seit über einem Jahr auf eine Information wie man mit den Hunderten eingestellten Tieren umgehen soll und wer die Pflege der tausenden zukünftigen bezahlt
(11.07.2017, 20:56)
Hystrix:   Hannes Lueke:

Die erbetenen Unterlagen habe ich nicht und ich bezweifle auch dass es sie schon gibt.
In Deutschland ist das große Problem, dass der meiste Naturschutz und der ganze Artenschutz Ländersache ist und der Bund nichts machen darf. Beim Bundesamt für Naturschutz ist man schon eingearbeitet, bei vielen wenn nicht allen Ländern wird man erst einmal intern klären, wie viel Personal für das neue Gesetz in den Behörden nötig ist, bzw. man stellt ein. Diese Leute müssen sich einarbeiten. Das ist in Gänze erst ab jetzt möglich, weil erst letzte Woche der Bund den Durchführungsrahmen für die nationale Ebene erlassen hat, worin klar steht, dass die Länder jetzt aktiv werden müssen.

Es läuft aber trotzdem die Frist, 18 Monate nach Listung Managementkonzepte für die gelisteten Arten zu haben. Das wird man zweifellos einhalten, denn das ist im Gesetz so vorgeschrieben. Für die ersten 37 Listungen läuft diese Frist zu Jahresende 2017/18 bzw. wenig später aus. Dann weiss man mehr, denn dann müssen die Länderbehörden liefern. Ich gehe aber davon aus, dass diese von ungenügendem und unerfahrenem Personalstab erstellten ersten Konzepte noch unzureichend, lückenhaft und teilweise auch nicht sonderlich effizient sein werden. Wahrscheinlich telefonieren die jetzt heklisch und Bayern fragt was man denn in Hamburg so plant und umgekehrt. Dazu kommen dann parteiinterne Unterschiede, das ganze wird am Anfang sehr unrund geplant werden.

Die Erfahrung mit anderen EU-Gesetzen, etwa Natura2000 oder die Gewässerschutzrichtlinie lässt mich vermuten, dass es noch längere Zeit (einige Jahre) dauert, bis wirklich ein effizientes System etabliert ist.

Am ersten wird man Importeure, kommerzielles Gewerbe und Händler belangen und dort weiteren Vertrieb gelisteter Arten verhindern. Auch Zoos als transparente und leicht belangbare Halter werden wohl sofort umsetzen müssen, nicht weil sie die schlimmsten Sünder sind sondern weil deren Tiere halt in aller Öffentlichkeit auffallen. Natürlich wird man nicht über Polizei private Haushalte filzen um nach Waschbären zu suchen. Das muss man realistisch sehen, aber ich denke wenn der Nachschub durch Grosszüchter und den Handel ausbleibt und man als Halter nicht mehr so öffentlich sich outen kann und auch Tierbörsen verboten sind wird nach und nach die Haltung auch in Privathand zurückgehen und irgendwann zu Ende sein. Stattdessen jetzt ganz viel Panik unter Haltern zu verbreiten, dass sie sich strafbar machen wäre riskant, dann setzen die einfach ihre Tiere aus und hat mehr Schaden als Nutzen.

Ich selbst rechne aus meiner Erfahrung im Naturschutz dass es in 10 Jahren ganz erheblich besser ist als jetzt, und noch später ist jedem Bürger klar was Sache ist und die Angelegenheit ist kein Thema mehr.

(11.07.2017, 17:33)
Hannes Lueke:   Danke für die Ausführungen.
Die zitierten Punkte sind ja nette Projekte um die EU-Verordnung voran zu treiben.
Hast du auch Informationen (oder eine Quelle zum selbst nachschlagen) wie der Ist-Zustand behandelt werden soll?
Auf Tierbörsen werden weiter fleißig Ruderenten verkauft, Waschbärwaisen suchen neue Heime, Nutrias werden nachgezogen und Muntjaks wechseln die Besitzer. Leider weiß die eine Hälfte garnichts von der Verordnung und die andere Hälfte (inkl Offizieller wie Vets oder Naturschutzbehörden) wissen nicht wie mit Bestandsveränderungen umgegangen werden soll. Tötungen anzuordnen trauen sich aktuell die wenigsten. Gibt es Pläne zur Erstellung staatlicher Auffangstationen oder wurde der Tod als Alternative klar definiert?
(11.07.2017, 09:44)
Hystrix:   Alles gilt natürlich nur für die gelisteten Arten. Die übrigen existieren ja sozusagen für das Gesetz nicht.
(10.07.2017, 22:36)
Patrick Marburger:   Danke für die Ausführungen! Gelten die genannten Punkte (insb, Nr. 2) generell oder nur für die auf der Liste stehenden Arten?
(10.07.2017, 21:12)
Hystrix:   Um wieder zum eigentlichen Thema zu kommen, es geht wirklich Schlag auf Schlag: Letzten Freitag hat der Bundesrat das Durchführungsgesetz der Bundesregierung durchgewunken. Meine erste kurze Durchsicht bringt einige nicht unbedingt zu erwartende Paragraphen:

1. Das Verursacherprinzip wird überdeutlich festgeschrieben. Wer erwischt wird, invasive Arten freigesetzt zu haben, kann zur Zahlung der Schadensbeseitigung verdonnert werden.

2. Grundstückeigentümer sind verpflichtet, Maßnahmen gegen invasive Arten auf ihrem Land zu dulden. Das ist bemerkenswert, an einer anderen Regelung in England und anderswo scheiterten einige Bekämpfungen.

3. Jäger und Fischer können im Rahmen des Zumutbaren VERPFLICHTET werden, an Bekämpfungen teilzunehmen, wenn es sich um jagdbare Arten handelt. Dagegen hat der Bundesrat eine abweichende Meinung zu Protokoll gegeben, weil er diese Regelung unzumutbar findet, aber das Gesetz trotzdem so belassen. Die Jäger werden sich wohl in den Hintern beissen, in der Vergangenheit die Jagdbarkeit so vieler Arten ertrotzt zu haben.

4. Außer den schon bekannten Ausnahmetatbeständen des Haltungsverbots, wie Erhaltungszucht und Wissenschaft, können im Ausnahmefall weitere anerkannt werden, aber nur auf speziellen Antrag, der dann von Deutschland an die EU zur Entscheidung weitergeleitet wird. Statt ?Erhaltungszucht? ist der Ausnahmetatbestand mit ?Ex-Situ-Erhaltung? tituliert. Hier mag vielleicht eine gewisse Zoofreundlichkeit sprechen, denn dieser Begriff ist vager als der andere, könnte auch weitere Arten betreffen als nur EEPs. Es bleibt aber bestehen, dass nur Brüssel über solche weitergehenden Anträge entscheidet.

5. Postsendungen mit Verdacht auf Einfuhr unerlaubter Arten dürfen geöffnet werden, das Postgeheimnis tritt außer Kraft.

Die eigentliche Durchführung von Massnahmen obliegt allein den Ländern, die jetzte Konzepte für jede Art ausarbeiten müssen. Als Finanzbedarf wird vom Bund nur das angeführt, was dem Bund zur Verwaltung und Berichterstattung nach Brüssel obliegt. Für den Bund ist damit die Sache erst mal erledigt, jetzt kommt es auf die Bundesländer an. Da droht natürlich ein Wirrwarr von unterschiedlichen Konzepten, so dass auch Zoos unterschiedlich behandelt werden könnten.

Meine erste Reaktion ist Überraschung, dass tatsächlich einige wirksam klingende Punkte enthalten sind, mehr als nur Papier. Besonders dass bei Bekämpfungen Privatland zugänglich sein muss und Jäger verpflichtet werden hätte ich nicht erwartet, jedenfalls nicht schon jetzt wo die Sache erst beginnt.

(10.07.2017, 18:14)
Hystrix:   Ich will nochmals bitten, diese Diskussion um die Spenden zu beenden, weil sie in dieser Richtung nicht mehr in diese Thematik der Invasionsarten paßt.

Alle Antworten auf mich sind teilweise bis überwiegend richtig ? aber nur wenn nicht gebetsmühlenhaft die EAZA-Zoos auch diese Leistungen für den Artenschutz draußen in ihrer Selbstdarstellung so in den Vordergrund stellen würden. Nicht kritisiert werden ja andere Leistungen wie Erhaltungszucht oder Umweltbildung, nur den mismatch zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den Spenden.

Verblüffend finde ich, dass einer Zoos in Europa, der mir am merkantilsten wirkt, um nicht zu sagen völlig ökonomisiert, einer der ganz wenigen ist, die wirklich mächtig Kohle abgeben. Das ist Loro Parque in Teneriffa. Wenn man dort Kinderwagen schiebende Aras in einer Show sieht, oder als Mensch verkleidet auftretende Robben, die sich dem Massenschmack bedenklich annähern, und einen weitgehend auf Massenwünsche abgestimmten Tierbesatz, oder als Besucher am Eingang pflichtmäßig fotografiert wird und einem dann teure Fotos aufgewachstzt werden, würde man niemals denken, ein welch hohe Anteil des Gewinns dieses Zoos in einer zooeigenen Stiftung jährlich an externe Projekte ausgeschüttet wird, übrigens gutgeheißen durch ein extern besetztes Gremium. Ich will hier aber nicht vertiefen und nachrechnen, aber ich denke das sind Größenordnungen mehr als in unseren Zoos und dort scheint mir die Passung zwischen öffentlich gemachtem Anspruch und tatsächlicher Leistung gegeben.

Aber auch bei uns ist ein großer Unterschied, nimmt man etwa Leipzig oder Berlin zum Vergleich.

(10.07.2017, 11:45)
Sacha:   Edit: Zweiter Satz des dritten Abschnitts ("Nebenbei..") gehört ans Ende des vierten Abschnitts ("Wie Mark..."). Bitte um Entschuldigung (Verflixtes Copypasten).
(10.07.2017, 10:58)
Sacha:   @Hystrix

Wenn zwei Diskutanten Ihre Aussagen "falsch ausgelegt" haben, könnte es vielleicht auch daran liegen, dass diese eben tatsächlich missverständlich ausgedrückt wurden.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie auf Teufel komm raus nicht einsehen können, mit Ihren Beispielen daneben zu liegen bzw. Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber bleiben wir bei den Fakten:

Ob Zoos sich tatsächlich mehr als andere Branchen rühmen, etwas für den Naturschutz zu tun, ist eine Behauptung bzw. Ihr persönlicher Eindruck. Wenn Sie mir aber eine Statistik/einen offiziellen Vergleich liefern, lasse ich das gerne ALLGEMEIN gelten. Nebenbei bemerkt müsste man dann nicht nur die reinen Finanzspenden, sondern auch Sachspenden und Manpower hinzurechnen, was einen Vergleich erschweren dürfte.

Wie Mark Meier erwähnte, müssten für einen Vergleich das Spendenvolumen in Relation zum Umsatz gesetzt werden. Und da wollen Sie doch nicht ernsthaft behaupten, dass IRGENDEIN deutscher Zoo es mit BASF, VW etc. aufnehmen kann????

Wie @Mark Meier und ich ebenfalls schon erwähnt haben, sind Gelder für "wohltätige Projekte" und "Fördergelder für die Wissenschaft" nicht gleichzusetzen mit "Finanzielle Unterstützung für Umweltprojekte". Das wäre wie gesagt Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Woher stammt Ihre Information, dass EAZA-Zoos prozentual weniger für UMWELT (ACHTUNG: NUR UMWELT)-Projekte spenden als die Industrie?

Sollten die "Zahlungen an Umweltprojekte" von VW nicht auf den Schirm der Öffentlichkeit gelangen, liegt das vielleicht daran, dass diese einen weit geringeren Einfluss (ob real oder gefühlt sei mal dahingestellt) auf den Alltag haben als der Dieselskandal. Zudem liegt es in der Natur der Sache, dass negative Schlagzeilen mehr Aufmerksamkeit erregen als positive. Das gilt in diesem Sinne auch für Zoos (Ausbruch eines Tieres oder tödlicher Unfall erregt im Normalfall mehr Aufsehen als die Verbesserung von Haltungsbedingungen).
Und noch etwas: Wenn VW in den Augen der Öffentlichkeit tatsächlich so schlecht in Sachen Umweltschutz-Engagement wegkommt, dann wäre es wohl an der Zeit, darüber nachzudenken, ob man bezüglich PR alles richtig macht...
(10.07.2017, 10:24)
Hannes Lueke:   Eigener Reichtum ist niedlich.
Du gehst von einem vollkommen falschen Selbstverständnis der Zoos aus.
Zoos sind zwar, leider, mittlerweile gezwungernermaßen Wirtschaftsunternehmen, verstehen sich selbst aber als lebende Museen die zusättlich zum Bildungsauftrag, der erholung und der Forschung sowei dem Artenschutz einen Teil Ihrer Einnahmen oder speziell generierter Spenden abgeben. Das ist für mich das Selbe als wenn eine Schule, eine Universität oder eben eine Oper noch spendet. JEDE Spende ist löblch und erwähnenswert weil es für weitere Spenden wirbt. Vergleiche anzustreben wer mehr oder weniger spendet ist einfach armselig. Ein Minijobber der eine Orang Patenschaft hat sollte doch genau so positiv bewertet werden wie Krombacher die ganze Regenwälder kaufen können.

Deine Fakten zum Thema EU-Verbot sind sehr hilfreich und lesenwert. Wo stehen wir denn gerade? es wurde über eine erste Erweiterung der Liste abgestimmt (Marderhund, Bisam und Nilgans), wie geht es jetzt weiter?
(10.07.2017, 10:14)
Hystrix:   Mark Meier:
Ich kann zwar nicht sehen, dass ich mich missverständlich ausgedrückt hätte, werde aber von zwei Diskutanten falsch so ausgelegt, dass ich Zoos für umweltgefährlicher ansähe als einen Industriemulti. Das ist abwegig. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass sich Zoos in der Öffentlichkeit vielfach rühmen, was sie für Naturschutz ausserhalb der Zoomauern tun, und wenn man dann nachrechnet, sieht man, dass dahinter nicht weniger weniger Geld steckt als in manchen anderen Branchen, die öffentlich mit Naturschutz nicht so in Verbindung gebracht werden. So ist die Volkswagenstiftung sogar die größte Förderorganisation für Wissenschaft in Deutschland, wobei sich hinter ?Wissenschaft? auch viele Umweltprojekte verbergen. Dennoch wirbt VW nicht dauernd und überall damit, dass es eine wohltätige Wissenschafts- oder Ökologieeinrichtung wäre. In der Öffentlichkeit ist VW trotzdem ein kritisch beäugter Multi, und seine Zahlungen an Umweltprojekte sind nicht auf dem Schirm der Öffentlichkeit, eher der Dieselskandal. In Zoos ist dasg enau umgekehrt, da nehmen viele an, sie würden sich ganz enorm im Artenschutz engagieren, auch durch Spenden. Laufend wird das gesagt, keine Zoowebseite ohne Hinweis auf Engagement durch Spenden, aber diese Öffentlichkeitsarbeit beruht auf manchmal auf verblüffend geringen Summen. Teilweise grenzt das Eigenlob auch heute noch an Ironie, so wenig wird gegeben. Natürlich kann selbst ein grosser Zoo absolut nicht so viel Geld spenden wie VW oder BASF, aber auch bezogen auf die Umsätze, und noch mehr bezogen auf die erhaltenen Steuersubventionen könnte man doch erwarten, dass EAZA-Zoos PROZENTUAL so viel spenden wie die oft mit schlechten Image versehenen Industriebetriebe.
Fast alle großen Unternehmen, auch Versicherungen, Kraftwerke usw. haben ein Sozialprogramm und geben Geld für Wohltätigkeit, wobei Umweltschutz manchmal mehr, manchmal weniger bedacht wird. Das ist in der Wirtschaft normal und darf zwar öffentlich beworben werden, aber einzigartig sind Zoos nicht in dieser Hinsicht, sondern eher auf einem bescheidenen hinteren Listenplatz, und zwar auch PROZENTUAKL relativ zum eigenen Reichtum.


Michael Mettler:
Rheinland-Pfalz stand vor dem Problem, dass in der Eifel sowohl die entwichenen Kanadabiber lebten als auch Castor fiber aus einem Ansiedlungsprojekt. Man konnte also keine billigen Totschlagfallen stellen. Offenbar kann man die Arten von außen auch nicht unterschieden, jedenfalls nicht leicht und eindeutig, und hat sich daher für Lebendfallen plus DNA-Test entschieden. Töten wollte man die Tiere wohl nicht. Die Hintergründe sind mir unklar.

(10.07.2017, 09:06)
Mark Meier:   @Hystrix: Bei allem Respekt vor Deinen teils sehr lesenswerten Ausführungen: Der Vergleich von Zoos und einem Unternehmen mit über 100 Mia Euro Umsatz wie VW ist mehr als abstrus. Und dann ausgerechnet noch die Leistung für die Umwelt zu vergleichen und zu dem Schluss zu kommen, dass Zoos mehr Schaden anrichten als zu nützen und dann noch darüber prahlen, wohingegen die Schwerindustrie freiwillig viel mehr tue und das praktisch im Verborgenen...

Da weiß man überhaupt nicht, wo man anfangen soll (oder ob man es besser gleich lässt).
-Nein, Zoos sind NICHT fast das gleiche wie große Industrieunternehmen. Letztere gehören großteils echten Aktionären, vor denen Ausgaben zu rechtfertigen sind. Entsprechend ist jede Ausgabe eine strategische. Noble Motive und eine übermäßige Spendierfreudigkeit zu unterstellen, wäre naiv. Wie hast Du denn von dem Engagement erfahren? Es geht um das Image...
-Seriöserweise müsste man nicht nur das durchschnittliche Spendenaufkommen errechnen, sondern auch den durchschnittlichen Umsatz und Gewinn. Dies wäre in ein Verhältnis zu setzen.
-In den Zoos wird sehr viel mehr Gutes gemacht, als Gelder zu akquirieren: Didaktik, Erhaltungszucht und Wiederansiedlungsprojekte. Viele der Aktivitäten kosten einen enormen Haufen Geld.
-Deine Beispiele für die Berliner Zoos sind wirklich sehr böswillig ausgewählt und ergeben ohne weitere Einordnung ein völlig verkehrtes Bild:
Der Zoo ist KEINE normale AG und erhält seit Jahren keine Zuschüsse mehr. Der Tierpark ist eine direkte Tochtergesellschaft und erhält Zuschüsse zum Betrieb und seit kurzem für Investitionen. Große eigene Mittel hat er nicht.
In-situ investiert allein der Zoo Berlin in zahlreiche Arten und Biotope, wobei ich nur in Einzelfällen konkrete Zahlen kenne: Großer Panda (ein hoher sechsstelliger Betrag geht direkt in Artenschutz und Forschung), Eisbären (gemeinsam mit dem Tierpark wird mW jährlich ein fünfstelliger Betrag überwiesen, für den sich eine Schutzorganisation erst kürzlich sehr herzlich bedankt hat), Sumatra Orang Utan (10.000 Euro in 2015), Rothschildgiraffe (6.000 Euro in einem der letzten Jahre), Bonobo (2.500 Euro in 2015), Okapi, Spitzmaulnashorn, Kleiner Panda, Grevy-Zebra, Prinz-Alfred-Hirsch, Anden-Springaffen, diverse Vögel und sonstige Tiere sowie übergreifende Maßnahmen für bedrohte Lebensräume. Beim Tierpark gibt es ebenfalls Gelder für Eisbären (s.o.), kleine Pandas (über 800 Euro jährlich), Rothschildgiraffe, Java-Leoparden, Chaco-Pekaris, Gelbbrust-Kapuziner, Lemurenschutz usw. aber bspw auch für die heimische Großtrappe.
Zoo und Tierpark beteiligen sich an JEWEILS weit über 100 EEPs, ESBs und ISBs und beide nehmen wiederum in-situ an Auswilderungsprojekten teil (u.a. Przwalski-Pferd, Bartgeier, Spitzmaulnashorn, Edwardsfasan). Bei einigen sehr erfolgreichen Projekten wie den Wildpferden (knapp 20 Tiere) und den Bartgeiern (gut 20 Tiere) ist der Anteil sehr maßgeblich und nachhaltig.
Jedes Jahr werden im Tierpark und Zoo mehrere große Veranstaltungen zum Thema Artenschutz veranstaltet, bei praktisch jeder kommentierten Fütterung bedrohter Arten wird darauf hingewiesen und es gibt zahlreiches Informationsmaterial vor Ort.
In der Summe wird also sehr viel Engagement in den Umweltschutz gesetzt. Auch die Energieeffizienz und die Nachhaltigkeit des Betriebs werden verbessert.
-Was genau die Berliner Tiergärten weltweit für Umweltschäden anrichten und was alles schon in die heimische Umwelt entlaufen, -flogen, -krochen oder -schwommen ist, weiß ich nicht. Kannst Du mehr dazu beitragen? Ist ja immerhin Dein negatives Gegenbeispiel zu VW und BASF, dir mW als völlig grüne Unternehmen NIE der Umwelt geschadet haben. Aus den Fabrikschornsteinen und Auspuffen der Wagen tritt bekanntlich nur saubere Luft.
(10.07.2017, 06:50)
Michael Mettler:   @Hystrix: Das Biber-Beispiel hört sich interessant an - warum müssen denn eventuelle Kanadabiber kastriert und wieder freigelassen werden, statt sie bei dieser Gelegenheit gleich auszumerzen, während ebenso unerwünschte Ruderenten kurzerhand abgeschossen werden können?
(09.07.2017, 22:46)
Hystrix:   Sacha:

Ich fürchte, eine Diskussion über eine akzeptable Minimalhöhe von Naturschutzspenden aus Zoos passt nicht so gut in diesen Thread. Sie wäre aber interessant. Ich hatte sie nur angesprochen weil mir scheint, dass Zoos die externen Naturschutzetats sogar nur in Bezug auf invasive Arten in Nettosicht nach wie vor belasten statt zu ihrer öffentlich erklärten Rolle zu stehen, Nettogeldbringer für Artenschutz zu sein.

Natürlich kann man den Standpunkt einnehmen, jede Spende, bis hinunter zu 50 Cent ist eine schöne Sache und besser als nichts, also muss man dankbar sein egal wieviel gespendet wird. So einfach ist das aber nicht. Die meisten Zoos sind heute nun einmal keine Behörden mehr sondern Unternehmen, wenn auch oft in öffentlichem Besitz, Berlin überschreibt seine Jahresberichte sogar mit dem Thema ?investor relations? als ob es dort um Börsenspekulation ginge. Unternehmen steht völlig frei ob und wieviel sie spenden. Aber Zoos sind dauerhaft subventionierte Unternehmen, die ständig um Steuergelder bitten und sie auch kriegen. Das tun sie weil sie ihre überragende Rolle fürs Allgemeinwohl betonen, zuvorderst Umweltbildung und Artenschutz. Daher geben sie sich auch Grundwertechartas, etwa in WAZA oder EAZA, bei deren Lektüre man meint, sie seien zuvorderst Einrichtungen für Naturschutz. Wenn ich so auftrete und dafür auch Steuergelder zuhauf kriege, bis mehr als 100 Millionen auf einmal binnen weniger Jahre, muss ich natürlich auch liefern. Dann ist es nicht mehr egal, wenn einer der grössten Tierparks in Europa, der z. Zt. wieder Zehnermillionen Staatsheld zum Umbauen angeblich für Artenschutz will, auf seiner Webseite als Artenschutzprojekt damit renommieren wollte, dass zwei seiner Kuratoren 50 Euro Jahresbetrag privat an einen wohltätigen Verein überweisen. Das ist ja fast schon Sarkasmus.

Aber ich denke das ist für das Thema der invasiven Arten nur ein Nebengleis, vielleicht ist es besser dieses zu beenden.

(09.07.2017, 15:37)
Hystrix:   Adrian Langer:

Ich habe keinen Überblick über alle Arten, die bis Februar 2017 für die nächstjährige Nachlistung 2018 vorgeschlagen wurden. Durchgedrungen sind folgende diskutierte Arten:

Neovison vison = Mink
Einige oder alle Arten der Fischgattungen Ameiurus, Channa, Lepomis
Mehrere Pflanzen, von denen die meisten aber für Mitteleuropa nicht relevant sind.

Welche weiteren Arten vorbereitet werden weiß ich nicht. Der Mink ist zweifellos das heißeste Eisen, weil mit dieser Art eine ganze Industrie ihr Geld verdient und sehr viele Arbeitsplätze dranhängen. Da muss man gespannt abwarten, was kommt. Den Mink hat übrigens Portugal vorgeschlagen, Vorarbeiten von Wissenschaftlern und Naturschützern aufgreifend. Gegen seine Listung wird v.a. Dänemark Sturm laufen, wo die Pelzindustrie stark ist.

(09.07.2017, 14:34)
Sacha:   @Hystrix:
Welcher Zoo schreibt auf seiner Website, dass er "spendet, um eine positive Umweltbilanz" zu erreichen? Wo steht das?

Ihre Aussage, die Aktionen entsprängen "eher geschicktem Taktieren als Redlichkeit" sind zudem eine reine Behauptung (um nicht zu sagen Unterstellung), die mit dem Hinweis auf "kleine Finanzbeiträge" bei weitem nicht bewiesen ist. Oder kennen Sie wirklich von jedem Zoo dessen Aufwand- und Ertragsrechnung und wissen welche Beträge er für aktuelle oder künftige zoo-interne-Projekte zurückstellen muss???
Über einen gemeinsamen Fonds zur Schadensbekämpfung kann man sicher diskutieren. Aber die Zoos dazu verpflichten kann man - gerade wegen des Verursacher-Prinzips - kaum. Sonst müsste man dies für andere Branchen auch (Chemie etc.).

Bezüglich Ihrer Aussagen zu Berlin: Da fehlen nach meiner Erinnerung einige Fakten zu den Engagements der beiden Tiergärten in Sachen Naturschutz. Allerdings müsste ich mich da erst durch die Literatur graben. Aber vielleicht kann hier ein Berlin-Kenner aushelfen.
Wie auch immer? Was ist inkorrekt, wenn man mit Naturschutzengagement wirbt, sofern es der Fall ist? Klar wären höhere Beträge wünschenswert (das wären Sie immer, egal für welche Sache). Wichtig ist doch, dass überhaupt etwas gemacht wird. Und da sind Zoos einigen Tierschutz- und vor allem Tierrechtler-Organisationen zum Teil weit voraus, die noch weniger (sprich gar nichts) für derartige Projekte spenden!

Zum Vergleich der Spendensummen und Schäden von Zoos und Industrie: Ist das wirklich Ihr Ernst? Die Umweltsschäden die - ACHTUNG: nachweislich - durch Zoos entstanden sind, SIND NICHTS IM VERGLEICH ZU DEN SCHÄDEN DURCH DIE INDUSTRIE! Hier eine Quelle, die meine Aussage stützt (zur Nachahmung empfohlen!): https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Chemiekatastrophen
Also selbst wenn Firmen wie BASF deutlich mehr für wohltätige Projekte (das sind, wie ich Ihnen im vorigen Post versucht habe zu erklären nicht automatisch UMWELT-Projekte!), dann ist das nur richtig, da sie in der Vergangenheit auch grössere Schäden angerichtet haben (und was - und hier liegt der Unterschied zu den Unfällen mit Caulerpa und Co - schon damals ungesetzlich war!!!!!)
(09.07.2017, 10:47)
Hystrix:   Michael Mettler:
Wegen der Caulerpa selbst wären die Verursacher natürlich heute nicht mehr zu belangen, weil die Einschleppung dieser Art lange vor Inkrafttreten des EU-Gesetzes erfolgte und man natürlich mit einem Gesetz nur Verstöße nach seinem Inkrafttreten ahnden kann. Ein neuer, zukünftiger Fall wäre aber in der Tat laut der Paragraphen zur Zahlung für den Verursacher fällig. Als Verursacher würde sicher kein Zootierpfleger gelten, der die Aquarienabfälle ins Meer schüttete, sondern die Institution, hier also das Aquarium in Monaco. Verursacher in anderen Umweltschadensfällen, nehmen wir ein Fischsterben in Rhein, ist ja auch beispielsweise die Kläranlage Köln und nicht der Haushalt in Köln, der der Kläranlage die Schadstoffe lieferte, und den man sowieso kaum dingfest machen kann.


Sacha:
Formal sind Zoos Unternehmen, deren Hauptaufgabe natürlich nicht ist, dem Naturschutz zu spenden. Aber die meisten Zoos machen sehr viel Werbung genau damit, auf vielen Webseiten wird ein Engagement durch Spenden herausgestellt, um eine positive Umweltbilanz vorzugeben. Viele Leute glauben das auch, und Zoos ist tatsächlich gelungen, mit kleinen Finanzbeiträgen ein positives Image zu schaffen, was aber eher geschicktem Taktieren als Redlichkeit entspringt. Dabei ist das finanzielle Engagement meist sehr beschieden und, das müsste ganz genau überprüft werden, prozentual sicher geringer als was manche andere Unternehmen der Umwelt spenden, trotz der lautstarken Reklame der Zoos für ihr Engagement. Es fällt auf, daß die gespendeten Geldsummen meist verschwiegen werden und kriegt man diese im Einzelfall heraus stellt sich oft heraus, daß es lächerliche Beträge sind. So haben die großen Berliner Zoos, von denen einer eine formal ganz normale AG ist wie etwa auch die BASF, und der in den meisten Jahren guten Gewinn macht trotz teurer Bauvorhaben, oft viel Öfentlichkeitsarbeit investiert, sagen wir daß sie mit ihren Spenden das Nashorn in Afrika helfen zu retten, und machte man sich kundig stellte sich heraus daß ganze 500 Euro gespendet wurden. Da waren die Kosten, darüber in der Öffentlichkeit zu prahlen sicher höher als die Spende selbst. Unter dem vorigen Direktor renommierte der Tierpark Berlin in Sachen ?Artenschutz? auf seiner Webseite als eines von nur einer Handvoll ?Projekte? damit, daß zwei seiner Kuratoren Mitglied in einem Verein sind, der in Madagaskar sich für Lemuren einsetzt, und daß diese Kuratoren doch tatsächlich mit Mitgliedsbeiträge für diesen Verein aus eigener Tasche zahlen. Da wird man natürlich andächtig, wie artenschutz-engagiert der Tierpark war, wenn er auf seiner Webseite wortreich anpreist, daß zwei seiner Mitarbeiter privat 30 oder 50 Euro pro Jahr an einen Verein spenden. Das ist eher schlechtes Kabarett als Artenschutz.

Relevant wird es, wenn man die Belastung des Naturschutzes allein für die Bekämpfung invasiver Arten dagegen rechnet. Nehmen wir ein ganz kleines billiges Beispiel: In Frankreich schießen seit zehn Jahren besoldete Schützen die aus einem Zoo ausgerissenen Ibisse ab. Was das genau kostet weiß ich nicht, aber rechnen wir ganz billig und nehmen nur 500.000 Euro an. Das ist sehr wenig Geld, aber es fehlt trotzdem im Naturschutz woanders. Oder die Kanadabiber in der Eifel. Ein Wildpark läßt sie entkommen, und das Land muß mehrere Dutzend Biber in Lebendfallen fangen, dann DNA-Tests in Auftrag machen ob es Kanadabiber sind, und bis zum Ergebnis die Tiere hältern. Sind es Kanadabiber, werden sie vom Tierarzt kastriert und frei gelassen. Auch hier weiß ich nicht, was das dem Naturschutzetat entzieht, aber nehmen wir nur mal 50-100.000 Euro an. Da müssen die lautstark für ihre Artenschutzprojekte Werbung machenden Zoos schon viele Jahre spenden, ehe diese Kosten für den Naturschutz durch Spenden ausgeglichen wurden. Gar nicht die Rede von den dicken Brocken wie Caulerpa oder Ruderente, die Millionen Kosten verursachten und weiterhin verursachen. So wie es derzeit ist sieht es so aus, als ob Zoos dem Naturschutz allein nur durch invasive Arten mehr Kosten verursachen als sie lautstark als angebliche Geldbringer spenden.

Ich hielte es zumindest für angebracht, wenn Zoos prozentual von ihrem Umsatz so viel spenden wie es beispielsweise prozentual die Industrie tut, die nicht annähernd so laut damit prahlt. Dann wäre auch die Imagewerbung glaubwürdiger, die es momentan nicht ist. Es wäre doch sicher angemessen, etwa ein Fonds einzurichten und die zweifellosen Fälle von aus Zoos ausgerissenen Invasiven zu bereinigen zu helfen. Früher oder später wird es wohl zukünftig sowieso zu Prozessen wegen des Verursacherprinzips kommen.

(09.07.2017, 09:43)
Sacha:   @Hystrix:
Bez. Eindämmung von Gehegeflucht stimme ich GRUNDSÄTZLICH mit Ihnen überein.

Die "Rechnung" in Sachen Finanzielle Unterstützung der Zoos für Naturschutz-(In-situ)Projekte ist dann aber doch etwas gar banal interpretiert. Erstens ist es nicht die HAUPTAUFGABE der Zoos, diese zu finanzieren. Zweitens sind bei weitem nicht alle Zoos finanziell auf Rosen gebettet (wer in den letzten Monaten, ja Jahren, Medienberichte darüber gelesen hat, weiss das), drittens ist es nicht mehr als Recht, wenn Grossfirmen, welche die Umwelt mit ihren Produkten SCHWER schädigen, für Wiedergutmachungsgesten tiefer in die Tasche greifen als Zoos, viertens betreffen diese "wohltätigen" Zwecke nicht nur Naturschutzprojekte, weshalb ein direkter Vergleich hinkt und fünftens gibt es in einer Demokratie keine "Sippenhaft", d.h. es haften nicht alle EAZA-Zoos für das Vergehen/Missgeschick eines Einzeln - dessen Vergehen dann erst noch - wie von MM. schon angeschnitten - BEWIESEN und der wahre Schuldige eruiert werden müsste.
(09.07.2017, 01:38)
Michael Mettler:   Wie klar ist denn der Fall Caulerpa in punkto Verursacher überhaupt? Gilt das Ozeanografische Institut Monaco als Ganzes als Verursacher oder irgendeine Person im Institut, die vor über 30 Jahren für die Freisetzung der Alge per Abwasser unmittelbar oder aufgrund leitender Position verantwortlich war und möglicherweise gar nicht mehr lebt? Gilt die letzte oder die erste einzelne oder juristische Person, welche Caulerpa davor in Europa vermehrt hat, als Verursacher - oder der Importeur, der sie auf den Kontinent holte, der Exporteur aus den Heimatländern, gar der einzelne Sammler, der Letzeren mit der Originalpflanze versorgt hatte? Die hätten natürlich alle vorab wissen müssen, was sie da möglicherweise irgendwann irgendwo anrichten können... (Achtung, Ironie!)

Bei einigen Tier- und Pflanzenarten der Bannliste dürfte die Verursacherkette noch weitaus komplizierter sein.
(08.07.2017, 22:47)
Hystrix:   Mit der EU-Liste der invasiven Arten geht es offenbar Schlag auf Schlag weiter. Schon im September 2017 wird für die 2. Erweiterung die Aktenlage abgeschlossen, danach befassen sich bis Mitte 2018 die Gremien damit, Abstimmung zur zweiten Nachlistung vor Sommer 2018. Auch für das Jahr 2019 ist schon vorgeplant, bis Februar 2018 Vorschläge für weitere Arten durch die Mitglieder, bis September 2018 Schriftarbeiten und danach Gremienberatung. Es scheint also der Rhythmus zu werden, dass die Liste alljährlich erweitert wird, wobei im Sommer die Nachlistung erfolgt.

Für 2018 wird es spannend, da wird nach derzeitigem Stand über den Mink beschlossen.

Interessant ist auch, dass in dem von dieser Invasions-Richtlinie unabhängigen EU-Fitness-Check für die EU-Zoorichtlinie, der zweiten fürs Zoos relevanten EU-Gesetzgebung, der Gedanke laut wurde, dass jeder Zoo einen förmlichen Plan ausarbeiten solle, Gehegefluchten einzudämmen und zu vermeiden. Mal sehen, ob sich das versandet oder am Ende in sich in einer Verordnung wiederfindet. Wäre eventuell hilfreich, um unsägliche Freihaltungen von invasionsgefährlichen Arten zu beenden, die es immer noch gibt.

Im Rahmen dieses EU-Fitness-Checks wird übrigens die Unterstützung von Naturschutzprojekten durch Spenden der Zoos in Europa auf 9,7 Millionen Euro pro Jahr für ganz Europa angegeben. Legt man dafür nur die knapp 400 EAZA-Zoos zugrunde, käme man auf eine mittlere Jahresspende pro Zoo von ungefähr 25.000 Euro, was nicht ganz unwesentlich wenig ist, aber angesichts der Umsätze der großen Zoos trotzdem nicht viel, eher Portokasse oder weniger als was große Industrieunternehmen wie BASF oder VW als allgemeine Imagewerbung für wohltätige Zwecke ausgeben, ohne viel Gedöns darum zu machen, jedenfalls weniger als viele Zoos um die doch eher überschaubaren Spenden. Legt man stattdessen sogar alle Zoos in Europa zugrunde, also auch die nicht in der EAZA sind, kommen bei 9,7 Millionen sehr geringe Spenden pro Zoo heraus. Mal sehen wann einer, der die neue Gesetzgebung aufmerksam liest, auf die Idee kommt, auch für die Bekämpfung invasiver Arten Finanzbeiträge der Zoos zu fordern. In klaren Fällen der Verursachung wie bei Caulerpa toxifolia würde das genau dem neuen Gesetz entsprechen, das dem Verursacherprinzip huldigt. Spaßig ist das nicht mehr für die Verursacher, denn das Mittelmeer ist groß, um dort Algen zu bekämpfen. Da kommt schon einiges Geld zusammen.

(08.07.2017, 17:42)
Hystrix:   Gestern haben die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam die diesjährige Erweiterung der Liste der invasiven Arten von europäischer Bedeutung beschlossen. Folgende 12 Arten kommen zusätzlich drauf:

Tiere:
Nyctereutes procyonoides
Ondatra zibethicus
Alopochen aegyptiacus

Pflanzen:
Alternanthera philoxeroides
Asclepias syriaca
Elodea nuttalli
Gunnera tinctoria
Heracleum mantegazzianum
Impatiens glandulifera
Microstegium vimineum
Myriophyllum heterophyllum
Pennisetum setaceum

Die Pflanzen enthalten mehrere Wasserpflanzen, die als Aquarienpflanze gehandelt werden. Insofern ist die Auswirkung der Listungen für Zoos etwas größer als nur Marderhund und Nilgans. Mit Riesenbärenklau und Drüsigem Springkraut sind zwei "dicke Brocken" für Deutschland dabei, deren Bekämpfung von Naturschützern schon lange gefordert wird.

(20.06.2017, 14:57)
Michael Mettler:   Der Berliner Zoo lässt laut Jahresbericht 2016 bereits "Listenarten" auslaufen. Zum Jahresende 2016 gab es vom Chinesischen Muntjak nur noch Böcke, vom Gewöhnlichen Nasenbären nur noch Weibchen und von der Nutria nach Verlusten nur noch ein Einzeltier. Bei den Nasenbären ist Umstellung auf Weißrüsselbären geplant.
(10.06.2017, 20:29)
Hystrix:   Ich meinte nicht, daß sich nicht überraschend viele Zooleute kritisch zum neuen Gesetz äußerten, habe sogar unter meinen Bekannten den Eindruck, daß mancherorts ein ?Maulkorb? verhängt wurde, nachdem sich ansonsten äußerste naturschutzfreundliche Kuratoren neuerdings gar nicht mehr äußern, auch auf Anfrage nicht.

Ich denke aber für den Gesetzgeber ist diese Kritik aus Zoos ein laues Lüftchen, nicht zu vergleichen mit den sonst üblichen Gegenbewegungen, etwa gegen Steuererhöhungen, Straßenmaut, Verbot von Kernkraft oder so ähnliches. Auch nicht im Vergleich zu den bei invasiven Arten immer wieder aufkommenden Gerichtsprozessen. Gegen die Bekämpfung des Grauhörnchens in Italien klagten Tierschützer serienweise vor Gericht. Das meinte ich, ein leises ?Maulen? aus Zoos wir in Brüssel niemanden treffen.

Ja, wenn man den Marderhund loswerden will, was aber wohl einfacher ist als beim Waschbär, wäre viel Geld in die Hand zu nehmen. Und es müsse die dafür richtigen Leute Entscheidungen treffen, die derzeit in Deutschland in den Behörden noch fehlen. Das ist alles ein ganz langsamer Prozess, vielleicht gibt aber das Gesetz den Anstoß, anzufangen. Also erst mal kompetente Beamte einstellen, dann ein Problembewusstsein, und dann nachahmen was in schon weiter fortgeschrittenen EU-Staaten inzwischen üblich ist. Warten wir jetzt ab welche Managementpläne bald zu den 2017 gelisteten Arten kommen. Die EU war klug genug, den Mitgliedsstaaten dafür freie Hand zu lassen, d.h. die Managementkonzepte werden sich stark unterscheiden und später kann man sehen in welchen Staaten es funktioniert und hernach den anderen die erfolgreichen Lösungen auferlegen, notfalls per Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Aber das wird Jahre dauern.

