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Zoo-Vokabular



Michael Mettler:   Zur Definition von Volieren siehe auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Voliere

So weit ich mich erinnere, nannten Hediger und Grzimek ihre begehbaren Tropenhallen in Zürich (angeblich die erste in Europa) und Frankfurt ganz schlicht "Flugraum" - ohne "Frei-". Und aus altem Schrifttum ist mir auch der Gebrauch des Wortes "Freikäfig" (statt "Außenkäfig") z.B. für Affen im Hinterkopf, der nichts über die Größe und damit Bewegungsfreiheit der Bewohner aussagt, sondern nur den Unterschied zum Innenkäfig, auf den viele Tropentiere in den Anfangszeiten der Zoos beschränkt blieben. Und dann gäbe es da noch den "Freisitz" für Papageien (wird m.W. im Heimtier-Zubehörhandel noch heute so genannt).
(25.06.2008, 11:53)
IP66:   Ich könnte mir sogar einen ähnlichen etymologischen Hintergrund der Begriffe Freiflughalle und Voliere vorstellen, letzterer Begriff als Gegenwort zum Vogelbauer. Ich denke allerdings, daß, da auch schon der Begriff Freiflugraum sehr früh auftritt und dort viele der "Freisicht"-Charakteritika deutlicher ablesbar sind als in den entsprechenden Freilandkäfigen, der Begriff seinen ursprünglichen Sinn sehr früh verloren hat. Der zoologische Garten an sich definiert sich als Freiluftveranstaltung. Interessant wäre die Frage, wo der frühste Beleg für die Verwendung des Wortes Freianlage auftaucht - ob erst bei Hagenbeck oder womöglich noch später.
(25.06.2008, 10:25)
Michael Mettler:   Die Silbe "Frei-" könnte bei vielen Anlagen durchaus auch noch einen anderen inhaltlichen Hintergrund haben, nämlich statt Bewegungsfreiheit oder freier Sicht schlichtweg den Standort "im Freien" meinen (die "Freiflughalle" in Walsrode bezeichnet immerhin eine begehbare Voliere unter "freiem Himmel"). Ich erinnere nur an die Bezeichnung "Freibad" für ein Schwimmbecken außerhalb eines Gebäudes.