(08.06.2017, 08:56)
Sacha:   Hystrix:

Hmh, na, das wäre jetzt doch etwas übertrieben, oder? Bleiben wir mal auf dem Teppich. Wenn ich Ihren letzten Post durchlese, stelle ich fest, dass wir in vielem gleicher Meinung sind (und uns offenbar über die gleichen Dinge enervieren). Es gibt einfach ein paar wenige, aber entscheidende Unterschiede bzw. unterschiedliche Ansätze/Gewichtungen.

Ich bin ebenfalls für ein GENERELLES und KOORDINIERTES Vorgehen zur Bekämpfung invasiver Arten (deren Gefahren ich absolut sehe). Nur bin ich aber ebenfalls für eine GENERELLE Ausnahmeregelung für ÖFFENTLICHE UND WISSENSCHAFTLICH geleitete Zoos (WAZA-, EAZA-Zugehörigkeit als Rahmen). Wenn ich mir die ganze Sache so anschaue, so ist die (Mit-)Schuld DIESER Zoos an der Verbreitung invasiver WIRBELTIERE enorm gering. Anhand der potenzielle Möglichkeiten zur Flucht diverser potenziell invasiver Arten aus diesen Institutionen haben die Zoos ihre Verantwortung sogar vorbildlich wahrgenommen, was meines Erachtens Ausnahmen mehr als gerechtfertigt. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dies europaweit/EU-weit juristisch nicht möglich sein sollte, wenn ich mir die unzähligen Ausnahmeregelungen in der Vergangenheit für einzelne Nationen (die Briten durften beispielsweise ihr Pfund behalten) oder Institutionen (unterschiedliche Besteuerung einzelner Unternehmen) vergegenwärtige.
Ob es aus Zookreisen am wenigsten ernst zu nehmende Opposition gab bzw. gibt, lasse ich mal dahingestellt. Ich kenne zumindest eine handvoll Zooleute in leitenden Positionen, die darüber alles andere als glücklich sind.

Wohlgemerkt: Nichts gegen strenge Vorlagen für Zoos, aber kein Haltungs- und/oder Zuchtverbot. Ausserdem dürfen, ja müssen die Auflagen je nach klimatischen Erfordernissen durchaus unterschiedlich streng sein. Entwichene Heilige Ibisse sind in Nord-Norwegen sicher weniger eine Gefahr/ein Problem als in Süd-Spanien.

Danke für die Info zur Bekämpfung der Marderhunde in Skandinavien. Sie gehen aber sicher mit mir überein, dass diese Massnahme dann in allen betroffenen Ländern angewandt werden muss, damit das Problem auch gelöst wird.
(07.06.2017, 22:23)
Hystrix:   Sacha:

Aus Ihren Beiträgen erscheint es Sie hätten die Überzeugung, das EU-Gesetz sei gemacht um Zoos zu schädigen. Zoos werden in Wirklichkeit bei den Erwägungen der EU die allergeringste Rolle spielen, und aus Zoos werden auch die am wenigsten rüde und ernst zu nehmende Opposition geben, weil sie ja nun wirklich kaum geschädigt werden. Sie sind zwar für einige invasive Arten alleinige Sünder (Caulerpa, Ruderente, Ibis) und bei anderen Mitsünder (Waschbär, Kanadabiber), aber insgesamt sicher nur eine kleine Nummer für diese Gesetzesmacher. Kein Vergleich mit der wahrscheinlich kommenden Prozesslawine von Pelzindustrie oder Zierpflanzenbau. Jeder Verfolgungswahn von Seiten Zoo ist abwegig, sie sind nur ?ferner liefen?.

Beim Marderhund spielen Zoos gar keine Rolle. Sie wurden gezielt ausgesetzt, und zwar hauptsächlich direkt östlich der EU in Russland, weil man sich Pelztiere erhoffte. Das Verbot zielt ähnlich wie es beim Mink überfällig wäre v.a. auf kommerzielle Haltungen, wobei ich nicht weiß wie viele es noch gibt. Früher zumindest gab es nicht wenige.

In Deutschland gab es mit Ausnahme der Bisamratte niemals ernsthafte Versuche, invasive Arten zu beseitigen, auch beim Marderhund nicht. Zuerst redeten die Behörden, wohl aus Feigheit vor emotionsgeladenen Kreisen, das Problem klein, und später versteckten sie sich vor der Ankündigung der EU, selbst aktiv zu werden, als schöne Ausrede sich nicht mit Emotionsträgern anlegen zu müssen. Jetzt können sich Abgeordnete über ?die EU? entrüsten, und jedem Betroffenen Solidarität zusagen, ohne natürlich irgendetwas zu tun oder auch dagegen tun zu können. Verlogener geht es kaum.

Die Bekämpfung des Marderhundes erfordert schon etwas mehr als den kommoden Ausweg, eine Art nur jagdbar zu erklären und dann kriegen die armen Jäger die Wut selbsternannter Tierexperten ab. Bekämpfung heißt Bekämpfung. In Skandinavien setzt man Judastiere ein, das sind eingefangene, sterilisierte und mit Sendern versehene Individuen, die man frei läßt. Diese suchen und finden auch die letzten noch verbliebenen Marderhunde auch in einer schon weitgehend ausgejagten Restpopulation, und über den Sender kann man dann diese Kontakttiere der Besenderten erwischen. Das ist schon eine Nummer effektiver als einfach nur Fallen zu stellen. Noch effektiver wären Matahari-Tiere, wie man etwa die letzten Ziegen auf einigen Galapagosinseln erwischte. Dabei werden Weibchen eingefangen, kriegen eine Verhütung gegen weitere Reproduktion sowie eine Hormongabe, die sie zu Dauerausscheidern von Sexuallockstoffen macht. Das lockt die wilden Männchen von weit her an, und da auch diese Dauerausscheider besendert sind, kriegt man alle.

Sie finden im Internet zur Bekämpfung des Marderhundes viele Informationen. Beispiel ist ein EU-gefördertes Projekt der schwedischen Jäger: https://jagareforbundet.se/globalassets/global/mardhundsprojektet/dokument/mirdinec-final-report.pdf

(07.06.2017, 18:28)
Sacha:   Ich erlaube mir dazu einige Zitate aus Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Marderhund):

-Der Marderhund ist "in Europa ist er ein Neubürger (Neozoon), der ursprünglich ausgesetzt wurde, um das Marderhundfell wirtschaftlich zu nutzen"

Fazit: Zoos stehen also nicht am Ursprung der Situation/der Ausbreitung (wenn überhaupt beteiligt)

"1931 gab es die ersten Marderhunde in Finnland, 1951 in Rumänien und 1955 in Polen. Seit 1960 breitet sich der Marderhund in Deutschland aus."

Fazit: Seit Jahrzehnten ein Problem, nicht effektiv bekämpft und nun glaubt man, mit der Listung für Zoos das Problem aus der Welt schaffen zu können

"Während der Marderhund in Japan selten geworden ist, nimmt seine Zahl in Europa stetig zu."

Fazit: Ungeachtet der Erfolge in einigen Regionen nimmt die Zahl also in Europa insgesamt zu. Und zwar durch Einwanderung und nicht durch entflohene Zoo-Pfleglinge. Was nützt die Listung, wenn die Umsetzung Sache der einzelnen Mitgliedsländer ist, und gewisse Länder/Regionen - die Angaben von Hystrix mit Skandinavien hinzunehmend - die Sache entschlossen angehen und andere nicht. Dann dreht man sich im Kreis, weil die Marderhunde früher oder später über die "schlampigen" Länder wieder einwandern.

"Bisher hat man allerdings noch nicht wissenschaftlich zweifelsfrei belegt, dass eine bestimmte Tierart durch die Ausbreitung des Marderhunds in ihrem Bestand bedroht ist"

Fazit: Interessant. Unter diesen Gesichtspunkten könnte man weit mehr als 200 Arten listen und in den Zoos bliebe dann kaum noch was übrig....

"Nach der Berner Konvention von 1999 soll die Ausbreitung invasiver Tierarten wie des Marderhunds (neben Waschbär und Mink) streng kontrolliert werden. Seit 1996 wurde der Marderhund nach und nach von den einzelnen Bundesländern ins Jagdrecht aufgenommen. Nur in Bremen unterliegt er derzeit nicht dem Jagdrecht. 2001/02 wurden 11.659 Abschüsse offiziell registriert."

Fazit: Ebenfalls interessant. Mindestens seit 1999 besteht also länderübergreifend die Absicht, den Marderhund auszumerzen und statt dessen nimmt der Bestand insgesamt weiter zu. Da stellt sich die Frage, was man in den vergangenen Jahren falsch gemacht hat bzw. was die Skandinavier (heute) besser machen (Keine Ironie, ernsthafte Frage). An einem Haltungs- und Zuchtverbot für Zoos (und damit einer Vermeidung von Gefangenschaftsflüchtlingen) kann es jedenfalls nicht liegen, denn wie ein Blick auf die zootierliste zeigt, werden in Schweden, Dänemark und Finnland weiterhin Marderhunde gehalten (und wohl auch gezüchtet)...
(07.06.2017, 15:42)
Hystrix:   Listung und Umsetzung in der Praxis sind zwei unterschiedliche Vorgänge, ersteres erfolgt auf der Ebene der EU und aller Mitglieder gemeinsam, letzteres ist Pflicht jedes Mitgliedsstaates für sich. Die Managementpläne für die Arten der ersten Listung von Sommer 2017 werden Anfang 2018 fällig, erst dann kann man sehen, was im Freiland gegen die gelisteten Arten getan wird.

Vorausgesetzt die zweite Listung wird im Sommer 2017 veröffentlicht, werden diese Managementpläne Anfang 2019 fällig.

Es schält sich offenbar ein Rhythmus heraus, daß der Beirat der EU im Juni entscheidet, und im Sommer eine Listung veröffentlicht wird. Auf mich wirkt das so, als ob das jetzt jährlich so weiter geht. Mal sehen wie weit, Gute Experten fordern schon seit langem die Listung von etwa 200 Arten, die erste Listung umfasste 37, der erste Nachtrag jetzt 12. Das würde also noch eine Weile so weitergehen.

Der Nasenbär in Mallorca wurde schon vor dem EU-Gesetz bekämpft, was sehr schwierig ist. Das geht auch weiter.

Großflächige Bekämpfung des Marderhundes erfolgt seit einigen Jahren in Skandinavien. Das ist teuer, sieht aber erfolgsträchtig aus, die Art konnte dort weit zurückgedrängt werden.

Die Nilgans ist wahrscheinlich ganz einfach loszuwerden.

(07.06.2017, 10:17)
Sacha:   Quod erat demonstrandum: Keine Rechtssicherheit, dafür wird laufend rumgebastelt - 'tschuldigung: angepasst. Tiere, die heute noch erlaubt sind, sind morgen schon gelistet.

Bin dann auch mal gespannt, wie man bereits etablierte Nilgans- und Marderhund-Populationen in freier Wildbahn ausmerzen will. Das dies invasive Arten sind, ist ja bereits seit Jahren bzw. Jahrzehnten bekannt. Und trotzdem gibt es sie immer noch. Schuld sind natürlich einzig die Flüchtlinge, die laufend aus den Zoos entweichen, besonders beim Marderhund (Ironie aus)
(06.06.2017, 23:10)
Hannes Lueke:   Nett. Die erste Liste wird noch nicht einmal konsequent bearbeitet da legt man nach.
Wie reagieren eigentlich die anderen Staaten auf die Liste. Werden aktiv die Mallorquinischen Nasua Nasua bekämpft? Passiert, anders als in Deutschland, überhaupt etwas?
(06.06.2017, 21:34)
Hystrix:   Die EU hat nunmehr einen Textentwurf für die erste Ausweitung der Liste invasiver Arten ins Internet gestellt. Zwar noch ohne Datum, nur daß es in 2017 sein wird, aber das heiß wohl, daß es sicher bald eine Ausweitung gibt. Die meisten der 12 neu gelisteten Arten sind Pflanzen. Als Arten, welche tatsächlich oder theoretisch für Zoos in Frage kommen, sind nur die Nilgans und der Marderhund dabei.

Für 2018 sind dann einige Arten mehr mit Interesse für Zoos in der Pipeline der Planung, aber diese müssen erst noch von den mitgliedsstaaten genehmigt werden.

(06.06.2017, 18:09)
Michael Gradowski:   Ich habe auch nicht behauptet, daß die Sache mit dem Wanderfalken keine Erfolgsgeschichte ist, ja der Bestand hat sich erholt. Trotzdem ist das illegale Aushorsten und die Wilderei ein sehr großes Problem für die Greifvögel. Das ist alles was ich dazu beitragen wollte,
(13.04.2017, 18:48)
Hystrix:   Ihre Meinung spiegelt sich nicht in den Zahlen wieder: Der aktuelle Brutbestand des Wanderfalken beträgt in Deutschland 1200 Paare, hoch von unter 50 Paaren vor 40 Jahren. Damals waren natürlch nicht allein Falkner durch Aushorsten schuld, genauso schlimm waren die Pestizide, aber zumindest in SW-Deutschland waren im Bestandstief über gut 20 Jahre hinweg nur diejenigen Bruten erfolgreich, wo Vogelschützer Tag und Nacht Wache schoben. Das band unerhörten persönlichen Einsatz und auch viel Geld des Naturschutzes, damals noch rein aus Spenden. manches andere musste liegen bleiben, weil man das Geld für Horstwache verwendete. Durch die Pflicht zum Haltungsnachweis für Falkner exklusiv von gezüchteten Falken wurde diese Horstbewachung unnötig und nach und nach eingestellt, parallel wuchs der Brutbestand um mehr als das 20fache. Soweit ich weiss wird heute nirgends mehr bewacht, ausser in manchen Felsgebieten an Wochenenden gegen Störungen durch Kletterer. Hier hat- neben dem Verbot von DDT und PCB- ein einfaches Gesetz, das die Halter in die Pflicht nahm, zu einem sagenhaften Erfolg des Artenschutzes geführt.
(13.04.2017, 17:26)
Michael Gradowski:   Sorry, aber da muss ich dazwischen grätschen. Das Aushorsten ist heute kein Problem mehr??? Das Problem wird immer größer, nicht nur bei Wanderfalken, generell bei Greifvögeln hat die Wilderei und das Aushorsten in den letzten Jahren deutschlandweit rasant zugenommen!!! Leider ein Thema das viel zu wenig in den Medien stattfindet.
(13.04.2017, 16:01)
Hystrix:   Ich denke schon, dass zunächst das Haltungsverbot teilweise von Privathaltern umgangen wird, die zunächst einfach weiterzüchten, oder sogar dass deshalb sogar Tiere freigesetzt werden, um sie loszuwerden, nachdem man sie nicht mehr legal verkaufen kann. Die Franzosen bemühen sich derzeit, den letzten größeren freien Bestand Schwarzkopfruderenten in Europa nahe der französischen Atlantikküste abzuschiessen, und das ist schwer und teuer genug obwohl nur etwa 200 übrig sind. Dabei beobachtete man dass in den letzten zwei Jahren in der Provence zwei neue Invasionsnester auftauchten. Ob aus einem Zoo oder aus Privathand weiss man nicht, rechnet aber damit, dass manche Züchter nach dem Vermarktungsverbot die Art einfach freilassen und hat sich darauf eingestellt, dass jetzt durch das Haltungsverbot noch mehr aufpassen muss und eine schnelle Eingreiftruppe auf mutwilliges Freilassen reagieren kann.

Ich denke man muss das langfristig sehen. Als die Privathaltung von Wanderfalken eingeschränkt wurde und auf markierte behördlich genehmigte Individuen beschränkt wurde, die nachweislich gezüchtet sein mussten statt in der Natur ausgehorstet, hiess es auch aus Falknerkreisen, das Gesetz sei völlig unwirksam weil nicht zu kontrollieren. Dennoch ist das Aushorsten heute kein Problem mehr und der Wildbestand ist gesichert. Ich denke nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat wird es ganz normal sein, das Thema ?invasive Arten? mitzudenken und zu berücksichtigen. Das wird aber einige Jahre dauern.

Erinnert noch jemand die Aufregung, als die Anschnallpflicht mit Sicherheitsgurten im PKW kam? Da war von Freiheitseinschränkung die Rede, Fesselung freier Autofahrer, unerträglicher Bürokratie und es bringe sowieso nichts. Viele experten waren sich sicher, das sei völlig unwirksam und reine Schikane. Heute ist es ganz normal sich im Auto anzuschnallen und man kommt sich nackt vor, wenn man es nicht tut.

Die 800 Schwarzkopfruderenten in Belgien waren alle insgesamt, private wie Zoos. Bei Waschbären rechne ich in Europa mit vielen Tausenden in Haltungen, auch wenn es wahrscheinlich nirgendwo gute Daten dazu gibt.

(13.04.2017, 15:29)
Michael Mettler:   Ich denke, dass genau die Sache mit den nahe verwandten Arten, die noch ins Fadenkreuz geraten können, den Zoos sogar mehr Kopfschmerzen bereitet als der Verzicht auf die bereits gelisteten. Zuchtprogramm hin oder her, ein Umstieg von Chinamuntjaks auf andere entsprechend winterharte Muntjaks oder auch Schopfhirsche (womöglich sogar mit aufwändigen Importen verbunden) könnte theoretisch damit enden, dass auch diese in der Zukunft unter den EU-Bann fallen könnten, da sich ein naher Verwandter von ihnen nun mal schon unbeliebt gemacht hat und auch bedrohte Muntjaks/Schopfhirsche bei Entweichen Freilandpopulationen gründen können, die dann folglich auch nicht mehr vom Zuchtmanagement überwacht wären. Selbst bei einem im Normalfall ausbruchsicheren Gehege reicht immerhin ein Sturm- oder Hochwasserschaden, um Tiere ins Umland zu entlassen.

@Hystrix: Die Zootierliste wird naturgemäß nie vollständig und aktuell sein, gerade bei kleineren und weniger besuchten Haltungen nicht. Aber regionale Häufungen von Zootierarten sind ja nun nichts Ungewöhnliches. Wenn der Waschbär in einem Land wie Deutschland seit Jahrzehnten zur heimischen Fauna zählt, ist die Wahrscheinlichkeit seiner Haltung in Zoos und vor allem auch in Wildparks m.E. umso wahrscheinlicher, da er erstens dann eher zum Themenbereich "heimische Wildtiere" und zweitens regelmäßig verwaiste Jungtiere aus der Wildbahn in Menschenhand kommen, die nicht mehr ausgewildert werden können. In einem EU-Land, wo der Waschbär nicht oder nicht in nennenswerten Zahlen im Freiland vorkommt, dürfte dann auch der Anlass geringer sein, ihn in Zoobestände aufzunehmen.

Übersichten über Zootiere bilden natürlich nicht die absolute Gesamtzahl gehaltener Individuen ab, da die Bestände in nicht-öffentlichen Privathaltungen zwangsläufig fehlen. Die genannten 800 Ruderenten in Belgien beziehen sich doch vermutlich nicht ausschließlich auf Zoobestände...? Waschbär, Chinamuntjak & Co. dürften in Liebhaberhand auf stattliche Zahlen kommen. Wenn nur noch EAZA-gemanagte bedrohte Verwandte dieser Arten in Europa gehalten werden dürfen, wird ja nicht nur den oft zitierten schwarzen Schafen unter den Privathaltern das Handwerk gelegt, sondern es sind auch äußerst engagierte Sachkenner betroffen, deren Know-how und Platzressourcen in Privathand und in Nicht-EAZA-Haltungen dem Pool einer neu zu etablierenden verwandten Form dann nicht mehr zur Verfügung stehen, während die EAZA-Zoowelt ein zusätzliches Zuchtprogramm auch personell (und damit kostenträchtig) bewältigen muss.
(13.04.2017, 09:14)
Hystrix:   Adrian Langer:

An sich ist theoretisch aus Naturschutzsicht eigentlich jede eingeschleppte Art nicht günstig, denn sie verfälscht wenigstens die natürlichen Muster, die man erhalten will, auch dann wenn die Schäden gering sind. Insofern wären auch überall kommune harmlose Arten am besten wieder fort, sofern sie nicht zum natürlichen Arteninventar gehören. Davon aber hat man sich weil praxisunfähig schon lange verabschiedet. In der Kulturlandschaft bei uns ist die Mehrzahl der Arten nicht urheimisch, von fast allen Ackerwildkräutern über den meisten Pflanzenarten in der Stadt bis zu auch Lieblingskindern des Naturschutzes wie Großtrappe, Feldlerche oder Feldhamster. Urnatur wieder zu erreichen wäre bei uns so illusionär dass man gar nicht mehr daran denken kann. Es geht daher in dem EU-Gesetz nur um solche Neozoen, die im Einzelfall als inakzeptabel bewertete Nachteile schaffen. Das ist wie alle Bewertungsfragen komplex festzulegen und manchmal Geschmackssache.

Die EU hat lange geschwankt zwischen zwei Modellen: Einmal die jetzt gewählte ?schwarze Liste?, bei der Arten nur gelistet werden, wenn sie nachweislich Schäden bereits gemacht hatten, also bereits negativ aufgefallen sind (oder so nahe verwandt sind mit nachweislichen bekannten Problemarten, daß man davon ausgehen muss, dass ebenfalls übergroße Probleme entstehen). Lange hatte man erwogen, stattdessen ?weisse Listen? zugrunde zu legen, also im Prinzip jede Einfuhr einer weiteren exotischen Art so lange zu verbieten, bis im Einzelfall durch ein fachliches Gutachten wahrscheinlich gemacht wurde, dass keine allzu großen Schäden drohen, und dann wäre diese Einfuhr auf die erlaubte weisse Liste gesetzt worden und dürfte als Ausnahme importiert werden. Was letztlich den Ausschlag gab für die schwarzen Listen weiß ich nicht, vermute aber Gründe der Praktikabilität.


Michael Mettler:

Ich finde zwar die Quelle nicht mehr, aber hatte im Internet gefunden, dass sogar von der vermeintlich wenig populären Schwarzkopfruderente allein im kleinen Belgien 800 (!) Tiere gehalten würden. Ich denke bei kleinen und putzigen Arten wie dem Waschbär dürfte die Zootierliste sicher nicht vollständig sein.

(12.04.2017, 19:44)
Michael Mettler:   @Hystrix: Die Zootierliste bietet unter http://www.zootierliste.de/?org=10 eine ständig aktualisierte "Top 100" für öffentliche Tierhaltungen im EAZA-Raum (wohlgemerkt nicht nur EAZA-Mitgliedszoos).

Die proportionale Hochrechnung mit Faktor 5 spiegelt sich für den Waschbären in der Zootierliste allerdings nicht wider. Europa außerhalb Deutschlands macht da gerade mal etwas mehr als das Anderthalbfache aus.

Richtig "lustig" würde es noch werden, falls eines Tages das Erdmännchen auf die schwarze Liste gesetzt wird, weil es ja theoretisch in Südeuropa zur Gefahr für heimische Kleintiere werden könnte...
(11.04.2017, 22:25)
Hystrix:   In einem Buch vom Bundesamt für Naturschutz stieß ich auf eine Liste der häufigsten Zootiere in Deutschland. Diese bietet mal eine ganz neue und interessante Perspektive auf die gehaltenen Arten. Spitzenreiter sind Damhirsch, Pfau und Zwergziege mit 493, 444 und 427 in deutschen Zoos. Aber bereits auf unerwartetem Platz 9 folgt der Waschbär mit immerhin 314 und auf Platz 26 und damit unerwartet nur knapp hinter dem Erdmännchen der Nasenbär mit 233. Beide jetzt von der EU verbotenen Arten wären damit in Zoos erheblich häufiger als etwa Hausesel, Flamingos oder Hängebauchschweine, sofern diese Liste korrekt meldet.

Da Deutschland so etwa 20% der EU ausmacht in Bewohnern und Wirtschaftskraft und Größe kann man in grober Annäherung diese Zahlen mit 5 multiplizieren um zu erkennen, wie häufig manche dieser jetzt gelisteten Arten tatsächlich gehalten werden.

Quelle: http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript331.pdf, dort S. 143f.


(08.04.2017, 19:56)
Sacha:   @Edit: aufzäumen natürlich, nicht aufzäunen - sorry.
(28.03.2017, 14:58)
Sacha:   Der Rotfeuerfisch ist fraglos ein für tropische und sogar subtropische Meere hochinvasiver Kandidat. ABER auch hier WÃœRDE das Pferd wieder von der falschen Seite aufgezäunt. Die Gefahr besteht nicht in erster Linie durch ausgesetzte Aquarientiere, sondern für die europäischen Meere durch die lessepsche Einwanderung (= Arten, die durch den Suezkanal ins Mittelmeer gelangen und umgekehrt) bzw. unabsichtliche Mitnahme durch Schiffe. Wie soll die Ausbreitung im Mittelmeer verhindert werden, wenn schon der Schwarzspitzen-Riffhai sich auf diese Weise im Mittelmeer festgesetzt hat? Den Suezkanal schliessen? Jeden Tanker bis zum Ziel und wieder zurück begleiten, damit er unterwegs kein Ballastwasser (mit Jungfischen, Larven etc.) ablässt. bzw. aufnimmt?

Zu wissenschaftlich-öffentlichen Funktion eines Zoos: Da sollten Sie wissen, dass es keine EAZA-Anerkennung (und meines Wissens auch von den meisten Behörden) gibt, wenn der Leiter/Inhaber man nur ein paar Semester Biologie studiert hat. Das war jetzt schwach.
Es gibt m. E. für eine Ausnahmeregelung nicht nur EINEN Sachgrund allein, sondern es ist eine Kombination mehrere Gründe: Nebst dem Artenschutz/Arterhaltung die Bildung und Forschung und alles im Rahmen von behördlich abgesegneten (Mindest-)Haltungsvorgaben der EAZA (Ich hoffe ich habe keinen Aspekt ausgelassen, aber ich glaube man versteht, was ich meine).

In einem Punkt gebe ich Ihnen allerdings recht (bzw. gab ich schon die ganze Zeit): Auch die EAZA-Zoos müssen sich bewegen, wenn Sie Ausnahmeregelungen wollen bzw. man ihnen solche gestatten soll.
(28.03.2017, 14:11)
Hystrix:   1. Letztlich läuft der einzige bleibende Dissens darauf hinaus, ob man eine ?lex EAZA? bekommen könnte, also eine Ausnahmegenehmigung für alle EAZA-Zoos geht ohne weiteres Kopfzerbrechen. Da bewegen sich wohl wir alle Diskutanten auf schwammigem Gebiet, weil kaum einer Staatsrechtler sein wird.

Nach meinem Verständnis kann man nicht allen Europäern etwas auferlegen, bis hin im Ernstfall zur Schließung von lukrativen Pelzfarmen und der Zerstörung bisheriger Geschäftsfelder, auch im Zierpflanzenhandel ? um gleichzeitig ins selbe Gesetz hineinzuschreiben daß Herr Hagenbeck in Hamburg sich nicht dran halten muß. Nach meinem Verständnis braucht ein Privileg vielmehr einen triftigen Sachgrund. Diesen hat man in den Erhaltungszuchten gesehen, die einen anerkannten Ausnahmetatbestand bilden. Das ist ja in der realen Welt ganz klar der Ausnahmetatbestand massgeschneidert für die EAZA, insofern braucht man sich eigentlich nicht aufzuregen, DIE EAZA HAT DIE MÖGLICHKIT BEFREIT ZU WERDEN. Man müsste "nur" bisherigen Zuchtwildwuchs ersetzen durch EEPs und einige Auflagen auf die Haltung ertragen, und glaubhaft machen daß es beispielsweise bedrohte Formen von Munjaks oder Waschbären gibt, die es aber wahrscheinlich gibt. Dann wäre die Kuh offenbar schon vom Eis, die EAZA macht weiter, wenn auch etwas bürokratischer, und die anderen dürfen nicht.

Alles andere was eine Ausnahme triftig begründen könnte kann auch jeder kleine Tierschausteller am Ausflugslokal. Der hat nämlich im Ernstfall auch mal Biologie studiert wie der Zoodirektor von Köln, genauso wie auch der Besitzer der Minkfarm, also ist seine Spelunke auch "wissenschaftlich geleitet". Der kann auch Umweltbildung machen wenn er ein Schild neben das Waschbärengehege stellt, das einen Waschbär beim Fressen eines Trappenkükens zeigt. Auch alle anderen an sich diskussionswürdigen Ausnahmetatbestände können von fast allen, auch Privatleuten, erbracht werden. EEPs aber kaum, hier hatte offenbar der Gesetzgeber eine ganz große Liebe zur EAZA bekannt.

Was jedoch sicher staatsrechtlich nicht geht ist daß man beispielweise Tierschau für Umweltbildung durch Führungen als Ausnahme anerkennt, aber eben nur im Zoo Frankfurt und nicht im Nicht-EAZA-Zoo nebenan oder in einem Holidaypark. Das wäre dann wieder Diskriminierung von letzteren, und dann kann jeder Betroffene das Gesetz gerichtlich zu Fall bringen.

Mir ist ein lückenhaftes Gesetz mit Schwächen lieber als gar keines. UND DAS JETZIGE IST BEREITS EIN PRIVILEG FÜR DIE EAZA, auch wenn diese nicht wörtlich drinsteht, sondern nur über ihre Funktion als einziger Erhaltungszüchter in Europa. Ob natürlich die ebenfalls bestehenden Zuchtbücher einiger privater Terrarianer auch eine Ausnahme begründen können, wäre von Juristen noch zu prüfen.


2.
Ich setze noch eine ganz aktuelle Info drauf, denn die EU hat die Vorschläge für die zweite bzw. dritte Nachmeldungstranche der ?Invasiv-Liste? ins Netz gestellt. Folgende darunter können in Zoos gehalten werden:

Hirtenstar
Zierschildkröte
Kettennatter
Gambusia-Fische
Rotfeuerfisch
Lagocephalus sceleratus
Gestreifter Korallenwels
Fuchskusu

Ein solcher Vorschlag bedeutet nicht automatisch Listung, nur dass man sich mit diesen Arten zukünftig im Prüfverfahren befasst. Die entscheidende Abstimmung aller EU-Staaten über diese Vorschläge dürfte kaum vor 2018/2019 erfolgen.

Deutschland hat weiterhin nichts vorgeschlagen, die obigen Arten wurden eingebracht von EU selbst, NL, CZ, CY und PL.
Die Liste ergänzt die von mir früher benannten derzeit laufenden Vorschläge.

(28.03.2017, 13:40)
Mark Meier:   @Hystrix: Ganz grundsätzlich spreche ich meinen herzlichen Dank aus. In einem zooaffinen Forum so leidenschaftlich und hartnäckig aber zugleich weitgehend sachlich für diese Regelung zu plädieren, nötigt mir schon für sich genommen Respekt ab.

Allerdings überzeugt mich jetzt langsam auch immer mehr auf der argumentativen Ebene. Ich gebe zugleich durchaus zu, dass ich mir gewisse Regelungen für EAZA-Zoos oder vergleichbare Einrichtungen wünschen würde. Zu den Auflagen könnte gehören:
-Nachweis einer nach gängigem Sachverstand ausbruchsicheren Haltung (Kontrolle z.B. alle zwei Jahre auf Kosten des Halters)
-Besenderung (ggf. in Verbindung mit Datenerfassung und -übermittlung in einer Datenbank z.B. einmal wöchentlich oder monatlich - wenn mit realistischem Aufwand umsetzbar)
-Haltung und Zucht nur zu nachgewiesenen wissenschaftlichen Zwecken, im Rahmen eines EEP (nur für bedrohte oder potentiell bedrohte Arten) oder ggf. bei einem begründeten didaktischen Interesse (in Verbindung mit einem entsprechenden Konzept)
-Abgabe nur an gleichwertige Einrichtungen, i.e. mit den gleichen Auflagen

Gerade der Punkt mit der Didaktik kingt zunächst sicher schwammig. Generell wäre mein Ansatz, dass die Zoos durch deutlich steigende Auflagen ganz automatisch ihre Motivation hinterfragen und sich wirklich überlegen, was neben Schauattraktivität ausgerechnet die Haltung einer (potentiell) invasiven Art rechtfertigen könnte. Wenn die Haltung genau dieser Art weder für die Forschung wichtig ist, noch es sich um bedrohte Tiere handelt (eher im Gegenteil), sollte es schon zumindest ein gutes didaktisches Konzept geben - auch um die Maßnahmen in freier Wildbahn zu erklären und zu unterstützen (es könnte dazu sogar Material von der EU bereitgestellt werden). So hätte der Besucher und der Umweltschutz im Idealfall auch etwas davon. Ich sehe es in diesen Fällen durchaus als gerechtfertigt an, dass Zoos diese Tiere nicht mehr einfach halten, weil sie es können und gut damit fahren, sondern sich neben den erhöhten halterischen Auflagen (wobei ja auch andere Tiere nicht ausbrechen sollten!!!) gewissermaßen erklären und rechtfertigen müssen. Mit den hohen selbst gesteckten Ansprüchen sollte es vereinbar sein. Wenn sie darauf dennoch keine Lust bzw keine entsprechenden Ressourcen haben und lieber auf andere Arten umschwenken, ist das auch ok.

Diesen Kompromiss fände ich angemessen. Ansonsten bin ich inzwischen jedoch innerlich auch so weit, dass ich entgegen anfänglicher Vorbehalte inzwischen den Verzicht auf einzelne Arten akzeptieren könnte. Ich sehe in der Summe die Vorteile der Regelung klar überwiegen. Wie schon ausgeführt wurde, werden hier im Interesse letztlich aller sehr viele Bereiche betroffen (Maßnahmen in den betroffenen Biotopen selbst, Handel und Reiseverkehr...). Da sollten gerade seriöse Zoos bereitwillig einen Anteil leisten und Vorbild sein. Nur ist es umgekehrt nur fair, auch deren sachliche Argumente zu sehen und sie vielleicht stärker als Verbündete zu sehen (ohne sich auf reine Lippenbekenntnisse zu verlassen).
(28.03.2017, 11:13)
Sacha:   @Hystrix: Dann kann man die Neuerungen aber auch (noch) nicht wie Sie loben, dass ist genauso herbeiphantasiert...

Versuche, den Waschbär zu eliminieren (das wissen Sie so gut wie ich) gab es schon in der Vergangenheit. Bislang wie wir sehen ohne Erfolg. Und der Grund lag (wenn ich die Meldungen richtig in Erinnerung habe) nicht in erster Linie daran, dass "immer wieder neue ausbrachen", sondern weil man Mühe hatte, sie aufzuspüren und/oder den Aufwand scheute.

Ihre Schätzung geht also bis 2030, um einmal Bilanz zu ziehen (also nicht identisch mit dem Zeitpunkt einer definitiven bzw. erfolgreichen Eliminierung)? Auch mir ist klar, dass eine derartige Aktion nicht von heute auf morgen geschehen kann. Aber glauben Sie wirklich, dass selbst bei einer konsequenten Umsetzung der Verordnung für in Gefangenschaft gehaltene Waschbären dieser sich in diesen 13 Jahren nicht über die Landesgrenzen hinaus ausbreitet?

Wie auch immer: Als dies widerspricht nicht der Möglichkeit, eine Ausnahmeregelung für öffentlich-wissenschaftliche Zoos zuzulassen, sofern sie zu gewissen Anpassungen (ausbruchsicherere Gehege PLUS Besenderung) bereit wären.

(28.03.2017, 10:07)
Hystrix:   Es sind noch mehr als neun Monate abzuwarten, ehe die ersten Managementpläne für die erste Listung von 2016 auch nur für eine einzige der gelisteten Arten erstellt sein werden. Jetzt schon zu wissen, daß alle davon überhaupt nichts wert sein werden ist so unbegründet herbeiphantasiert daß es nicht mal wert ist, darüber zu plauschen. Man muß mindestens bis dann abwarten. In einem Jahr wird man wissen, was man von Staatsseite als ersten Versuch der Eliminierung auch des Waschbären plant, in vielleicht weiteren 3-5 Jahren grob sehen ob das auch hilft und wenigstens in die richtige Richtung geht, und nach etwa 10 weiteren Jahren wird man von der EU aus eingreifen wenn in einem Staat zu wenig getan wird. Danach werden auch so langsam auch die Ansätze der unterschiedlichen EU-Mitglieder vergleichbar werden, wie sie sich im Vergleich bewähren, und kann erst dann beginnen die besten Managementstrategien überall zu übernehmen. Erst dann allmählich, also sicher kaum wirklich vor 2030, wird man wissen was es insgesamt gebracht hat. Der Waschbär hatte 90 Jahre gebraucht, ganz Deutschland zu erobern. Da wird er beim allerbesten Willen und selbst bei größer Anstrengung nicht in wenigen Jahren loszukriegen sein. Aber wenn immer weitere ausreißen wird es noch länger dauern oder nie kommen.
(27.03.2017, 22:27)
Sacha:   Genau die Kosten-Nutzen-Vorgabe meinte ich als ich von fehlender Effizienz bei der Eliminierung schrieb. Was nützt es, wenn man auf ein "günstiges" Haltungsverbot setzt, die teure Eliminierung aber nicht konsequent unternimmt? Richtig: nichts.
Der Teufel steckt im Detail. Und insbesondere folgender Satz "Diese Managementmaßnahmen stehen in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen auf die Umwelt" dürfte noch für einigen Ärger sorgen, da "angemessen" oftmals Ansichtssache ist. Das sieht man schon in diesem Forum bei dieser Diskussion.

Wenn es grundsätzlich um mehr Geld für den Naturschutz geht .. meine Stimme haben Sie.
(27.03.2017, 21:25)
Hystrix:   Sacha:

Hatten Sie jemals in das Gesetz hineingeschaut?

Die Listung des Waschbären bedeutet nicht allein das Haltungsverbot, sondern verpflichtet die EU-Staaten gleichzeitig zur Lösung der Probleme, die die Art in Europa macht. Nachstehend wenn auch etwas gekürzt die Passagen aus dem Gesetz. Deutschland muß also nicht nur seine Zoos anweisen, die Art nicht mehr zu züchten, sondern muß zusätzlich gegen die Art im Freiland vorgehen. Außerdem ist man verpflichtet, die geschädigten Ökosysteme wieder herzustellen. Letzteres bedeutet beispielsweise, daß man nicht mehr wie vor wenigen Jahren in Sachsen-Anhalt dem Naturschutz den Geldhahn zudrehen darf, um damit wenn auch ungewollt die Bewachung und Umzäunung der letzten Großtrappen zum Schutz vor den eingeschleppten Beutegreifern zu torpedieren. Die Art war bei uns auf 90 Vögel runter, seit den Zäunen und mit hoher Fallendichte ist man wieder bei fast 300, aber nru dort wo enorme Prädatorenkontrolle erfolgt. Jetzt muß wenigstens diese dauerhaft bezahlt werden.

Die einzige Einschränkung dieser Verpflichtung im Gesetz ist ein unangemessenes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Das ist zugegebermaßen eine verfängliche Formulierung, aber warten wir erst mal ab, was Deutschland aus dieser Verpflichtung macht. Selbst falls "nur" die Großtrappe bei uns gerettet würde, und vielleicht noch der Schwarzstorch, hätte die Listung schon unerhört viel erreicht, selbst wenn nicht in jeder Großstadt sämtliche Waschbären wieder verschwinden.

Nachstehend der gekürzte aber sonst wortgetreue Textauszug aus dem Gesetz, von der EU-Webseite:


Artikel 19: Managementmaßnahmen
(1) Innerhalb von 18 Monaten nach der Aufnahme einer ? Art in die Unionsliste verfügen die Mitgliedstaaten über wirksame Managementmaßnahmen für diejenigen invasiven gebietsfremden Arten, die in ihrem Hoheitsgebiet weit verbreitet sind, damit deren Auswirkungen auf die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen sowie gegebenenfalls auf die menschliche Gesundheit oder die Wirtschaft minimiert werden.

Diese Managementmaßnahmen stehen in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen auf die Umwelt.

(2) Die Managementmaßnahmen umfassen tödliche oder nicht tödliche physikalische, chemische oder biologische Maßnahmen zur Beseitigung, Populationskontrolle?


Artikel 20: Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme

(1) Die Mitgliedstaaten führen geeignete Wiederherstellungsmaßnahmen durch, um die Erholung eines Ökosystems zu fördern, das durch invasive gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung beeinträchtigt, geschädigt oder zerstört wurde.

(2) Die Wiederherstellungsmaßnahmen gemäß Absatz 1 umfassen zumindest Folgendes:

a) Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeit eines aufgrund des Auftretens von invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung störungsgefährdeten Ökosystems, den Auswirkungen der Störung zu widerstehen, sie zu absorbieren, sich an sie anzupassen und sich von ihnen zu erholen;

b) Maßnahmen zur Unterstützung der Verhütung einer erneuten Invasion im Anschluss an eine Beseitigungskampagne.

(27.03.2017, 15:57)
Sacha:   @Hystrix:

Zu 2. Falsch: Die meisten öffentlichen UND wissenschaftlich geführten Zoos in Europa - und nur für diese forderte ich eine Ausnahmeregelung (bitte genau lesen) - sind EAZA-Mitglied.

Es heisst übrigens immer noch Pont DE Gau.

3. Bei Hystrix merkt man, dass er offenbar nicht Willens ist, effizientere Massnahmen zu erkennen bzw. anzuerkennen. Was nützt eine Listung, wenn sich der Waschbär eh ausbreitet. Besser wäre, die "Fachleute" hätten 20 Jahre daran rumstudiert, wie man den Waschbär in Europa eliminieren kann. Dann wäre eine (gleichzeitige) Listung zumindest verständlich und logisch. So ist sie Quatsch. Denn der Waschbär breitet sich aus wie u. a. mehrere Sichtungen in der Schweiz beweisen (vor ein paar Jahren wurde ein EINGEWANDERTER Waschbär von einem Zürcher Wildhüter erlegt). Mit Ihrer Spekulation dürften Sie somit ordentlich daneben liegen...

1. Richtig. Nur was vorliegt kann auch übernommen werden. Aber nur was angenommen/akzeptiert wird, kann auch umgesetzt werden. So weit sind wir noch nicht.
2. Auch richtig. Nur das heisst (auch Ihren Ausführungen entsprechend) nicht, dass nicht auch aus der Schweiz eine invasive Art sich über Europa ausbreiten KÖNNTE. Darum mein Beispiel mit den Muntjaks. Ist der Zusammenhang wirklich so schwer zu verstehen?
(27.03.2017, 10:50)
Hystrix:   Also, das Gesetz ist kein reines Naturschutzgesetz, nicht einmal primär. Insgesamt betrachtet stören invasive Arten Menschen viel häufiger, weil sie wirtschatfliche oder gesundheitliche Schäden machen, als sich Naturschützer darüber aufregen, schon allein weil es so viele Naturschützer gar nicht gibt. Es gibt Schätzungen, welchen Schaden invasive Arten machen, aber ich habe mich da nicht wirklich kundig gemacht. Es geht aber nach Meldungen im Internet allein in Europa in die Milliarden jährlich. Erinnern Sie noch, als die Dreikantmuschel beim ersten Auftauchen die Wasserversorgung ganzer Gemeinden lahm legte und Stauseen blockierte?

Meines Wissens ist die typische neozoische Population des Streifenhörnchens ein Stadtpark. Ich glaube in Frankreich und Italien gibt es jeweils ungefähr ein Dutzend Bestände von jeweils bis zu einigen tausend Tieren, davon die Mehrheit in Stadtparks und die anderen in stadtnahen Erholungswäldern. Daraus schließt man, daß sie wahrscheinlich aktiv von Menschen angesiedelt wurden, um ein liebes Tier zu sehen und füttern zu können. Mehrere Populationen davon werden gerade von Kindern regelmäßig gefüttert und sind recht zahm. Von einer natürlichen Einwanderung der Art aus Rußland in die EU habe ich nichts gehört. Ein Vorteil dieser Listung ist, daß sie wohl zum baldigen kompletten Verschwinden führt, denn das Hörnchen ist sehr ortstreu und breitet sich ganz langsam aus, geht zudem beim richtigen Köder leicht in Fallen. Bei der typischen Populationsgröße von 2000-5000 Tieren, die man in SW-Europa findet, braucht man nur ganz wenige Jahre Lebendfallen aufzustellen und man hat alle. Die einzige größere Population in Deutschland war um den Friedhof in Freiburg, die ist niemals expandiert, hielt sich aber Jahrzehnte. Sie ist plötzlich von allein verschwunden.

Auch die einzigen bisherigen wirklichen Kampagnen in Deutschland hatten medizinische Hintergründe, nämlich die Impfung bzw. Bekämpfung der Füchse wegen der Tollwut (hier ist das Virus invasiv, nicht der Fuchs) und die noch laufende Bekämpfung der Ambrosie, eine Pflanze, die mit Samen in Vogelfutter eingeschleppt wurde und die so starke Allergien auslöst, daß sie mit die schlimmsten Allergien überhaupt erzeugt. Demnächst wird auch der Riesen-Bärenklau gelistet, auch wegen starker Allergien.

Das Argument von Mettler gegen die Borreliose als Grund für Listung verstehe ich nicht. Man kann so zusätzliche Krankheiten für Menschen verhindern, das ist doch okay. Wenn man allein ind den Parks von Paris und Rom auch nur einige starke Kranheitsfälle im Jahr verhindern kann ist das doch gut. Ich hatte selbst mal Borreliose, das ist kein Spaß, zumal es oft vom Arzt nicht erkannt wird. Ein bekannter kam deshalb sogar in die Psychiatrie.

(25.03.2017, 14:35)
Michael Mettler:   Okay, ich hatte vergessen, dass ja auch ökonomische Schadwirkung als Kriterium zählt. Dann ist ein Krankheitsüberträger wegen seiner Folgen für das Gesundheitssystem natürlich auch invasiv.
(25.03.2017, 13:55)
Michael Mettler:   Wenn "Farbzuchten" (sprich "nicht-wildfarbige" Tiere) nicht unter das Verbot fallen würden, wäre es witzlos. Nicht nur Nutrias, sondern auch Waschbären, Nasenbären, Marderhunde und Burunduks werden in Farbvarianten gezüchtet, die bestimmt nicht schlechter im Weglaufen sind als "wildfarbige" Exemplare. Und das gilt erst recht für den Mink, wenn der demnächst gelistet werden sollte. Selbst bei der Nilgans gibt es gezielte Farbzucht in Liebhaberbeständen.

Die Borreliose-Argumentation beim Burunduk überzeugt mich nicht. Der Beschluss wurde doch nicht wegen der Einschleppung von Krankheiten gefasst (da gäbe es noch ganz andere Überträger, allen voran in den EU-Raum importierte domestizierte Tiere und Gartenpflanzen sowie reiselustige Homo sapiens), sondern wegen der Sorge, dass frei lebende "standortgerechte" Lebewesen in der EU durch außereuropäische verdrängt werden können. Man hat doch wohl kaum Sorge, dass unsere heimischen Borrelien durch asiatische verdrängt werden...?


(25.03.2017, 11:18)
Hystrix:   Adrian Langer:

Zwei der Fragen kann ich beantworten.

Das Streifenhörnchen wurde vermutlich nicht aus Artenschutzgründen gelistet, sondern aus medizinischen. Es trägt nach Europa neue und besonders virulente Borreliose-Bakterien ein, die beim Menschen üble Erkrankungen bedingen und die, wenn sie über Zecken auch auf heimische Nagerarten übertragen und dann bei uns als Erreger breit eingebürgert werden, offenbar ganz neue Krankheitsbilder auch beim Menschen erzeugen würden. Wir gaben schon mehrere Borrelien in den heimischen Mäusearten, und das Streifenhörnchen würde weitere dazu bringen.

Die Aussage der hohen Bedeutung invasiver Arten als wichtigster Aussterbetreiber von Vögeln bezieht sich nur auf Inseln. Heute weiß man aus der Archäologie, daß fast alle der unzähligen Pazifikinseln eine reiche endemische Vogelwelt hatten, ähnlich wie heute noch Galapagos, nur daß diese bei der Einwanderung der Polynesier seit etwa 2000 Jahren bis auf kleine Reste ausgerottet wurden. Offenbar durch eingeschleppte Ratten, Mungos und Vogelmalaria-Keime, wobei die Vogelmalaria in auf Menschen parasitierenden Stechmücken eingeführt wurde. Ich habe die exakte Zahl nicht parat, glaube aber eine Zahl von bis zu 4000 (!) ausgerotteten Vogelarten allein im Pazifik durch eingeschleppte Neozoen gelesen zu haben. Da wäre ein Mehrfaches aller heute weltweit aussterbebedrohter Vogelarten. Auf den großen Kontinenten ist das kein so großes Problem, hier finden auch unterlegene Arten eher Ausweichnischen als auf Inseln. Man muß aber bedenken, daß heute viele Wildtiere auch in Europa nur noch in kleinen ?Inseln? überleben, etwa in kleinen Nationalparks oder Reservaten, so daß heute auch schon regionales Verdrängen durch Neozoen leicht das gesamte Erlöschen bedeuten kann. Dieses Problem kommt ja nur dazu zu den ohnehin wirkenden Bedrohungsfaktoren. So haben wir die Großtrappe nur noch in drei Reservaten in Ostdeutschland, und da sie wegen Waschbär und Marderhund (und Rotfuchs) nur noch vom Menschen bewacht hinter großen Gatterzäunen brüten kann, weil außerhalb von Schutzzäunen die Küken gefressen werden, ist das halt schon ein Problem. Vor 100 Jahren, als die Trappen noch überall waren, wäre das nicht so gravierend gewesen.

Ob Farbzuchten von Nutrias unter das Verbot fallen weiß ich nicht.

(24.03.2017, 12:50)
Hystrix:   Antworten an Sacha und Michael Mettler:

1. Ja, in Österreich hatte man vor Jahrzehnten Kanadabiber zur Wiedereinbürgerung aktiv ausgewildert. Das waren Amateur-Naturschützer aus Vereinen mit viel romantischen Träumen und wenig Sachverstand. Diese Biberaktionen waren damals die ersten echten Auswilderungen in Mitteleuropa, da herrschte überall viel Unwissen. Auch in Deutschland machten ?Fachleute? wie Grzimek (gelernter Tierarzt für Legehennen), Sielmann (ungelernter Journalist) und Horst Stern (Zeitungsjournalist) einen bunt gemischten Bibermix in Bayern heimisch, weil Ihnen jemand ins Ohr gesäuselt hatte, man müsse so viel genetisch mixen wie überhaupt möglich, sonst klappe das nicht. Auch die Laien in Wien hatten wohl mal in der Küchenschule nebenbei aufgeschnappt, ?genetische Vielfalt? sei günstig und da wollten sie ihren neu auszuwildernden Bibern bei Wien ?das Beste? auf den Weg geben, daher auch Kanadagene. Das ist sträflich, beide Arten sind nicht mal fruchtbar kreuzbar und zudem ökologische Konkurrenten, wobei die Kandier überlegen sind. Diese Leute hatten also ihren Projekterfolg gleich zu Beginn leicht selbst verhindert, wenn die Kanadier angegangen wären. Der Unsinn hat später zu einem kostenträchtigen Suchprojekt des Staats geführt, man hat angeblich ganz Österreich durchgekämmt, um die Kanadier aufwendig wieder zu entfernen. Dabei sollen aber keine überlebenden Kanadabiber mehr gefunden worden sein.

Ganz Finnland ist vom Kanadabiber voll, weil man den früher wegen vermeintlich besserer Pelze gezielt ausgesetzt hat und dieser den schwächeren Europäer verdrängt. Ich rechne aber damit, daß auch der Kanadabiber bald von der EU gelistet wird und es gibt in Finnland auch schon eine Machbarkeitsstudie zur Ausmerzung der Kanadier. Die Schweden sind sauer weil die Kanadabiber jetzt dort reindrücken und auch dort die heimische Biberart verdrängen.

2. Pont du Gau ist kein EAZA-Zoo, eher ein Wildfowl Trust, aber die meisten Zoos der EU sind nicht in der EAZA.

Als die französische Forst- und Wildbehörde die Ibisse abschießen ließ, gab es einen Sturm der Entrüstung in der Presse und allerlei Studien wurden von Tierrechtlern in Auftrag gegeben, die zeigen sollten, daß die eingeschleppten Ibisse harmlos seien. Alle diese sind, anders als die mehrjährige staatliche Studie welche die Schäden nachgewiesen hatte, übers Knie abgebrochen gewesen, keine hat die realen Beobachtungen anerkannt, welche man an den eingeschleppten Ibissen machte. Es waren ausnahmslos Auftragsgutachten von Tierrechtlern. Es kamen auch die üblichen dümmlichen Vorwürfe hoch, die Ibisjäger seien rechtsradiklale ?Fremdenfeinde?. Gegen solchen Quatsch geht man am besten nicht an, der kam seit 100 Jahren immer wieder hoch und zeigt, wie unkundig solche Naturschutzkritiker sind.

3. Bei Sacha merkt man ganz deutlich, daß er keine Erfahrung mit Naturschutz hat. Im Naturschutz gibt es niemals den völligen Erfolg, die ganz saubere Lösung, immer muß man kleine Fortschritte hart erkämpfen, und verliert dabei gleichzeit ab der Nachbarfront. Alles andere ist unrealistisch. Kein Mensch vom Fach wird glauben, daß wegen eines Haltungsverbots des Waschbären dieser von selbst wieder aus Europa verschwindet. Wie kommen Sie denn darauf, daß man das glauben würde? Die Listung erfolgte, weil der Waschbär in 90% der EU und in der Mehrheit der EU-Staaten noch nicht eingeschleppt wurde aber überall dort in 100en von Haltungen reichlich gezüchtet wird. Man kann mit dieser Listung ohne jegliche ?Naivität? 1. Die unmittelbar drohende Einschleppung in diesen Staaten verhindern oder jedenfalls viel unwahrscheinlicher machen und 2. Man muß nach der Listung auch in den Ländern, wo er schon vorkommt, Managementmaßnahmen dagegen ergreifen. Was ist daran denn naiv? Ich selbst spekuliere, daß der Waschbär allmählich zurückgedrängt wird ? er hat derzeit noch nicht mal überall Jagdzeit- daß es aber im besten Fall viele Jahrzehnte dauert, bis er ganz stark verschwindet. Ob ganz jemals wieder verschwindet weiß ich nicht. Ich rechne aber schon damit daß die Listung erkennbare Besserung bringt. Allein das ist so ungeheuer viel, daß sich der Einsatz unzähliger Fachleute gelohnt hat.

Genauso verquer ist das Argument, daß das Gesetz wirkungslos sei, wenn nur die Schweiz nicht mitmachen würde. 1. Ist das Gesetz Voraussetzung, daß es die Schweiz über Vermittlung des Europarats auch übernimmt, denn nur was vorliegt kann übernommen werden. 2. Sind die dicken Problemarten in der Vergangenheit in keinem Fall von der Schweiz ausgegangen. Die größten Sünder mit den meisten eingeschleppten Arten sind Italien, Frankreich, Benelux und GB.

(24.03.2017, 10:27)
Michael Mettler:   @Sacha: Ich weiß nur von einem Waschbär-Ausbruch MIT, nicht BEI Hagenbeck, nämlich ein auf einem Transport entkommenes Tier (das war meiner Erinnerung nach in der Lüneburger Heide). Allerdings schon zu Lebzeiten Carl Hagenbecks (nachzulesen in "Von Tieren und Menschen"), das Tier wurde schließlich von einem Jäger erlegt...

Bei nebulösen Formulierungen wie "ein Zoo in Hamburg" würde ich allerdings nicht nur an Hagenbeck denken, schließlich gab es ja auch noch den Hamburger Zoologischen Garten, und je nach Zoo-Definition des Autoren kämen ja auch noch "Gaststätten-Zoos", Privathaltungen ("Privatzoos"), Wildparks usw. in Betracht.

Übrigens müsste man zum Wiederauffinden entkommener Zooexemplare "invasiver Arten" nicht mal eine neue Chip-Technologie erfinden. Man könnte die Tiere genausogut für die Zoohaltung mit Senderhalsbändern bestücken, wie sie für Freilandforschungen genutzt werden. Es sei denn, dass diese Methode wirklich nur in freier Landschaft korrekt funktioniert und nicht im städtischen Raum bzw. Umkreis. M.W. tragen allerdings schon viele für Flugschauen verwendete Greifvögel vorsichtshalber einen Sender am Bein, um im Fall eines Entfliegens wiedergefunden werden zu können. Dann mag ein Muntjak mit Senderhalsband, der ja einen wesentlich kleineren Entfernungsradius hat als ein Vogel, auch keine wirklichen Probleme aufwerfen. Und wenn eine Ausnahmeregelung für Zoos unter der Maßgabe geschaffen werden sollte, die Tiere eindringlicher zu Lehrzwecken einzusetzen, sollte man Besucher in diesem Zusammenhang auch darüber aufklären können, warum sie Halsbänder tragen müssen. Wäre immerhin auch als didaktischer Einstieg zur Darstellung von Freilandforschung an etlichen Tierarten nutzbar, wo die Telemetrie-Methode ja seit Jahrzehnten genutzt wird und selbst dem ONB in diversen TV-Dokus schon mal begegnet sein dürfte.
(24.03.2017, 09:14)
Sacha:   @Hystrix:

1. Schade, dann bleibt das offen. (Wobei ich jetzt nicht so ganz verstehe, inwieweit sie bei der Nennung des Halters juristische Schwierigkeiten bekommen könnten. Wenn Sie z.B. schreiben würden, der Halter XY hat bzw. hatte deswegen eine Regressklage am Hals, dann ist das ja keine Schuldzuweisung und man weiss trotzdem was Sache ist).

Der Parc Ornithologique Pont de(!) Gau ist ein Paradebeispiel für eine zoologische Institution, die eben NICHT wissenschaftlich geführt ist bzw. zu diesem Zeitpunkt war. Der Gründer André Lamoureux war/ist ein Hobby-Halter. Somit keine Institution, die für mich "ausnahmewürdig" wäre.
Interessant in diesem Zusammenhang ein Wikipedia-Eintrag (https://de.wikipedia.org/wiki/Heiliger_Ibis): "Eine wissenschaftliche Langzeitstudie aus dem Jahre 2013 über Heilige Ibisse als Neozoen in Frankreich kommt jedoch zum Schluss, dass der Heilige Ibis keine anderen Arten gefährdet."
Nebenbei: Ibisse auszurotten ist durchaus machbar. Denken Sie nur an unsere Vorfahren und den Waldrapp.

2. Hier sind wir genau bei dem Punkt, warum ich die neue Verordnung... nennen wir es "uneffizient und falsch ausgerichtet", okay?.... halte: Arten, die wesentlich mehr invasives Gefährdungspotenzial aufweisen, sind (noch) nicht darauf.
Bislang haben Sie immer auf das Prinzip gepocht. Auch mir täten die dann arbeitslosen Pelzfarmer (Familienväter) leid. Eine Umsetzung propagieren ohne Ausnahmen bedeutet eben auch keine für Pelzfarmer.
Und bezüglich "man kann ja jedes Jahr Arten zur Listung vorschlagen" haben wir dann wieder die Rechtsunsicherheit (und ein weiterer Grund, warum ich die Verordnung ablehne. Wenn man wie Sie schreiben 20 Jahre daran gebastelt, Verzeihung: optimiert hat, dann sollte schon ein für allemal klar sein, welche Tierart wirklich potenziell invasiv ist und welche nicht.)
Ausserdem: Falls sich die Schweiz, Russland und andere europäische Nicht-EU-Nationen nicht überreden lassen, ist die ganze Übung für die Katz.

Bez. EEP für Muntjaks zwecks Ausnahmegenehmigung: Eine gute Idee. Da hätten Sie sofort meine Unterstützung. Und im Prinzip müsste das unter den von Ihnen geschilderten Bedingungen auch für andere gelistete Arten möglich sein.

3. Aber die Hybriden können sich mit den reinen Wisenten kreuzen und so die Art zum Erlöschen bringen.

Bez. Chips: Jetzt bin ich eimal der, der etwas von den Zoos fordert. Diese Selbstanzeige muss möglich sein und ich denke, dass da auch viele Zooverantwortliche mitziehen würden (jedenfalls lieber, als auf gewisse Arten zu verzichten). Zusätzliche Kräfte bräuchte es dafür nicht bzw. es wäre nicht anders als heute. Je nach Situation genügen zum Einfangen die vorhandenen Zoomitarbeiter (Grosskatzen, Grossbären und Menschenaffen sind ja nicht gelistet). Ein Zootierpfleger, der nicht innerhalb von zwei Tagen merkt, ob eines seiner Nutrias fehlt (wir reden nicht von Wanderratten, kleinen Mäuseartigen, Schwarmvögeln oder Insekten), gehört nicht in einen EAZA-Zoo. Es bliebe also genug Zeit, die Flüchtlinge zu fangen, bevor sie sich massenhaft vermehren und etablieren können.

Die Einwände der Zoos ziehen meiner Meinung nach durchaus. "Naiv" ist zum Beispiel eher zu glauben, mit der Listung des Waschbärs würde die Art sich in Europa nicht weiter ausbreiten oder gar verschwinden...
"Inhaltlich falsch" ist offenbar Ansichtssache und "juristisch nicht durchführbar" wie Sie selbst schon geschrieben haben nicht zwingend.

Zu den Muntjaks bei Hagenbeck: Es sagt, dass die Invasionsgefahr vielleicht doch nicht so hoch ist, wie Ihre Experten Glauben machen wollen...

Ich habe mir übrigens die von Ihnen empfohlene Broschüre angesehen. Leider werden dort bei einigen Beispielen das Wort "seems" also "vermutlich" verwendet und bei fast allen wird kein konkreter Zoo genannt. Aufschlussreich wäre höchstens eine Angabe beim Waschbär, wo für einen invasionsunterstützenden Ausbruch "ein Zoo in Hamburg" genannt wird.

@alle: Weiss jemand von einem Waschbär-Ausbruch bei Hagenbeck, bei dem das Tier nicht wieder eingefangen werden konnte?
(24.03.2017, 01:28)
Michael Mettler:   Wurden in den 60er oder 70er Jahren Kanadabiber nicht sogar für Biber-Wiederansiedlungsprojekte von Naturschützern (!) verwendet, weil sie keine passenderen Tiere bekommen konnten und der Kanadier zu dieser Zeit ohnehin "nur" als Unterart einer einzigen Art Castor fiber galt?
(23.03.2017, 23:47)
Hystrix:   Sacha:

Zu 1. Den Halter wegen der kanadischen Bibern in der Eifel nenne ich nicht, weil ich nicht weiß, ob Rheinland-Pfalz wegen der hohen Kosten eine Regressklage angestrengt hat, was damals angedroht war.

Ob in Sigean Ibisse ausgerissen sind weiß ich nicht. Ich bezog mich auf den Fall des Parc Ornithologique von Pont du Gau in der Camargue. Nachdem man von den 1000en Paaren an der Westküste staatlicherseits alarmiert war schickte man die vom Staat angestellten Ibisschützen sofort nach entdeckung der Ibisse in die Camargue, als dort nur etwa 10 freie Paare brüteten. Trotz Abschuß sind aber auch heute einzelne immer noch übrig. Das ist das Problem, die ersten 50% zu schießen ist leicht, die letzten wenigen wird immer schwieriger und teurer, und die allerletzten kriegt man gar nicht und muß ein paar Jahre später von vorn beginnen.

In den Kanaren meine ich Oasis Park in Fuerteventura. Dort ist die Gefahr zwar scheinbar nicht groß, weil diese Insel so trocken ist, daß nur wenige Ibisse leben können, aber die ganz wenigen sehr kleinen Oasengewässer ?das größte ist weniger als 1 Hektar groß- beherbergt viele extrem lokale endemische Arten, auch Schnecken und Großinsekten, die selbst wenn es nur 10-20 Ibisse wären sicher in Bedrängung kommen können wenn nicht ausgerottet, eben weil die Biotope so winzig sind. Da sind Arten bei die leben nur an einer Stelle in einer Oase.

Zu 2. Ich bin gar kein Fan der Pelzfarmen. Ich versetze mich nur in die Position der Politiker, die nach Dänemark fahren müssen zu erklären, daß der lokal bedeutende Industriebetrieb geschlossen wird. Dass man das nicht gerne macht und auf die längere Bank schiebt ist doch nachvollziehbar, auch wenn ich es bedaure. Stellen Sie sich mal vor, ein Brüsseler EU-Mensch muß nach Hannover fahren und den Niedersachen erklären, daß jetzt VW wegen Dieselabgasen dicht gemacht wird. Wobei ich nicht sage, daß ich das fordern würde, aber es ist vergleichbar. Der Mink wurde jetzt von Portugal zur Listung vorgeschlagen und wird derzeit beraten. Warten wir ab ob er gelistet wird oder nicht. Das sollte sich 2018 entscheiden. Wenn nicht muß man weiter Druck machen, man kann ja jedes Jahr Arten zur Listung vorschlagen. Ich würde es schon als großen Erfolg ansehen, wenn er in sagen wir 5-10 Jahren draufkommt.

Natürlich wären unterartenreine Munjaks in einem EEP potentiell genauso invasiv wie die jetzigen. Aber ich hoffe doch, daß ?Ausnahmegenehmigung? bedeutet, daß man dann Auflagen für den Einzelfall macht, also daß etwa keine aus dem EEP nach außen an andere Halter oder privat abgegeben werden dürfen. Dass global betrachtet die EAZA-Zoos weniger Risiken für eine Einschleppung bergen als ein halbbankrotter, vernachlässigter Privatzoo oder ein dahinwurstelnder Vogelvereinszoo ist ja unbestritten. Man muß abwarten, was man unter einer ?Ausnahmegenehmigung? versteht.

Zu 3. Soweit ich weiß, sind die Wisenthybriden auch in der EU frei, im Baltikum, und können wohl sogar einzelne der sehr wenigen wilden Wisentherden erreichen. Aber es gibt zwei Kriterien für die EU-Listung. 1. Einmal ein ökologischer oder wirtschaftlicher Schaden durch eine eingebürgerte Art und 2. Daß die EU-Listung zur Schadensbegrenzung nötig und hilfreich ist. Diese Wisenthybriden sind ja leicht auszuschalten, das kann vermutlich ein Jäger in wenigen Tagen, wenn man es will. Dazu braucht man keine EU-weite Alarmbereitschaft. Die können kaum invasiv im Sinne von ?im Bestand explodierend? werden, dazu vermehren sie sich zu langsam. Also ist Listung nicht nötig, was nicht heißt, daß man vor Ort nicht einschreiten muß.

Die Idee, potenzielle Ausreißer mit GPS zu orten finde ich an sich gut. Aber dann muß ein Zoo einen Entweichler melden und nach ihm suchen lassen, also sich öffentlich zu seinem Fehler bekennen. Wer zeigt sich schon selbst an? Vertuscht man nicht lieber und hofft, daß es nicht herauskommt? Dazu braucht man zudem bezahlte Kräfte, die Tiere wieder einfangen. Außerdem gilt das nur für die entlaufenen Individuen selbst. Man muß es also sofort merken. Wenn aber aus einer Nutriakolonie zwei Tiere ausbüchsen , muß man das von Zooseite erst mal merken, und wenn die sich nach wenigen Wochen im Freiland vermehren ist der Effekt dahin, denn die Nachkommen haben keinen Chip mehr. Ein wenig wird das bringen, viel eher nicht.

Dass das neue Gesetz unvollkommen und lückenhaft ist und viele Ungerechtigkeiten schafft ist doch affenklar. Gibt es irgendein Gesetz zu einem komplexen Sachverhalt, das vollkommen ist? Nur die bisher von Zooseite gemachten Einwände ziehen alle nicht. Ich habe selbst mehrere zentrale Kritikpunkte, aber ich sehe ein, daß wenn ich diese einarbeiten würde ich woanders neue Ungereimtheiten erzeugen würde. Das ist IMMER so. Die Frage ist nur, geht es besser, klarer, gerechter? Und da habe ich bisher von den Kritikern des Gesetzes nichts gehört. Alle gemachten Vorschläge sind inhaltlich falsch, naiv oder nicht juristisch durchsetzbar.

Ihre Frage zu den Munjaks in Hagenbeck verstehe ich nicht: Ich will glauben, daß dort keine ausgerissen sind, aber was sagt das für unser Thema? Wenn in einem Zoo es bisher gut ging, muß es nicht in allen immer gutgehen.

(23.03.2017, 17:54)
Sacha:   Danke für die (entscheidende) Präzisierung (das meine ich keinesfalls ironisch). Da sehen gewisse Dinge anders aus. Sie verzeihen aber trotzdem, dass ich etwas verwirrt war, da Sie ja selbst im Lauf der Diskussion das Beispiel vom Wisent/Bison auf die EU bezogen (" Hier ist ein Problem für den Wisent, das ist aber nicht von EU-weiter Bedeutung")
(23.03.2017, 16:33)
Hystrix:   Ich empfehle eine lesenswerte, kleine Broschüre des Europarats zum Thema Zoo und invasive Arten:

https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?documentId=09000016806c0687

Diese ist sichtlich nicht von Zoogegnern geschrieben, sondern evident von zoofreundlichen Leuten. Es werden einmal zwar eine ganz Menge Beispiele angeführt, welche invasive Arten in Europa aus Zoos heraus freigekommen sind. Es wird aber über diese kritische Anmerkung hinaus eine proaktive Rolle für Zoos aufgezeigt, sich dem Thema auch mit Ausstellungen und in der Umweltbildung anzunehmen, also nicht zu stänkern, sondern mitzumachen.

Der Europarat ist NICHT die EU, sondern ein anderer Zusammenschluß von fast allen Ländern Europas inklusive der Nicht-EU-Mitglieder, sogar mit Rußland, Nordafrika und der Türkei. Er versucht, die neue EU-Verordnung in den Nicht-EU-Staaten Europas zur Anwendung zu bringen, damit die Schweiz oder Rußland dasselbe tun wie die EU.

Er hat u.a. auch als einer der ersten die Beseitigung der Schwarzkopfruderente den Mitgliedsstaaten auferlegt, nachdem die aus einem britischen Vogelpark eingebürgert wurde und die Weißkopfruderente bedrängte. Momentan klagt er gegen Italien, das Grauhörnchen zu beseitigen.

Der Europarat hat ähnliche Broschüren gemacht für alle möglichen Zielgruppen, also Botanische Gärten, Tierhandel, Tourismusindustrie etc. immer solche, die mit dem Thema invasive Arten zu tun haben. Die sind meist im Internet frei zu lesen.

(23.03.2017, 15:09)
Sacha:   @Hystrix:

Für das, dass die Diskussion nicht sinnvoll ist, haben Sie aber eine sehr ausführliche Entgegnung gepostet...
Aber kommen wir zum Sachlichen:

1. Wie heisst es so schön: In dubio pro reo. Sprich: Wenn keine Beweise vorliegen, gilt der Angeklagte als unschuldig. Dahinter müssten ja eigentlich auch Sie stehen, da Sie in Ihrn Posts öfter Recht und Demokratie bemühen. Und das meinte ich übrigens mit "nachweislich" bezüglich ihrer Beispiele von Waschbär und Nasenbär. Die Caulerpa ist eine Alge, ich sprach aber von TIEREN! (Mit einem Caulerpa-Verbot hätte ich persönlich kein Problem). Zudem ist Kalifornien nicht EUROPA/EU-RAUM.
Bei meinem Einwand habe ich nicht an die Vögel gedacht. Da haben Sie recht (= Zur Nachahmung empfohlen), ich hätte besser von Säugetieren geschrieben. Allerdings stammen die Heiligen Ibisse der Camargue m. W. nicht von einem "Vogelzoo" (Argeles sur Mer hält keine Heiligen Ibisse) sondern aus dem Safaripark Sigean, wo ich sie zuletzt noch als Freiflieger sah. Meines Wissens haben Sie sich - wie die Sittiche aus dem Kölner Zoo (ich liefere Ihnen sogar noch ein weiteres Beispiel) - nur lokal etabliert. Aber das ist Haarspalterei. Die "genau identifizierten Zoos" in Italien und auf den Kanaren würden mich dann aber schon interessieren.
Kanadischer Biber = Welcher Zoo?

2. Sie fordern eine AUSNAHMSLOSE Gleichbehandlung und führen dann in Ihren (vorangegangen) Post immer wieder Beispiele auf, warum Sie Verständnis haben für Pelzarmen, warum es Fristen braucht, warum es so lange dauert etc. Wenn doch für alle die gleichen Regeln gelten sollen, dann ist das überflüssig. Dann setzt man das sofort um, zumal sich "ausbruchswillige" Tiere und militante Tierrechtler eh nicht an Fristen und dergleichen halten. Und für Zoos haben Sie ja selbst darauf hingewiesen "daß echte Erhaltungszuchten ein Ausnahmetatbestand sind". Also auch hier eine Ausnahme, obwohl - wie Michael Mettler schon angeführt hat - bedrohte Unterarten oder verwandte Arten sich genau so invasiv verhalten können wie die nicht bedrohten (und gelisteten) Formen.
Mehr Privileg geht nicht? Sagt wer?

3. Nein, es sind nicht die ausbruchsicheren Gehege ALLEIN. Zumindest bei den Säugern wären auch unter die Haut verpflanzte ID-Chips, die eine Ortung auf WEITERE ENTFERNUNG möglich machen, eine Lösung. Bricht eine der gelisteten Arten trotz aller Sicherheitsvorkehrungen aus, so hat man genügend Zeit, diese wieder einzufangen. So schnell bauen weder Nasenbär noch Muntjak eine invasive Population auf...

Zum Bison/Wisent: Ah, die Bison-Wisent-Hybriden machen also an der Grenze zur EU automatisch halt. Bitte schön, was ist denn das für ein Argument?

Zu Muntjak und Mara in Hamburg fehlt mir immer noch eine Erklärung.

Akzeptieren Sie doch, dass es die neue Verordnung unausgegoren ist (Wahl der Arten) und für Rechtsunsicherheit sorgt (Liste kann ergänzt werden). Und ja, dann wird das eben so gemacht. Die Geschichte ist voll von diesen Beispielen. Nur waren Sie eben auch oft falsch. Da ist man manchmal froh, wenn man zurückrudert oder die sogenannten Experten zurückrudern müssen (aktuelles Beispiel ist Trumps bereits zweiter Versuch, Muslimen die Einreise in die USA zu verwehren. Weil ein paar Muslime Terrorakte verübten, sind alle Muslime böse. Liesse sich auch auf die Tierhalter übertragen...)
Ich bin jedenfalls froh, dass wir in der Schweiz nicht (oder wegen der bilateralen Verträge nur bedingt) an EU-Recht gebunden sind. Was, wenn nun die Schweizer Zoos wie verrückt Muntjaks züchten und diese entweichen?
(23.03.2017, 14:17)
Hannes Lueke:   Dann habe ich es missverstanden. Das Gesetz selbst lehne ich genausowenig wie die Zoos ab. Der Schutz der heimischen Natur auch vor Invasoren ist wichtig.

Ich selbst habe über Jahre Nasenbären gepfelgt und es sind sehr anpassungsfähige, extrem intelligente Prädatoren. In vielen Punkten erinnern sie an Wildschweine die klettern. Was ich daraus aber auch defintiv weiß, ist das diese Tiere in Deutschland oder im nördlichen Europa nicht überleben werden. Unser dauerfeuchtkaltes Klima ist nur einer der Punkte die eine Ausbreitung ausschließt. In den USA wären sie ansosnten auch weiter in den Norden vorgedrungen. Für mich sind Nasenbären die am meisten fragwürdige Listung.

Da im Gesetz auch immer wieder die wirtschaftlichkeit des Kampfes betont wird zweifle ich auch Nutria und Waschbär stark an da diese so stark etabliert sind, dass eine reine Vernichtung so wahrscheinlich ist wie die der Wanderratte. Kampf ja gerne aber schlichte Verbote helfen bei etablierten Arten nicht (siehe Schnappschildkröte). Das man vorrauschauend effektiv handeln kann sehe ich am Beispiel des Grauhörnchens in Deustchland. Faktisch nicht existent weil man früh reagiert hat. Da ist man bei den Pelztieren jedoch 40 Jahre zu spät....

(23.03.2017, 13:47)
Hystrix:   Mit Sachverstand meinte ich die Erstellung des Gesetzes, nicht Diskussionen der einzelnen Art-Listungen. Die Listen sind nur Verwaltunsgvollzug, gehen nicht vom Gesetzgeber aus. Einmal haben dem Gesetz sämtliche 28 Nationalparteien zugearbeitet, darunter in Sachen Invasive wirklich kundige wie in Britannien, während die frühere magere deutsche Gesetzgebung allein auf einer einzigen Behörde beruhte, die damals noch nicht mal einen einzigen Spezialisten für Invasive hatte. Weiterhin war für die EU praktisch die gesamte weltweite Wissenschaftselite eingebunden, am Ende hat sich sogar die eminent kritische Invasive Species Specialist Group der IUCN wohlwollend zum Gesetz geäußert. Man muß sehen, daß man hier weitgehend Neuland beschreitet, es gibt kaum Blaupausen, weil die einzigen bisher guten Gesetze in Neuseeland und Australien nur Inseln betreffen, die nicht annähernd politisch und handelsmäßig so komplex sind wie Europa.

Übrigens ist der Bison sofort bei der ersten Hürde abgelehnt worden, noch im wissenschaftlichen Beirat, also nicht in die engste Wahl gezogen worden. Gegen Artvorschläge, die nicht überzeugen, gibt es keinen Schutz, da jede einzelnes Mitgliedsnation, also in Malta oder Zypern ein einziger Mensch, Vorschläge machen kann. Wenn so einer meint irgendeine Art müsse er vorzuschlagen wird das Verfahren eingeleitet. Aber es müssen 15 von 28 Fachbehörden überzeugt werden, und der Bison tat das nicht annähernd. Ganz lachhaft wäre auch der Bison nicht, denn im Baltikum gibt es in Nähe zu wilden Wisentherden bereits Bison x Wisent-Mischlingsherden freilaufend. Hier ist ein Problem für den Wisent, das ist aber nicht von EU-weiter Bedeutung.

Das Nasenbär ist wohl wirklich gerechtfertigt. Er ist ein viel schlimmerer Prädator als der eher omnivore Waschbär und eminent klug, kaum zu bekämpfen. Wo der sich ansiedelt wird man ihn jedenfalls nicht ohne Jahrzehnte lange Kopfstände wieder los. Selbst auf einer kleinen Insel wie Mallorca gehen nur ganz wenige in die Fallen, das bedeutet sehr hohe Kosten für jeden erlegten. Ich fürchte, in Mallorca können leicht einige Endemiten vom Nasenbären ausgerottet werden, selbst wenn man weiter bekämpft. Wenn der auf dem Festland kommt wird es jedenfalls sehr viele Zehnermillionen teuer, oder man hat ihn als wirklich unangenehmen Räuber für immer. Nur Mungos scheinen schlimmer zu sein.

Dass Biotopzerstörung ein Naturschutzproblem ist, ist unbestritten. Aber invasive Arten stehen dem nicht viel nach. Und gegen Biotopzerstörung gab es bereits viele Gesetze, auch von der EU, gegen invasive jedoch in Europa nichts. Schauen sie mal in diese Graphiken:

http://voices.nationalgeographic.com/2017/02/20/species-introductions-accelerating/

In praktisch allen Tiergruppen nimmt die Zahl der neu auftauchenden Neozoen exponentiell zu. Wenn man da nichts tut, wird bald ein Großteil aller Arten eingeschleppt sein, in manchen Gebieten kommt man dem schon nahe. Bei Vögeln weltweit waren invasive Arten insgesamt der Haupttreiber des Artensterbens, wenn auch nur bisher auf Inseln. Bei Vögeln insgesamt gibt es keine wichtigere historische Ursache fürs Artensterben, selbst zerstörte Lebensräume nicht. Das mindert nicht die Bedeutung anderer Naturschutzgesetze, aber die gibt es ja und es ist eher eine Frage der Anwendung als zusätzlicher Gesetzesbedarf.

(23.03.2017, 12:42)
Hannes Lueke:   Im Gesetz steht, dass Ex-Situ-Erhaltung und Forschung für Einrichtungen genehmigt werden kann. Gibt es mittlerweile ein offizielles Genehmigungssystem (auch dieses wird erwähnt) welches sich auf die EAZA bzw die EEPs versteift?

Zum Sachverstand der Insider möchte ich mich ja nicht zu weit aus dem Fenster lehnen aber wenn Sachverstand tatsächlich vorhanden wäre dann würden Arten wie Bison garnicht erst ins Gespräch kommen oder Nasenbären nicht als unionweite Gefahr eingestuft werden. Da sich diverse Tierhalterverbände gegen die Listung vieler Arten (und nicht gegen den Kampf gegen Invasive Arten) aussprechen müsste man ja annehmen, dass alle diese, häufig studierten, Gegner keinen Sachverstand haben.