Man findet aber auch anderen inhaltlichen Unsinn beim Vokabular der Vogelhaltung. "Flugvoliere" ist z.B. doppelt gemoppelt, da sich "Voliere" ohnehin vom französischen Wort für fliegen ableitet. Und genau deshalb ist auch z.B. eine "Kiwi-Voliere" vom Sinn her geradezu hanebüchen...
(24.06.2008, 22:16)
IP66:   Vielleicht hat sich die Begriffsbildung im Fall der Freiflugräume an jener der Freianlagen orientiert, die ja bis heute eigentlich immer Freisichtanlagen vorstellen und nicht bedeuten, daß die Tiere völlig frei im jeweiligen Zoo herumlaufen. Anscheinend war, zumindest in der Nachkriegszeit, die Tatsache der Begehbarkeit der Käfige durch den Besucher viel weniger wichtig als die Möglichkeit, die Vögel ohne Abgrenzung beobachten zu können. Dem entspricht die Konzeption früher Freiflugräume, die, wie heute noch in Frankfurt zu erleben, Besucher- und Vogelbereich wahrnehmbar trennten.
(24.06.2008, 10:34)
Anti-Erdmännchen:   @ Oliver Jahn
Obwohl ich dazu neige, mir über vieles den Kopf zu zerbrechen, bin ich tatsächlich noch nicht darauf gekommen, daß mit dem Begriff dieser bestimmte Anlagentypus gemeint ist. Liegt wahrscheinlich daran, daß ich ihn selbst jetzt mit der Kenntnis trotzdem für sehr unpassend halte. "Begehbare Voliere" ist da doch eine erhebliche genauere Bezeichnung.
(24.06.2008, 00:06)
Michael Mettler:   Als "Freiflug" gilt es ja auch schon, wenn man seinen Wellensittich im Wohnzimmer Runden drehen lässt... Und zweitens gibt es sehr wohl das Gegenteil von Freiflug unter Zoobedingungen, weshalb der Begriff gar nicht so irreführend ist: Etliche Vögel stehen und schwimmen bekanntlich kupiert oder gestutzt auf Wiesen- und Teichanlagen herum.
(22.06.2008, 23:38)
Oliver Jahn:   @Anti-Erdmännchen, das sehe ich nun ganz anders. Die Freiflughalle weist den Besucher eigentlich nur darauf hin, dass er die Vögel in diesen Hallen nicht hinter Gitter oder Glas erlebt, sondern dass sie frei im Raum fliegen und er sie somit ohne Trennung sehen kann. Und genau so verstehen die Mehrzahl der Besucher auch den Begriff.
(22.06.2008, 22:54)
Shensi-Takin:   Meines Erachtens scheinen eher Formulierungen wie "Arten rausschmeißen" und "hochedler Tierbestand" nach hinten loszugehen...;)
(22.06.2008, 22:29)
Anti-Erdmännchen:   "Freiflughalle" ist für mich übrigens auch so ein typischer Begriff, der eher nach hinten losgeht. Erstens schwingt dabei die Aussage mit, daß die Flugmöglichkeiten in den anderen Volieren also beengt sind. Und zweitens muß es nicht hervorgehoben werden, daß man den Vögeln einen freien Flug gewährt, weil dies für sie einfach der Normalzustand ist.
(22.06.2008, 21:39)
Michael Mettler:   Zu Superlativen greifen nicht nur die Zoos selbst, sondern auch ihre Fördervereine: Im Magazin des Zoo-Vereins Wuppertal "Pinguinal" gilt z.B. die neue Anlage für Löwen als "größtes Löwengehege, das jemals in einem deutschen Zoo gebaut wurde". Da möchte ich glatt behaupten, dass die Löwengehege in Stukenbrock und Hodenhagen größer sind, und beide Einrichtungen dürfen sich seit geraumer Zeit ebenfalls mit dem Prädikat "Zoo" schmücken... "Selbstverständlich" wird auch das aktuelle Bauprojekt laut Zeitschrift dereinst "Europas schönste Königspinguinanlage" sein. Auch die Formulierungen "die einzigen/ersten in Nordrhein-Westfalen" tauchen gleich mehrfach in den beiden Ausgaben auf. Auf Bundesländer-Ebene dürfte allerdings Berlin in Sachen zoologischer Einzigartigkeiten den Vogel abschießen :-)
(26.05.2008, 19:12)
Michael Mettler:   An der hannoverschen Wüstenanlage war nach Presseveröffentlichung des Somali-Wildeselfohlens bei meinem letzten Besuch deutlich mehr los als sonst; das ist auch keine typische Publikumsart. Aber ich fürchte, das wird mit abnehmender Niedlichkeit des Junghengstes auch wieder abflauen - falls die Esel nicht rechtzeitig durch irgendeinen Umstand Kultstatus erlangen.