Was mich an der gesamten Liste einfach nur nervt ist dieser schreckliche Populismus der betrieben wird. Scheinbar kämpft man jetzt gegen einen Gegener der am ausrotten selterner Seeschwalben, europäischer Nerze etc Schuld sein soll.
Wieso fragt denn keiner warum diese Arten erst selten geworden sind? Man nehme mal an alle Minks sind ausgerottet. Kommen dann die Arten wieder zu Ihrer ursprünglichen Häufigkeit?
Wenn die invasiven Muscheln weg sind, werden dann die Eurasischen Otter wieder den guten deutschen Aal in ausreichender Menge fressen?

Hartz IV Empfänger haben kein Geld in der Tasche weil Deutschland Flüchtlinge aufnimmt und Elche sind selten weil wir Damwild in Deutschland haben...
(23.03.2017, 11:49)
Hystrix:   Sacha:

Offenbar ist die Diskussion nicht wirklich sinnvoll, denn Sie sind so fixiert, daß vieles durcheinander geworfen wird und völlig willkürliche Gegenbehauptungen kommen. Da sind Argumente eigentlich Zeitverschwendung. Genau für solche Meinungsgegner gibt es ja Gesetze mit polizeilich durchsetzbaren Verboten, sonst könnte man ja ohne Verbote einfach alles mit Argumentieren regeln. Der versammelte Sachverstand ist jedenfalls nicht Ihrer Meinung, und daher ist es jetzt eben Verbote.

1. Daß Zoos nachweislich niemals invasive Arten eingebürgert hätten ist so eine willkürliche Behauptung, denn das können Sie gar nicht wissen. Woher wissen Sie daß im Juni 1963 nicht zwei Waschbären aus dem Opelzoo ausgerissen ist und die Population im Taunus begründeten? Solche völlig aus der Luft gegriffenen Statements sind komplett wertlos. Wie wollen Sie wissen, daß etwa die Nasenbären und Waschbären in Spanien nicht aus einem Zoo kamen? Aus einer Tierhaltung kamen sie mit Sicherheit, ob privat oder öffentlich kann man nicht wissen. Nur in Ausnahmefällen gelingt der Beweis. Der schlimmste Fall überhaupt ist die giftige Alge Caulerpa toxifolia. Diese Alge wurde vom Schauaquarium in Monaco ins Mittelmeer eingeschleppt, offenbar mit dem Abwasser, denn sie trat zuerst neben im Abwassereinlauf des Aquariums auf. Auch in Kalifornien wurde sie aus einem Zooaquarium ins dortige Meer eingeschleppt. Nach Monaco kam sie offenbar aus der Wilhelma, welche die Alge zum Begrünen von Aquarien importiert hatte. Diese Alge besiedelt bisher geschätzte 500 Quadratkilometer Mittelmeer, und da sie Gifte im Gewebe enthält, gibt es dort keine Fraßfeinde, die sie eindämmen würden. Wahrscheinlich wird sie daher bald auf 1000en Quadratkilometern die Sandbodenbiotope verwüstet haben. Die Weichböden im einzigen französischen Mittelmeernationalpark von Port-Cros hat sie weitgehend zerstört, weil sie sich mangels Beweidungsdruck auf kosten des Seegrases ausdehnt. Dort versuchen jährlich Taucher rührend, sie auszureissen, was viel Kraft und Geld kostet, aber kaum hilft. Trotzdem macht man weiter weil man nicht akzeptieren will daß hier ein mit viel Geld und Herzblut aufgebauter Nationalpark zerstört wird. Und das nur weil Zoobesucher ?schönes Grün? in Aquarien sehen wollen. In 3 Küstenorten nebenan sind außerdem die Fischer nicht mehr erfolgreich, weil die Algenwiesen statt des Seegrases den Fischereiertrag schädigten. Hier liegt der Fall klar, und er wird bald das ganze Mittelmeer erheblich geschädigt haben-.

Das zweite Beispiel sind die Heiligen Ibisse in Frankreich, die aus einem namentlich bekannten Vogelzoo, der sie in Freihaltung zeigte, entwichen. Sie bauten in selbst für Vogelkundler verblüffender Geschwindigkeit eine wilde Population von mehreren 1000 Paaren auf, die u.a. eine Brutkolonie einer seltenen Seeschwalbe durch Fressen der Küken auslöschten. Frankreich hat daraufhin Leute angestellt den Bestand abzuschießen, was seit Jahren läuft und zur Zurückdrängung auf jetzt nur noch 100 Paare führte. Sie brauchen nur mal Personalkosten für 10-20 Mannjahre Jäger zu addieren um zu wissen, was dieser Vogelpark für Kosten verursacht hat. Drei weitere Bestände des Ibis, die man aber nicht so anwachsen ließ, gehen in der Camargue, Italien und den Kanaren ebenfalls auf genau identifizierte Zoos zurück.

In Deutschland sind die Kanadischen Biber in der Eifel aus einem Zoo gekommen. Zu ihrer Ausrottung muß Rheinland-Pfalz in die Tasche greifen. Das ist teuer, weil man die Art nur genetisch eindeutig bestimmen kann und erst mal alle Biber der Region lebend einfangen muß, dann genetisch testen und die europäischen läßt man dann unbehelligt.

Es gibt noch viel mehr Beispiele, auch der Waschbär in Deutschland stammt wahrscheinlich zu Anteilen aus Zoos oder Wildparks, auch wenn das im Einzelfall in Retrospektive nicht beweisbar ist.

2.Sie fordern immer Privilegien für Zoos, also eine Lex Hagenbeck: 500 Millionen Europäer müssen sich ans Gesetz halten, aber mein Lieblingszoo in Hamburg nicht. Im demokratischen Rechtsstaat müssen aber Gesetze für alle gelten, sonst kann sie jeder vor dem Verfassungsgericht kippen. Ich hatte schon einmal hingewiesen, daß echte Erhaltungszuchten ein Ausnahmetatbestand sind. Im Fall einer Listung des Sika dürfte also auf Antrag offenbar das EEP für den Vietnam-Sika weitergehen. Hier liegt bereits ein Privileg für die EAZA. Mehr Privileg geht nicht in einem Rechtsstaat, sonst kann sich jeder Privathalter einklagen. Man kann auch mit Munjaks weitermachen wenn man ein EEP aufbaut, so verstehe wenigstens ich das Gesetz. Das ist schon ganz beträchtliches Entgegenkommen des Gesetzgebers und privilegiert speziell die EAZA.

3. Ihnen schwebt vielleicht vor, man bräuchte nur ausbruchssichere Gehege vorzuschreiben. Abgesehen von der Problematik zu wissen, welches Gehege ausbruchssicher ist, genügt das nachweislich nicht. Die Pelzfarmen mussten bereits viel Geld ausgeben für Ausbruchssicherheit, aber ganz offensichtlich reicht das nicht. Immer wieder siedelten sich Minks trotzdem an. Die Pelzindustrie behauptet, niemals sei auch nur ein Mink ausgebrochen, und wahrscheinlich finden Sie auch Zooleute die von sich dasselbe sagen. Offenbar können manche Säuger fliegen und sind nicht aus dem Zoo nebenan gekommen sondern durch den Himmel direkt aus Amerika. Gar nicht absichern kann man Gehege gegen Sabotage. Was nützen die teuersten Sicherheitsschleusen, wenn Tierrechtler in die Pelzfarm einbrechen und 10000e Minks aktiv freilassen? So öfter geschehen in ganz Europa. Was nützt der höchste Zaun um den Zoo, wenn ein alkoholkranker Pfleger oder ein anderer, der sich über den Zoodirektor geärgert hat, diesem eines auswichen will und die Gehegetür offen stehen läßt? Manchen Sie ich nur mal klar, welche soziale Spannungen und persönliche Feindschaften in manchen Zoos vorliegen, und auf welche Ideen Menschen kommen, wenn sie etwa nicht einverstanden sind, daß der Tierarzt ein ihnen liebes Tier einschläfern soll. Ein Großteil der Freisetzungen aus Haltungen ist nicht Ausbruch, sondern gezieltes Freilassen. Wenn es 500 Halter von Waschbären in Europa gibt, ist sicher rein statistisch einige dabei, die ehe sie süße Babies einschläfern weil sie sie nicht loskriegen diese einfach freilassen. In Ostdeutschland wurden vor einigen Jahren von Einbrechern tausende Minks freigesetzt, die so gegen die Pelzindustrie demonstrieren wollten. Da nützt keine Investition, da ist man machtlos. Dass masslos gelogen wird und niemals auch nur ein Mink freigekommen sein soll kann im Fall der Pelzfarmen noch verstehen, denn die wollen geld verdienen. Im Fall von ebenso schwadronierenden Zooleuten wird man aber traurig, denn die behaupten ja Naturschützer zu sein.


Akzeptzieren Sie doch, daß das Gesetz dem Sachverstand von wirklichen Insidern entsprang, die 20 Jahre daran optimiert haben. So einfach en passant mit Federstrich alles beiseite zu wischen greift zu kurz. Aber ich denke endlose Forumsdiskussionen bringen keine Einigung. Bleiben Sie ruhig bei Ihrer Meinung, daß man nach Gutdünken einzelne Leute vom Gesetz freistellen könnte und daß Zoos niemals zu invasiven Arten beitrugen. Da es in Wahrheit ganz anders ist gibt es jetzt das Gesetz und nicht nur eine Infokampagne und den Versuch der argumentativen Überzeugung, und wer dagegenhandelt kann verknackt werden. Sie können ja trotzdem Ihre abweichende Meinung haben, gemacht wir des jetzt aber so.

(23.03.2017, 09:40)
Sacha:   @Hystrix:

Die Logik ist nicht weniger verquer als die, flächendeckende (= ausnahmslose) Regelungen zu fordern, aber dann bei wirtschaftlichen Überlegungen ein Auge zuzudrücken.

Und wenn man bei Dänemark und Finnland in Sachen Mink (bei einer in diesen Ländern zweifellos potenziell invasive Art) eine Ausnahme macht bzw. machen würde, müsste man für Deutschland und die nordeuropäischen Länder für den Nasenbären (einer tropischen Art) erst recht eine Ausnahme machen können.

Millionen Frauen nehmen die Pille ohne Schaden?? Uuuh, da wagen Sie sich aber aufs Glatteis. Ob die zahlreichen Nebenwirkungen, an denen die Frauen leiden sowie die Hormonaufnahme per se wirklich keine Schäden sind?

Wenn Sie finden, dass einige Tierschutzregelungen wie eben das die Verabreichung von Pille oder die Sterilisation gegen übermässigen (= nicht vermittelbaren) Nachwuchs diskussionswürdig und u. U. weniger unnatürlich sind, dann bin ich mit Ihnen einer Meinung. Deswegen muss man aber nicht automatisch für ein Haltungs- und Zuchtverbot gewisser Arten sein.

Ich sehe absolut keinen Grund, warum sich das positive Zoo-Image ändern sollte, wenn sich die Zoos gegen die neue Verordnung stellen. Wenn man bei der Wahrheit bleibt und keine Schauermärchen erzählt, dann ist es so, dass die öffentlich-wissenschaftlichen Zoos in Europa nachweislich(!) nie die Ursache für die Ausbreitung einer invasiven Tierart waren.
Übrigens scheint Ihnen entgangen zu sein, dass sich Zoos schon um Artenschutz (und dieser zählt ja wohl auch zum Naturschutz) gekümmert haben, lange bevor es die ersten internationalen Naturschutzorganisationen gab. Ich erinnere nur an die Errettung des Bisons durch US-Zoos und die Gesellschaft zur Rettung des Wisents durch deutsche Zoos.
Bezüglich der "hunderten Millionen für ex-situ-Naturschutz in Zoos" ist das Geld eben mehr als berechtigt, weil eben diese Bemühungen in Sachen Artenschutz und Erhaltungszucht oftmals viel effizienter und damit erfolgreicher sind als ex-situ. Als Beispiel sei hier der Anmutiger erwähnt, von dem es in den Zoos 3- bis 4mal mehr Exemplare gibt als in freier Wildbahn.
Zusammengefasst: Die von Ihnen geschilderten möglichen Auswirkungen für die Zoos sind aus meiner Sicht ziemlich realitätsfern.

Mir fehlt übrigens noch Ihre Stellungnahme, warum Hamburg nicht unter einer Muntjakplage leidet? Oder warum nicht - um mal nicht gelistete, aber auf dem gleichen Invasiv-Level wie den Nasenbär befindliche Arten zu nennen - unter einer Mara- oder Pfau-Plage?

(22.03.2017, 23:33)
Hystrix:   Sacha:

Diese Logik ist eigenartig verquer. Wenn tatsächlich wegen zu großer wirtschaftlicher und sozialer Nachteile für einige Regionen in Dänemark und Finnland der Mink nicht aufgelistet wird, auch weil man für 60.000 Arbeitsplätze sich eine Ersatzlösung geldlich nicht leisten kann, ist das Gesetz immer noch für derzeit 37 und bald 60 und dann wohl jedes Jahr für immer zusätzlich weitere Arten funktional. Auch wenn nicht alle Wünsche des Naturschutzes erfüllt werden, sind doch mehrere Dutzende Wunscherfüllungen immer noch besser als gar keine. Was ist daran denn fragwürdig? Genauso könnte man sagen, unsere Abgasgrenzwerte für Autos seien fragwürdig nur weil die Dieselfahrzeuge wegen des Lobbydrucks der deutschen Industrie immer noch nicht alle verboten werden. Besser doch Katalysator und ein bißchen gesündere Luft als gar keine Kontrolle, obwohl zweifellos ohne Diesel noch weniger Lungenkrebstote entstünden. Dann aber vielleicht auch kein VW-Werk mehr und Elend in Niedersachsen. Das ist vergleichbar gelagert zum Mink.

Außerdem glaube ich nicht, daß für die wenigen gelisteten Zootiere das Leben wirklich schlechter wird. Erstens ist nicht hinnehmbar, die Verabreichung der Pille als tierschutzwidrig anzusehen. Das ist abstrus, Millionen Menschenfrauen nehmen die Pille freiwillig ohne Schaden. Zweitens wird das bisher immer schon bei diesen Arten gemacht. Stellen Sie sich einmal eine Zookolonie Nutrias ohne Geburtenkontrolle vor, wie die explodieren würde. Früher ließen einzelne Zoos Nutrias wirklich frei züchten, nur um fast alle Jungen totzuschlagen und als Futtertiere zu nutzen. Das wurde dann nicht mehr akzeptiert, und explizit aus Tierschutzgründen die Pille oder Sterilisation gefordert, und genau so machen das wahrscheinlich alle, sonst würde man den Nachzuchten nicht Herr. Weniger weiß ich zu Wasch- und Nasenbären, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß bei denen Jungtiere noch leicht an gute Zoos abzugeben sind. Die würden ohne Kontrolle auch zu stark züchten, auch ohne das neue Gesetz. Vermutlich sind auch da jetzt schon die meisten sterilisiert. In einer Dokusoap ?Giraffe, Erdmännchen? sah ich einmal im TV, wie der Opelzoo seine männlichen Waschbären sterilisierte. Das war viele Jahre vor dem neuen Gesetz und man begründete das mit Tierschutz, um den Nachwuchs nicht töten zu müssen.

Man kann ja bedauern, wenn ungefähr ein Tausendstel der Zooarten zukünftig ausfallen, aber mit Unwahrheiten und aufgebauschten Schauermärchen tut man sich und v.a. den Zoos keinen Gefallen. Das würde der hoffentlich überwundenen Zeit entsprechen, als Naturschutz im Zoo noch Fremdwort war. Besser proaktiv mitmachen und das Beste draus machen, anstatt das mühsam aufgebaute Naturschutz-Image zu riskieren. Dessen Verlust würde teuer, denn dann will ich mal öffentliche Debatten hören, wenn Zoos mal wieder hunderte Millionen für ?ex situ Naturschutz? wollen und zu recht nicht mehr kriegen. Wie die Gehege dann mit der Zeit ohne Geld aussehen und ob das nicht wirklich wieder wie schon früher mal komplett tierschutzwidrig wird bliebe abzuwarten. Ist da nicht die Pille für Frau Waschbär so viel besser? Ist es dieses Risiko wirklich wert, mit maßloser Übertreibung Amok zu laufen gegen ökologischen Fortschritt?

(22.03.2017, 16:51)
Sacha:   @Hystrix: Richtig. Nur macht das neue Gesetz die Sache ja nicht besser sondern noch schlechter, zumindest für die betroffenen Arten.

Die Welt geht auch nicht unter, wenn man weiterhin Schwarzkopfruderenten in EU-Zoos hält und züchtet. Und mal so nebenbei: Chinesische Muntjaks sind schon seit Jahrzehnten Freigänger im Tierpark Hagenbeck. Ich kann mich nicht erinnern, dass nun Hamburg mit einer Muntjak-Plage zu kämpfen hätte...

Wenn eine Art nicht gelistet werden darf (obwohl sie nach Ansicht von Experten potenziell hoch invasiv ist), weil sich Politiker vor einer starken Lobby fürchten, dann halte ich ein solches Gesetz erst recht für fragwürdig...
(22.03.2017, 13:26)
Hystrix:   Sacha:

Ein sehr großer Teil aller Zootiere darf sich nicht frei fortpflanzen, indem man entweder die Männchen herausnimmt oder die Pille verabreicht. Mir fallen allein einige Dutzend EEPs ein wo ein Großteil der Herden so gemanagt wird. Die drei invasiven Arten, welche zusätzlich jetzt so behandelt werden müssen sind wahrlich nur eine verschwindende Minderheit von einer in Zoos allgegenwärtigen Praxis. Der spezielle Zoo, der in einer Zeitung ?ahnungslosen EU-Bürokraten Tierquäleriei? vorwarf, weil bei Waschbären freier Sex eingeschränkt oder die Pille gegeben werden muß, sollte aufpassen sich keine Anzeige von Tierrechtlern einzufangen, denn diese vom Zoo selbst in der Zeitung beklagte und damit öffentlich zugegebene ?Tierquälerei? wendet derselbe Zoo bei sehr vielen Arten laufend an. Oder darf man Schimpansen ?quälen? und nur Waschbären nicht? Auch viele Nicht-EEP-Arten dürfen allein deshalb nicht züchten, weil man den Nachwuchs nicht loskriegt und nicht mehr wie früher draufloszüchtet und die Jungtiere tötet. Es ist unglaubwürdig, hier wegen relativ weniger sterilisierter Nasenbären oder Munjaks ein Problem zu konstruieren, wenn das sowieso sogar bei Schimpansen, Pavianen, Löwen, Giraffen und andere hoch entwickelten Arten mit komplexem Gehrin und reichem Verhalten immer gemacht wird,.

Man muß jetzt abwarten, aber ich denke schon, daß die bisherigen Regelungen deutschen Rechts, etwa die biologisch unsinnige Definition von ?heimische Art?, obsolet werden. Wobei ich einfach nicht weiß, ob das EU-Gesetz konkurrierende Gesetzgebung ist, also allein weil es existiert anderslautende Verordnungen ausschaltet, oder ob diese noch eigens verändert werden müssen. Wenn letzteres, muß das wohl kommen allein wegen Rechtsklarheit. Aber auch das wird dauern.

Man muß sich mal klar machen, welch riesige Probleme das neue Gesetz der Politik macht, da sind die Zoos sicher nachrangig und am unwichtigsten. dann wird auch klar, warum alles so lange dauert und einfach nciht schnell gehen kann. In Europa werden allein 42 Millionen Minks in Farmen gehalten, 60000 Arbeitsplätze hängen daran, der Verkaufswert der Pelze beträgt 1,3 Milliarden Euro. Eine Listung des Minks würde bedeuten: enormen Lobbydruck dagegen, Gerichtsprozesse dagegen, vor Ort Umstrukturierung der Industrie, neue Arbeitsplätze schaffen, also sehr viel Geld in die Hand nehmen. Ich denke die Sorgen einzelner Zoofans, daß man im Zoo unbedingt die Schwarzkopfruderente zu sehen müssen glaubt, während die Welt untergeht, wenn man stattdessen die Weißkopfruderente anschauen muß, oder ausgerechnet den China-Munjak fotografieren muß statt eibner anderen Hirschart, weil sonst das Abendland zugrunde geht, erscheint im Vergleich dazu wie ein Problem von einem andern Stern.

(22.03.2017, 11:05)
Sacha:   @Hystrix: Dann brauchen Sie sich ja keine Sorgen zu machen.

Also Säuglingen die Mutter wegzuschiessen ist nicht okay, aber Fortpflanzung zu unterbinden, indem man sozial lebende Tiere nach Geschlechtern trennt und (weiblichen) Individuen abstumpfen lässt, weil man Ihnen die Aufgabe der Aufzucht von Jungen nimmt, schon?

Noch eine Frage: Werden denn mit dem neuen Gesetz/der neuen Verordnung all die von Ihnen aufgezählten - ich zitiere: dümmlichen - bisherigen Gesetzgebungen eliminiert bzw. verbessert?
(21.03.2017, 21:35)
Hystrix:   Ich bin mir sicher, daß diese Frist eingehalten wird, weil das eine Auflage im Gesetz selbst ist. Nichteinhalten wäre eine Straftat. Das kommt in D kaum vor. Bei uns wird man eher nicht unwahrscheinlich sich mit einem windelweichen Schein-Management der Invasiven herauszustehlen versuchen, aber natürlich fristgerecht, denn unsere Helden in der Politik haben in Sachen invasive Arten keinen Leidensdruck, das bringt keine Wähler, und wenn dann die Wogen in der Presse hochgehen gegen ?Tiermord für EU-Bürokraten? haben sicher unsere Politiker ganz viele andere Termine statt sich dazu zu bekennen. Das wird dauern.

Daher denke ich, daß die Managementkonzepte das das Einzige ist was im Sinne des Gesetzes rechtzeitig kommt. Ich vermute, daß die inhaltlich überzeugende Umsetzung in der Praxis nicht unter 10 Jahren brauchen wird, eventuell auch 20. Das ist nämlich nicht mehr im Gesetz geregelt, kann so ganz leicht nicht eingeklagt werden.

Die Umsetzungen anderer EU-Richtlinien zur Umwelt waren immer extrem langsam. Der Zwang überall Kläranlagen zu bauen wurde fast nur in Deutschland relativ fristgerecht umgesetzt, aber selbst die Europahauptstadt Brüssel hatte mehr als 10 Jahre nach Verstreichen der Frist noch keine, und erst als man Jahre nach der Frist von Seiten der EU deshalb mehrere Lände verklagte sind inzwischen mit 20jähriger Verspätung wenigstens die alten EU-Mitglieder überzeugt. Die Natura2000-Richtlinie des EU-Naturschutzes ist in Deutschland immer noch nicht ganz umgesetzt, 15 Jahre zu spät und jetzt klagt die Kommission gegen Deutschland. Jetzt kommt diese Rechtsumsetzung, weil eine Niederlage vor Gericht sicher ist und sehr viel kostet, nämlich jeden Tag saftige Strafgebühren. Andererseits ist dieses einmal als "gletschermühlenhaft" langsam bezeichnete Vorgehen der EU auch ein Garant dafür, daß die Umsetzung irgendwann kommt: Denn genau so langsam wie man durchsetzt ist man dabei hartnäckig. Daher denke ich auch, daß irgendwelche schnell gestrickte Petitionen von Zoofans dafür, daß man in Zoos weiterhin wie gehabt Munjaks oder Nasenbären zeigen darf, vergeblich sind, denn der episch langsame Gesetzgebungsprozeß über fast zwei Jahrzehnte hinweg hat so unendlich viele Gremien und Experten einbezogen, daß ein paar eilig gesammelte Unterschriften von Zooseite gar nichts bringen.

(21.03.2017, 15:13)
Hannes Lueke:   Wieso rechnest du damit, dass man die Frist einhält? Wann hat das denn mal geklappt?
(21.03.2017, 14:17)
Hystrix:   Michael Mettler:

Die vom neuen EU-Gesetz auferlegte Pflicht, binnen 18 Monaten nach Listung für alle gelisteten Arten ein nationales Managementkonzept vorzulegen, ist erst zum nächsten Jahreswechsel fällig. Ich rechne damit, daß man auch beim Waschbär da bald noch was hören wird, denn zweifellos wird die gesetzliche Frist von 18 Monaten eingehalten. Dennoch muß man aber selbst wenn es zukünftig zur Bekämpfung des Waschbären im Freiland kommen sollte natürlich trotzdem den Tierschutz einhalten. Also wird man auch dann in der Reproduktionszeit nicht bejagen, um nicht Tierleid zu erzeugen, indem man Säuglingen die Mutter wegschießt. Ich kann mir hierzulande auch eine Bekämpfung mit Giftködern nicht vorstellen, das ist bei uns kaum durchzusetzen. In Spanien oder England ist man pragmatischer, da geht wohl bald sehr viel mehr. Irgendwann wird es aber voraussichtlich einen europäischen Trend geben, was bei einer Art gemacht wird, aber das dauert noch eine Weile.

Bislang ist das Thema der invasiven Arten in Deutschland nicht in der Gesetzgebung berücksichtigt gewesen und wenn dann nur höchst dümmlich. So gelten nach bisher geltendem deutschem Recht Arten als ?heimisch?, wenn sie seit 200 Jahren im Land vorkommen. Damit ist die vor dem Jahr 1800 eingeschleppte Robinie rechtlich gesehen heimisch, während Braunbär und Wisent rechtlich gesehen nicht heimisch sind. Ihre Wiedereinbürgerung wäre also derzeit dasselbe wie das Aussetzen von Nandus oder Kängurus. Damit kämpft u.a. das derzeitige Wiedereinbürgerungsprojekt des Waldrapps in Bayern, das auch von Zoos unterstützt wird. Diese schon Ende des Mittelalters in Süddeutschland ausgerottete Art ist nämlich rechtlich nicht heimisch, und steht auch nicht auf der Roten Liste, und Gegner des Projekts bauen Hürden auf und setzen es mit dem Aussetzen von Waschbär und Mink gleich.

Das zeigt, wie unsinnig unsere Verordnungen noch sind. Es gibt in Deutschland auf allen Ebenen noch keine Kompetenz zu invasiven Arten, weder in Behörden noch in der Politik noch in den Verbänden. Man schämt sich fast, wie weit man bei uns zurück ist und welcher Quatsch erzählt wird. Der NABU hatte sich vor einiger Zeit sogar noch geweigert selbst eine normale Bejagung von Waschbär oder Nilgans gutzuheißen, während andernorts in Europa man bei Invasiven eher richtigen Naturschutz macht. Allmählich ist jetzt aber zu erwarten, daß sich das bessert, nachdem die Behörden auf Druck der EU Fachverstand aufbauen müssen und Personal für das neue Gesetz brauchen.

(21.03.2017, 11:52)
Hannes Lueke:   Was man untereinander mauschelt und was Gesetz ist sind zwei paar Schuhe.
Es gibt keine Ausnahmeregelung für Zoos im klassischen Sinne.

(21.03.2017, 11:24)
Michael Mettler:   Laut einer Zeitungsmeldung genießt der Waschbär als frei lebende Art in den kommenden dreieinhalb Monaten in Niedersachsen genauso jagdliche Schonzeit wie die "Ur-Europäer" und darf sich also noch mal ungestört weitervermehren...
(20.03.2017, 20:18)
Sacha:   @Adrian Langer: Vielen Dank für den Hinweis. Schon unterschrieben.
(10.03.2017, 10:48)
Hystrix:   Ich melde mich schon wieder, denn es dringen erste Meldungen nach außen durch, wie es mit den Listen invasiven Arten weitergeht. Offenbar wird im Juni 2017 über eine erste Nachmeldung von 15 Arten endgültig abgestimmt. Das könnte heißen, daß noch 2017 u.a. Bisamratte, Marderhund und Nilgans nachgelistet werden. Außerdem gibt es erste Ideensammlungen bereits für eine zweite Nachlistung, worin auch der Mink im Raum stehe, sowie drei Fischgattungen: Katzenwelse, Sonnenbarsche und Schlangenköpfe, offenbar jeweils die ganze Gattung. Diese zweite Nachmeldung soll 10 Arten umfassen und Mitte 2018 entschieden werden.

Also erst einmal für die absehbare Zukunft der nächsten zwei Jahre Entwarnung für die Zoos, denn obwohl alle diese im Raum stehenden Wirbeltiere sicher irgendwo auch mal vereinzelt gehalten werden , sind sie nicht einmal als seltene reguläre Zootiere anzusehen, die Nilgans ausgenommen.

(03.03.2017, 16:02)
Hystrix:   Ja, rein rechtlich formal ist das auf den ersten Blick so, aber so schlimm ist es trotzdem doch nicht, siehe unten.

Zunächst zur Genette, aber das ist nur ein Nebengleis: Bei der Ginsteratze in Spanien tobt ja seit langem die Debatte, ob die iberische Population nicht von den ersten Siedlern frühhistorisch aus Nordafrika eingeschleppt wurde, was aber bisher weder be- noch widerlegt werden konnte. Falls sich das zugunsten der Einschleppung entscheidet, wäre die Art ohnehin in Europa nicht ureinheimisch, und könnte wieder gelistet werden ? allerdings ist sie auch nicht invasiv im Sinne von Verursacher für ökologische Probleme, und würde daher trotzdem nicht in den Anhang kommen. Dazu sind nämlich zwei Kriterien nötig: 1. Nachweisliche Invasivität mit erheblichen Schäden und 2. Es muß glaubwürdig nachgewiesen werden, daß die Listung eine Verbesserung für Artenschutz oder Wirtschaft oder Menschen bringt, daß also die Listung die invasive Art zurückzudrängen hilft. Bei der Ginsterkatze wäre ohnehin Kriterium 1 nicht erfüllt.

Doch jetzt zur Hauptsache: Wie gesagt, man hatte lange erwogen, auch Arten EU-weit listen zu dürfen, obwohl sie in Teilräumen der EU natürlich vorkommen. Im Laufe der jahrelangen Erörterung kam man davon ab, wohl aus rechtlichen Gründen. Diese Entscheidung würde natürlich den Naturschutz schwächen, und daher hat man als Ausweg einen separaten Paragraphen aufgenommen, daß nämlich diese EU-Verordnung explizit keinesfalls weitergehende nationale Listungen verhindert, sondern im Gegenteil ermuntert. Alle EU-Staaten sind aufgerufen, die EU-Liste zu ergänzen durch nur für ihr Staatsgebiet gelistete Arten. Angenommen der Goldschakal, der sicher nicht EU-weit gelistet wird, wird auf Sardinien eingeschleppt und verwüstet dort endemische Kleintiere oder gefährdet Menschen durch Tollwut, kann Italien die Art rein national listen. Dann darf sie in Deutschland weiterhin frei gehandelt und gezüchtet werden, und in Italien nicht. Das EU-Gesetz gestattet also praktisch wörtlich, daß es adaptiert und kleinräumig ergänzt wird. Die EU-weite Liste ist der Mindestrahmen, die Staaten können aber für nur regional begrenzte Probleme darüber hinausgehen. Es ruft auch zu Staaten übergreifenden Listungen auf. So könnten theoretisch alle Inselstaaten, wo es eventuell Chancen auf Beseitigung der Wanderratte gibt, sich zusammenschließen und im Verbund die Wanderratte in ihren nur national geltenden Anhängen listen, und zwar gemeinsam gleich für mehrere Staaten der EU. Die Ratte käme nämlich für die EU-Liste nicht in Frage, nicht weil sie nicht invasiv wäre (als Einwanderer aus Asien dürfte sie für zahllose Naturschutzprobleme verantwortlich), aber das zweite Kriterium von oben ist nicht erfüllt. Denn eine EU-weite Listung könnte bei dieser Art nicht wirklich helfen, denn die Wanderratte wird man auch mit einer Listung nicht mehr komplett bekämpfen oder selbst nur merklich zurückdrängen können. In Inseln ist das anders.

Insofern haben die Einwände der Wissenschaft und des Naturschutzes während der Gesetzgebung genutzt, indem sich das Gesetz sozusagen selbst zur weiteren Ausgestaltung explizit offen erklärt. Dafür ist rechtlich bereits alles vorbereitet: Italien müsste den Goldschakal nur als national gelistet an die EU melden. Und sofort gelten dann alle Verbote des EU-weiten Gesetzes auch für den Schakal in Italien, aber eben auch nur in Italien. Sollte der sich dann von Sardinien auf Korsika ausdehnen, könnte Frankreich einfach nachlisten, wiederum allein. Dazu reichtn einfach ein brief.

Soweit ich weiß, wurde das bisher noch in keinem EU-Staat umgesetzt, Dazu ist das Gesetz aber auch noch zu neu.

(28.02.2017, 19:02)
Michael Mettler:   Hm. Wer also in Zukunft nach dem verordneten Aussterben seines Bestandes eine geleerte Waschbären- oder absehbar auch Marderhundanlage mit einer anderen in die Verhältnisse passenden Kleinraubtierart nachnutzen will, kann sich dann Polarfüchse, Kleinfleck-Ginsterkatzen oder Goldschakale reinsetzen und damit sicher gehen, dass die nicht auf die Schwarze Liste der potenziell invasiven Arten kommen können, weil sie innerhalb des europäischen EU-Raumes ein natürliches Verbreitungsgebiet haben. Die Möglichkeit, dass solche Tiere entkommen und sich im Freiland außerhalb ihres Verbreitungsgebietes etablieren können, ist aber doch nicht geringer.

Ketzerisch ausgedrückt, darf also die seltene Eidechse einer spanischen Inselpopulation wegen befürchteter juristischer Probleme lieber von einem entlaufenen Liebhaber-/Tierpark-Goldschakal (als anerkanntem EU-"Bürger") gefressen werden als von einem entlaufen Liebhaber-/Tierpark-Nasenbären....?
(28.02.2017, 17:58)
Hystrix:   Michael Mettler:

Die überseeischen Territorien der EU sind in dem Gesetz ausgenommen, es gilt nur für Kerneuropa. Nasenbären gibt es somit nirgendwo in der ?EU? so wie in diesem Gesetz verstanden. Tatsächlich sind dagegen Arten nicht listungsfähig, sobald sie selbst nur in einem kleinen Teil des europäischen EU-Territoriums natürlich vorkommen. So lebt der Nilflughund nur in Zypern. Sollte dieser einmal in Spanien im Obstanbau invasiv werden, könnte er trotzdem nicht gelistet werden, eben weil er woanders in der EU heimisch ist. Gegen diese Bestimmung hatten Naturschutzverbände während der Gesetzgebung opponiert, kamen aber nicht durch, wiederum weil man juristische Probleme sah, das Gesetz rechtlich wasserdicht zu machen. Auch die Fichte könnte nicht gelistet werden, selbst wenn sie als entwichener Forstbaum sagen wir in England, wo sie nicht natürlich vorkommt, die Wälder unterwandert, da sie in Osteuropa natürlich vorkommt. Also: Käme der Nasenbär natürlich vor, sagen wir nur in Sizilien, könnte auch er nicht gelistet werden. Nur Guyana zählt nicht, weil überseeisch.

Akademische Forschung und Erhaltungszucht sind laut dem Gesetz mögliche Ausnahmetatbestände vom Haltungsverbot. Letzteres kann man sozusagen als PRIVILEG FÜR EAZA-ZOOS sehen, denn vermutlich hatte man die EEPs im Sinn. Der Gesetzgeber hat also bereits im Sinne von Sacha differenziert zwischen kommerziellen Tierschauen und EAZA-Zoos, indem er den letzteren ein Schlupfloch einräumt. Wenn man also ersatzweise in Zoos auf eien bedrohte Unterart des China-Munjaks oder des Waschbären umsteigen wollte, und für diesen eine EEP neu begründen wollte, müsste man das im Vorfeld mit den Behörden klären und die Modalitäten für eine Ausnahmegenehmigung aushandeln, etwa Auflagen zur Sicherheit der Gehege oder die Verpflichtung, keinen Nachwuchs in Europa außerhalb des EEP zu verteilen. Das Beispiel mit dem DDT-Verbot, da man durch eine kleine molekulare Veränderung aushebeln könnte, bezog sich dagegen allgemein auf ein illegales Umgehen des Haltungsverbots durch bloßes Umsteigen auf Nachbararten. Ich kann also nicht einfach, auch wenn nur Trachemys scripta verboten ist, als Tierhandel, Privatmann oder Zoo auf eine andere, im Gesetz derzeit nicht gelistete Trachemys-Art umsteigen und diese frei handeln und halten, und damit die Regelung aushebeln. Das würde zweifellos gegen den Geist des Gesetzes verstoßen. Rein formal erlaubt wäre es aber derzeit, weil eben nicht explizit verboten, nur wenn es irgendwelche Probleme gibt würde man vor Gericht es sicher trotzdem als Verstoß gegen den Gesetzesgeist werten. Ausgenommen wäre wiederum eine echte Erhaltungszucht, mit Sondergenehmigung der EU. Das sind eben zwei unterschiedliche Rechtsgrundsätze, einmal die Einschränkung des ansonsten völlig freien Handels und andererseits der explizite Ausnahmetatbestand, daß wenn eine Haltung als Erhaltungszucht gelten kann, daß dann Ausnahmen möglich sind. So wie ich es verstehe (ich bin nicht sicher daß ich das richtig verstehe) wäre aber der Ausnahmetatbestand explizit seinerseits genehmigungsbedürftig, man könnte also nicht einfach die bedrohte Unterart des China-Munjak oder den Cozumel-Waschbären importieren und züchten, sondern müsste zunächst dafür eine behördliche Genehmigung haben. Die sollte man aber kriegen, sofern man eine Institution ist, der die Behörde eine echte Erhaltungszucht zutrauen, faktisch also z.B die EAZA-Zoos.

(28.02.2017, 08:59)
Michael Mettler:   Der Import von Cozumel-Waschbären oder bedrohten Muntjaks würde dann aber mit gleicher Argumentation gegen den Geist des Gesetzes verstoßen wie das Ausweichen auf eine andere Schildkrötenart. Denn auch die können genauso aus einem Gehege aussteigen wie ihre als minderwertig abqualifizierten Verwandten (bzw. wenn das Gehege ausbruchsicher ist, würden ja auch letztere keine Gefahr für die Umwelt bilden). Für die Brandenburger Sumpfschildkröte macht es keinen Unterschied, ob sie von einem gewöhnlichen Waschbär gefressen wird oder von einem bedrohten und per Zuchtmanagement geadelten.

Es kann eigentlich nicht stimmen, dass die EU-Gesetzgebung keine Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen macht und somit gleiches Recht für Alle gilt. Zwei der diskutierten Arten, der Gewöhnliche Nasenbär und die Wasserhyazinthe, gehören z.B. in einem der EU-Mitgliedsländer zur originalen einheimischen Fauna und Flora und sind somit gar nicht generell Neozoen innerhalb der EU. Ich spreche von Frankreich, denn Französisch-Guayana ist nach wie vor Teil dieses Landes und als Département genauso vollwertiges EU-Gebiet wie z.B. das Département Paris.
(27.02.2017, 19:59)
Hystrix:   Sacha:
Offen sind offenbar nur noch drei Punkte:

1. Ausnahmen für EAZA-Zoos. Es mag mit Mühe möglicherweise wirklich gehen, juristisch vertretbar einen Ausnahmetatbestand zu regeln nur für EAZA-Zoos, ganz sicher bin ich mir da aber nicht. Das Problem ist, daß er dann so ausschließlich auf diese wenige (und die besten) Zoos zutrifft, und daß nicht Jeder darüber hinaus, etwa auch der sachkundige Privatmann oder Industriebetriebe sich auch als Ausnahme einklagen können. Die Minkfarmer beschwören ja auch, daß niemals auch nur ein einziger Mink geflüchtet wäre, da sei man kompetent, und man fragt sich, wo die denn überall hergekommen sind in Europa. Aber Minkfaren geben jetzt schon viel Geld aus, daß Minks es schwer haben zu entweichen, während Zoos dafür bislang wenig Geld ausgeben. Da kann es schon zu Klagen der Minkindustrie kommen, wenn ein Zoo darf und sie trotz höherer Investments nicht.