Aber zurück zum Vokabular: Neben "großzügig" findet man bei Neuanlagen vom Einzelgehege bis zum Schauhaus, Parkteil oder ganzen Zoo gern die Formulierung "einzigartig". Ein ebenso wirkungsvoller wie inhaltlich hohler Begriff, schließlich gibt es gemeinhin keine Zoo-Anlagen "von der Stange" (außer gewissen Katzenkäfigen zu DDR-Zeiten...), so dass jeder Neubau ohnehin ein Unikat ist.
(20.05.2008, 22:40)
IP66:   Sie beide erläutern die Situation sehr plausibel. Ein kleines Gegenbeispiel kann ich aber auch nennen, auch wenn es schon ein wenig älter ist und vielleicht auf ein verändertes Publikumsverhalten schließen läßt: In den späten 70er Jahren gab es in der auch damals nur bedingt bedeutenden kölner Lokalpresse eine wöchentlich erscheinende Spalte, die "der Zoo der tausend Tiere" hieß und die augrund der Periodizität der Artikel auch unbekannte und unpopuläre Arten vvorstellen mußte, was tatsächlich dazu führte, daß die Besucher nach diesen Tieren suchten. Etwas ähnliches habe ich jüngst beim Marabunachwuchs in Köln erlebt, als eine ältere Dame mutif die Balken vor dem Winterquartier der Flamingos bestieg, um die dort ausgestellten Nachwuchsmarabus zu bewunder: "Die waren im Fernsehen, deshalb muß man sich die doch ansehen!" war die begleitende Bemerkung - vielleicht ja doch eine Art Mutmacher zum Verlassen der Eiertanz-Situation?
(20.05.2008, 18:18)
Michael Mettler:   Das von Sacha geschilderte Leseverhalten kann man m.E. 1:1 von der Pressemeldung auf das Gehegeschild bzw. die Schautafel im Zoo übertragen...
(20.05.2008, 15:15)
Sacha:   @IP66: Ich erlaube mir mal als Pressevertreter die Fragen zu beantworten (obwohl MM das schon relativ gut rübergebracht hat):

Beides trifft zu. Einerseits vermieden Zoos in ihren Presseveranstaltungen unpopuläre Tiere. So waren in den letzten 10 Jahren bei uns in Zürich Orang-Utan, Elefant, Pinguin, Weissstorch, Tiger, Hauskamel und Riesenschildkröte (Betonung liegt auf RIESEN) Dauerthemen, während Neukaledonischer Riesengecko, Nacktkehl-Glockenvogel, Kappenblaurabe und Flachland-Viscacha sowie Kleinkantschil (inzwischen nicht mehr im Bestand) nach meiner Erinnerung nie erwähnt wurden.

Handkerum muss auch erwähnt werden, dass sich der Presseaufmarsch sehr in Grenzen hält, wenn es sich z.B. mal um Arabische Oryx oder Schuhschnabel dreht (Wobei die als Thema auch schon länger zurückliegen).

Ein WIR-Gefühl konnte ich bei unseren Lesern dagegen noch nicht feststellen (obwohl es auch in Zürich einige Raritäten hat. Einzig die Masoalahalle als Anlage könnte man hier als Beispiel nennen.

Bezüglich Leseverhalten: Unsere Erfahrungen sind unterschiedlich. Wer ohnehin mit Tieren etwas anfangen kann, der liest auch gerne etwas über ihm wenig bekannte Arten. Allerdings kann man eine gewisse Uebersättigung feststellen, wenn es in Richtung "vom Aussterben bedroht", "Lebensraumzerstörung" usw. geht (So nebenbei: Das trifft ja leider inzwischen auf einen Grossteil der Tiere zu). Und natürlich werden vom Durchschnittsleser nicht (nur) trockene Fakten, sondern auch etwas Unterhaltung und der "Jöh, wie süss"-Effekt (etwa mit einem wie von MM erwähnten passenden Foto) erwartet.

Es ist ein wenig wie die Geschichte mit dem Huhn und dem Ei. Und demzufolge manchmal auch ein Eiertanz...:)
(20.05.2008, 12:30)
Michael Mettler:   @IP66: Siehe die aktuelle Pressemitteilung im Thread "Zoo Wuppertal" über Takin- und Steinbocknachwuchs. Beides zwar in gewissen Sinne Raritäten, aber ich möchte bezweifeln, dass die Meldung ein breites Medien-Echo findet... Insofern filtern die Medien durchaus in Richtung "Publikumsarten", während zumindest manche Zoos eine große Bandbreite ihres Sortimentes werblich zu nutzen versuchen. Letztlich spielt bei der Auswahl der Meldungen sicher auch eine Rolle, ob ein ungewöhnliches (z.B. besonders niedliches oder "actiongeladenes") Foto mitgeliefert wird.

Wieder mal komme ich nicht umhin, ein hannoversches Beispiel zu nennen, da ich nun mal die hiesige Lokalpresse tagtäglich vor Augen habe: Wombats sind hier vor allem dadurch zu Publikumslieblingen geworden, weil die Presse deren Besonderheit (Zoo-Seltenheit!) in den Vordergrund gestellt und geschickt mit Lokalpatriotismus verknüpft hat - "wir in Hannover" haben demnach eben etwas, was nicht viele Zoos habe. Und "unsere" Tapire gehörten zwar einer häufigen Art an, aber "wir" hatten das wohl einzige durch Mund-zu-Rüssel-Beatmung am Leben erhaltene Jungtier, das die Tierart in "unserem" Zoo in der Beliebtheitsskala nach oben katapultierte. Beide Arten wurden durch die Presse von gewöhnlichen Zoobesuchern zu "hannoverschen Prominenten", zum personifizierten Wir-Gefühl der Hannoveraner. Und zeigten damit auch, dass eine Redaktion, die sich nicht nur auf Selbstläufer wie Eisbär- und Elefantenbabys verlässt, mit der richtigen Story auch Arten aus dem "Beiprogramm" eines Zoobesuches öffentlichkeitswirksam darstellen kann - auch Rarissima. (Was natürlich zugegebenermaßen mit Jungtieren am besten funktioniert.)
(20.05.2008, 11:24)
IP66:   Bezüglich der Raritäten und deren Öffentlichkeitswirkung stelle ich mir folgende Frage: Vermeiden tatsächlich die Zoos eine entsprechende Werbung für ihre Rarissima oder verbreiten Presse, Funk und Fernsehen solche Meldung nicht? Und gleich im Anschluß: Stimmt es, daß der Besucher dergleichen nicht lesen, hören oder sehen möchte, oder gehen Zoos und Medien nur davon aus?
(20.05.2008, 10:51)
Michael Mettler:   @IP66: Zumindest bislang hat Hannover seine Karibus nur einmal über die Presse veröffentlicht und dabei auch nicht als große Sensation vermarktet; am Gehege findet sich ebenfalls kein sensationsheischender Hinweis. Auch mit anderen Besonderheiten im Tierbestand - ich denke da an die Kaamas und Sahara-Dorkasgazellen - wird nicht sonderlich getrommelt. Mit derlei Meldungen beschränkt man sich hier vorwiegend auf publikumswirksamere Arten.
(19.05.2008, 22:02)
Oliver Jahn:   Auch ich sehe daran nichts moralisch zweifelhaftes, denn die Realität spricht ja hier doch eine deutlich andere Sprache, als die Vermutungen, der Zoo könnte nur deshalb, um seine Rarität allein zu behalten, diese nicht züchten. Der Tierpark Berlin war lange Zeit der einizige Zoo, der die überaus seltenen Takine zeigte, und heute findet man aus genau dieser Berliner Zucht etliche Tiere in etlichen Zoos, so dass man heute beim Takin nicht zwingen mehr von "selten" bezogen auf selten gehalten spricht. Wenn ich hier mal wieder in den Thread "Von häufig auf selten und umgekehrt" schaue, dann finden sich da noch mehr Beispiele.
(19.05.2008, 20:47)
IP66:   Dennoch finde ich es auffällig, daß die vielen Hinweise auf die Tatsache, daß eine Art allein im jeweiligen Zoo zu sehen sei oder dort zum ersten Mal im Land gezüchtet wurde, gegenüber den 70er oder 80er Jahren rückläufig sind. Interessant könnte sein, ob Hannover seine Wildrentiere als entsprechende Sensation vermarktet oder eher auf die Gestaltung seines neuen Parkteils setzt. Die Suche nach Alleinstellungsmerkmalen der Parks dürfte eine Konstante bleiben, ob es nun um Artenreichtum wie in Berlin, ein sehr spezifisches Verständnis von Naturnähe wie in Gelsenkirchen oder um die Präsenz in den Massenmedien geht.
(19.05.2008, 18:09)
Michael Mettler:   @Sacha: Gleichzeitig gepostet :-)
(19.05.2008, 17:21)
Michael Mettler:   Ich finde, den Begriff "selten" muss man inhaltlich noch differenzieren: Selten im Sinne der Bestandszahl oder im Sinne von "selten in Zoos gehalten/gezeigt". Dies beides wird sowohl in der Außendarstellung der Zoos als auch in unseren Fan-Diskussionen vermengt, obwohl es sich bei vielen Tierarten um zwei Paar Stiefel handelt. Ein Schwertwal, Kurzschnabeligel oder Dschelada ist nur im Zoo eine Seltenheit, in der Natur hingegen (nach Individuenzahl gerechnet) nicht. Beim Amurtiger oder der Säbelantilope ist die Relation genau umgekehrt, und z.B. das Fingertier ist in jeglicher Definition selten.