Derzeit ist im EU-Gesetz die Tierschau im Gesetz NICHT als Ausnahmetatbestand vorgesehen, sondern nur die akademische Forschung und die Erhaltungszucht. Sachkunde, worauf Sie abheben, könnten aber auch Privatleute oder Minkfarmen vor Gericht geltend machen, das reicht allein nicht. Es gibt zudem für Zoos keinen offiziellen fachlichen Standard, wie Sie ihn für Mediziner ins Feld führen. Die Rekrutierung des Zoopersonals erfolgt nach sehr uneinheitlichen Gesichtspunkten. Man fordert heute meist (nicht immer) ein abgeschlossenes Hochschulstudium, manchmal speziell eines für Biologie oder Tiermedizin. Aber selbst gute Hochschulabsolventen der Biologie haben nicht notwendigerweise Kompetenz, um das Entweichen von Tieren aus Gehege zu verhindern. An keiner Uni lernt man, wie clever ein Waschbär beim Öffnen von Türen ist oder wie hoch eine Nutria springen kann. Praktisch alle Zooleute, außer sie waren vorher zufällig Privatzüchter, kommen in diesem Bezug als völlig unbeschriebenes Blatt in den Zoo. Grzimek hatte ich vorher als Amtstierarzt mit Eierproduktion in Hühnerfarmen beschäftigt, ein derzeit wichtiger Zoodirektor war vorher Verkäufer von Hundefutter , der wesentlichste Zoodirektor damals für die Einführung der EEPs hatte zwar mit die höchste akademische Qualifikation aller Zoodirektoren der letzten Jahrzehnte, aber eben für die biologische Bekämpfung von Tsetsefliegen, was rein gar nichts bringt, um einen Zoo gegen das Entweichen invasiver Tiere zu sichern. Gar manche EEP-Koordinatoren, auch nachher sehr gute, haben promoviert in Mikrobiologie, Biochemie oder über die Rolle Goethes in der Beurteilung des Blütenbaus von Pflanzen. Sämtliche Zooleute fangen unerfahren an und erleben ?training on the job?, wenn es um wirklich praktische Fragen geht. Das ist ein kategorialer Unterschied zu dem von Ihnen benannten Chirurg, der erst operieren darf, wenn er es kann.

Wenn man zudem allein die Sachkunde eines Hochschulstudiums als Ausnahmetatbestand akzeptiert, können allein in Deutschland 15 Millionen Bürger ebenfalls eine solche Ausnahme vom Haltungsverbot einklagen. Dann muß die Pelzfarm nur einen Chef einstellen, der sich wissenschaftlich mit dem Verhalten von Minks befaßt hat, und schon würde sie auch als Ausnahme qualifizieren.

2. Grundsätzlich können auch Haustiere auf die Liste kommen. Von den 100 worst invasive species, welche die IUCN vor einigen Jahre kürte, sind auf den vorderen Plätzen mehrere Haustiere, wie verwilderte Ziegen , Ratten, Hausmäuse, Kaninchen, auch der Mink. Die EU-Liste ist ja nicht fertig, sondern nur der Anfang. Eine Listung erfolgt in einem langen politischen Kampf. 29 Parteien fechten den aus in einem Kommittee für dieses Gesetz, nämlich alle Mitgliedsstaaten der EU, vertreten durch die oberste Fachbehörde, plus die EU-Kommission selbst. Die Kommission ist also nur eine kleine Minderheit. Alle haben dasselbe Stimmrecht. Eine einzige Partei muß eine Art aufwerfen, das kann auch ein Haustier sein, und dann läuft ein geordnetes Verfahren ab. Zunächst wird ein risk assessment geschrieben, wo alle bekannten Fakten zur Gefährlichkeit dieser Art drinstehen, schon das ist oft kontrovers, und danach beginnt der politische Kampf richtig. So legt sich Dänemark wegen der Pelzindustrie gegen die Listung des Minks quer, während Spanien ihn unbedingt gelistet haben will. Solche Diskussion dauern lange. Am Ende wird abgestimmt, und 15 der 29 stimmberechtigten Parteien müssen für die Listung stimmen.

Die bisherigen 37 Arten sind nicht die für den Naturschutz dringendsten Fälle, sondern die wo es die wenigsten Kontroversen gab. Viele von ihnen waren ja schon vorher verboten, so durften auch vorher schon nicht Grauhörnchen oder Schmuckschildkröten mehr importiert und gehandelt werden. So völlig neu ist die Verordnung nämlich gar nicht. Offenbar begann man mit diesen relativ wenig kontroversen Fällen, um erst mal den ersten Aufschrei abflauen zu lassen. Die Liste soll aber explizit wachsen. Jederzeit kann eine weitere Art eingereicht werden von einem Mitgliedsstaat. Derzeit hat man sich schon fast geeinigt auf die Erweiterung der Liste um 15 weitere Arten, darunter Marderhund und Nilgans, ansonsten meist Pflanzen. Die Kommission will diese 15 bald nachlisten, aber die diversen Lobbies der vom Verbot Betroffenen schießen noch quer. Man darf sich das nicht vorstellen, daß da im dunklen Kämmerlein ein paar Bürokraten in Brüssel sitzen und die ganze EU vergewaltigen, sondern das ist alles in unendlich mühsamer, demokratischer Prozeß.

Dabei gibt es die ulkigsten Koalitionen. Während bei uns einige Zooleute sumpfige Bemerkungen über das Gesetz machen und damit das Klima vergiften, unterstützt z.B. die EAZA die Erweiterung der Liste und kämpft dafür, daß der Mink gelistet wird. Soviele Köpfe, soviele Meinungen.

Wohin das am Ende führt, weiß ich nicht. Sehr kompetente Wissenschaftler meinen, es wird am Ende auf gegen 200 Arten hinauslaufen. Das muß man sehen und abwarten. Sehr viele wichtige Zootiere werden es aber nicht sein. Sikahirsche könnten noch kommen, einige wenige Kleinraubtiere vielleicht, eventuell ein paar Ziervögel, der Krallenfrosch. Ans Eingemachte für Zoos geht es sicher nicht. Und wohl gemerkt, die Erhaltungszucht qualifiziert immer aus Ausnahmetatbestand. Zoos könnten z.B. die endemischen Cozumel-Waschbären importieren als Ersatz für den Waschbär, und unter dem Ausnahmetatbestand der Erhaltungszucht ein EEP machen, nur sich dann verpflichten, keinen Nachwuchs in Europa nach außen abzugeben. Auch seltene China-Munjaks von einer bedrohten Population oder eine andere bedrohte Muntjak-Art würden als EEP sicher erlaubt, wohl mit Auflagen, aber doch erlaubt.

3. Ihre Kritik, daß man eben vom verbotenen Gemeinen Nasenbär auf einen anderen Nasenbär umsteigen kann, ist auch kein Anzeichen dafür, wie dumm die EU ist. Das ist immer so. Das Verbot für DDT gilt auch nur für DDT selbst, nicht für eine Variante von DDT, wo die chemische Industrie ein Wasserstoffatom mehr anhängt, und das dann anders heißt, vielleicht DDDTH. Theoretisch könnten Bauern also weiter ein leicht verändertes DDT spritzen, das im Gesetz noch nicht erwähnt ist, bis der Staat nachhechelt und auch dieses verbietet. Danach könnte man eine weitere Modifikation des Moleküls benutzen und so fort. Theoretisch geht das. In der Praxis aber nicht. Es gibt neben den Buchstaben eines Gesetzes auch den Geist eines Gesetzes. Und es verstößt zweifellos gegen den Geist, wenn man statt Tracheyms scripta eine andere Trachemys-Art nimmt. Tut man das und man richtet Schaden an und es wird wirklich das Verursacherprinzip angewendet und der Zoo muß teuer blechen für aufwendige Einfangaktionen im Freiland, ist er sicher nicht aus dem Schneider, wenn er "clever" war und nur auf eine Nachbarart ?desselben Tieres? umgestiegen ist.

(27.02.2017, 15:23)
Sacha:   @Hystrix:
1. Ich danke für Ihre Beispiele. Das von London hat mich doch ein wenig erstaunt, denn m. W. war die ZSL doch schon sehr früh in die EEP involviert. Nichts desto trotz scheinen wir zumindest darin einig, dass bei den EEPs nicht alles perfekt läuft.

2.Die fehlende Einsicht könnte ich auch Ihnen anlasten (siehe Unlogik bei den verwandten Arten, die nicht mehr gezüchtet bzw. weiterhin gezüchtet werden dürfen und die daraus folgende Rechtsunsicherheit, wenn diese Liste nicht abschliessend definiert ist). Warum es Ausnahmen geben soll? Weil es in der Welt und im Alltag immer Ausnahmen gegeben hat, gibt und geben wird. Warum dürfen z.B. gewisse Personen (darunter auch solche, die nicht in Staatsdiensten sind) zu Ihrem Schutz und zu dem anderer Waffen tragen und andere nicht? Warum muss man, um Autofahren zu dürfen, eine Prüfung ablegen? - Eben. Darum soll es auch verantwortungsbewussten Zoos MIT ÖFFENTLICHEM AUFTRAG DER BILDUNG, DER ARTERHALTUNG etc. erlaubt sein, von einer Regelung ausgenommen zu werden, wenn sie die notwendigen Vorsichtsmassnahmen einhalten. Wie schon mehrfach gesagt hätte ich dabei kein Problem, wenn die Haltungsbedingungen bei potenziell invasiven verschärft werden - ohne jedoch die Zucht und Haltung per se zu verbieten. Denn Paarung und Aufzucht sind ein wichtiger Bestandteil des Lebens sowohl in der Natur wie in menschlicher Obhut. Das zu unterbinden ist von tierschützerischen Gesichtspunkt mindestens so verwerflich wie die Abgabe von Hormonen.
By the way: Wo ist der Unterschied zwischen meinen und Ihren Formulierungen? (Ausnahmeregelungen für Zoos als "Leerformel", "sinnfreie Selbstbeweihräucherung" und "reine Eitelkeit" zu bezeichnen).
Wie man dies Privatzüchtern vermitteln soll? - Ganz einfach, wie man es auch in der Medizin macht. Da darf auch nicht jedermann operieren, sondern muss eine Zulassung als Chirurg (und eine entsprechende akademische Ausbildung) vorweisen. Und da wir gerade von Ausnahmen sprechen: Leichte Drogen wie Marihuana konnten (bzw, können immer noch) in Holland seit Jahren in einer gewissen Menge legal verkauft werden, nicht jedoch in anderen EU-Ländern. Warum sollte dies mit anderen Waren nicht auch möglich sein?
Noch zu Ihrem vorangegangenen Beispiel des Krankentransports: Wenn Sie bei einer lebensrettenden Massnahme geblitzt werden - und dies hernach beweisen bzw. glaubhaft machen können - müssen Sie die Busse nicht bezahlen. Zumindest ist dies hier in der Schweiz so und ich würde mich sehr wundern, wenn dies nicht auch in Deutschland bzw. dem Rest der EU so ist.

3. Ich habe selbste ebenfalls schon mehrmals Waschbären in der Natur (in Nordamerika) beobachten können. Da haben wir also gegenseitig keinen Vorsprung. Leider scheint es, als hätten sie die Problematik nicht verstanden. Wickelbären sind eben wegen der unterschiedlichen Aktivitätszeiten - wen wir es nur mal schautechnsich betrachten - zu Waschbären und Nasenbären kein Ersatz für diese. Das Ersatzbeispiel stammt übrigens von Ihnen.
Und das mit dem Bezahlen ist auch nicht mehr so, wie es mal war (wenn es überhaupt mal für alle Zoos rosige Zeiten gab). Da fordere ich nun Sie auf, sich mal umfassender zu informieren. Praktisch jedes Jahr werden den Zoos die Budgets zusammengestrichen und notwendige Neubauten werden auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben (als Beispiel die Unterkunft der Orangs in Dresden).

4. Damit wollte ich als Beispiel zeigen, dass Geld in Spanien sehr wohl vorhanden ist, nur falsch "verteilt" bzw. investiert wird. Kommt hinzu, dass viele Spanier mitschuldig an der Misere sind. In den guten Zeiten wurde zuviel auf Kredit gekauft und der Staat hat investiert, ohne dass er die Sicherung (Einnahmen) dafür hatte. Wenn Sie sich in Spanien öfters aufhalten sollten, dann ist Ihnen vielleicht auch aufgefallen, dass beispielsweise die Eintrittspreise von gemeindeunterstützten Zoos wie Barcelona (19.90 Euro) ähnlich hoch sind wie in D oder der Schweiz. Interessant für ein armes Land, nicht?

5. Aus Ihren Post ging nicht klar hervor, dass Sie nur bereits etablierte Populationen meinen bzw. zwischen denen unterscheiden. Grundsätzlich KANN auch eine nicht etablierte invasive Art einheimische Arten ausrotten, ehe sie selbst erlöscht (kommt auf die Umstände an).
Ja, diese Waschbären stammen sicher aus "Haltungen", aber ich habe ja nicht für alle Privathaltungen Ausnahmen gefordert, sondern nur für (verantwortungsvolle) EAZA-Zoos, die bestimmte Richtlinien erfüllen. Wenn man also die Flüchtlinge nicht einem bestimmten Zoo zuweisen kann, dann gilt: In dubio pro reo.

Etwas, was ich noch gar nicht erwähnt habe: Warum werden eigentlich keine Haustierformen auf diese Liste genommen. Bezüglich Verfälschung und/oder Ausrottung der endemischen Fauna und Flora sorgen Katze, Hund und Hausratte weltweit für wesentlich grössere Probleme (verwilderte Hunde, die sich z.B. in den Abruzzen und in Osteuropa mit Wölfen paaren, Hauskatzen, die sich mit Wildkatzen paaren und die lokal bedrohte Amphibienbestände dezimieren und auf Neuseeland die Kiwis an den Rand der Ausrottung gebracht haben etc.)? Vielleicht weil sich keiner der EU-Politiker traut, gegen die starke Haustier-Lobby (Achtung! Ich spreche nicht von Nutztieren!) zu intervenieren? Oder sind einige Tiere eben gleicher als andere?
(27.02.2017, 11:58)
Hystrix:   Sacha:

1. Ich meinte nicht kritische Kommentare zu einzelnen Zuchtentscheidungen einzelner EEPs, die vielleicht sogar berechtigt sein können und den Zoos sicher nicht schaden. Sondern die seinerzeitige bösartige fundamentale Opposition gegen die Einführung der EEPs. Das war vor 30 Jahren, ist aber heute kein Thema mehr. Namen von Zooleuten, die sich damals besonders hervorgetan haben, nenne ich nicht, einige dieser damaligen Wortführer sind nämlich noch im Amt und verbreiten heute ausnahmslos die genau gegenteilige Ansicht. Nur ein Beispiel, weil es weit weg ist: Die stellvertretende Leiterin vom Zoo London verlor ihre Anstellung, weil sie damals als fast Einzige in England für europaweite Zuchtprogramme eintrat. Das war Anfang der 1990er. Sie wurde wegen dieser als ketzerisch angesehenen Politik vom Zoo richtiggehend hinausgemobbt. Sie hatte eine schwere Zeit danach, bis der europafreundliche Zoo Edinburgh sie dann wieder anstellte. Das war aber nicht wie in Deutschland oberlehrerhafte Besserwisserei, daß man zu wissen glaubte, die EEPs seien eine reine vorübergehende Modeerscheinung von übergeschnappten Aktivisten, sondern in England war man gegen die europaweite Verbürderung der Zoos und kultivierte allen Ernstes die unsinnige Idee, nationale Zuchtringe zu schaffen, was dann Zuchtbücher bedeutet hätte mit ganzen 10 Hippos und 20 Nashörnern in dem kleinen Land. Das hielt sich etwa 10-15 Jahre, ist heute aber auch vorbei, un alle auch in England vertreten inzwischen genau das gegenteil, und das wird sich wohl auch nach dem Brexit nicht mehr ändern. Ich kenne einen weiteren Kurator eines kleinen Zoos, der ebenfalls wegen Eintreten für die EEPs damals gefeuert wurde. Ein ganz tragischer Fall, denn der sagte nichts anderes als was heute jeder Zoomann ohne irgendwelche Bedenken täglich tut und sagt und normal findet, und flog doch raus. Der hat übrigens nie mehr eine Stelle gefunden.

2. Ich habe nichts dagegen, daß Sie als persönlich freie Meinung die EAZA im neuen Gesetz mittels Ausnahmen vom Haltungsverbot privilegieren wollen, aber dann muß man dieses noch lange nicht pauschal als ?totalen Schwachsinn? bezeichnen und auch sonst eher durch fehlende Einsicht in die extrem komplexe Materie glänzen. Erst kundig machen, dann maßvoll Privilegien fordern, was aber zu nichts führt. Diese Ausnahmen wird es kaum geben, denn warum? Privilegien bei Gesetzen wollen begründet sein, sonst sind sie nicht rechtskonform. Warum soll für EAZA-Zoos eine Extrawurst gebraten werden? Ginge das rechtlich überhaupt, oder würde das die Gleichbehandung aller von einem Gesetz betroffenen verletzen, die ein hohes Rechtsgut ist, das zu den Grundwerten gehört? Sind aus EAZA-Zoos entwichene invasive Arten weniger gefährlich für die Natur als aus Privathand entwichene? Das Argument ? wissenschaftliche geführter Zoos? als Rechtsgrund für Ausnahmeregelungen ist doch eine Leerformel, und der Begriff sinnfreie Selbstbeweihräucherung der Zoos, reine Eitelkeit. Da einzige was an Zoos wissenschaftlich ist, ist daß die Leiter einmal sich kurz an einer Universität aufgehalten haben, um zu studieren. Was hat das denen mit invasiven Arten zu tun? Wiederum das Problem der Rechtsgleichheit: Wie soll man denn einem privaten Wissenschaftler oder einem studierten Privatzüchter verbieten, invasive Arten privat zu züchten, wenn man den Zoos es erlaubt, nur weil die Direktoren und Kuratoren eine akademische Ausbildung haben? Ich habe auch noch nie von ?wissenschaftlich geführter Müllabfuhr? oder ?wissenschaftlich geführter Bäckerinnung? gehört, nur weil auch dort wie fast überall die Chefs ein wissenschaftliches Studium absolviert haben. Jeder private Akademiker könnte gegen eine solche Ausnahmeregelung für Zoos klagen und das gleiches Recht für sich einfordern.

3. Ich habe selbst schon sowohl Wickelbären wie auch Wasch- und Nasenbären im Freiland beobachtet, in Mittelamerika, und weiß sehr wohl, daß sie nicht identische Ansprüche haben. Aber Wasch- und Nasenbären sind nun mal im Zoo attraktive Schautiere, und da muß man einen tröstenden Ausgleich finden. Für Wickelbären müsste man umbauen, sicher, aber sie sind sehr reizvoll und sicher ein vollwertiger Ersatz für die Tierschau. Noch niemals musste ein Zoodirektor Umbauten aufgrund gesetzlicher Auflagen aus eigener Tasche zahlen, immer war dafür Betriebsvermögen da oder wenn nicht, kam ein warmer Geldregen vom Steuerzahler. Ich verstehe in diesem Zusammenhang auch keine Krokodilstränen: Wenn wirklich einige wenige neue Gehege gebraucht werden, um aufgrund des EU-Gesetzes auslaufende Arten angemessen zu ersetzen, wird es dafür auch Geld geben von außen. Im Gegenteil, der Zoo kann doch froh sein, wenn er attraktiv neu bauen kann, bezahlen tun es eh andere.

4. Das Argument, daß der Verein Real Madrid reich ist bedeutet leider nicht, daß die öffentlichen Kassen in Spanien gut da stehen, die sind nämlich leer.

5. Nein, ich habe mir nicht widersprochen: Bei uns ist der Waschbär fast flächendeckend und vielfach sogar bis an die ökologische Tragfähigkeit häufig. In Südeuropa ist er dagegen noch nicht etabliert, denn die Beispiele von Mallorca und La Mancha sind ganz anfängliche, noch lokale Pionierbestände, die vielleicht 10 Jahre (Mallorca) oder ganz wenige Jahre (Mancha) festgestellt werden und noch klein sind, aber offenbar rasch wachsen. Das ist wahrscheinlich so wie in Deutschland vor 80 Jahren. Da es m.E. keine Waschbärfarmen mehr gibt und in Südeuropa sowieso nie gab, müssen diese Neuansiedlungen aus Haltungen kommen. Man wird diese niemals auf einzelne Zoos oder Wildparks oder Privathaltungen mit Sicherheit zurückführen können, aber es ist doch klar, daß angesichts extrem vieler Halter auch in allen EU-Ländern, wo die Art bisher nicht verwildert ist, hier ein Damoklesschwert droht. Auch bei uns geht der Waschbär nicht allein auf die vielzitierte absichtliche Auswilderung am Edersee zurück. Nach publizierten molekulargenetischen Befunden beruht der Bestand viel mehr auf zahlreichen Ansiedlungsherden in ganz Deutschland zerstreut, auch relativ rezenten. Auch hier sind Haltungen die einzige Möglichkeit.

(27.02.2017, 09:46)
Sacha:   Edit: ?keine daraus entkommen UND haben eine Freilandpopulation gegründet ...
(26.02.2017, 22:48)
Sacha:   Ich versuche mal der Reihe nach zu antworten:

@Hystrix:
Bez. Tonfall: Wie ist denn das mit "Pappenheimer" und "Stammtisch-Sumpf"? - Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Zumal ich meine abwertende Bezeichnung nicht auf eine Person oder einzelne Personen, sondern auf ein Gesetz bezogen habe!
Bez. Zuchtkoordination/EEP: Persönlich kenne ich keine Zoofachleute, die gegen diese Einführung waren (wenn Sie welche kennen, würde mich gerne interessieren, wer das war). Wie auch immer kenne ich Zoofachleute, die NICHT ALLE EEP-Vorgaben gutheissen, bzw. einige sogar ablehnen, z. B. wenn man gut funktionierende Zuchtpaare seltener Arten auseinanderreisst, weil sich ansonsten der Inzuchtkoeffizient des Gesamtbestandes um 0,05 % verschlechtert (eine bewusste Übertreibung, aber man versteht den Sinn). Kurz: Da ist nicht alles Gold, was glänzt.
Bez. Waschbär: Population lebt nur in Deutschland und dann führen sie Beispiele aus Spanien an? - Da widersprechen Sie sich ja selbst. Und wie ich bereits im ersten Mail geschrieben habe, handelte es sich bei MEINEM Beispiel um einen Zoo MITTEN in der Stadt und nicht am Waldrand. Ihr "Damoklesschwert" halte ich ebenfalls für fragwürdig. In den öffentlichen(!) Zoos Europas (auch in ärmeren Ländern!!) werden seit mehr als 100 Jahren Waschbären gehalten und gezüchtet und trotzdem konnten bislang keine daraus entkommen (Für Ihre Beispiele müssten Sie erst einmal den Nachweis erbringen, dass besagte Tiere aus ÖFFENTLICHEN Zoos stammen). Wie auch immer: Ich wehre mich wie gesagt nicht gegen strengere Haltungsvorschriften per se, sondern nur gegen das ALLGEMEINE Haltungsverbot, das auch EAZA-Zoos trifft.
Mein "Mitleid" mit den "armen EU-Ländern" hält sich zudem auch in Grenzen. Wenn spanische Banken mit staatlicher Duldung Real Madrid millionenteure Fussballstars finanzieren können, dann müsste theoretisch auch was für den Naturschutz übrig sein.
Bez. Wickelbär für Waschbär: Wenn Sie sich mit der Lebensweise dieser beiden Tierarten befassen, werden Sie wissen, dass Erstere nur in Ausnahmefällen am Tag zu sehen ist, währende Letztere in vielen Zoos gut am Tage bei seinen Aktivitäten beobachtet werden kann. Also keine valable Alternative. Zudem sind Waschbären im Gegensatz zu Wickelbären winterhart.
Bez. Hormonbehandlung: Davon habe ich nie etwas geschrieben. Persönlich bin ich sogar ebenfalls der Meinung, dass dies wenn immer möglich unterlassen werden soll. Aber das ist ein anderes Thema.
Bez. Artenschwund: Der ist entgegen Ihrer Behauptung durchaus eingetreten. Schauen Sie in der von Ihnen erwähnten Zootierliste nach und nehmen Sie die Zahlen der gehaltenen Arten von heute mit denen der 60er Jahre als Vergleich. (Ein Beispiel: Der Zoo Berlin hielt Ende der 60er über 2200 Arten, heute sind es rund 1400). - Was m. E. nicht nur Nachteile hat.

Ich sehe absolut KEIN Argument, dass gegen eine Ausnahmeregelung für wissenschaftlich geführte (EAZA)-Zoos spricht. Und so lange bleibe ich bei meinem Urteil über das neue Gesetz, u. a. weil viele Verbote keinen Sinn machen, wenn nahe verwandte Arten erlaubt bleiben.

@Patrick Marburger:
Bez. gesamter EU-Raum: Genau das meine ich. Gleiche Naturschutzgesetze für teilweise extrem unterschiedliche Lebensräume machen überhaupt keinen Sinn. Nun bin ich kein (EU-)Jurist, kann also die Möglichkeiten bei der Ausarbeitung eines Gesetzes nicht beurteilen. Grundsätzlich habe ich aber meine Zweifel, warum gewisse Unterschiede nicht möglich sein sollten, zumal dies in anderen Bereichen - z.B. Verkehrsrecht, Strafrecht, Bildung - durchaus möglich ist. Aber wenn es so sein sollte wie von @Hystrix im letzten Mail beschrieben, dann bin ich doppelt froh, in der Schweiz (eigenständig, direkte Demokratie mit Volksabstimmung) und nicht im EU-Raum zu leben.

@Adrian Langer: Das sehe ich genau so. Man müsste vielmehr dort Energie (und Finanzen) einsetzen. Wenn ich schaue, was allein invasive (und mit ziemlicher Sicherheit nicht durch Zoos eingeführte) Wirbellose und Pflanzen für Schäden anrichten, dann frage ich mich, warum man nicht hier schneller vorwärts gemacht hat.
(26.02.2017, 17:08)
Hystrix:   Patrick Marburger:
Die Gesetzgebung für das neue Gesetz zog sich genau wegen solcher Komplexitäten über einige Jahrzehnte hin und bezog unzählige, Tausende, Gutachten und Fachleute ein. Die Entwürfe wurden immer wieder verändert. Lange Zeit dachte man, man könne die Verbote innerhalb der EU räumlich differenzieren, aber das geht wohl nicht. Durchexerziert hatte man das in allen juristischen Einzelheiten mit dem Fall der Wasserhyazinthe, eine extrem invasive Schwimmpflanze, die nur auf immer warmem Gewässern leben kann. Nördlich der Alpen hat die im kalten Klima keine Chance. Also läge nahe, man verbietet sie nur rund ums Mittelmeer, gibt sie aber im Norden der EU frei. Das wurde in allen Details durchgedacht mit dem Ergebnis, daß nur ein EU-weites Verbot möglich ist. Zwei Gründe:

1. In der EU herrscht Freizügigkeit der Personen und Waren. Wenn ich die Wasserhyazinthe in Spanien verbiete , aber in Hamburg frei kaufen kann, kann jeder Deutsche mit einem Ferienhaus im Süden oder jeder Deutschlandurlauber aus Spanien sich bei uns mit der Art eindecken und ohne jede Kontrolle die Pflanze in seinem Gartenteich im Süden aussetzen. Allein die Zahl der Nordländer mit Häusern und Gartenteichen im Süden ist offenbar so riesig, daß ein partielles Verkaufsverbot nur in Nordländern praktisch kaum einen Schutz vor Einschleppen bedeuten würde.

2. Gesetze müssen die rechtliche Gleichbehandlung aller Betroffener gewährleisten, sonst verstoßen sie gegen die Verfassung. Wenn ich in Nordländern die Wasserhyazinthe freigebe, weil sie dort nicht invasiv werden kann, aber in Frankreich nicht, weil sie in Südfrankreich eine Gefahr ist, kann jeder Garten-Center in Nordfrankreich gegen das Gesetz klagen, denn er dürfte nicht damit handeln, obwohl der Verbotsgrund auch bei ihm nicht gilt, weil auch Nordfrankreich zu kalt ist. Sein Konkurrent 10 km weiter jenseits der Grenze in Belgien würde dagegen begünstigt, denn er darf verkaufen, aber der Nordfranzose nicht, obwohl sachlich kein Unterschied besteht, weil die Art an beiden Seiten der Grenze im Freiland nicht gedeiht. Also müsste man in solchen Ländern sogar zwischen Teilregionen differenzieren. Das ist aber im Einzelfall unmöglich, denn erstens kann man die Umwelterfordernisse aller dieser Arten nicht so genau berechnen, und außerdem würde dann das Gesetz unendlich lang ? wahrscheinlich bräuchte man für jede gelistete Art ein eigenes Gesetz, um alle Ausnahmen zu regeln, statt wie jetzt nur eines mit einer Artenliste als Anhang. Noch schlimmer: Auch im Süden kann die Wasserhyazinthe im Hochgebirge nicht leben. Ein Garten-Center aus den Pyrenäen oder der Sierra Nevada könnte daher auch gegen ein Verbot klagen, wenn die Umweltbedingungen als Verbotsgrund genannt w erden. Denn auch wo er verkäuft kann die Wasserhyazinthe nicht wachsen. Wenn man aber in Dörfern über 1000 m Meereshöhe den Verkauf erlaubt und darunter verbietet ? was soll das bringen, denn ein Kunde kann einfach von Unterammergau nach Oberammergau fahren, dort einkaufen und hernach 5 km zurückfahren nach Unterammergau, wo es dann wieder warm genug ist für die Art.

Man hat einige Jahre erörtert, ob solche kleinräumigen Differenzierungen gehen, und die Mehrheit der Juristen hat gesagt, sie gehen nicht. Man kriegt bei so einer kleinräumigen Differenzierung das Gesetzt nicht sowohl rechtlich wasserdicht wie gleichzeitig verfassungskonform.

Sicher ist es in Deutschland derzeit egal, ob einige wenige Waschbären aus Zoos ausbüchsen und die ohnehin große Freipopulation noch unwesentlich weiter vergrößern. Aber das ist ein Kollateralproblem des Gesetzes, das offenbar so hingenommen werden muß. Man muß bedenken, daß alle Gesetze unvollständig und problematisch sind, ohne eine Ausnahme. Wenn verboten ist, in Ortschaften schneller als 50 km/h zu fahren, gilt das überall gleich. Wenn ich aber meinen Großvater nach seinem Herzinfarkt rasch in die Klinik fahre, damit er vielleicht noch gerettet werden kann, geht es um Minuten und ich halte mich eben nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung. Das ist ein Gesetzesverstoß, und wenn ich beim Rasen in die Klinik in eine Radarfalle gerate, muß ich trotzdem Strafe zahlen, auch wenn jeder Polizist und Richter mir recht geben würde, daß es richtig war, gegen das Gesetz zu verstoßen, um den Großvater zu retten. Ich darf aber trotzdem nicht rumschreien, das Verkehrsgesetz sei ?kompletter Schwachsinn?, weil es Krankentransporte verlangsamt und dazu beiträgt, daß Herzinfarktkranke nicht zügig in die Klinik kommen. So ähnlich ist das bei jedem Gesetz, immer gibt es Rechtsbereiche, wo Gesetze nicht richtig sind.

Genausowenig darf ich maßlos schreien, wenn das neue EU-Gesetz im Einzelfall auch nicht sachgerechte Vorgaben macht. Das ist kein Beleg für eine Dummheit der EU, das ist nämlich immer so. Außerdem gilt jetzt durch das Gesetz auch bei uns eine Managementpflicht für den Waschbären im Freiland, und eventuell kann man den Bestand langfristig auch wieder zurückdrängen. Und dann wären auch weitere Zooflüchtlinge bei uns wieder ein Problem.

Ich glaube, dieses Gesetz ist das komplexeste Umweltgesetz von allen, viel komplizierter als irgendwelche Grenzwerte von Schadstoffen im Abwasser. Trotz enormer Vorplanungen wird es zweifellos viele jurtistische Probleme erzeugen, und die Gerichte beschäftigen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß eine so komplexe Materie viel besser geregelt werden kann. Und ohne jedes Gegensteuern können wir die Natur abschreiben, dann haben wir bald eine weltweite Einheitsfauna, und vielfältiges Aussterben. Man muß immer auch die Alternative betrachten, ehe man vorschnell urteilt.

(26.02.2017, 10:07)
Paul Schnitzler:   Im GaiaZoo Kerkrade ist im letzten oder vorletzten Jahr genau zu dem Thema eine begehbare Großvoliere errichtet worde. Auf der Internetseite des Zoos gibt es dazu einen umfangreichen Bericht.
(26.02.2017, 09:32)
Patrick Marburger:   Ãœber Nutzen und Schaden von Haltungsverboten für "potentiell invasive" Arten will ich gar nicht meine Meinung abgeben, dafür fehlt es mir an Kenntnis. Und das Risiko einer Deklarierung zum "Stammtisch-Sumpf " ist mir daher auch zu hoch...

Ich frage mich nur wie sinnvoll es ist Haltungsverbote gleich für die gesamte EU auszusprechen: Wenn die wenigen Waschbären, die aus deutschen Zoos ausbrechen könnten die Situation ohnehin nicht mehr in relevantem Maße verschlimmern könnten, warum deren Haltung dann verbieten? Würde dann ja eigentlich reichen für die anderen "80-90% der EU" Verbote auszusprechen?!
Wenn manche gelisteten Arten nur in den warmen Teilen der EU "potentiell invasiv" sind warum deren Haltung auch in den kälteren Teilen verbieten?
(25.02.2017, 21:34)
Hystrix:   Sacha: Genau der Tonfall solcher Verlautbarungen wie die Ihren machen mir Sorge, wenn Sie aus offiziellen Zookreisen kommen (und das tun sie teilweise, wenn auch nur von wenigen, und immer denselben Pappenheimern). Derzeit haben Zoos eine starke gesellschaftliche Position, und außer völlig fanatische Tierrechtlern keine Feinde. Vor allem die Feindschaft des Naturschutzes aus jener Zeit, als noch massenweise im Freiland säugende Affenmütter abgeschossen wurden, um die ihnen abgenommenen ?süßen Babies? den Besuchern zu zeigen, ist lange vorbei und vergessen. Das ist sehr schön und war ohnehin unvermeidlich. Nur in solchem positiven Klima sprießen die Subventionen, selbst Hunderte Millionen für neue Bauten sind kein Problem, nicht einmal in Finanzproblem-Ländern wie Berlin. Das ist nicht selbstverständlich und war leider nicht immer so. Vor 30 Jahren wurden, leider auch v.a. in Deutschland, die aufkommenden EEPs genauso wie heute das neue EU-Gesetz verunglimpft und ebenso als ?totaler Schwachsinn? veräppelt. Man beschwor das Ende der Zoos, einen artenarmen Tierbestand und den Ersatz der -allwissend kompetenten- Direktoren durch ahnungslose Jungtürken, die außer einen PC mit Zuchtprogramm zu bedienen nichts von Tieren verstehen würden. Daß wir nur durch die Zuchtkoordination heute trotz Aufhörens des Großtierimports aus den Tropen noch reiche und langfristig stabile Zoobestände haben, focht diese damaligen Stammtisch-Täter nicht an. Heute will keiner mehr dagegen agitiert haben, obwohl einige davon noch leben. Ich habe solche ob dieses ?Schwachsinns? schenkelklopfende Stammtischler selbst erlebt, in manchen Regionen war es die Mehrheit. Manches heute Unselige zu den invasiven Arten erinnert daran. Wenn heute Zoos gut dastehen, in punkto reicher und langfristig lebensfähiger Tierpopulationen, und wenn sie satte Subventionen und gute Besucherzahlen erhalten, ist maßgeblich auch dem Ignorieren des damaligen ?Stammtischs? durch die angeblich ?übergeschnappten Naturaktivisten? zu verdanken, die den Fortschritt durchgesetzt haben.

Die Leute, die den Waschbären auslisten wollen, sollten zuerst über den eigenen Tellerrand schauen und auch mal nachdenken. Der Waschbär besiedelt nur etwas mehr als 10% des EU-Territoriums, zufällig gerade mal Deutschland. Bei uns mag es lokal wirklich so sein, daß mehr Waschbären in einen am Wald gelegenen Zoo eindringen als aus diesem flüchten. Aber fast überall andernorts ist das ganz anders. 80-90% der EU sind noch frei davon, aber dort gibt es Hunderte von Haltungen der Art, als Damoklesschwert daß sich Gleiches wiederholt wie bei uns. Ob auch private weiß ich nicht, aber schauen Sie allein mal in die ?Zootierliste?, und dort sind die unzähligen Kleinsthaltungen nicht drin. Seit etwa 10 Jahren kämpft man in Mallorca gegen sehr wahrscheinlich aus Haltungen (wie sonst ?) ausgebüchste Waschbären. Aufgrund der Finanzknappheit (Spanien hat gegen 20 % Arbeitslosigkeit und 50% Jugendarbeitslosigkeit) fängt man derzeit nur etwa 10 Waschbären und 10 Nasenbären pro Jahr und nur in einigen FFH-Gebieten. Das hält die Invasion nicht auf. Aber allein auf den Balearen gibt es mit Alytes muletensis und Juwel der europäischen Lurchfauna, gerade mal trotz leerer öffentlicher Kassen mit vielen Millionen Euros prekär gerettet aber immer noch nur punkthaft überlebend, und zudem mehr als zwei Dutzend kleinsträumig endemischer Eidechsenformen, von denen manche nur einige Hektar besiedeln. Die sind wahrscheinlich nicht alle zu halten, trotz riesiger Investitionen, wenn diese invasiven Raubtiere nicht bald wieder beseitigt werden können. Derzeit und ganz aktuell fängt es auf dem Festland auch an mit dem Waschbär in La Mancha, ebenfalls wahrscheinlich aus Haltungen. Hier hat man fast kein Geld gegen die neue Invasion, man macht nur Monitoring. Durch die neue EU-Verordnung muß aber Spanien jetzt ein Management des Waschbären entwickeln, und es wird voraussichtlich eben dann doch Geld zur Bekämpfung fließen. Und so kleine Pionierkolonien kann man auch noch beseitigen, es fehlt nur Geld. Aber in einem so armen Staat eben eher durch Druck von außen, kaum von den eigenen Politikern. Ohne EU ginge da gar nichts voran.

Ist das wirklich alles nur ?Schwachsinn?, daß ich statt Waschbären zukünftig vielleicht im Zoo Wickelbären beobachten soll? "Bloß" um zu verhindern, daß ein paar lächerliche Dutzend Lurche und Reptilien ausgerottet werden? Was sind schon ein paar ausgerottete Arten gegen mein Menschenrecht, einen Waschbären im Heimatzoo zu fotografieren. Soll so argumentiert werden, wollen Zoos sich das tatsächlich antun?

Wie wirkt es wohl in Spanien auf verzweifelt arbeitende Naturschützer, wenn aus einem deutschsprachigen Zoo über die Zeitung das neue Gesetz, für das tausende Naturschützer Jahrzehnte lang gekämpft haben, nur kübelweise Häme erfährt? Wenn von Zooleitern in der Zeitung polemisiert wird, die armen Waschbären müssten ?tierschutzwirdrig mit Hormonen behandelt werden?, will heißen wie tausende Zootiere ohnehin laufend selbstverständlich die Pille kriegen, und daß es einfach tierschutzwidrig sei, so liebe Tiere vom Sex abzuhalten und dadurch Leid zuzufügen?

Wenn solcher Stammtisch-Sumpf die Oberhand kriegt, dann kommen vielleicht bald wieder Zeiten, wo die schöne neue Zoowelt sich der häßlichen von früher annähert.

Ein wenig Sachkunde wäre so viel mehr. Bisher war es immer so, daß jeder Schritt der Zoos in Richtung Naturschutz (wie auch Tierschutz) zwar von Ewiggestigen reflexhaft abgewehrt wurde, aber sich nachher immer als der Richtige herausgestellt hat. Weil hin zu schöneren Zoos ohne wirkliche öffentliche Opposition. Und entgegen aller Vorassauge ist der massive Artenschwund ausgeblieben, wir haben erstens noch fast alle der besonders schwer zu beahrenden großen Tiere, und kleine arme Zoos oder auch Zoos in armen Staaten Europas sind wegen Wegfall der Bezahlpflicht für Tiere im EEP reichhaltiger als je zuvor. Gefühlsausbrüche vom Stammtisch helfen da nicht, sie sind langfrisig für die Zoos schädlich.

Welcher Zoo packt das angebliche ?Problem? des neuen Gesetzes bei den Hörnern, machte eine Tierausstellung zum Thema ?invasive Arten?, informiert ehrlich und stellt sich sogar dem Thema der früher ?ungewollt und ohne jede böse Absicht- eingebürgerten von ihnen?

(25.02.2017, 20:56)
Ulli:   Sicherlich wäre der Verzicht auf die Arten auf der Liste kein Weltuntergang für die Zoologischen Gärten. Einfach alles entspannt abwarten.

Was die Liste für mich von vornherein unglaubwürdig macht, ist beispielsweise der Verzicht auf die Nennung des Mink. Die Art beeinflusst nun tatsächlich die Lebensgrundlagen des Europäischen Nerzes.