Was daran moralisch zweifelhaft sein soll, Tiere als selten zu bezeichnen, erschließt sich mir allerdings auch bei unterschiedlichen Definitionen nicht. Wenn die Zoos tatsächlich wie unterstellt ein Interesse daran hätten, dass ihre Raritäten auch selten BLEIBEN, dann könnten sie sich im einfachsten Fall darauf beschränken, diese nur als Einzeltiere zu halten (wie in längst vergangenen Zeiten: "eines der Letzten seiner Art") oder aber wenigstens die Nachzucht zu verhindern, denn dann stünden sie erst gar nicht vor dem "Problem", überzählige Tiere an andere Haltungen abgeben oder auswildern zu "müssen". Da zeigt doch aber ein Blick auf die Zoobestände, dass Einzelhaltung gerade bei "Seltenheiten" eher die Ausnahme ist (und sich selbst dann noch häufig auf auslaufende Restbestände bezieht) und Zuchtverhinderung gerade bei solchen Tierarten betrieben wird, die ohnehin schon weit in Zoos verbreitet sind.
(19.05.2008, 13:23)
Sacha:   @Anti-Erdmännchen: Sofern der Begriff für "seltene Tiere" und nicht "selten gezeigt steht" (was ja nicht zwingend gleichbedeutend sein muss). Ohne jetzt nachgeschaut zu haben glaube ich, dass Letzteres mindestens ebenso oft in den Zoopublikationen der Fall ist.
(19.05.2008, 13:20)
Anti-Erdmännchen:   Danke für Eure Meinungen. Wie ich sehe, schließt Ihr Euch meiner Interpretation der Floskel nicht an.
Mal sehen, was Ihr zu dem Kampfbegriff „selten“ meint. Oftmals wird mit ihm ja hausiert im Sinne von „bei uns sehen Sie Silberfasane, Königsfasane und die seltenen Swinhoe-Fasane“. Dem potentiellen Besucher soll damit signalisiert werden, dass er kaum irgendwo sonst die Gelegenheit hat, dieses Tier zu sehen. Der entsprechende Tiergarten gibt also vor, besonders renommiert zu sein, wenn er in der Lage ist, diese Art zu beschaffen und zu pflegen.
Hier wird also mit einem negativen Umstand (Seltenheit) Positiv-Werbung gemacht. Wenn man sich überlegt, welche Motivation dahinter steckt, könnte man zu folgender Überlegung kommen: Der Tiergarten dürfte nicht daran interessiert sein, dass sich an der ungünstigen Bestandssituation der Art etwas ändert, weil ihm dadurch nämlich ein Werbeträger abhanden käme. Es wäre also schädlich, wenn die Art sich gut vermehren würde, denn dann müsste man überzählige Tiere an andere Einrichtungen abgeben oder sie gar auswildern. Und dann hätte man keine „seltenen“ Tiere mehr.
Selbstverständlich sollte ein Tiergarten über die Bestandssituation der gehaltenen Arten Auskunft geben, aber als Werbemittel halte ich den Begriff „selten“ für moralisch zweifelhaft.

(19.05.2008, 12:22)
Michael Mettler:   Zum Vokabular: Für das Eröffnungsjahr des Friedrichsfelder Hauses verwendet der Jahresbericht 1989 die Formulierung "das Dickhäuterhaus mit seinen großzügigen Freigehegen"....

Im direkten Vergleich ist der Dickhäuterbereich im Tierpark Berlin nicht mal kleiner als der Kölner Elefantenpark, auch wenn er nicht auf eine Tierart beschränkt ist. Laut Artikel im "Zoologischen Garten" hat das Haus eine Fläche von 6.000 qm (also 0,6 ha), der Wirtschaftshof des Hauses ist 1.500 qm (0,15 ha) groß und die Freianlagen messen zusammen etwas mehr als 11.000 qm (1,1 ha). Macht zusammen etwas über 1,85 ha. Rechnet man die im Kontext mit den Anlagen stehenden Besucherwege und Pflanzungen hinzu, wie das Köln auch macht, wird die dortige Fläche vielleicht sogar getoppt - ist also sogar "sehr großzügig" :-)
(17.05.2008, 14:28)
IP66:   Ich denke, daß das friedrichsfelder Gebbäude für Nogge so etwas bedeutete wie die unbedingt zu übertreffende Konkurrenz. Das Elefantenhaus im berliner Zoo dagegen scheint mir zum Zeitpunkt der kölner Planungen keine große Rolle mehr gespielt zu haben, wie es überhaupt, wohl seiner Dimension wegen, kaum Vorbildcharakter für andere Haltungen gehabt hat - wenn man wiederum von Friedrichsfelde und er Systemkonkurrenz absieht.
(17.05.2008, 10:38)
Ralf Sommerlad:   Na ja....Berlin halt, da zählen halt nur Maximalangaben...
(16.05.2008, 23:46)
Michael Mettler:   @IP66: Mit diesem Titel schmückte sich allerdings schon Jahrzehnte zuvor der Berliner Zoo, und m.W. soll das Dickhäuterhaus im Tierpark Berlin ursprünglich mit ähnlichen Hintergedanken für je 1,10 Exemplare beider Elefantenarten gedacht gewesen sein (Wurde diese Anlage seinerzeit nicht auch als "großzügig" geschildert?).
(16.05.2008, 19:21)
IP66:   Gerade Gelsenkirchen ist allerdings ein Beispiel dafür, daß die Großzügigkeit schon einen Zentimeter jenseits der Besucherperspektive verschwindet - man betrachte die Nashornställe oder die Absperrmöglichkeiten im Löwengehege. Ein Kontinuum scheint mir zu sein, daß so gut wie jedes Gehege als neu und möglichst anders als sein Vorgänger gepriesen wird. In Köln knüpfte man jenseits der Prozentzahlen auch noch an amerikanische Zirkusse der Zwischenkriegszeit an - es wollte nämlich die "größte Elefantenherde in Europa" gezeigt werden.
(16.05.2008, 18:11)
th.oma.s:   zoogehege werden für menschen gebaut, also
variante II...
(16.05.2008, 18:11)
Michael Mettler:   @Sacha: ... von denen man die Elefanten bei den dort herrschenden Distanzen nur aufgrund ihrer Beweglichkeit unterscheiden kann :-) Im Ernst, da wären wir bei einem Kernproblem moderner Gehegegestaltung: Naturillusion frisst Platz. Dass heutige Gehege "großzügiger" sein müssen, liegt ja auch zu einem Teil daran, dass die rein funktionale Strukturierung verpönt ist. Wo heute meterdicke Kunstfelsklippen als Gehegegrenze und Kulisse stehen, hätte man früher einfach eine relativ grazile und wenig Fläche beanspruchende, schlicht-geometrische Betonmauer gegossen; wo heute breite Berberitzengebüsche in Okapi- oder Gorilla-Anlagen als Sichtschutz dienen, hätte es früher auch eine schlichte Holzpalisade getan. Addiert man den Flächenverbrauch solcher Naturillusionsobjekte auf, relativiert sich so mancher Geländezuwachs für die Gehegebewohner bzw. um das auszugleichen, muss die Gehegefläche dementsprechend NOCH größer sein.