Somit wird diese Liste trotz vielleicht positiver Ambitionen eigentlich ad absurdum geführt.
(23.02.2017, 16:41)
Sacha:   @Hystrix: Die VDZ-Vertreter stänkern mit gutem Grund (und zum Glück), den das neue Gesetz ist mehrheitlich totaler Schwachsinn. Angefangen beim Geltungsraum: Die in der "Verbotsliste" angeführten Tiere, die im Süden der EU ein Problem (invasive Art) sein können, sind es meist nicht im Norden Europas und umgekehrt. Weiter werden Arten als (potenziell) invasiv verboten (bzw. deren Züchtung, was schlussendlich auf das Gleiche rausläuft) und nahe verwandte nicht. Beispiel Südamerik. Nasenbär/Weissrüssel-Nasenbär oder Chin. Muntjak/Indischer Muntjak. Die nun sicher folgende Argumentation, dass die Liste ja noch erweitert/abgeändert werden könnte führt dann aber wiederum zu Rechtsunsicherheit und verunmöglicht u. U. gezielte Ex-situ-Zucht (auch von bedrohten Arten). Weiter wird die Zucht von Arten wie Waschbär verboten, die in grossen Teilen Mitteleuropas in der Natur schon längst heimisch sind. Ich kenne einen Kurator eines grossen deutschen Zoos inmitten einer Grossstadt, der pro Jahr rund ein Dutzend eingedrungene Waschbären "entfernen" muss. Und zu guter Letzt (oder besser: schlechter Letzt) ist das neue Gesetz das ideale Gefäss für verblendete Tierrechtler, um nach und nach weitere Arten auf diese Liste setzen zu lassen und so Zoos zu "entvölkern" und schliesslich gemäss ihren Zielvorgaben abzuschaffen.

Es ist somit DRINGEND nötig, dass auch öffentliche Zoos generell von diesem Gesetz ausgenommen werden. Die wahre Gefahr liegt bei der unkontrollierten Einfuhr von vor allem kleineren Lebensformen (Wirbellose) sowie Pflanzen (z.B. Gärtnereien, Lebensmittel-Grosshandel, Nutztierfarmen etc.) und nicht bei ein paar Dutzend kleinen bis mittelgrossen Zoo-Säugern. Was nicht heisst, dass es nicht doch bei einigen Arten Haltungsbeschränkungen - wie etwa dem hier aufgeführten Mink - oder zumindest eine Verschärfung der Haltungsauflagen für Zoos geben kann.
(23.02.2017, 11:16)
Hystrix:   Gestern hat die Bundesregierung Durchführungsregeln für das Gesetz gegen invasive Arten erlassen. Darin wird die Zuständigkeit der Behörden geklärt und auch festgelegt, welche Behörde für welche Tatbestände Ausnahmen vom Verbot des Umgangs mit diesen Arten gewähren kann. Primär sind die Bundesländer am Zug, was bedeuten könnte, daß es nicht in jedem Detail einheitlich identisch gehandhabt werden wird. Einzelheiten sind noch nicht durchgesickert, aber als Ausnahmetatbestand für ein Haltungsverbot wird momentan nur die Forschung genannt. Zu Zoos steht in den Meldungen (noch ?) nichts drin. Außerdem wird festgelegt, daß für fünf in Deutschland bereits weit verbreitete dieser gelisteten invasiven Arten nunmehr Managementkonzepte auch für das Freiland erstellt werden.

Ein von Aktivisten und Wissenschatflern verfasstes und bei der EU eingereichtes risk asssessment des Minks ist inzwischen von der Regierung von Portugal aufgegriffen und in das EU-Verfahren eingebracht worden. Damit müssen sich jetzt die EU-Kommittees für das neue Gesetz auch endlich mit dieser Art befassen. Die Pelzlobby schießt schon dagegen und verweist primär auf die hohe kommerzielle Bedeutung der Minkfarmen. Außerdem wird frech behauptet, Minks könnten gar nicht ausreißen, weil das gegen das wirtschaftliche Interesse der Halter sei, was Quatsch ist, denn fast überall in Europa sind aus Farmen heraus wilde Minkbestände begründet worden. Man muß abwarten, was zu dieser Art herauskommt. Gut zeitlich passend stellt die spanische Regierung fest, daß es in diesem Land nur noch 500 Europäische Nerze gibt, und daß entlaufene Minks momentan dabei sind, mehrere der letzten Nerzvorkommen auch noch zu besiedeln, was ohne Maßnahmen zum völligen Aussterben der Europäer führt. Man weist darauf hin, daß der Nerz sehr viel stärker gefährdet ist als Große Pandas oder Schwarze Nashörner und daß bereits jetzt die Kontrolle der Minks den spanischen Steuerzahler Millionen kostet. Ein angedachtes Schutzkonzept für den Nerz wird Abermillionen pro Jahr kosten.

Nach wie vor stänkern sogar hochrangige Vertreter des VDZ gegen das Gesetz, und widersprechen damit sowohl der Position der EAZA wie der ansonsten immer feierlich betonten Verantwortung der Zoos für Naturschutz. Man muß hoffen, daß diese emotionalen Verlautbarungen bald aufhören, schließlich war es schwierig und teuer genug, daß sich die großen Zoos mit den Erhaltungszuchten ein weitgehend glaubwürdiges Image als Artenschützer allmählich aufbauten. Nunmehr gegen ein zentrales Grundanliegen desselben zu stänkern ist gefährlich, denn es zerstört Glaubwürdigkeit. Man fragt sich, was in diese Leute gefahren ist.

(23.02.2017, 09:56)
Michael Mettler:   Dann sollte man wohl umgehend ein Haltungsverbot für Wildschweine in Berlin erlassen, damit nicht eventuelle Wildpark-Flüchtlinge das Problem noch verstärken. (Achtung, Ironie!)
(30.09.2016, 20:59)
WolfDrei:   In der Berliner Zeitung gab es kürzlich einen Artikel zur Verbreitung ``eigener invasiver`` Arten - des Wildschweins in Stadtgebiet von Berlin nämlich. Genetische Untersuchungen in mehreren Institutionen (u.a. auch des IZW) ergaben , dass z.T. erhebliche Tieranzahlen in einigen Berliner Regionen (z.B. Grunewald, Wannsee) sich aus wenigen `` Einwanderern`` ergeben haben, wobei es kaum genetischen Austausch der Hauptgruppen untereinander gegeben hat. Nur die Köpenicker Schweine tauschten mit Brandenburg aus. Daran sei übrigens nicht die Berliner Mauer schuld gewesen!. Insgesamt wurden in Berlin und Brandenburg 2015 ca 76 000 (!!) geschossen, bei den ``wirklichen `` invasiven Waschbären ca. 23 000.
(28.09.2016, 14:59)
Hystrix:   Michael Mettler:
Ich weiß nicht, wie die Kosten durch den Marderhund im Einzelnen errechnet wurden. Die Zahlen entstammen Berichten, die die EU nach dem LIFE-Projekt in Skandinavien verbreitete. Zwei relativ leicht zu beurteilende Kostenfaktoren dürften aber auf der Hand liegen: In Skandinavien gilt der Marderhund als wichtigste Infektionsquelle für Menschen sowohl mit Tollwut wie mit Fuchsbandwurm, was beides schwere und leicht tödliche Krankheiten sind. Man wird Zahlen haben, wie häufig diese Krankheiten im Land sind, wieviele danach sterben, wenn welche daran sterben und was deren Behandlung kostet. Bei Todesfällen wird man dann Kosten für die Volkswirtschaft einfügen, wie sie Epidemiologen an sich für die Beurteilung der Kosten durch Tod wegen allgemeiner Krankheiten einsetzen. Tote müssen beerdigt werden, verursachen vor dem Versterben normalerweise hohe Behandlungskosten und sie entfallen wenn sie jung sind als Steuerzahler. Tote Rentner entlasten dagegen den Staat, aber es ist nicht anzunehmen, daß Tollwut wegen des Marderhundes primär Rentner betrifft, sondern primär Jüngere (Jäger, Waldläufer etc.). Man rechnet ja auch aus, welchen volkswirtschaftlichen Schaden Schnupfen oder Rheuma anrichten. Sodann gibt es beim Marderhund für Kleintierzüchter das Problem, daß sie ihre Haltung baulich sichern müssen. Das kann man auch berechnen, genau wie man bei uns berechnen kann, was die Schafzüchter und den sie unterstützenden Staat die Präsenz des Wolfes kostet. Wenn man nur das addiert, kommen sogar bei nur ganz wenigen (etwa 150) Wölfen sehr hohe Summen zustande, und zwar als Daueraufgabe. Die 10 Millionen Folgekosten pro Jahr für den Marderhund waren allein für Schweden angegeben worden, nicht etwa für die EU insgesamt. Man muß bedenken, daß es ohne Bekämpfung in Schweden mehrere 10.000 Marderhunde geben würde, ähnlich viel wie Füchse, weshalb die Wahrscheinlichkeit von Problemen nicht klein ist. Offenbar ist der Marderhund noch gefährlicher als Fuchs was Tollwut angeht.

Man überlege mal, was allein ein Wiederaufleben der Tollwut durch diese Art in Deutschland kosten würde, nachdem man mit unzähligen Millionenbeträgen und Massenimpfung der Füchse bei uns die Tollwut eliminierte, was Jahrzehnte erforderte. Da kämen sich wieder 100e von Millionen Kosten auf die Steuerzahler zu. Das EU-Gesetz bezieht solche wirtschaftlichen Überlegungen durchaus ein, es versteht sich nicht primär als Artenschutzgesetz, sondern will ganz umfassend Probleme durch Invasive angehen, auch medizinische und wirtschaftliche.

(16.09.2016, 11:28)
Hystrix:   Der Marderhund lebte von Natur aus nur in Fernost. Er wurde dann von Menschen über 1000e Kilometer in das Gebiet westlich von Moskau gebracht und dort fernab seines Areals künstlich eingebürgert. Bis heute gibt es eine Areallücke zwischen diesem künstlichen und dem natürlichen Teilareal.

An sich ist Ihre Frage aber schon relevant. Zwischen künstlicher Einschleppung und spontaner Selbstausbeitung gibt es alle Übergänge. Der Kuhreiher hat alle Erdteile von selbst heranfliegend erobert, aber erst als die Rinderzucht überall intensiv wurde und künstliches Nahrungshabitat für ihn entstand. Das ist vergleichbar mit der Hausmaus bei uns, die erst mit der Landwirtschaft und Vorratshaltung einwanderte. Zwar die Ostmaus von selbst, indem sie von ihrem natürlichen Areal in Vorderasien mit den Bauern allmählich durch direkte Arealausweitung zu uns kam, während die Westmaus mit Schiffen verfrachtet bei uns in den Hafenstädten ankam, aber beide als ausschließliche Begleiter von Menschen. Ob man solche Arten wie die von selbst eingewanderte Ostmaus als bei uns invasiv ansieht oder als natürlich vorkommend ist dann letztlich willkürlich.

(16.09.2016, 10:58)
Michael Mettler:   Welcher Art sind denn die kostenträchtigen Schäden, die der Marderhund in Europa anrichtet? Doch nicht etwa seine Tätigkeit als "Ernteschädling"? (http://www.tagesspiegel.de/berlin/marderhund-mandarinente-und-co-tiere-mit-migrationshintergrund/8633986.html) Ich habe mich zwar nie wirklich intensiv mit dieser Tierart befasst, aber schon mehrfach nebenher gelesen (selbst in einer Meldung des NABU), dass eine Gefährdung unseres Ökosystems durch den Marderhund bisher nicht nachweisbar sei. Ich erinnere mich auch, dass schon in den 80er Jahren der Rückgang des Niederwildes und der Bodenbrüter thematisiert wurde, wobei man damals noch ohne den Marderhund als Schuldigen auskam.

Für Tollwut, Staupe und Fuchsbandwurm haben wir auch ohne den Marderhund schon Ur-Europäer als Überträger, die Krankheiten sind ja nicht neu, die Zwischenwirte des Fuchsbandwurms (Wühlmäuse) sind weit verbreitet und gelten selber als Schädlinge. Das stetige Vordringen des Rotfuchses als "erlaubter", weil heimischer Art in städtische Bereiche dürfte da wohl mehr Übertragungspotenzial bieten als der überfahrene Marderhund auf der Landstraße (bisher habe ich jedenfalls noch nichts davon gehört, dass auch dieser schon Stadtgebiete vordringt). Und wissen wir eigentlich, was uns die als Europäer ebenfalls "erlaubten" Wanderwölfe, die innerhalb weniger Tage Hunderte von Kilometern zurücklegen können, an unerwünschten Mitbringseln in der Landschaft verteilen...?

Ich habe auch schon mehrfach gelesen, dass der Marderhund als Amphibienkiller dargestellt wurde, wobei natürlich der Hinweis auf die schmelzenden Lurchbestände nicht fehlte. Andererseits versucht man, mit dem Europäischen Nerz einen anderen Amphibienfresser (der zudem genauso für seltene Bodenbrüter sowie für den bedrohten Europäischen Flusskrebs gefährlich ist) wieder anzusiedeln, was eigentlich den Restbeständen der betroffenen Beutetierarten auch nicht sonderlich nützlich sein dürfte....?

Da der finanzielle Aspekt in der Invasoren-Diskussion immer wieder auftaucht: Ist die Bekämpfung fremdländischer Arten eigentlich nur ein reiner Kostenfaktor oder trägt sie über die Schaffung von Arbeitsplätzen (Verwaltung, Gutachter, ausführende Kräfte) auch zur Volkswirtschaft bei?
(16.09.2016, 10:52)
Hannes Lueke:   Meine Gedanken gingen eher dahin ob der Marderhund lückenlos von Europa bis Asien verbreitet ist aber Google spuckt aus, dass Sibirien bis kurz vor China Marderhund frei ist. Also keine Verbreitung aus eigener Kraft möglich
(16.09.2016, 09:56)
Hystrix:   Der Marderhund war als erhofftes neues Pelztier für die Jagd aktiv im Westen der ehemaligen Sowjetunion eingebürgert worden. Man hatte Tausende von ihnen frei gelassen und sie anfänglich gefördert, auch in der heutigen Ukraine. Von dort hat er sich von selbst in die EU ausgebreitet. Er machte sich einerseits als Beutegreifer unbeliebt und dezimiert Niederwild und Bodenbrüter, in einigen Regionen bis zum Erlöschen empfindlicher Arten, andererseits ist er Träger von Tollwut,. Staupe und Fuchsbandwurm. In mehreren Ländern gibt es Warnungen, aufgefundene tote, etwa überfahrene Marderhunde nicht anzufassen, das Infektionsrisiko sei sehr hoch.

In Skandinavien gab es ab 2009 ein LIFE-Projekt der EU zur Bekämpfung der Art. Für drei Jahre kostete das 5,3 Millionen Euro, aber das sei nach den Erkenntnissen aus diesem Projekt immer noch eine Ersparnis gegenüber Nichtstun, denn durch diese 5 Millionen konnte man die Ausbreitung der Art in Nordeuropa stoppen, und ohne das Projekt wäre die Art allein in Schweden auf 15000 Stück angewachsen und hätte jährliche Kosten von 10 Millionen erfordert. Ich glaube es waren auch die Schweden, die in der EU die Listung des Marderhundes betreiben. Sie sind der Meinung, in einem langfristigen Kraftakt kann man die Art wieder loswerden. Das ist sehr teuer, aber Nichtstun sei wie gesagt durch die dauernden Folgeprobleme noch teurer.

Der Marderhund ist sehr mobil und auf nationaler Ebene sicher nicht zu bekämpfen. `Hier zeigt sich besonders klar, daß europaweite Regelungen nötig sind.
(16.09.2016, 09:35)
Hannes Lueke:   Hieß es nicht mal, dass sich der Marderhund auch ohne Zutun des Menschen eine Verbreitung in Europa geschafft hätte, seine Haltung als Pelztier es nur gefördert hat?
Das wäre für mich als ob man den Kuhreiher auf die Liste packt nur weil er es dank Rindern und Pferden auch in Mitteleuropa schafft
(15.09.2016, 20:05)
Hystrix:   Es gab im wissenschaftlichen Beirat des EU-Kommittees jetzt eine Abstimmung über diejenigen invasiven Arten, für welche im Jahr 2016 neue Risk Assessments gemacht wurden. Die einfache Mehrheit der 29 abstimmenden Parteien (= jedes Mitgliedsland plus die EU-Kommission) liegt bei 15 Ja-Stimmen für die Listung. Von den diskutierten Tierarten haben Nilgans, Marderhund und Amerikanischer Hummer diese Mehrheit erreicht, ihre baldige Listung ist also recht wahrscheinlich. Der Bison verfehlte die Mehrheit. Ob das heißt, daß seine Listung bereits endgültig abgelehnt wurde oder ob nur weitere Daten angemahnt wurden, weiß ich nicht. Erstmals ist der Bison aber nicht in der engen Wahl. Ãœber den Sikahirsch wurde noch nicht abgestimmt.
(15.09.2016, 16:23)
Hannes Lueke:   Also Bisons bzw Hybriden in der Nähe von Wisenten sind verkehrt aber Hausrinder stellen keine Gefahr dar? Interessant....
(09.09.2016, 20:06)
Hystrix:   Zu Gudrun Bardowicks:
Zum Mink hatte ich Ihnen bereits früher länger geantwortet (siehe Beitrag vom 14.8.16). Das ist ein rein politisches Problem trotz großer Artenschutzprobleme durch den Mink, weil sich Dänemark als Hauptpelzzuchtland gegen die Listung sträubt. Immerhin hat jetzt Portugal innerhalb des zuständigen EU-Kommittees ein Risk Assessment für den Mink begonnen, und die EU wird sich nach Vorliegen desselben positionieren müssen, ob sie die zweifellos sehr hohe Invasivität des Minks anerkennt und ihn listet, oder dem dänischen Lobbydruck nachgibt und nichts tut. Wenn letzteres, wird das erheblichen Ärger geben, denn auch das Europaparlament hat im letzten Dezember bereits erheblich schärfere Listungen eingefordert. Zudem bereitet unabhängig von der EU zur Zeit der Europarat eine Resolution an alle europäischen Länder vor, gegen Minks auf allen Ebenen vorzugehen und sogar seine Zucht in Farmen ganz abzuschaffen. Da steht der EU viel Ärger ins Haus, ganz egal wie sie entscheidet.

Der Bison kommt für mich überraschend, und ich kenne nicht alle Hintergründe. Offenbar hat ein einzelnes Mitgliedsland der EU ein Risk Assessment beantragt, und dieses lief darauf hinaus, daß seine Listung geboten sei. Grund sei die Zunahme von Bisonfarmen für Fleischproduktion, die oft mit Hybriden Bison x Wisent arbeiten sollen, und es gibt offenbar schon so viel Hybridisierung inklusive Rückkreuzung für kommerzielle Zwecke, daß kein Überblick mehr herrscht. Mich überrascht diese Diskussion dennoch, denn um die wenigen frei lebenden Wisente genetisch zu gefährden, müssen ja solche Hybriden in direkter Nachbarschaft von ganz wenigen und zudem gut überwachten Schutzgebieten in Osteuropa ausreißen und sich einkreuzen. Nach dem Risk Assessment der EU gibt es aber gerade das tatsächlich, nämlich halbwild zur Fleischproduktion gehaltene Hybridherden im Osten. Ich habe keine Detailkenntnisse dazu, aber diese Gefahr scheint mir trotzdem rein gefühlsmäßig nicht besonders groß zu sein. Andererseits muß man sehen, daß es in USA und Kanada so gut wie keine reinblütigen Wildbisons mehr gibt (und auch unsere Zoobisons werden nicht mehr reinblütig sein), weil es seit langem Hybridisierung mit den zahlenmäßig unendlich überlegenen Hausrindern gibt. Die meisten Bisonherden in Nordamerika, und vielleicht sogar alle, sind mehr oder weniger kuhblütig. Vielleicht hat man auch daran gedacht, wie schnell man ein Wildrind irreversibel verändert hat, als man jetzt im Zusammenhang mit Invasivität die Wildrinder in der EU diskutierte. Das Grundmuster, daß eine Kulturart genetisch verändert wird und dann die seltenere Wildart genetisch beeinträchtigt und verdrängt, ist natürlich ernst zu nehmen, mir fielen aber allein in Europa Dutzende Beispiele ein, die dringender für den Naturschutz scheinen als das Thema Bison und Wisent. Man denke an das fast völlig Aussterben der Schwarzpappel durch Einkreuzung der Hybridpappeln, das Vergehen der Wildobstarten oder vieler wilder Verwandter von Zierpflanzen, die für jeden Spaziergänger leicht ersichtlich, auch ohne genetische Untersuchungen, so stark von Gartenkultivaren verkreuzt sind, daß sie ihre Artmerkmale teilweise schon stark eingebüßt haben. Warum man ausgerechnet das doch weniger riskante Beispiel der Wildrinder so vorzieht, ist mir nicht bekannt. Es ist bisher aber nur eine vorläufige Diskussion, die Listung des Bisons ist noch nicht entschieden, denn dazu müsste zumindest die Mehrheit der Fachbehörden aller Mitgliedsländer der EU zustimmen. Ob allerdings Einstimmigkeit erforderlich ist, weiß ich nicht.

Den Anfangsentwurf vom Risk Assessment für den Bison findet man unter:
https://circabc.europa.eu/faces/jsp/extension/wai/navigation/container.jsp?FormPrincipal:_idcl=FormPrincipal:_id1&FormPrincipal_SUBMIT=1&id=3ac12d95-553b-4eb5-a8ca-927cadfff1c0&javax.faces.ViewState=gm3U8MMTGAxX29ur1c34qlUoXXpOkbkWugkzAeiCdt9Pk%2FiLzAQjbPH5hYhN%2BLP%2BCVbrj7npxnoOxcsAS35WqO%2BxeQalDXYXlvbflebWqd7xUxiW5QBXhT5CgYacyzsXpwmzrFVRlsAQvqAIoHISKOZeLJc%3D

Es ist so aber nicht von der EU akzeptiert worden, sie hat vielmehr auf der letzten Sitzung des maßgeblichen Kommittees ergänzende Angaben gefordert, die meines Wissens noch nicht eingegangen sind. Man sollte bei Interesse dafür nach der nächsten Sitzung am 6.10.2016 nochmals auf die von mir vorhin angegebene Webseite gehen und im Sitzungsprotokoll vom 6.10.16 nachschauen, was aus der Bison-Diskussion geworden ist.

(09.09.2016, 17:00)
Gudrun Bardowicks:   @Hystrix: Unter welchem Punkt der Website finde ich den Kommentar zu den Bisons als invasive Art?
Ich kann mir nur vorstellen, dass Bisons deshalb auf die Liste geraten sind, weil es bei entlaufenen Bisons in einem Wisentlebensraum zu Mischlingen zwischen beiden Arten kommen kann und dadurch die Art-/Unterartreinheit des Europäischen Wisents gefährdet ist. Auch besteht das Risiko kommerzieller Hybridzuchten beider Formen zur Fleischgewinnung. Ich frage mich allerdings immer noch, weshalb der Mink nicht auch gelistet ist und warum im Fall der Minke scheinbar wirtschaftliche/ kommerzielle Gründe wichtiger als der Schutz des einheimischen Nerzes sind.
Was wird eigentlich aus der Haltung und Zucht der bedrohten Vietnamesischen Sikahirsche in Zoos wenn die Haltung von Sikahirschen pauschal verboten wird?



(09.09.2016, 15:19)
Hannes Lueke:   Ich hatte in der vergangenen Woche ein Gespräch mit der unteren Naturschutzbehörde des Kreises Steinfurt (NRW). Man will bereits keine Gehegegenehmigungen für Listenartrn aufstellen, selbst wenn diese vor des In-Kraft-Tretens im Bestand waren. Man hat noch keinerlei Anweisung wie das Gesetz umzusetzen ist. Traurig! "Schwarze" Haltung wird so nur gefördert und eine Kontrolle nicht durchführbar
(09.09.2016, 11:31)
Hystrix:   Zwei Updates zu den invasiven Arten.

1. Das vor knapp zwei Wochen von mir angekündigte baldige Inkrafttreten der Konvention gegen das Einschleppen von invasiven Arten mit Schiffen ist bereits wahr geworden. Finnland ist inzwischen beigetreten und somit ist die Forderung erfüllt, daß Staaten mit zusammen 35% der Weltschiffstonnage das Abkommen ratifiziert haben müssen, ehe es in Kraft tritt. Es tritt dann in genau einem Jahr, am 8.9.2017, rechtsgültig in Kraft, Das sind immerhin 13 Jahre nachdem der Vertragstext des Abkommens entworfen und von vielen Staaten unterzeichnet worden war. Das wird auch einen Druck auf die noch nicht beigetretenen Länder ausüben, denn auch deren Schiffe müssen nach Inkrafttreten beim Anlanden in Häfen von bereits beigetretenen Staaten technisch so ausgerüstet sein, daß die im Ballastwasser schwimmenden Tiere, Algen und Keime desinfiziert werden können.

2. Am 6.10.2016 geht es in Brüssel weiter mit Beratungen zur Ausweitung der EU-Richtlinie gegen invasive Arten, die auch die Zoos betrifft. Derzeit sind von in Zoos gehaltenen Arten Sikahirsch, Nilgans, Marderhund, und zur Überraschung vieler auch der Bison in der Diskussion, bald nachgelistet zu werden, womit dann auch ein Haltungsverbot in Zoos verbunden wäre. Die übrigen derzeit erwogenen Arten sind Pflanzen oder wie im Fall der Bisamratte für Zoos uninteressante Tiere. Entscheidungen sind aber noch nicht gefallen.
Man kann den Fortgang dieser Diskussion inklusive der Argumente für den von Vielen nicht erwarteten Bison nachschauen auf der Webseite:
http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=3276&NewSearch=1&NewSearch=1

(09.09.2016, 09:25)
Hystrix:   Ein Update zur früheren Diskussion zum Einschleppen invasiver Arten übers Meer: Die Konvention zur verpflichtenden Desinfektion von Ballastwasser von Schiffen dürfte aktuellen Meldungen zufolge 2017 in Kraft treten. Dazu müssen mindestens 30 Staaten, die die Konvention unterschrieben haben, diese auch ratifizieren, und diese Ratifikateure müssen 35% der Weltschiffstonnage repräsentieren. Inzwischen haben schon lange weit mehr als 30 ratifiziert, aber diese repräsentieren aktuell nur 34,87 % der Tonnage und damit zu wenig. Derzeit plant Finnland, vermutlich noch 2016 zu ratifizieren, und dann wären die 35% erreicht. 12 Monate später tritt die Konvention dann verpflichtend in Kraft, auch in Deutschland, das schon ratifiziert hat. Sämtliches Ballastwasser muß dann nach Ankunft im Zielhafen von Bakterien, Algen, Tierlarven und auch größeren Tieren befreit und desinfiziert werden. Das bisher geübte Ablassen ins Meer ist dann nicht mehr erlaubt. Die bisher schleppende Ratifikation hängt damit zusammen, daß zur Erfüllung dieses Gesetzes umfangreiche Infrastrukturen zur Desinfektion großer Wassermengen in den Seehäfen gebaut werden müssen, was manche Staaten immer noch scheuen, und andere einfach nicht schneller hinkriegen.

Damit wäre eine weitere Etappe erreicht, bis 2020 ausreichende Gesetze gegen invasive Arten umzusetzen, wie es die Convention on Biologicai Diversity verlangt. Diese Ballastwasser-Konvention hat aber nicht smit der EU zu tun. Die unsäglich folgenreiche Einschleppung der wuchernden Giftalge Caulerpa über ein Zooaquarium ins Mittelmeer wird damit natürlich nicht unterbunden, und da die EU-Richtlinie gegen Invasive nicht vorbeugend, sondern nur über schwarze Listen arbeitet, die Invasive erst im Nachhinein listet, wenn der schaden bereits zumindest örtlich eingetreten ist. Daher sind solche Einschleppungen durch Tierhalter auch weiterhin möglich.

(27.08.2016, 16:18)
Hystrix:   Der Mink wäre einer der allerwichtigsten Listungen überhaupt. Er hat nicht nur mancherorts den akut aussterbenden Europäischen Nerz teilweise auf dem Gewissen, sondern ist einer der übelsten Kleinräuber, der vielerorts ganze Vogelkolonien auslöschte. Daß er fehlt liegt vordergründig daran, daß sein risk assessment noch nicht fertig ist. In der für Listungen zuständigen Kommission ist er daher noch nicht bearbeitet worden, Der wahre Grund liegt aber daran, daß Dänemark sich massiv schon sehr früh gegen eine Listung gewehrt hat, um die Interessen seiner Pelzzuchtlobby zu wahren. Der Mink war seinerzeit sogar der Grund dafür, daß man auf Druck von Dänemark im EU-Gesetz den Passus einfügen wollte, daß einzelne Mitgliedsländer ohne weitere Begründung einfach bestimmte Artlistungen für sich zurückweisen können sollten. Dieser Passus wurde nach Intervention durch den Naturschutz nicht aufgenommen.

Es haben sich inzwischen Naturschützer unter Mitarbeit auch von EAZA-Zoobiologen daran gemacht, das risk assessment für den Mink einfach eigenhändig vorzunehmen, und der EU-Kommission zu überreichen, sozusagen als unerbetene Amtshilfe. Es wird bald veröffentlicht, so daß wenigstens diese Grundlage vorhanden wäre. Fakt bleibt aber, daß alle Listungen von der EU-Kommission nur im Einvernehmen mit allen Mitgliedsstaaten erfolgen kann. Beim Mink wird man also warten müssen, bis die Pelzzuchtnationen sich bewegen. Positiv ist, daß der Europarat wegen dieser Verzögerung im Rahmen seiner Berner Konvention eine Resolution an die Mitgliedsstaaten vorbereitet, daß diese unabhängig vom EU-Gesetz in eigener Veranlassung Maßnahmen gegen diese Art einleiten sollen. Der Europarat ist nicht die EU, sondern ein davon unabhängiger, lockerer Verbund praktisch aller europäischer Staaten nur zu bestimmten Themen, wie Menschenrechte, Kultur und auch Naturschutz.

(14.08.2016, 12:32)
Gudrun Bardowicks:   Ich habe mir die Frage gestellt, weshalb der Mink auf der Liste invasiver Arten, für die ein Haltungsverbot ausgesprochen werden soll, fehlt. Ich vermute, dass dieses an der Lobby der Pelztierzüchter liegt, deren Berufsstand gefährdet ist, wenn das wichtigste Pelztier, der Mink, nicht mehr gehalten werden darf. Bei der Nutria, die auf der Liste enthalten ist, dürfte dieses zwar ebenfalls gelten, aber Nutrias haben vermutlich einen weniger wertvollen Pelz und kommen darüberhinaus mittlerweile weltweit vor, so dass man den Bedarf an Nutriafellen notfalls auch aus dem nichteuropäischen Ausland oder aus Fängen in freier Wildbahn decken kann.
(14.08.2016, 10:18)
Hystrix:   Ingo Rossi: Ich glaube, daß Ihre Frage, ob nicht auch zerstörerische Eingriffe in die Natur nicht auch ?natürlich? seien, weil doch auch der Mensch so wie er ist in der Evolution entstand, ist in einem solchen Forum mit Kurzbeiträgen kaum vernünftig zu diskutieren. Dazu müsste man zu weit ausholen und zu viele Begriffe abklären, ehe man weiß, was die Diskutanten konkret darunter verstehen. Natürlich muß man nicht bedauern, daß der Auerochse ausgerottet wurde und kann das einfach auf die evolutionäre Ãœberlegenheit des Menschen buchen. Das ist rein formal auch richtig. Damit kann man sogar jedwede Naturzerstörung in einen höheren Kontext stellen und Manche empfinden das als Relativierung. Aber auch menschliche Kultur und der darin entstandene Naturschutz sind ein Produkt der Evolution. Diese hat zwar die Waffen geschaffen, eine Art abzuschießen bis zum letzten Tier, diese hat aber auch die Erhaltungszucht und den Artenschutz entstehen lassen. Naturschutz gibt es nur, weil viele Menschen so empfinden, und auch dieses Empfinden gehört zu unserer Art. Ein auf einer Mittelmeerinsel verwilderter Mungo, der eine Eidechsenart dieser kleinen Insel ausrottet, weiß es nicht besser, aber nicht wenige Menschen leiden darunter, wenn schöne, interessante oder auch potentiell nutzbringende Arten verschwinden. Naturschutz beruht allein auf diesem Leidensdruck, er ist ein kulturelles Produkt, der in jedem Kulturkreis anders definiert wird. Genau an dieser Stelle erscheint der Mensch im Naturschutz, er tut es letztlich seiner selbst willen, entweder um zufriedener zu sein, sich an Tieren zu erfreuen oder sie auch später noch langfristig nutzen zu können. Nicht zuletzt ist Naturschonung sehr oft sogar rein egoistisch gedacht die beste Lösung, und sei es nur, weil Naturschutz oft langfristig die stabilste und auch billigste (= am wenigsten teure) Lösung ist. Was glauben Sie, wie teuer es würde -vom Artenschutz ganz abgesehen- wenn man die exponentielle Zunahme der invasiven Arten nicht in den Griff bekommt? Allein derzeit gehen die Schätzungen der finanziellen Schäden durch Neozoen und Neophyten allein in der EU auf Milliarden Euro pro Jahr, und wir stehen mitten in einer exponentiellen Phase der Zunahmen von solchen invasiven Arten.
(13.08.2016, 20:42)
Ingo Rossi:   Das Thema "Umgang mit Invasiven" ist ja wirklich sehr interessant und vielschichtig.
Mir stellt sich eine Frage bei Hystrix Ausführungen. Warum ist der Mensch so gänzlich von der Evolution ausgeschlossen.
Unterliegen seine Entwicklung, Verhalten, Denken und seine dadurch resultierenden Taten nicht auch einem evolutionären Prozess?
Müsste man dieses, auch wenn es nicht immer angenehm ist, nicht auch als einen Teil der Evolution berücksichtigen, der diese auch beeinflusst und gestaltet?
Kurz gesagt, die "menschengemachtes" nicht auch natürlich?
(13.08.2016, 12:09)
Hystrix:   Michael Mettler: Ich will gerne Ihre konkreten Sachfragen beantworten, aber eine grundlegende Diskussion, ob man die Grundwerte des Naturschutzes über Bord werfen soll, um das Rad neu zu erfinden, würde mein Zeitbudget umwerfen und nur in abgehobene Dimensionen ausufern. Ich will nochmals die Mona Lisa und den Kölner Dom anführen ? auch bei diesen ist klar, daß sie in einigen Jahrtausenden nicht mehr sein werden, weil die Farbmoleküle bzw. der Mörtel sich an der Luft irgendwann zersetzen. Und dennoch wendet man Unsummen auf, solche Kulturdenkmäler zu bewahren, wissend, daß das nur für eine bestimmte Zeit geht. Natürlich wird sich irgendwann in der Evolution auch der Rothirsch verändern, ob in einer Million Jahre oder in zehn wissen die Götter. Auch der Mensch wird irgendwann nicht mehr sein, aber soll man deswegen auf medizinische Behandlungen von Patienten verzichten, die Krankenhäuser schließen, denn ?Tod gehört zum Leben? und irgendwann stirbt unsere Art eh aus? Ich glaube, diese Diskussion ist deshalb nicht ratsam, weil man sich in immer größere abgehobene Höhen zu versteigen droht und es daher sowieso keine Annäherung gäbe. Ich gehe davon aus, daß sich der Naturschutz, der im Ãœbrigen ein Kulturprodukt ist, in unserer Kultur so und nicht anders entwickelt hat und auch ein rechtliches, sogar verfassungsmäßiges Gebot ist. Damit liegt ein Wertesystem vor, das von unzähligen Menschen in zwei Jahrhunderten geschaffen wurde, und das sich bewährt hat. Und es gibt unzählige prickelnde wie schwierige Probleme, wie diese Werte in die Praxis umgesetzt werden können, und diese sind Anspruch und Zeitschäftigung genug. Die Frage, wie sich Naturschutz ?in der Evolution? gestaltet, wenn der Mensch dereinst einmal vielleicht drei Hände oder zwei Schwänze evolviert hat und nicht mehr Homo sapiens heißt, plagt dabei sicher die Wenigsten. Ich habe für solche Gedankenspiele keine Zeit.

Nun Ihre Sachfragen:
Frage 3: Wenn die invasiven Arten von selbst spontan zuwanderten, sieht die Sache zumindest in der Theorie natürlich anders aus. Dann würde reines Natur Natur sein lassen bedeuten, daß man den Verdrängungsprozeß zugunsten des Einwanderers eigentlich tolerieren müsste. Allerdings ist zwischen Einschleppung und natürlicher Zuwanderung in unserer vom Menschen dominierten Welt nur selten klar zu trennen. So kann der Heilige Ibis allein durch die künstliche Bewässerung der Äcker in Nordafrika, also menschengestützt, bis an die Grenzen Europas am Südufer des Mittelmeers expandiert sein, so daß die ersten 1000 km Ausbreitung aus den Tropen bis Ägypten auf den Menschen zurückgehen mag, und nur die letzten 200 km (ein kurzer Tagesflug) von dort bis ins europäische Zypern spontan wären. Ist das menschengemachte Zuwanderung in die EU oder Natur? Der Marderhund ist auch so Zwischending. In die EU ist er von selbst eingewandert, aber erst nachdem ihn Menschen aus Fernost bis in die Gegend um Moskau weit nach Westen bis fast an die EU heran gebracht hatten. Ist das menschengemacht oder spontan? So unklar ist das sogar meistens. Aber auch bei völlig natürlicher Einwanderung und Verdrängung wäre durchaus legitim, die aussterbende unterlegene Art als Studienmodell, Modell der Schönheit und Ästhetik oder als Naturdenkmal in einem kleinen Teilareal oder Reservat durch Management im Zoo doch zu bewahren, einfach um den Organismus nicht ganz zu verlieren, für alle Fälle und aus menschlichem Interesse und ggf. späterem Gebrauch durch Menschen. Das wäre natürlich gegen das Prinzip Natur Natur sein lassen, würde aber wahrscheinlich vom Naturschutz getragen wenn nicht gefordert. Dagege wäre es nicht Naturschutz, auf Dauer eine aus natürlichen Gründen der Evolution überlegene Art durch laufendes Management zu tilgen, um Unterlegene zu bewahren, und das auf großer Fläche. Wenn also Silbermöwen in der Tat durch allmähliche natürliche Evolution den Seeschwalben überlegen wären, müsste man tolerieren, daß sie die Seeschwalben verdrängen. Die Möwen wurden aber nur überlegen, weil sie an Mülldeponien oder durch aus Fischerbooten weggeworfenen Beifang so gemästet wurden, daß sie mehr brüten. Es ist also keine natürliche Evolution, sondern beruht nur auf Müllbergen. In diesem Fall bedeutet Natur Natur sein lassen, daß man eben doch eingreift, weil eben die Natur durch den Müll so aus den Angeln gehoben wurde, daß die Eckwerte nicht mehr stimmen.

Fragen 4 und 5: Ich kenne in der Tat keine andere, nicht gezielt und künstlich verkreuzte Wildpopulation eines Säugetiers, die gleich 5 verschiedene Chromsomenzahlen in sich trägt. Aber es gibt viele Fälle, wo es nur drei verschiedene sind, und bereits dann, also schon in einem weniger ausgreprägten Fall, ist so regelmäßig ein Fortpflanzungsproblem da, daß es eminent plausibel ist, bei noch größerer Vielfalt solche mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Bei nur drei verschiedenen Chromosomenbildern ist das aber nicht ausnahmslos immer so problematisch, nur oft oder meistens. Es kommt primär darauf an, auf welche Mechanismen des Chromsomenumbaus zurückgeht, weil einige davon eher harmlos sind und andere besonders hartnäckige Probleme machen. Wir müssten jetzt in die Details des Chromomenaufbaus der Sikahirsche einsteigen, was aber dieses Forum sprengen würde. Grundsätzlich jedoch ist jede Mutation eigens zu bewerten und auf ihre Auswirkungen im Einzelnen zu untersuchen. Es gibt bei Rindern eine weit bekannte Chromosomenvariante, die zu völliger Sterilität führt. Diese ist im Chromosomenbild einer anderen Mutation bei Schafen ähnlich, die allerdings bei diesen offenbar überhaupt nicht mit der Fortpflanzung interferiert. Interessanterweise haben Wildschafe gelegentlich auch chromosomale Varianten in den Naturpopulationen (also wie die Sikas), besonders in den Kontaktregionen in Vorderasien, wo sich unterschiedliche Formen der Uriale begegnen: Schafe sind also von Natur aus in der Evolution dazu gezwungen worden, bzw. durchlebten lange evolutive Zeiträume, sich mit diesem Problem ?auseinanderzusetzen?, sich allmählich durch Selektion an diese Problematik anzupassen und haben zellbiologische Mechanismen evolviert, damit um zugehen. Wildrinder haben innerartlich immer einheitliche Chromosomen (wie der Rothirsch), sie brauchten keine Mechanismen zu entwickeln, damit umzugehen. Wenn bei Ihnen spontan durch Mutation (oder Hybridisierung) dieser Fall eintritt, haben sie ?den Salat?.