Den Effekt kennen Gartenbesitzer aus dem eigenen Umfeld: Ein Sichtschutzzaun zum Nachbargrundstück oder Gehweg hin ist nur ein paar Zentimeter dick, eine Formschnitthecke mindestens einen halben Meter, und möchte man wegen der Naturillusion eine frei wachsende Sichtschutzhecke, kann man sich von sonstiger Nutzung eines zwei bis drei Meter breiten Randstreifens schon mal verabschieden. Mach das mal in einem Reihenhausgärtchen, da bliebe dann nur noch ein Dschungelpfad in der Grundstücksmitte übrig... Geht also auch nur bei einem "großzügigen" Gelände.

Damit stellt sich die interessante Frage, in welcher Reihenfolge die Planung eines Zoogeheges eigentlich abläuft. Wird zuerst die Gesamtfläche festgelegt und dann geschaut, wieviel Struktur hineinpasst, oder ergänzt man die vorher bekannten Pflicht-Strukturelemente um die zur direkten Nutzung durch die Tiere notwendieg Fläche und legt danach die Gesamtfläche fest...?
(16.05.2008, 16:41)
Sacha:   @Michael Mettler: Einspruch!!! Der Grossteil der Fläche im Kölner Elefantenpark wird für die vom Aussterben bedrohten Kunstfelsen benötigt....:)
(16.05.2008, 16:11)
Michael Mettler:   In anderen Branchen hieße es im vergleichbaren Fall einfach "neu und jetzt noch besser"... (Na, dazu fällt euch doch bestimmt gleich der passende Markenname ein?)