Also schon bei deutlich geringerer ausgeprägter chromosomaler Vielfalt als bei den Sikas liegt meist ein echtes Problem vor, wenn auch nicht immer. Da ist sehr plausibel, daß wirklich Störungen drohen, wenn die vorhandene Vielfalt wie bei der Einkreuzung der Sikas ins Rotwild noch größer ist, nämlich mehr als doppelt so hoch.

(04.08.2016, 08:45)
Michael Mettler:   @Hystrix: Etwas zu hinterfragen und etwas nicht anzuerkennen sind zwei paar Stiefel, da habe ich eher ein Problem mit diesbezüglicher Schwarz-Weiß-Malerei. Ich bin mit dem Bewahrungsgedanken des Naturschutzes quasi aufgewachsen und habe ihn Jahrzehnte lang nicht hinterfragt. Seit ein paar Jahren versuche ich zunehmend, auch altgewohnte Dinge mal von einer anderen Seite zu betrachten. Ich denke, das ist legitim, zumal man sich dadurch zwangsläufig intensiver mit einer Fragestellung auseinandersetzt. Ist das übrigens nicht genau der Effekt, den Zoos und Naturschützer bei der breiten Masse erzeugen wollen...? Da stelle ich mich als Testperson für ihre Verkaufsstrategie gern zur Verfügung.

Füllen wir doch meine angebliche Inhaltsleere mal mit Antworten auf konkrete Fragen, damit ich dazulerne:

1) Ist "Verbessern" wirklich nur "Viehzüchtermentalität" oder nicht auch das Grundprinzip der Evolutionstheorie, des "survival of the fittest"?

2) Kann "Bewahren" nicht auch die Folge mit sich bringen, Evolution auszubremsen, wenn man den Status eines willkürlich ausgesuchten entwicklungsgeschichtlichen Moments quasi einzufrieren versucht?

3) Wie würden Naturschutz und EU-Gesetzgebung Arten wie Heiligen Ibis, Nilgans oder Schwarzkopf-Ruderente bewerten, wenn diese es aus eigener Kraft bzw. als Irrgäste nach Europa geschafft hätten statt durch menschliche Unbedachtheit? (Für ein Schneeballsystem der Hybridisation mit der konkurrenzschwächeren Weißkopf-Ruderente hätte doch theoretisch ein einziger erfolgreicher Erpel der amerikanischen Verwandten schon als Auslöser gereicht. )

4) Wenn es noch keine Studien zu den Sika-Hybriden gibt und der Dybowskihirsch das einzige Säugetier ist, das eine so breite Streuung der Chromosomenzahl in einem nicht manipulierten Wildbestand aufweist, auf welchen Arten basiert dann eigentlich die Aussage "Alle Erfahrung zeigt, daß hier eine gefährliche und irreversible Schädigung droht"?

5) Lässt sich diese Erfahrung beliebig von anderen Tierarten übertragen, wenn doch jede Tierform als einzigartig ganz für sich betrachtet werden soll?

Wir können die Diskussion auch gern in einem anderem Thread weiterführen, wenn sie von Thema des vorliegenden zu sehr abweicht. Wobei das ja nicht nur meine Beiträge betrifft.
(03.08.2016, 23:08)
Oliver Muller:   Ich freue mich ja immer sehr, wenn sich Leute hinter Pseudonymen verstecken und dann einen rasiermesserscharfen Diskussionsstil pflegen... :-)
(03.08.2016, 16:25)
Hystrix:   Michael Mettler: Ich glaube, die Meinungsverschiedenheit beruht nur darauf, daß Sie 1. einerseits auf einer zu allgemeinen Ebene diskutieren und sich damit für meinen Geschmack sich in einer zu algemeinen Inhaltsleere der Fachbegriffe verlieren, und 2. offenbar ein Problem haben, echten Naturschutz anzuerkennen, der Tiere eben nicht verbessern will sondern sie so bewahren möchte wie sie sind.

Zu 1:
Es gibt keine ?Hybriden? an sich, außer in laienhafter Vereinfachung. Letztlich gibt es in der Evolution nur Individuen, die aber hinreichend ähnliche Partner brauchen, um zu reproduzieren. Die Frage, ob man von Hybrid spricht, ist allein die Frage, ab welchem Grad von Unverwandtschaft man hier völlig willkürlich eine Schranke setzt. Bezogen auf ein Allel ist schon die Mendel-Verkreuzung von weiß und rot blühenden Erbsenpflanzen derselben Population eine ?Hybridisierung?, und Mendel nannte das genau so, obwohl sich diese ?Hybriden? nur an diesem einem Locus unterschieden. Solche Hybriden meinen wir aber beide in unserer Diskussion nicht. Wir meinen Hybriden durch Kreuzung von Taxa. Nun sind Unterarten wie Arten reale raum-zeitliche Gebilde, also reale Populationscluster mit einer für jedes Taxon völlig einzigartigen, inneren genetischen Struktur. Beim Aal sind alle Individuen auf der Welt durchschnittlich gleich miteinander verwandt, weil alle Laichtiere sich in einer einzigen vollkommen durchmischten Laichpopulation in der Karibik treffen. Hier gibt es definitionsgemäß keine Hybriden. Beim Pfeifhasen ist jede lokale Familienkolonie auf einem Felskopf in der von Pfeifhasen ansonsten freien Steppe eine genetisch durchaus meßbar eigenständige Population, weil von anderen isoliert. In jeder Tierart sind die inneren genetischen Differenzierungen völlig einzigartig und von jeder anderen Art verschieden, und daher ist der Begriff Hybrid in allgemeiner, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogenen Benutzung weitgehend inhaltsleer. Deshalb sind allgemeine Äußerungen über ?Hybridisierung als solche? relativ sinnlos. Wenn man sinnvoll diskutieren will, muß man ganz konkret zum Populationssystem einer Art messen, dann beurteilen, wie groß die genetischen Unterschiede im Einzelfall wirklich sind, und man muß empirisch beurteilen, was man unter Steigerung oder Vernichtung von Anpassungspotential versteht.
Beim Dybowskihirsch weiß man nur, daß die Population aus Individuen mit entweder 64, 65, 66 , 67 oder 68 Chromosomen besteht (auch jene bei uns in Zoos, aber nicht nur). Messungen der Fitness-Effekte, wie sich die Verpaarung von jeweils zwei dieser Genotypen auswirken und ob bestimmte miteinander unfruchtbar sind oder Fehlgeburten erzeugen, fehlen beim Sikahirsch noch vollkommen. Aber es gibt kein einziges weiteres Säugetier, was eine so breite Streuung der Chromosomenzahl in einem nicht manipulierten Wildbestand hat, und es ist eher unwahrscheinlich, daß es dadurch nicht zu gestörter Fortpflanzung kommt. Nun erzeugen alle Hirsche im Normalfall einen so hohen Kinderüberschuß, daß auch eine Störung in gewissem Ausmaß kompensiert wird und die Population trotzdem überleben oder gar wachsen kann. Dennoch leidet eine solche Population definitionsgemäß unter Auszuchtdepression oder Hybridschaden. Es ist jedenfalls bedenklich, solche Sikas in unsere Rothirsche einzukreuzen, die alle 68 Chromosomen haben und in keiner Weise voradaptiert sind an variable Sätze. Wobei ich hier vereinfache, es geht nicht nur um die Zahl, sondern auch um den inneren Feinbau der Chromosomen, und der ist zwischen Sika und Rothirsch auch verschieden. Alle Erfahrung zeigt, daß hier eine gefährliche und irreversible Schädigung droht, auch wenn Studien noch fehlen.

Hybridisierung als Sammelbegriff für die Fortpflanzung von relativ weit differenzierten Genotypen ist in der Natur allgegenwärtig. Deutschland liegt im Kontaktgebiet von nacheiszeitlichen Einwanderern aus warmen Eiszeitrefugien in SW- und in SO-Europa, die sich bei uns in Mischgürteln treffen. Viele unserer deutschen Tiere sind daher "Hybriden" im Sinne von Mischlingen zwischen Einwandererpopulationen, die in den letzten 10.000 Jahren Einwanderung entstanden aus Genotypen, die während der letzten Eiszeit zuvor für grob 100.000 Jahre getrennt waren. Das wird im Einzelfall zu physiologischer Überlegenheit dieser Mischlinge führen durch Heterozygotenvorteil im Vergleich zu den nicht vermischten Herkunftsbeständen in den Eiszeitrefugien. In anderen Fällen werden diese Mischlinge geschädigt sein, wenn nämlich die Vermischung etwa zu unbalancierten Chromosomen oder anderer Allel-Inkompatibilität führt. Das ist in jeder Art anders, manchmal hilft es den Arten, anderen schadet es. Naturschutz nun ist aber das Bewahren der Natur, darunter auch der natürlichen genetischen Muster. Dazu gehören kleine ingezüchtete Populationen in einer Art, die vielleicht im Einzelfall sogar ganz natürlicherweise unter Inzuchtschäden leiden mögen, obwohl das nicht häufig ist. Dazu gehören auch Mischlingspopulationen bis hin zu hybridogenen Arten in anderen Tiergruppen, auch wen sie unter dieser Verkreuzung Leiden bis hin zum Aussterben.

Zu 2:
Naturschutz heißt bewahren. Was mich an Ihrer Argumentation stört ist, daß sie dieses Grundgesetz des Naturschutzes nicht anerkennen, sondern argumentieren, die komplette Hybridisierung sagen wir der Weißkopfruderente sei unter Umständen besser als das reinblütige Fortkommen und gar kein Problem, wenn etwa die Mischlinge nur fruchtbarer oder körperlich stärker sind. Durch das Einkreuzen der vielen Schwarzkopfruderenten in die wenigen Weißköpfe wäre die letztere Art schlicht verschwunden, ihr Phänotyp wäre weg. Ersetzt würde diese erloschene Art durch etwas Neues, Menschengemachtes, also Vögel, die ohne diesen unglücklichen Vogelpark in England niemals entstanden wären. Die ganz anders aussehen, sich anders verhalten und eine etwas andere Rolle im Ökosystem spielen. Das ist eindeutig nicht mit dem Naturschutzgedanken vereinbar, selbst wenn diese neue Population wirklich fruchtbarer, gegen Krankheiten resistenter oder sonst wie überlegen wäre.

Mit dem Begriff Viehzüchtermetalität geißelte ich genau dieses Denken, auch im Artenschutz mit dem Anspruch aufzutreten, verbessern zu wollen. Naturschutz dient dem Erhalt natürliche Muster, und wenn eine Tierart natürlicherweise leider eine hohe Frequenz von einer Erbkrankheit hat, gehört auch das zum natürlichen genetischen Muster. Im Übrigen hat sich gezeigt, daß Herumdoktern und Verbessernwollen von Wildtieren durch Zucht fast immer schief geht daß man zwar an einer Stelle wirklich hilft, dafür aber damit gekoppelt in anderen Organsystem fast immer unerwünschte Effekte kommen.


Zum China-Muntjak: Meine Lösung für Zoos sieht so aus. Man läßt die inzwischen auch vielen Tierkennern unter den Zoobesuchern ohnehin ?aus den Ohren heraushängenden? weil überall vorhandenen China-Muntjaks unbekannter Abstammung entsprechend dem EU-Gesetz allmählich auslaufen, Als Ersatz importiert man eine der mehreren bedrohten Muntjak-Arten aus Asien als neues EEP. Dieses EEP läuft dann unter dem EU-Gesetz weiter, die Ausnahmeregelung von Haltungsverboten für Naturschutzzwecke nutzend, wie sie dieses Gesetz explizit vorsieht. Man könnte das sogar mit CXina-Munjaks selbst machen, wenn man eine gefährdet Teilpopulation auswählen würde, die aber dann genetisch wirklich definiert wäre und nachweislich gefährdet. Man verpflichtet sich zur Erlangung der Haltungsgenehmigung, wie in EEPs ohnehin üblich die Nachzuchten nur innerhalb der EAZA weiterzugeben oder ggf. später in Asien wieder auszuwildern. Und falls trotz gutem Management doch mehr Nachzucht geboren wird als gebraucht wird diese entweder verfüttert oder nur nach Sterilisierung unfruchtbar abgegeben. Damit erfüllte man das neue Gesetz, hätte ein interessantes Zootier mehr und sogar noch etwas für den Artenschutz getan.

(03.08.2016, 13:55)
Michael Mettler:   @Hystrix: Ich suche noch immer nach der kritisierten ?Wertung von Organismen? durch den ?anderen Mitdiskutanten?, also mich. Falls meine Bezeichnung ?biologisch erfolgreicher? gemeint sein soll: M.W. basiert die gesamte Evolutionstheorie auf genau dieser Art von Wertung, und die habe nicht ich erfunden. Falls aber damit die von mir erwähnte Einteilung in ?gute? und ?böse? Arten gemeint sein soll, möchte ich daran erinnern, dass ich genau dies doch selbst als fragwürdig argumentiert habe. Diesbezüglich war nämlich in meinem Beitrag auch etwas von menschlicher Willkür bei der Kategorisierung zu lesen.

Genau dieser Punkt stimmt mich auch in der Hybridenfrage nachdenklich. Forschungsergebnisse aus jüngerer Zeit stellten den Verdacht in den Raum, dass Arten wie Himalaya-Tahr, Wisent und Davidshirsch hybriden Ursprungs sein könnten ? ironischerweise sind die beiden letzteren Arten Flaggschiffspezies des Artenschutzes. Bei Sika-Rothirsch-Hybriden sollen aber Ihrer Aussage nach genetische Zuchtprobleme im Raum stehen, die eines Tages ?das Kartenhaus zusammenfallen lassen? sollen. Gibt es bereits Anzeichen eines derartigen genetischen Problems in den Hybridpopulationen? Und wie passt das damit zusammen, dass vielleicht schon ?die alten Chinesen? Sika-Rothirsch-Kreuzungen hervorgerufen haben oder solche im Grenzgebiet der Arten in der natur entstanden, deren Nachkommen bis heute anscheinend florierende Zuchtstämme unter den Namen Dybowskihirsch bilden? Warum sind dann auch die Vorfahrenpopulationen der heutigen Himalaya-Tahre, Wisente und Davidshirsche nicht zusammengebrochen? Dass es auch Fehlversuche der Natur bei Hybridisierungen gegeben haben wird und noch gibt, zweifele ich dabei gar nicht an.

Mag sein, dass ich statt einer wissenschaftlich-detaillierten nur eine oberflächliche Definition von Biodiversität kenne. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass Hybriden darin explizit von diesem Begriff, der ja auch genetische Vielfalt umfasst, ausgeschlossen wurden und somit durch die neue Gesetzgebung quasi illegal geworden wären. Das wäre auch kontraproduktiv, bildet doch z.B. eine Hybridform in unseren Landen eine wichtige natürliche Nahrungsgrundlage für diverse Arten, um die sich der Naturschutz ganz besonders bemüht: Ich rede vom Teichfrosch und seinen ?Nutznießern? wie Großlibellen(larven), Ringelnatter, Schwarzstorch, Nerz usw. Es ist also offensichtlich, dass auch bei den Hybriden gern zwischen ?Bösen? (= der Mensch als Kuppler) und ?Guten? (= die Natur als Kupplerin) unterschieden wird, ohne dass irgendjemand wissen kann, ob nicht ein ?Böser? womöglich im weiteren Verlauf der Evolution zum ?Guten? werden könnte (und umgekehrt) ? die Schurkenrolle wird stattdessen auf alle Ewigkeit festgelegt. Kein Mensch kann aber heute wissen, ob das Ökosystem Mitteleuropas in 500 Jahren und später noch einen ?klassischen? Rothirsch brauchen kann, während aus uns heute nicht bekannten Gründen der ?Rotsika? dann womöglich besser in die neue Situation passen könnte und es der Natur herzlich egal wäre, ob er durch Einwanderung aus eigener Kraft oder durch menschliches Zutun entstand. Ein ?ungeplantes Exeperiment mit offenem Ausgang?, wie Sie es nennen, beinhaltet schließlich auch die Möglichkeit, dass es NICHT schlecht ausgeht ? da sind wir bei der Frage, ob man ein Glas als halbvoll oder halbleer betrachtet.

Was Faunenverfälschung betrifft, greift sogar der Artenschutz selbst als Mittel darauf zurück. Meiner Erinnerung nach hat Neuseeland Kiwis in Gegenden bzw. auf vorgelagerten Inseln angesiedelt, wo es keine der eingeschleppten Fressfeinde gab bzw. man diese in den Griff bekommen hatte. Aus Sicht der Wirbellosenfauna in diesen Gebieten (Wie gut war die zu diesem Zeitpunkt erforscht?) wäre dann der Kiwi als invasive Art zu werten, denn die ursprünglich ansässigen Arten bzw. deren Inselpopulationen konnten sich nicht evolutiv auf ihn als Prädator einrichten. Von vergleichbaren Maßnahmen meine ich bei inselbewohnenden Loris gelesen zu haben und gerade erst kürzlich bei Hornvögeln auf den Philippinen (lasse mich gern korrigieren). Konsequenterweise müsste man also auch solche Experimente unterlassen, und selbst die extensive Haltung von zentralasiatischen Przewalskipferden in europäischen Semireservaten könnte man dann als fragwürdige Maßnahme bezeichnen.

Letztlich will ich darauf hinaus, dass ich vieles nur für eine Frage persönlicher Definition und Weltsicht halte, während die Natur selbst schlichtweg im Feldversuch ihre ?Produkte? auf Tauglichkeit testet (und damit offenbar nicht so schlecht gefahren ist, bis der Mensch meinte, besser zu wissen, wie das zu laufen hat). Die Ergebnisse in Form sich verändernder Faunensortimente mögen nicht jedem gefallen, aber sind sie nur deswegen per se schlecht? Um den mehrfach bemühten Vergleich aufzugreifen: Auch die Mona Lisa gefällt vermutlich nicht jedem. Auch bei ihr wurde der Wert (der künstlerische und daraus resultierend der finanzielle Wert inklusive der Bedeutung als lukrativer Touristenmagnet) von lediglich einer speziell interessierten Gruppe von Menschen festgelegt und sie damit aus Mengen anderer Kunstwerke hervorgehoben. Nüchtern betrachtet (ich bin bekennender Kunstbanause) ist es aber einfach nur ein Porträtgemälde.

Um zu dem Punkt zurückzukommen, wie Zoos mit der neuen Regelung umgehen können: Das Ersetzen Chinesischer Muntjaks durch Schopfhirsche schreibt sich leicht, aber angesichts von (laut Zootierliste) derzeit gerade mal vier Schopfhirsche züchtenden Zoos in Europa entgegen einer Menge von Chinamuntjak-Haltern dürften die frei werdenden Stellen gerade in Geo-Gemeinschaftsanlagen nicht problemlos zu besetzen sein. Auch das soll nur eine nüchterne Feststellung sein. Ebenso, dass sich Südamerikanische Nasenbären vom Schauwert her nicht durch den überwiegend nachtaktiven Wickelbären ersetzen lassen (eher würde ich Lemuren in die gleiche Kategorie stellen, aber auch das gäbe Passungsprobleme in Geokonzepten). Was aber auch gar nicht nötig ist, weil die EU-Verordnung schließlich nur Nasua nasua als invasive Art festlegt, so dass die Zoos schlichtweg auf andere Nasenbärarten umsteigen können.
(03.08.2016, 00:02)
Michael Mettler:   @Michael Gradowski: Auch das Thema "Mink vs. Nerz" könnte man m.E. in einer Show mit Infotainment vermitteln. Eine solche Show muss schließlich nicht NUR lebende Beispiele zeigen. Stell dir den Präsentator mit einem zahmen Mink auf dem Arm vor der Schautafel oder Bildschirmdarstellung eines Nerzes vor, und er kommentiert sinngemäß "Den hier (Mink) finden Sie jetzt vielleicht putzig, aber er hat IHN (Nerzbild) auf dem Gewissen...!" Der Besucher fragt sich dann hoffentlich, wo nun der Unterschied liegt und welche Geschichte dahintersteckt, und genau das müsste dann aus dem weiteren Kommentar des Präsentators hervorgehen.
(02.08.2016, 23:47)
Mark Meier:   @Hystrix: Vielen Dank für die nähere Ausführung. Das mit dem Ballastwasser hatte ich mal gehört. Schön, wenn das bald umgesetzt wird. Reichlich spät zwar aber doch besser als nichts. Nur stehen auf diesen Schiffen eben auch zig Container mit unterschiedlichsten Inhalten. Da wird sicher auch der ein oder andere Organismus eingeschleppt, ob versehentlich oder ganz bewusst. Da werden ja noch ganz andere Dinge geschmuggelt...

Das mit den weißen Listen klingt sehr interessant. Natürlich wäre das für die Zoos sehr heftig gewesen. Aber rein logisch ist dieser Ansatz deutlich konsequenter und proaktiver als stets auf eingetretene Schäden zu warten. Generell fände ich es aber wünschenswert, wenn nachgewiesen sichere Haltungen spezielle Genehmigungen erhalten können. Notfalls müssten die interessierten Halter eben die Kosten für die entsprechende Kontrolle/ Zertifizierung zahlen. Im Endeffekt muss ja nicht jeder winzige Zoo oder Park sämtliche Arten halten können..
(02.08.2016, 21:55)
Hystrix:   Mark Meier: Erst jetzt noch als Nachtrag zu den beiden Fragen am Ende Ihres Beitrags. Das Gesetz fordert meines Wissens nicht explizit bessere Zoogehege, denn es ist ja nicht speziell für Tierhalter gemacht. Es wendet sich an alle EU-internen Menschen, Firmen und Organe, welche zum Thema Invasive beitragen. Zoos sind da nur eine Randgruppe. Es geht nicht mal nur Invasive im Naturschutz, sondern auch das Einschleppen von Schädlingen in der Land- und Forstwirtschaft und auch Krankheitserreger, wobei es für letztere Gruppen aber auch schon andere und frühere Gesetze für Zwangsquarantäne gibt, die das neue nur ein wenig ergänzt. Es geht auch nicht mal primär um Artenschutz, mindestens genauso um wirtschaftliche Schäden, man denke an die Zebramuschel, die jahrelang Trinkwassertalsperren lahmlegte. Das Gesetz nennt aber im allgemeinen Teil Ziele und zu unterlassende Aktivitäten, die implizit nur mit ausbruchsicheren Gehegen zu erreichen sind. Insofern wären bei Strafverfolgung (siehe unten) defekte Gehege sich auch als Verstöße zu verwerten und wirkten strafverschärfend.

Für Schiffe tritt in Bälde die Ballast Water Convention in Kraft, die aber nicht von der EU ausgeht, sondern weltweit unter der Weltmeeresorganisation agiert. Demnach müssen in Bälde alle Schiffstanks mit Ballastwasser aus einem anderen Meeresgebiet bei Ankunft in einem Seehafen rechtsverbindlich desinfiziert werden, um das Einschleppen von marinen Wirbellosen zu verhindern. Deutschland hat das schon ratifiziert.

Die Frage nach Schmugglern und gezielten Verstößen gegen das Gesetz ist eine der Strafverfolgung. Lange wurde auch in der EU diskutiert, ob das Verursacherprinzip explizit benannt werden soll, oder im EU-Jargon das Prinzip ?polluter pays?. Wenn also Jemand erwischt wird, weil er die Ochsenfrösche aus dem Terrarium vor seinem Urlaub in den nahen Seen entläßt, müsste er dann die fälligen Bekämpfungen bezahlen. Bei Karlsruhe hat man einen Zootierhändler ertappt, der genau das getan hat, was seither Kopfstände und Kosten zur Bekämpfung erforderte. Ich habe das nicht genau verfolgt, wie man dahingehend entscheiden hat, und kenne auch keine Gerichtsentscheide. Aber allein der Wildpark in der Eifel, der das Land Rheinland-Pfalz zu langjährigen Fängen entwichener und lange Zeit als Eurasische Biber verkannter Kanadische Biber zwang, müsste wahrscheinlich dicht machen, wenn es dafür finanziell aufkommen muß.

(02.08.2016, 19:45)
Hystrix:   Mark Meier: Da haben Sie mich gründlich mißverstanden. Ich habe mich nirgends verstiegen, irgendwelche Tiere als an sich ?besser? oder ?minderwertig? zu schildern, auch Arthybriden nicht. Ein anderer Diskutant brachte vielmehr Wertungen von Organismen ein, dagegen wandte ich mich. Dybowskihirsche sind bereits in Beständen det Mandschurei chromosomal so variabel, daß alle bisher untersuchten Bestände wahrscheinlich hybridogen sind. Das ist nicht im Zoo geschehen. Entweder ist es eine hybridogene Sippe an sich, also durch Kreuzung überhaupt entstanden, oder sie liegen in einem Kontaktgürtel von östlichem Rot- und Sikawild und alle bisher untersuchten waren zufällig Kontaktmischlinge. Oder die alten Chinesen, die seit Jahrtausenden Hirsche in Gattern zur Nutzung halten, zusammenführen und züchten haben auch das veranlaßt. Diese Hirsche SIND verpanscht, was nicht abwertend gemeint ist, sagen Sie wenn der Audruck als zu salopp stören sollte doch einfach, sie sind verkreuzt. Mein Argument war gegen einen Mitdiskutanten, daß die Einbringung von solchen chromosomenvariablen Populationen in den nativen Rotwildbestand die Gefahr der Fortpflanzungsstörung heraufbeschwört. Es ist also nicht nur für ?ideologische Artenschützer? bedauerlich, daß es auf Irland beispielsweise gar keine nicht sikablütigen, echte Rothirsche mehr gibt, sondern es ist auch ein ungeplantes Experiment mit offenem Ausgang. Wobei man nicht ideologisch sein muß, um zu bedauen, wenn der Rothirsch in allenfall genetisch veränderter Form in anderem Aussehen überlebt. Ich vermute, daß bedauern mehr Leute als nur Ideologen.

Im Übrigen entschied sich die EU erst sehr spät für solche ?Schwarze Listen?. Lange wurde diskutiert, ob man nicht eher ?Weiße Listen? bevorzugen solle. Bei den Schwarzen werden bestimmte Arten auf den Index gesetzt, nachdem sie in Rückschau als unerwünscht oder schädlich erkannt wurden. Es ist also immer ein Nachkarten in Retrospektive, nachdem irgendwo Schäden auftraten. ?Weiße Listen? wären das genaue Gegenteil: Hier sind grundsätzlich alle Importe von Wildorganismen verboten, außer die Arten wurden im Einzelfall in einem Prüfverfahren für unbedenklich beschieden. Also genau die anders herum verlaufende Beweispflicht. Weiße Listen wären für Wildtierhalter enorm belastend und gefährlich gewesen, denn man müsste jede einzelne Art, z.B. für einen Zoo, zunächst erstmals von einer Behörde freigeben lassen. Und das kostet Zeit und Geld, weil die Freigabe erst nach ausführlichem Verfahren erfolgt. Das würde selbst großen Zoos schwer fallen, und kleinen unmöglich werden. Man muß froh sein, daß sich der Gesetzgeber nicht für diese Variante entschied. Übrigens zog sich diese Gesetzgebung über fast 20 Jahre hin und band sehr viel Sachverstand aus der ganzen Welt ein. Trotzdem hatten die Weißen Listen noch bis ganz spät im Verfahren ihre Anhänger auch unter guten Experten.

(02.08.2016, 17:04)
Hystrix:   Michael Gradowksi: Natürlich haben die Beispiele aus Neuseeland nichts mit Flucht aus Haltungen zu tun, die Problemarten dort sind überwiegend willentlich eingebürdert worden. Und natürlich kann man in unserem dicht besiedelten Europa nicht so locker mit Giftköder um sich werfen wie das auf kaum bewohnten subantarktischen Inseln möglich ist, wobei es bei uns übrigens auch gar nicht erlaubt wäre. Der einzige Zweck dieser Beispiele war zu zeigen, was derzeit routinemäßig am Laufen ist in Ländern, die sich dem Problem invasiver Arten bereits länger angenommen haben. Sogar extreme Fälle wie Wanderratten und Mäuse routinemäßig von riesigen Ländereien zu beseitigen wäre mit Recht noch bis kürzlich als völlig unmöglich abgetan worden. Man sollte also vorsichtig sein, die Flinte für alle Zeit ins Korn zu werden, was die wenigen wirklich für Eradikation qualifizierenden besonders ?schlimmen? Arten auch bei uns angeht. Ob der Waschbär überhaupt dazu gehört, weiß ich nicht, dazu verstehe ich zu wenig davon. Der Ochsenfrosch, das Grauhörnchen, der Mink und Mungo aber sicher. Aber irgendwo muß man anfangen, und der erste Anfang ist Prävention weiterer Aussetzungen oder Fluchten.
(02.08.2016, 16:31)
Michael Gradowski:   @Michael Mettler: Bei der Sache mit den Shows bin ich ganz bei dir. Ich habe bewusst die Schautafeln nicht erwähnt, weil ihre Botschaften, wie du richtig schreibst, sicher nicht so im Bewusstsein der Besucher hängen bleiben werden wie Live-Erlebnisse. Die Ideen mit dem Aufzeigen als Nesträuber oder "totbeißen" eines Frosches finde ich nicht verkehrt, allerdings wollte mir trotz intensiven Nachdenkens partout keine Möglichkeit einfallen, wie man das Verdrängen einheimischer Arten durch die invasiven ( wie in meinem Beispiel Mink und Europ. Nerz) als "Showelement" aufzeigen kann. Wie auch immer, ich würde solche Vorführungen, wie du sie beschreibst, begrüßen und ganz sicher würden sie von den Besuchern gut angenommen werden. Ganz verzichten würde ich allerdings auf Schautafeln zu dem Thema nicht; Erstens wird so der Besucher auch zwischen den Shows informiert und aufgeklärt und zweitens bin ich nunmal ein Fan von gutgemachten Schautafeln :-D
Übrigens ganz so ketzerisch sehe ich deine Fragen zum Thema Hybridisierung gar nicht. Wie auch Mark Meier schon schrieb, gibt und gab es die auch schon lange bevor der Mensch in irgendeiner Weise eingriff, Hybridisierung ist nunmal auch Teil der Evolution, darum ist es vielleicht auch nicht das Falscheste, wenn man solche Fragen stellt und genauer darüber nachdenkt. Ich glaube übrigens, daß es auch zu diesem Thema nicht wirklich nur eine einzige wahre Wahrheit gibt.

@Hystrix: Apropos Nicht zum Thema passen: Das gilt allerdings auch für deine Beispiele mit den Inseln. So traurig die Tatsache mit der Verdrängung oder gar Ausrottung endemischer Tierarten durch eingeschleppte Arten auch ist, so hat sie doch nichts mit diesem Hauptthema zu tun, schließlich waren dafür Zoos in keinster Weise verantwortlich, sondern die Ratten, Ziegen etc. wurden durch die Besiedlung eingeschleppt und in manchen Fällen sogar mutwillig angesiedelt.
(02.08.2016, 14:38)
Mark Meier:   @Hystrix: Vielleicht sollten Sie umgekehrt auch noch mal den betreffenden Beitrag lesen und "drüber schlafen". Ich habe nicht den Eindruck, dass sie die Ausführungen in ihrer Intention verstanden haben bzw. verstehen wollen. Im übrigen halte ich die bildlichen Vergleiche mit Mona Lisa/ Kölner Dom und Graffiti für recht bezugsschwach. Wieso sollte ein fruchtbarer Hybrid aus zwei offensichtlich nah verwandten Unterarten per se verpanscht sein? Natürlich hat der Mensch schon viel zu viel Einfluss auf die natürlichen Ökosysteme genommen. Aber gerade Hybridisierung hat es schon immer gegeben, auch ohne Zutun des Menschen. Die Isolation einzelner Populationen war in solchen offenbar (noch) nicht nachhaltig genug, sonst wäre eine erneute Zucht und Hybridisierung wohl gar nicht mehr möglich. Da Faktoren wie Isolation und deren Aufhebung zufällig/ willkürlich ablaufen, würde ich da nicht pauschal von künstlerischer Genialität oder höherer Qualität/Reinheit einzelner Populationen sprechen. Und in der Tat ist es möglich, dass eine Hybridform am Ende besser überleben kann/ anpassungsfähiger für erneute Umweltveränderungen ist. Dann ist es doch im Zweifel besser, dass diese überlebt und die entsprechende ökologische Nische besetzt, als wenn gar nichts bleibt.

Zumindest auf abstrakter Ebene finde ich Ihre Argumentation zu einseitig/ ideologisch. Im konkreten Fall muss man natürlich vieles abwägen und sollte der Natur im Zweifel lieber ihren Lauf lassen, als Dinge unwiederbringlich zu verändern bevor man sie überhaupt verstanden hat.

Die konkrete Ausgestaltung der EU-Richtlinien erwarte ich dennoch mit Spannung und auch gewisser Skepsis. Sehr viele Tiere, auch kleine Organismen, kommen über den Warentransport und Personenverkehr. Zudem lassen sich gerade die privaten Halter und Züchter von Wildtieren wie Schmuckschildkröten wohl kaum noch kontrollieren. Ganz zu schweigen von bereits wild lebenden Populationen. Da lässt sich die Zoohaltung noch am besten überprüfen und mit entsprechenden Auflagen verbinden.

Weiterhin sehe ich einen logischen Widerspruch: Entweder es gilt die Prämisse, dass Zoos einen Ausbruch von Wildtieren verhindern müssen und können oder sie gilt nicht. So oder so sehe ich keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Tieren, die bereits invasiv sind und solchen die es potentiell sein könnten oder aber Tieren die einfach generell eine Gefährdung für den Menschen, ökologische und ökonomische Werte darstellen. Im Prinzip wäre es also zielführender ausreichend strenge Richtlinien für die sichere Haltung ALLER Wildtiere (und Haustiere?) inkl. emtsprechender Kontrollen und Sanktionen zu erlassen, statt Listen zu erstellen. Was, wenn jetzt in der Zukunft durch Transporte, bewusste Schmuggler oder (inoffizielle) Züchter weitere Arten invasiv werden? Sollen die dann auch auf die Liste gesetzt werden und seriös arbeitende Zoos darunter leiden?

Mir sieht das nach zu viel Willkür und Symbolpolitik aus - so lobenswert die Bemühungen prinzipiell auch sein mögen. Vor allem bin ich gespannt, wie streng das Maßnahmen bei großen Containerschiffen etc. ablaufen werden. Mit denen wird extrem viel im großen Stil geschmuggelt. Da sind invasive Arten nur ein weiterer Nebeneffekt...
(02.08.2016, 10:45)
Hystrix:   Michael Mettler: Ihre Frage bezieht sich nicht auf unser Thema, sondern auf etwas ganz Anderes, nämlich grundsätzlich auf den primären Sinn von Artenschutz. Da paßt nicht in diese Diskussion, das ist eine andere Baustelle: Natürlich darf man persönlich meinen, Artenschutz sei zu teuer, also lasse ich eine Art wie den Rothirsch bewußt verschwinden, wenn doch nur ein paar Jäger es so wollen, damit sie überall von Zuhause aus auch auf exotische Hirscharten schießen können. Ich kann auch dafür werben, Denkmalschutz sei zu teuer, also lasse ich den Kölner Dom lieber billiger von Spritzbeton überziehen oder die Mona Lisa statt aufwendiger Restauration von einem Grafitti-Maler kostenlos überpinseln.

Die Realität ist aber eine andere. In Deutschland steht der Biodiversitätsschutz sogar im Grundgesetz, und auch die EU hat sich als Unterzeichnerin der Convention on Biological Diversity rechtlich selbst verpflichtet, nicht nur allgemeine Naturschutzziele einzuhalten, sondern sogar ganz konkret gegen Artensterben durch invasive Arten vorzugehen. Auch sämtliche Mitgliedsstaaten der EU haben sich jeder für sich dazu selbst verpflichtet. Es gibt also bereits ein Wertesystem, und das ist eindeutig. Sie dürfen es persönlich in Frage stellen, aber den Fachleuten ist das in einem Rechtsstaat nun mal so vorgegeben. Es geht in unserer Diskussion daher nur darum, wie man innerhalb dieser bindenden Verpflichtung technisch vorangeht, um das Ziel zu erreichen. Also wie man invasiven Arten so die ?Zähne zieht?, daß die schlimmsten ökologischen und übrigens auch wirtschaftlichen Schäden vermieden oder gemildert werden. Man muß dazu sagen, um es mit vertretbarem Aufwand zu erreichen.

Die Weißkopfruderente war ja nicht am natürlichen Aussterben, denn seit Spanien mit enormem Aufwand (überwiegend mit EU-Geldern) die lange Zeit übermäßige Entwässerung und Austrocknung der Steppenseen zurückfuhr und die Wilderei kontrollierte, hat sie sich wieder gemacht. Daß der Bestand in diesen nähstoffarmen Salzseen, wo die Art brütet, nicht so schnell anwächst wie es der Schwarzkopfruderente in den hoch eutrophen Süßgewässern in England möglich war, ist eine Binsenwahrheit, eine Folge normaler ökologischer Zusammenhänge zwischen Nahrungsmenge und Vermehrung. Die in Spanien eingedrungenen Zooflüchtlinge hätten ihre Fruchtbarkeit auch gedrosselt, aber eben nebenbei die heimische Art weghybridisiert. Nach Ihrer Argumentation müsste man auch folgern, daß an einer Mülldeponie fressende und sich entsprechend schnell vermehrende Silber- oder Lachmöwen ?bessere? Vogelarten seien als die sich langsamer vermehrenden Seeschwalben und anderen Vögel im Wattenmeer, die einfach nicht so einfach wie Müllfresser Energie ansammeln können, und daher nach Ihrer Argumentation ?minderwertig? weil weniger fruchtbar wären.

Ich finde, Sie sollten darüber nochmals schlafen, das ganze hinkt von vorn bis hinten.

Bei den Hirschen kommt hinzu, daß Sikahirsche andere Chromosomen haben als Rothirsche. Dabei ist die Systematik des Sika noch himmelschreiend unverstanden. Das, was bei uns als ?Dybowskihirsch? firmiert, ist so variabel im Chromosomensatz, daß es sehr wahrscheinlich bereits Arthybriden sind (mutmaßlich Rot x Sika). Was immer so alles unter dem Begriff ?Sika? bei uns in Europa rumrennt ? ausgenommen die reinblütigen Vietnamesen- alle anderen sind jedenfalls genetisch äußerst fragwürdige Gesellen. Allein daher ist zu befürchten, daß grobes Rumhybridisieren dieser schon verpanschten Tiere mit autochthonen Rothirschen nicht nur ein Artenschutzproblem ist, sondern auch genetische Zuchtprobleme erzeugen kann. Also: Lieber in diesem Fall die Mona Lisa bewahren als ein Billiggemälde stattdessen, das einem aus genetischen Gründen irgendwann wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Artenschutz ist nämlich (nicht nur hier) oft langfristig die billigste Methode, während ?Viehzüchtermentalität? mit Allmachtsanspruch zur Verbesserung der Natur meist schief geht.

(01.08.2016, 23:23)
Hystrix:   Michael Gradowksi: Ihr Argument, der Waschbär sei ja eh schon verwildert und häufig, da machten weitere Zoofluchten nichts aus, zieht nicht. Nur in Deutschland ist die Art überall vorhanden, hier machten weitere Entweicher in der Tat keinen Unterschied mehr. Der Waschbär fehlt aber in den größten Teilen Europas noch ganz, so auf den Britischen Inseln, in ganz Skandinavien und Südeuropa sowie in den größten Teilen von Frankreich und Osteuropa. Aber in allen diesen Ländern wird er häufig gehalten, nicht nur bei uns. Leider gibt es ihn nicht nur in den großen Zoos, die an sich ein kleineres Problem für das Entweichen invasiver Arten sind, weil sie meist neue und gut gewartete Gehege habe. Die Art ist aber leider noch häufiger in kleinen und kleinsten Tierparks, auch privaten, oder gar in Schaukäfigen an Ausflugslokalen, und diese haben eher einmal finanzielle Probleme und können defekte Käfige nur spät oder notdürftig reparieren. Auch verfügen diese kleinen Halter wohl nicht über Verhütungsmittel für Tiere, werden Waschbären also eher ohne Geburtenkontrolle laufend züchten und dann den Nachwuchs wenn nicht direkt freisetzen, dann wenigstens an Privatleute abgeben. Und diese mögen leicht Tiere freisetzen, wenn ihnen die Lust zur Pflege ausgeht oder sie in Urlaub fahren. Ich denke, die EU hatte beim Verbot des Waschbären genau das im Kopf, daß wenn man die Haltungen gerade in den Ländern einstellt, wo die Art noch überhaupt nicht verwildert ist, daß sie dann dort nicht mehr leicht neu festsetzen kann. Dann könnte sie sich nur noch aus ihrem geschlossenen Areal in Deutschland aus weiter ausbreiten. Und wenn man bei uns allein mit ganz konservativen Methoden die Art dezimiert, sagen wir durch völlige Freigabe der Jagd und ev. finanzielle Anreize für Jäger, mehr zu fangen, könnte man u.U. den Bestand bei uns stabilisieren (wenn auch nicht ganz ausrotten) und die weitere Expansion in Nachbarländer zumindest verlangsamen. Allein eine solche Verlangsamung der Eroberung von Europa wäre m.E. schon ein Haltungsverbot wert. Denn so gewinnt man Zeit, bis vielleicht doch in einigen Jahren eine Methode aufkommt, die Art ganz loszuwerden.

Ich denke, dieses Argumentationsmuster gilt allgemein, die EU hatte m.E. kaum die großen Zoos im Auge, viel mehr Privathalter und schlecht gemanagte kleine Tierparks.
(01.08.2016, 22:46)
Michael Mettler:   @Michael Gradowski: Ihr seid zwar schon weiter in der Diskussion, aber kurz will ich noch mal auf deine Anmerkung zu meiner Tiershow-Idee zurückkommen. Mit dem Dilemma, dem Publikum den bewussten Unterschied klarmachen zu müssen, bin ich ganz deiner Meinung. Ebenso dabei, dass es dem Vogel egal sein dürfte, ob ein einheimischer oder ein fremdländischer Nesträuber sein Gelege klaut. Aber das bekommst du auch mit Schautafeln oder gar unerklärter Präsentation im Gehege bestimmt nicht besser in die Köpfe der Zoobesucher (falls überhaupt), zumal das Image der heimischen Arten nicht unbedingt das Bessere sein muss (Marder als Autoschädling, Fuchs als Tollwut- und Bandwurmüberträger usw.). Ich denke nur, dass das Live-Erlebnis mehr Eindruck hinterlässt als der Anblick einer Tafel, selbst wenn es sich "nur" um ein gezähmtes Tier handeln würde, das einen Kunstfrosch "totbeißt". Ansonsten könnte man schließlich - dieses Thema hatten wir schon mal in anderen Zusammenhang - auch auf die Präsentation anderer lebender Tiere im Zoo verzichten und sie nur noch auf Tafeln zeigen.

In einer Show hätte der Besucher zudem die Möglichkeit, zu fragen, falls ihm der Gedanke käme "aber sowas machen doch Füchse auch...?". Eine Schautafel müsste zum gleichen Zweck sehr ausführlich geraten, und es ist doch eine bekannte Tatsache, dass der Normalbesucher nicht viel Zeit mit Lesen verbringen will. Aber Menschen lassen sich zweifellos durch gut erzählte/inszenierte Geschichten begeistern. Darin liegt die große Chance einer Show, für die sich der Besucher bewusst eine Viertelstunde oder sogar länger Zeit nimmt - siehe die traditionell große Resonanz bei Vorführungen, von der schlichten, unkommentierten Robbenfütterung bis zur didaktisch ausgefeilten Flugshow.

Allgemein zum Thema: Um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, benutzt auch der Arten- und Naturschutz letztlich nur die Zutaten, mit denen z.B. der durchschnittliche Western funktioniert: Es braucht Schurken, Opfer, Retter und eine stimmungsvolle Inszenierung. Schuldige aufzuzeigen und Schuldgefühle hervorzurufen ist seit ewigen Zeiten ein probates menschliches Werkzeug, um Gefolgschaft zu bekommen, egal ob für schlechte oder für gute Zwecke - Umweltbewusstsein ist letztlich auch eine Form von Schuldgefühl (sicher nicht die schlechteste). Ohne eine der menschlichen Willkür folgende Einteilung von Tieren in "gute" (hier: einheimische Arten) und "böse" (hier: Neozoen) lässt sich das Thema offenbar nicht anpacken; Willkür deshalb, weil ja wie gesagt die "Opfer" keinen Unterschied sehen und die "Bösen" auch nur der ihnen von der Natur mitgegebenen Lebensweise folgen, quasi ihren Job machen - sie selbst können ja nichts dafür, dass sie ihn auf dem falschen Kontinent ausüben.

Mich selbst stimmt die Schwarz-Weiß-Malerei in manchen Fällen inzwischen sehr nachdenklich, gerade wenn es um Hybridisierung geht. Wir unterstellen heutzutage Tieren via Wissenschaft, dass sie quasi "für ihre Kinder nur das Beste wollen", indem sie z.B. Aufwand dafür investieren, den vitalsten und genetisch optimalen (also unverwandten) Sexualpartner auszusuchen. Gleichzeitig erklären wir sie - wieder ganz platt ausgedrückt - für zu doof dazu, zu bemerken, dass sich ein artfremdes Tier in ihre Fortpflanzung einschleichen will. Wie passt das zusammen? Bei Entenvögeln mit ihren rauen Sitten mag es ja noch zutreffen, dass die Weibchen regelrecht vergewaltigt werden und keine Wahl haben - aber bei Sika x Rothirsch? Könnten Lebewesen, die angeblich auf die Zukunft ihrer Gene so viel Wert legen, nicht sogar einen ANREIZ in der Möglichkeit zur Hybridisierung sehen, um frisches Blut in ihre Linie zu bekommen, den Evolutionsmotor etwas mehr zu befeuern und sich mit neuen "Zutaten" einer sich verändernden Umwelt zu stellen? Immerhin ist es doch bemerkenswert, wie schnell sich manche Hybriden in der Umwelt durchsetzen. Bisher habe ich z.B. noch nie etwas darüber gelesen, dass die Schwarzkopf-Ruderente und ihre Mischlinge irgendwelche ökologischen Schäden angerichtet haben, und sie florieren offensichtlich in Lebensräumen, welche die Weißkopf-Ruderente nicht (mehr) "packt" (oder warum konnte sie auf 50 Brutpaare absacken?). Besser eine "falsche" Ruderente in Europa als auf Sicht gar keine mehr...? Viel (auch Steuer-)Geld in die Erhaltung von Reliktpopulationen und gleichzeitige Bekämpfung von Zuwandererarten investieren statt letztere im genannten Beispiel als biologisch erfolgreicher und somit legitimen evolutionären Nachfolger zu akzeptieren? Das sind zugegebenermaßen ketzerische Fragen.
(01.08.2016, 22:35)
Hystrix:   Wir stehen in Deutschland ganz am Anfang mit dem Management invasiver Arten. Es gibt kaum Experten dazu, die jetzigen Diskutanten haben alle keine Erfahrung. Vor Jahrzehnten, als die Bisamratte auftauchte, stellte man ein paar Bisamjäger mit Flinten und Schlagfallen ein und, aus heutiger Sicht naiv, meinte, damit könne man die Art loswerden. Nun ist diese als Wühlmaus extrem fruchtbar, und kann eigentlich überall gedeihen, und natürlich wurde man sie mit so einem handgestrickten Schrotschußverfahren nicht los. Bis heute aber müssen z.B. die Seedeiche in Holland laufend durch ständigen Bisamfang geschützt werden, damit sie nicht zerwühlt werden und brechen. Allein das kostet Millionen jährlich, ohne ein absehbares Ende. Viele machen sich gar nicht klar, wie teuer invasive Arten den Steuerzahler kommen. Trotzdem gibt es bei uns bisher kaum Forschung darüber, Ich vermute, das ändert sich durch die neue Rechtslage, das Thema wird für Forscher förderungswürdig. Am weitesten ist man in Neuseeland, wo man von Natur aus säugetierfrei ist und die heimischen Arten daher nicht an Räuber angepaßt sind. Die eingeschleppten Ratten, Frettchen, Wiesel etc. habe schon viel ausgerottet, Vögel, Wirbellose, auch langsam fruchtende Pflanzen. Man begann dort erst vor etwa 40 Jahren mit Eradikationen, zunächst kleine Klippen mit Vogelkolonien vor der Küste, die von die Küken fressenden Ratten berfeit wurden. Dann wurden die Inseln immer größer, die man von allen eingeschleppten Säugern befreite, bis heute sind es 100e Inseln bis hin zu 120 Quadratkilometern Fläche für ein einzelnes Bekämpfungsgebiet. Man entwickelte etwa die Technik, aus centimetergenau navigierenden Hubschraubern das Gift Bradifocaum abzuwerfen (das sich in der Umwelt nicht anreichert), was heute noch viel größere Flächen zu befreien erlaubt (auf Südgeorgien wurden gerade letztes Jahr fast 4000 Quadratkilometer Vogelinseln von Ratten befreit). Und zufällig vor wenigen Tagen kündigte der Premierminister von Neuseeland an. bis 2050 das ganze Land von allen eingeschleppten Säugern zu befreien, also alle Kleinraubtiere, Fuchskusus und sogar alle Ratten und Mäuse. Das ist geradezu atenberaubend ambitioniert, denn die beiden Hauptinseln sind 110.000 und 150.000 Quadratkilometer groß (zum Vergleich: England hat 130.000). und darauf sind Großstädte bis größer als Hamburg, und dann sogar alle Ratten und Mäuse weg. Ich habe keinen Schimmer, wie man das erreichen will, denn man kann ja nicht eine Gesamtfläche so groß wie das alte Westdeutschland vergiften. Die Ankündigung ist aber ernst gemeint. Schauen Sie doch mal in google, Sie finden derzeit noch die Zeitungsmeldungen darüber, es ist ganz aktuell. Also: Nicht die Flinte ins Korn werfen wegen ein paar Waschbären, im Vergleich zu Neuseeland sind das Peanuts. Hauptproblem bei uns wäre die Öffentlichkeit mitzunehmen, die sicher aufschreit, man stelle sich vor, süße Tiere und sogar "Gift". Ich sage auch nicht, daß ich so etwas erwarte oder fordere. Wir haben derzeit noch nicht die richtigen Experten, um intelligent darüber zu sprechen. Den Mink aber könnten wir mit vorhandener Technik schon ausrotten, das wäre nicht mal so ganz schwierig. Die Ruderente wird in paar Jahren eh weg sein, der Heilige Ibis auch. Man muß abwarten, was kommt. Da das Europaparlament aber mir "grüner" erscheint als der Bundestag, werden die wesentlichen Anstöße aus Europa kommen, genau wie die EAZA unendlich moderner denkt als mancher deutsche Zoo.
(01.08.2016, 19:41)
Michael Gradowski:   Naja, so unrecht hat man ja mit der Aussage "Außerdem sei das Alles völlig überflüssig, weil die invasiven Arten bereits im Freiland etabliert seien und nie wieder verschwinden würden" auch nicht. Das als baren Unsinn abzutun halte ich für genau so falsch wie das kritiklose Abfeiern des Gesetzes. Nur um mal ein Beispiel aufzuzeigen: Die wilde Nandupopulation in Deutschland dürfte man verhältnismäßig schnell "ausgerottet" haben, wenn man das will; bei den Waschbären dürfte dieses Unterfangen schlicht unmöglich sein. Bei beiden Arten dürfte es dabei keine Rolle spielen, ob deren Haltung in Zoos nun durch dieses Gesetz beendet wurde oder nicht!
(01.08.2016, 18:22)
Hystrix:   Michael Gradowski: Die Reaktion aus Zoos zum neuen Gesetz ist äußerst uneinheitlich. Die EAZA hat es befürwortend zur Kennnis genommen und sogar moniert, daß zentrale Arten wie der Mink noch nicht gelistet sind. Die EAZA wolle aus ihrem Kreis hinarbeiten, daß die Liste erweitert wird, z.B. um den Mink, um den auch als EEP gestützten Europäischen Nerz zu retten. Man gibt sich weiterhin besorgt, daß das Gesetz langfristig eventuell einen Artenschwund in Haltungen bedeute und will versuchen, diesen Verlust zu begrenzen. Insgesamt ist die öffentliche Reaktion der EAZA überzeugend, denn sie paßt zu dem selbst auferlegten Verständnis und den nach außern getragenen Werten der Zoowelt. Es gibt auch Zookuratoren in Europa, die aktiv der EU zuarbeiten, um die Liste zu erweitern, etwa um eine von ihnen betreute EEP-Art besser zu schützen. In krassem Gegensatz dazu stehen mehrere Zeitungs- und Rundfunkmeldungen leider aus dem deutschsprachigen Raum, Die Deutsche Tierpark-Gesellschaft, aber auch einzelne prominente Zoos äußern in Pressemeldungen helle Empörung bis völlige Ablehnung der Regelung und verbeiten baren Unsinn darüber, der zeigt, daß man sich in keinster Weise mit der Thematik beschäftigt hat. So wird öffentlich unterstellt, einige EU-Beamte hätte sich das Gesetz am grünen Tische ausgedacht. Es wird ein "massives Tierschutzproblem" an die Wand gemalt, weil man jetzt Tiere "wieder in Käfige sperren" müsse, Man müsse sie nach Geschlechtern trennen oder gar mit Hormonen füttern, was "dem Tierschutz diametral widerspreche", Außerdem sei das Alles völlig überflüssig, weil die invasiven Arten bereits im Freiland etabliert seien und nie wieder verschwinden würden. Das sind Zoos, welche in Grundwertechartas der WAZA und EAZA feierlich den Artenschutz wie auch den Tierschutz in höchsten Tönen geloben und die gleichzeitig massive Finanzforderungen an ihre Träger laufen haben, um Abermillionen für ihre Modernisierung als moderne Naturschutzinstitute zu erhalten. Man muß hoffen, daß diese die Tatsachen der neuen Gesetzgebung verfälschenden Pressemeldungen auf dem Mißverständnis von Journalisten beruhen, denn eine derart ungeschickte, weil das Image zerstörende Öffentlichkeitsarbeit, wäre unglaublich.
(01.08.2016, 17:56)
Michael Gradowski:   @Hystrix: Also so ganz kann ich die hysterische Aufregung nicht verstehen. "Wieso sich diese Blöße geben, sich sofort als nur scheinheiliger Naturschützer zu entlarven, wenn einmal etwas ein wenig ungelegen kommt?" Wieso ist denn ein Zoo oder wer-auch-immer gleich "nur ein scheinheiliger Naturschützer" wenn er dieses Gesetz auch etwas kritisch hinterfragt und nicht einfach nur "ja und Amen" dazu sagt. Das hat ja nichts mit "dagegen anstänkern" zu tun. Sicher sind die Beispiele mit Ruderente oder Ibis alles andere als erstrebenswert, aber eine Aussage wie "Dennoch gehört zur Umweltbilanz eines Zoos, daß er unnötig nicht zum Artensterben beiträgt." ist mM nach schon ziemlich überzogen. Bei solchen Aussagen könnte man ja glatt glauben, die Zoos seien tatsächlich die einzigen Verursacher des Problems invasive Arten und damit einher gehender Artenverlust. Es ist natürlich lachhaft zu glauben, daß mit der Verbannung von Waschbär, Ruderente und Co. das eigentliche Problem gelöst ist. Aus den Zoos mögen sie dann verschwunden sein, mehr ist aber auch nicht passiert. Wem wird denn dann der Schwarze Peter zugeschoben?
(01.08.2016, 15:53)
Hystrix:   Es kann ja keine Rede davon sein, in alte Zeiten vor 100 Jahren zurückzufallen, die bis ins Detail ausrechneten, welche Art "nützlich" und welche "schädlich" ist. Gut gemachte Umwelterziehung kann das aber leisten, ohne in solche Auswüchse zurückzufallen. Oft ist die Abgrenzung zwischen invasiven Neozoen und sehr früh, bereits mit Beginn der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit oder von den Römern eingeführten "Alteneubürgern" künstlich. Ein Großteil unserer Tiere und Pflanzen, nämlich außer Moor- und Felsbewohner alle Offenlandarten, sind unsere ursprünglich völlig bewaldete Region allein in Folge der Landwirtschaft eingewandert oder wurden eingeschleppt. Wir wären ohne solche Arten sehr arm dran, man denke an die meisten Wiesenblumen, Hamster, Feldhase, Großtrappe, und andere Ikonen auch des Naturschutzes, die allesamt nicht ureinheimisch sind. Dennoch gehört zur Umweltbilanz eines Zoos, daß er unnötig nicht zum Artensterben beiträgt. Der Wildfowl Trust in Slimbridge, ironischerweise eine Gründung des WWF-Mitbegründers Peter Scott, ließ sich jahrelang feiern, als er als einer der Artenschutzpioniere unter den Zoos seinerzeit die aussterbende Hawaiigans rettete, und das hat er zweifellos geleistet. Später war er aber allein Schuld am Einbürgern der Amerikanischen Ruderente, und zwar er allein. Binnen weniger Jahren wuchs der explodierende Bestand in GB auf 6000 Brutpaare und die Tiere streuten bis Spanien und hybridisierten massiv in die gefährdete Weißkopfruderente hinein, die damals gerade auf einem Bestandstief war mit weniger als 50 Brutpaaren in Europa. Diese heimische Art wäre ohne die sehr teure Ausrottungskampagne heute nicht mehr vorhanden. Nun kann man sagen, Slimbridge hat eine Vogelart gerettet und (beinahe) eine andere zerstört, was solls, aber insgesamt ist das schon eine miserable Umweltbilanz für eine "Artenschutzeinrichtung". Auch stimmt bedenklich, wenn Zoos einerseits dem Naturschutz Millionen Euro an Folgekosten in der Bekämpfung invasiver Arten aufbürden, und andererseits nur einige 10.000 Euros aus Spendentrichtern für den Naturschutz beisteuern. Auch hier stimmt etwas nicht. Es geht ja nicht darum, Zoos mieszumachen, aber der wahre Zoofreund sollte die Beteuerungen glauiben können, Zoos dienten dem Artenschutz. Und dazu gefhört, daß diese sich ehrlich machen in Sachen invasive Arten, und nicht gegen die neue EU-Regelung anstänkern. Sie solltend as betse daraus machen.

Massiver Artenschwund im Zoo droht ohnehin nicht.


(01.08.2016, 14:48)
Michael Gradowski:   @Michael Mettler: Die Idee, invasive Arten wie Waschbären in Shows als "Verbrecher" darzustellen, klingt im ersten Moment gar nicht so schlecht und ich kann mir auch gut vorstellen, daß das vom Besucher sehr gut angenommen wird (der Niedlichkeitsfaktor der Tiere würde allerdings noch mehr steigen...wenn das überhaupt möglich ist). Bei genauerer Betrachtung schießt man allerdings komplett am Ziel vorbei und ich befürchte, daß man so die Besucher (zumindest die Laien) dazu bringt, pauschal alle Kleinräuber zu "kriminalisieren", wenn man sich nur auf die Lebensweise der Tiere als Nesträuber u.ä. konzentriert, denn das tun die heimischen Marder, Wiesel etc. auch, selbst Eichhörnchen verschmähen Eier nicht, Füchse "überfallen" Hühnerställe und durchsuchen Mülltonnen usw. Schlimmstenfalls könnte man sagen: Dem Vogel ist es wurscht, ob sein Gelege vom invasiven Mink oder dem gefährdeten Nerz geplündert wird. Also wie will man jemand so begreiflich machen, daß zwar Mink und Waschbär "böse" sind, Europ. Nerz und Baummarder aber nicht? "Ureinwohner" dürfen Gelege plündern, "Einwanderer" allerdings nicht? Anhand der Lebensweisen der Tiere dürfte das ziemlich schwierig werden, dafür ähneln sich die der unterschiedlichen Arten viel zu sehr. Vielmehr dürfte die Schwierigkeit darin bestehen, die Verdrängung der einheimischen Arten durch die "Einwanderer" aufzuzeigen. Wie man das allerdings in einem "Showkonzept" umsetzen kann...keine Ahnung. Auf jeden Fall möchte ich nicht wirklich sehen, wie z.B. in einer kleinen Arena Europ. und Amerikan. Nerz aufeinander gehetzt werden :-D

@Hystrix: Größtenteils stimme ich dir zu, allerdings finde ich schon, daß in Zoos auch invasive Arten oder Schädlinge gezeigt werden sollten, schließlich sollen sie das gesamte Spektrum der Natur aufzeigen und da gehören auch diese Arten dazu. Vor allem sollte dann aber aufgezeigt werden, worin denn eigentlich die Gefahren/Schäden liegen, die von diesen Arten ausgehen. Und natürlich stimmt es, daß kaum ein Besucher enttäuscht ist, wenn er keine Schwarzkopfruderenten oder Muntjaks mehr sieht. Das ist allerdings kein Argument, die Tiere nicht zu zeigen, denn wenn es danach geht, wäre die Artenzahl in den Zoos bald sehr überschaubar. Wer wäre schon enttäuscht, wenn's keine Takine mehr gäbe solange es Zebras gibt oder Felsenkänguruhs wenn's die Bennets auch tun. Nur darauf zu hören, was Besucher angeblich sehen wollen bzw. worauf sie verzichten könnten, ist definitiv der falsche Weg.
(01.08.2016, 14:04)
Hystrix:   Die Idee, den Auftrag der Umwelterziehung der Zoos gerade auch für das Thema "invasive Aren" zu nutzen, ist lange überfälig. Zoos sind ja für viele Besucher wahre "Seelenschutzgebiete", eine Art Ersatz für Tempel und Kirche, wo man heile Welt und intakte Natur sucht. Das ist ja auch eine wichtige Funktion ist in Ordnung, aber die Welt ist kompliziert, und Umwelterziehung sollte nicht einseitig sein. Daß Tiere durchaus auch problematisch sein können (Parasiten, Agrarschädlinge, Invasive) wird von keinem Zoo thematisiert. Selbst wenn selten einmal etwa Wanderratten ausgestellt werden, dann nur unter dem Aspekt, daß auch das faszinierende Tiere sind mit einem interessanten Sozialsystem. Also Sympathiewerbung statt Auflärung. Vom Ãœbertragen der Pest und dem Ausrotten unzähliger Vogelarten wird geschwiegen, Das ist keine gute, weil nicht ausreichend ausgewogene Umwelterziehung.

Wenn es bei Anwendung des neuen Gesetzes im Einzelfall wirklich zu flächendeckender Eradikation auch niedlicher Tierarten kommen muß, was u.a. beim Mink, Mungo, Grauhörnchen, Ochsenfrosch oder vielleicht auch beim Waschbär angezeigt wäre, ist ein Sturm der Entrüstung und Gegenwehr in der Öffentlichkeit zu erwarten. In Italien wurde die vom Europarat (nicht EU !) über die schon ältere Berner Konvention erzwungene Eradidation des niedlichen Grauhörnchens von zahllosen Protesten selbsternannter Tierschützer behindert, bis hin zu gerichtlichen Anfechtungen und Sabotage der ausgebrachten Fallen. Daß Grauhörnchen die ihnen unterlegenen Europäischen Eichhörnchen massenhaft töten durch Herausbeißen aus dem geeigneten Biotop sowie durch Übertragunge eins tödlichen Virus, gegen den nur das Grauhörnchen aber nicht die heimische Art resistent ist, focht diese Aktivisten nicht an. Vielleicht wird durch Töten der sich rasant in Italien ausbreitenden Grauhörnchen sogar mehr Todesfälle von Hörnchen verhindert als dabei tote Grauhörnchen anfallen, weil eber mehr heimische Eichhörnchen überleben, aber das hielt solche Aktivisten nicht von einem richtiggehenden "Bürgerkrieg" ab. Sie glauben in ihrer Unkenntnis fest zu wissen, was der beste Tierschutz ist. Hier läge eine immense Aufgabe für Zoos, sachlich aufzuklären.

Besonders unglücklich finde ich -fast möchte man sich schämen- die total ablehnende Anti-Haltung einiger weniger Zoos gegen die neue EU-Richtlinie, wie sie aus spärlichen Zeitungsmeldungen sprach. Da präsentiert man sich seit Jahrzehnten als die eigentlichen Artenschützer, und fordert in Ziel- und Entwicklungsplänen für modernisierte Zoos von den Kommunen Zehner und Hunderte von Millionen Euro für neue Gehege als Orte des Naturschutzes. Und dann sofort ablehnende Verweigerung, wenn im Interesse des Artenschutzes außerhalb der Zoomauern auch einmal einige sehr kleine Kröten zun schlucken sind. Wobei die bisher gelisteten Arten für Zoos vollkommen nebensächlich sind, Kein Zoobesucher wird enttäuscht, wenn es keine Schwarzkopfruderenten mehr gibt, sondern dafür asl Ersatz Weißkopfruderenten, wenn Chinesische Muntjaks durch Schopfhirsche oder Nasen- durch Wickelbären ersetzt werden. Wieso sich diese Blöße geben, sich sofort als nur scheinheiliger Naturschützer zu entlarven, wenn einmal etwas ein wenig ungelegen kommt?.

(01.08.2016, 12:32)
Michael Mettler:   Gerade in Bezug auf den Waschbären wäre wohl eine breit angelegte Medienkampagne notwendig, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren bzw. "umzuerziehen". Ich möchte behaupten, dass diese Tierart derzeit eher Sympathieträger denn allgemein als Schädling anerkannt ist, wozu TV-Doku-Soaps (Zoosendungen, "Wildes Wohnzimmer" etc.) und Lokalpresse (Berichte über niedliche Handaufzuchten) sicher ihren Teil beigetragen haben. Schaufütterungen in Tiergärten und Wildparks dürften eher die Akzeptanz des Waschbären als putzige Tierart fördern als seine Ablehnung, insofern sehe ich da sogar einen Interessenkonflikt, wenn er weiterhin als Schautier in Zoos gehalten wird - auch wenn eine (von dem meisten Besuchern vermutlich ignorierte) Schautafel am Gehege auf die Invasionsproblematik aufmerksam machen soll. Um mal einen Vergleich zu ziehen: Unter den von mir schon selbst besuchten Tiergärten ist mir keiner bekannt, der z.B. Bisams oder Wanderratten (wohlgemerkt deren Wildform) ausstellt, um über deren Schädlingsstatus (nach menschlichen Wertvorstellungen) zu unterrichten, geschweige denn dafür Schaufütterungen einrichten würde, und ich schätze, dass eine Wildtierauffangstation auch nicht gerade "Hurra" schreien würde, wenn man dort mit verwaisten Jungtieren dieser Arten ankäme, wie sie bei Deich- (Bisam) bzw. Entrümpelungsarbeiten (Wanderratte) mit Sicherheit regelmäßig anfallen.

Wenn Zoos und Wildparks auch weiterhin Waschbären zeigen möchten, wäre also die Frage, wie man diese wirksamer als jetzt zur gewünschten Informationsvermittlung einsetzen könnte. Der "SB-Einblick" in ein naturnah eingerichtetes Gehege wäre dann doch eigentlich kontraproduktiv, denn Sinn derartiger Anlagen in einem Zoo ist doch nun mal, ein positives Bild zu vermitteln. Das passt schlecht zu einer Anti-Schädlings-Kampagne und wäre allenfalls noch dort sinnvoll, wo Waschbären in Geokonzepten als Teil der einheimischen Tierwelt Nordamerikas gezeigt werden (wobei man auch dort ohne sie auskäme oder sie anders präsentieren könnte, denn auch in Amerika haben sie ja vielerorts Schädlingsstatus).

Wie also könnte eine sinnvolle Präsentation von Waschbären in Zukunft aussehen? Als für den Besucher "ständig verfügbare" Schautiere in normaler Gehegehaltung scheinen sie mir dann nicht mehr geeignet. Vielleicht sollte man sie nur noch im Rahmen von kommentierten Shows vorführen, so dass sie außerhalb dieser nicht im Schaubereich zu sehen und somit für den Besucher nur noch in konkretem Zusammenhang mit ihrer Darstellung als Schädling (mittels entsprechender Kommentierung) zu erleben wären? Man könnte mittels versteckter Leckerlis mit einem zahmen Waschbären vorführen, wie er künstliche Vogel- und Reptiliennester ausräumt; und auch wenn das nichts mit Natur- und Artenschutz zu tun hätte, könnte man ihn auch z.B. beim "Einbruch" in einen Hühnerstall und vor allem beim Ausräumen von Mülltonnen zeigen, denn das sind Tätigkeiten, zu denen zumindest ein Teil der Zoobesucher eher einen persönlichen Bezug hätte als z.B. zur Bedrohung der Europäischen Sumpfschildkröte durch Waschbären in einem abgelegenen Landstrich. Wenn schon geplanter Imagewechsel hin zum "Verbrecher", dann auch richtig...! Vergleichbares ließe sich sicherlich auch mit zahmen Marderhunden oder Minks vorführen, vielleicht sogar mit allen nacheinander im selben Showprogramm. Ein Waschbär oder Mink, der zu Beginn der Show in einem Pelztierfarmkäfig sitzend präsentiert und sich nach seiner "Befreiung" umgehend auf einen künstlichen, mit Leckerli präparierten Frosch stürzen würde, würde vielleicht beim Zoobesucher mehr Aha-Effekt erzeugen als die schönste Schautafel zum selben Thema (und ganz nebenbei hätte man noch auf die Haltungsbedingungen in der Pelztierzucht hingewiesen).

Leider lassen sich nicht alle Arten der "schwarzen Liste" in solcher oder ähnlicher Form präsentieren. Vorgänge wie genetische Verdrängung durch Hybridisierung (Schwarzkopfruderente, Sika) oder physische Verdrängung (Nilgans) lassen sich schlecht am lebenden Objekt aufzeigen. Aber selbst solche Dinge ließen sich im Rahmen einer Show ansprechen, ggfs. unterstützt durch Medientechnik. Ich denke, es gäbe sicherlich eine Reihe kreativer Möglichkeiten für Zoos, mit der EU-Verordnung umzugehen und aus der neuen Situation das Beste zu machen.
(01.08.2016, 10:33)
Tim Meschke:   @Hystrix: Danke für die Erklärung.
@Michael Mettler: Die Fundtiere könnte man doch an Zoos abgeben. Die hätten dann ausreichend Nachschub und müssten nicht selbst züchten.
(01.08.2016, 10:14)
Hystrix:   Tim Meschke: Die von Ihnen genannten Einstufungen in Deutschland erfolgten vor und unabhängig von der neuen EU-Gesetzgebung. Das deutsche Bundesamt für Naturschutz wollte damals offenbar Problembewußtsein zeigen und nicht gezwungen reagieren, bis Deutschland von der EU zum Handeln gezwungen wird. Es hat eine eigene Webseite dazu eingerichtet: https://neobiota.bfn.de.
Das EU-Gesetz ist aber höherrangig, und wenn es mit den vorherigen bundesdeutschen Einstufungen kollidiert, hat es Vorrang. Die alten deutschen Einstufungen sind auffallend zurückhaltend, und nicht sehr problembewußt. Auf mich wirken sie mit heißer Nadel gestrickt, vermutlich aus oben genanntem Grund. Außerdem wußte man im Bundesamt, daß Alles sowieso Makulatur wird, wenn die EU das neue Gesetz erläßt. Auch die EU hat Alles ins Internet gestellt: http://ec.europa.eu/environment/nature/invasivealien/index_en.htm

Michael Mettler: Ihre Frage kann derzeit wohl Niemand beantworten. Das neue Gesetz wirft zahlreiche Fragen auf, die erst mit der Zeit in der Rechtspraxis geklärt werden müssen. Daher sind auch alle Wehklagen wegen Haltungsverboten verfrüht. Ich selbst habe immer noch die Vermutung, daß die Haltungsverbote zumindest für anerkannte EAZA-Zoos dann doch nicht unbedingt gelten müssen, wenn die Tiere sterilisiert und ausbruchssicher untergebracht werden, Aber ob diese Vermutung zutrifft, muß sich zeigen. Bisher herrschte ja fast kein Problembewußtsein bei uns dafür. Während man als Flugtourist vor Ankunft in Australien sogar schriftlich erklären muß, daß man keine lebenden Forellen im Gepäck hat und sämtliche Pflanzenmaterial am Zoll abgeben muß, war bei uns trotz massiver Schäden durch Invasive gar keine Vorkehrung. Die Ibisse in Frankreich entwichen z.B. durchweg aus Vogelparks, wo sie völlig freifliegend gehalten wurden. Das ist wegen des raschen Vermehrungspotentials dieser Vögel ja nun wirklich nicht sein.


(31.07.2016, 22:34)
Michael Mettler:   Was wird in Zukunft eigentlich passieren, wenn - was ja offenbar nicht gerade selten vorkommt - verwaiste Waschbärjungtiere aufgegriffen werden, die bisher in Wildtierauffangstationen oder (als unter das Jagdrecht fallende Art) auch in von Forstämtern geführten Wildparks zur weiteren Aufzucht landeten? Steht dann der Individualtierschutz über der EU-Regelung oder muss er sich ihr fügen? Eine als invasiv festgelegte Art kann ja schlecht nach Aufzucht wieder ausgewildert werden, also müssten diese Waschbären nach der Aufzucht irgendwo untergebracht werden, wo eine Ausnahmegenehmigung vorhanden ist; aber auch dafür dürften ja die Ressourcen begrenzt sein (vielleicht in Zukunft noch begrenzter?). Bliebe dann nur noch der Weg sofortiger Ausmerzung der Fundtiere als Schädlingsbekämpfungsmaßnahme?
(31.07.2016, 22:04)
Tim Meschke:   Habe die Antwort gerade selbst gefunden:

http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2015/573889/EPRS_BRI(2015)573889_EN.pdf

In diesem Pdf von der EU auf Seite 3 steht, das Warnliste bedeutet, dass der genaue Weg der Einführung/Aussetzung indentifiziert werden soll und in Notfällen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Aktionsliste umfasst Überwachungssysteme, offizielle Kontrollen und Ausrottung im frühen Stadium. Managementliste heißt, dass die Tierart vor weiterer Ausbreitung abgehalten werden soll z.B. durch Tötung und andere Kontroll- und Eindämmungsmaßnahmen. Mitgliedstaaten können sich jedoch von der Kommission Sondergenehmigungen für bestimmte Arten ausstellen lassen. Wenn Nasenbär, Streifenhörnchen und Wollhandkrabbe keine Einstufung besitzen, könnte es bedeuten, dass sie in Deutschland weiterhin ohne Konsequenzen gehalten werden dürften.
(31.07.2016, 19:55)
Tim Meschke:   @Hystrix: In diesem Link:
https://www.nabu.de/news/2016/07/20961.html
von der Nabu steht hinter jeder Tierart eine Einstufung für Deutschland. Was bedeutet das denn jetzt im genauen?
z.B. bei Nasenbär, Burunduk und Wollhandkrabbe steht keine, bei Muntjak und Grauhörnchen Warnliste, bei Heiliger Ibis und Ruderente Aktionsliste und bei Schmuckschildkröte, Nutria und Waschbär Managementliste.
(31.07.2016, 19:25)
Hystrix:   Die neue EU-Regelung zur Kontrolle invasiver Arten samt deren Haltungsverbot in Zoos schlägt unter Zoofreunden Wellen. Heftige oder gar vernichtende Opposition gegen das neue Gesetz ist oft von Kenntnislücken geprägt. Daher ein wenig Hintergrund:

1. Invasive Arten wurden von der Convention on Biological Diversity, die von fast allen Weltstaaten unterzeichnet wurde, neben direkter Verfolgung und Lebensraumzerstörung als dritter Hauptpfeiler des Artensterbens benannt. Auf Inseln und in Klimazonen mit kleinräumigen Endemiten ist es sogar das Hauptrisiko fürs Artensterben. Entsprechend verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten der Konvention, bis 2020 Gesetze und Maßnahmen gegen Invasive zu beschließen.

2. In Europa macht es wegen der Kleinheit aller Staaten in Bezug auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Invasiven nur Sinn, eine zumindest EU-weite Regelung zu treffen. Der Europarat bemüht sich aber, die Kernelemente des neuen Gesetzes auch auf die Nicht-EU-Europäer zu übertragen. Nationale Alleingänge wären sinnlos.

3. Die EU wurde wegen schleppender Umsetzung dieser Gesetzgebungspflicht von vielen Naturschützern und Wissenschaftlern lange Zeit geprügelt. Es ist also falsch, daß sich die EU dieses Gesetz aus Regelungswut selbst ausgedacht hätte. Sie folgt spät und langsam einer nicht mehr abzuwehrenden Handlungspflicht.

4. Zoos sind nicht die Hauptsünder der Arteneinschleppung, aber es sind große Sünder. Das weitgehende Überwuchern der Weich- und Hartböden im westlichen Mittelmeer mit der invasiven Giftalge Caulerpa beruht ausschließlich auf Entweichern aus Zooaquarien. Eine Kontrolle dieser Alge im Meer ist fast nicht möglich und erfordert riesigen Aufwand. Auch die Schwarzkopfruderente, für deren Ausrottungskampagne in GB, Frankreich und Spanien Millionen Euro investiert wurden, geht allein auf das Konto von Zoos. Ihre Zurückdrängung wurde nötig, weil sie sonst die gefährdete Weißkopfruderente in Spanien weghybridisiert hätte. Auch der explodierende Bestand des Heiligen Ibis in Frankreich entstammte nur Zoos. Sogar der Waschbär geht nicht gänzlich auf die vielzitierte Aussetzung am hessischen Edersee zurück, sondern flüchtete genetischen Analysen zufolge mehrfach unabhängig voneinander. Die Beweislage ist schwierig, aber Wildparks werden beigetragen haben. Auch an weiteren "schlimmen" Fällen sind Zoos allein ursächlich oder wenigstens beteiligt gewesen.

5. Die viel kritisierte Verbotslistung des Nasenbären erfolgte nach Ausreißen dieses allesfressenden Räubers in Mallorca. Die enorme Schwierigkeit, die Art dort durch Einfangen loszuwerden erfordert Vermeidung weiterer Gehegeflucht. Die von eingeschleppten Mungos schon völlig von allen Reptilien entleerten Inseln in der kroatischen Adria dienen als abschreckendes Beispiel. Das soll sich nicht wiederholen.

6. Bisher sind erst 37 Arten von der EU gelistet. Darunter ist überhaupt keine einzige Art von zentraler Bedeutung als Schautier im Zoo. Wissenschaftler fordern die Listung von erheblich mehr Arten. Von den geschätzten 10000 in Europa eingeschleppten Arten dürften etwa 10% das Kriterium für invasiv erfüllen, also ökonomische oder ökologische Schäden anrichten. Experten der Naturschutzszene fordern 100-200 Artlistungen. Die EU wollte zunächst eine Obergrenze von 50 gelisteten Arten, steckte dafür aber so viele Prügel aus dem Naturschutz ein, daß sie jetzt keine Obergrenze mehr vertritt. Weitere Artlistungen erfolgen vielmehr in regelmäßigen Updates. Die Updates erfolgen wie bereits die erste Listung durch Kooperation der Fachbehörden aller Mitgliedsstaaten nach einem geregelten Verfahren. Eine Art wird gelistet, wenn in einem genau definierten ?Risk Assessment? klar wird, daß sie Schäden von europaweiter Bedeutung verursacht. Dieses Verfahren ist zeitintensiv, gerade bei schon etablierten weit verbreiteten Arten oder solchen, deren Listung mit wirtschaftlichen Interessen kollidiert. Daher sind derzeit bevorzugt Arten bereits gelistet, die einfach zu beurteilen oder politisch weniger umstritten sind, während manche ökologisch Bedenklichere noch im Verfahren stecken. Nur dadurch wirkt die Liste derzeit so, als gebe man sich bevorzugt mit "Nebenkriegsschauplätzen" ab. Derzeit sind etwa 20 weitere Arten für baldige Listung in der Diskussion. In Zoos gehalten werden davon Nilgans, Sikahirsch, Marderhund. Allerdings ist sogar der Bison in anfänglicher Diskussion. Über die erste Listenerweiterung wird erst später entschieden.

7. Die gelisteten Arten müssen nicht zwangsläufig in Zoos auslaufen. Zu Forschungs- und Naturschutzzwecken sind Ausnahmen vom Haltungsverbot möglich, für eine reine Tierschau wohl eher nicht. So ist zu hoffen, daß die EEPs für bedrohte Unterarten des Sikahirsches weiterlaufen, auch wenn der Sika als invasiv gelistet wird. Andererseits ist schwer einzusehen, daß Zoo-Sikas weiterhin von Jägern ausgewildert werden, nachdem das Rotwild auf Irland bereits fast ganz und in Schottland und in Teilen Osteuropas teilweise von invasiven Sikas weghybridisiert wurde. Man stelle sich vor: Rotwild verschwindet als reine Art, nur damit man Sikahirsche auch in Europa totschießen oder im Zoo fotografieren kann.

8. Natürlich verschwindet der Waschbär nicht aus der europäischen Natur, nur wenn Zoos keine mehr halten, oder nur noch sterilisierte. Das Haltungsverbot ist aber als unterstützend für ein ganzes Maßnahmenbündel zu sehen, denn für alle gelisteten Arten müssen die EU-Staaten binnen 18 Monaten ein Managementkonzept zur Bestandskontrolle erstellen. Etablierte und weit verbreitete Invasive müssen nicht zwangsläufig ganz beseitigt werden, wenn die Kosten dafür in keiner Relation zum Ertrag stehen. Es soll aber verhindert werden, daß der Waschbär sich in sensible Biotope ausweitet, etwa auf Inseln oder in andere ökologisch sensible Regionen.

(30.07.2016, 15:25)

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