Wenn man in der Aussage der Zoos eine werbliche Mogelei finden will, dann liegt die eigentlich eher darin, dass sich Flächenangaben gern mal auf den Gesamtkomplex beziehen und nicht auf die Fläche der eigentlichen Tiergehege. Siehe - um das genannte Beispiel aufzugreifen - der zwei Hektar große Kölner Elefantenpark, von dem ein Drittel keine Gehegefläche darstellt, sondern Besucherbereiche, Pflanzungen, Wirtschaftszufahrten usw. Die gehören natürlich alle zu diesem Park im Park dazu, aber die größere Flächenangabe suggeriert doch, dass ALLES für die Tiere nutzbar sei. Aber auch das wurde schon vor Jahrzehnten so gehandhabt - siehe Grzimeks Raubtierhaus.
(16.05.2008, 13:22)
Shensi-Takin:   "Großzügig" ist doch als anpreisender Euphemismus bei weitem nicht auf Zootiergehege beschränkt. Manch ein "großzügiges Apartment" entpuppt sich in der Wirklichkeit als nicht artgerechte Besenkammer mit schlimmeren Platzverhältnissen als in Tierkäfige aus der Zeit der Menagerien...
Die Vorher-Nachher-Deutung wie auch die Werbewirksamkeit scheint mir die schlüssigste Erklärung für die ursächlich aufgeworfene Frage zu sein.
(16.05.2008, 11:46)
Jennifer Weilguni:   @Oliver Jahn
Köln ??? Köln ist nicht großzügig.. eher größenwahnsinnig :-)))))))))
(16.05.2008, 11:19)
Jennifer Weilguni:   Also ich würde das Wörtchen "großzügig" auch nicht zu sehr auf die Goldwaage legen. Immerhin ist und bleibt jeder Zoo auch immer ein Stück weit Unternehmen und als solches muss es natürlich auch hier und da ein bisschen die Werbetrommel rühren und dazu gehört eben auch seine "Produkte" (in diesem Fall neue Anlagen) in ein positives Licht zu rücken. Natürlich sollte jede Form von Haltung in menschlicher Obhut so artgerecht und damit auch so "großzügig" wie möglich sein, aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass es Tieren in anders betitelten Gehegen deswegen schlechter geht.
(16.05.2008, 11:17)
IP66:   Ich denke, daß der Begriff "großzügig" eine Reaktion auf die Zookritik der 80er Jahre bedeutet und zu jenen Vokabeln zählt, die wie "Arche Noah", "Botschafter" oder "naturnah" gegen alte, enge und vor allem vergitterte Anlagen ins Feld geführt wird. Man wollte mit dem alten, kritisierten Zoo möglichst wenig zu tun haben und entwickelte eine neue Idee, die Zoozwecke ähnlich neu zu erfinden schien, wie man alte Wegenetze, Bauten oder auch Anlagentypen aufgab. Dabei war weniges wirklich neu - Gemeinschaftsanlagen gab es schon im ersten Jahr Stellingens, Erhaltungszuchten seit der Zwischenkriegszeit, und gitterlose Freianlagen brauchte auch niemand neu zu erfinden.
Allerdings scheinen dergleichen Revolutionsbewegungen in der Zoogeschichte wiederzukehren - mancher Nachkriegszoo strebte, die "unzeitgemäßen Grotten" und "dunklen Stilbauten" durch "helle", "zeitgemäße" und "geräumige", vor allem aber "moderne" Bauten zu ersetzen - das sind genau jene Anlagen, die in Frankfurt oder Hannover beseitigt werden. Allerdings scheint es immer so gewesen zu sein, daß keine dieser Umwälzungen von allen Zoos gleichzeitig und umfassend durchgeführt wurde, so daß wir aus jeder dieser Veränderungsepochen nur einzelne typische Anlagen wiederfinden - oder halt Zooneubauten wie den Tierpark Hagenbeck, den Allwetterzoo in Münster oder den (das?) Zoo(m) in Gelsenkirchen.
(15.05.2008, 20:39)
Oliver Jahn:   Ich würde es eher so sehen, dass die Zoos "großzügig" immer nur dann verwenden, wenn die Tiere vorher eine kleinere Anlage hatten und man nun zeigen will, dass die neue Anlage das viele Geld wert ist, weil sie eben großzügig ist. Von daher findet man den Begriff besonders häufig da, wo der Zoo den Vergleich "Damals-Heute" anstellt.
Frankfurt:
"Der gefängnisartige Rundbau wich der großzügigen Mähnenwolfpampa."
Der Zoo will also sehr deutlich machen, da wo früher 10 Tierarten auf kleinster Fläche gezeigt wurden, gibt es heute nur noch eine einzige Art. Und ich meckere, wo ist nur die Artenvielfalt des Rundbaus geblieben und all die Raritäten dort. Und der Zoo antwortet darauf in seinem Zooführer mit der großzügigen Mähnenwolfpampa. Oder im gleichen Kapitel des Zooführers:
"Die 1938 gebauten Eulenvolieren wurden durch die großzügige Eulentaiga ersetzt. "
Also auch hier der Vergleich von früher zu heute.
Und dann glaube ich auch noch, dass Zoos das Adjektiv gern nutzen, um sich vom Nachbarn abzuheben. Die Elefantenanlage in Duisburg ist größer als früher, die in Wupeprtal ist deutlich größer, aber die in Köln, die ist großzügig. Das klingt doch einfach noch ein Stück besser. Und es ist ein noch deutlicherer Unterschied, eine noch bessere Abgrenzung.
(15.05.2008, 19:44)
Anti-Erdmännchen:   Einer der meistbenutzten Begriffe, mit dem Zoos eine (neue) Anlage anpreisen, ist das Adjektiv "großzügig". Ich frage mich, was damit bezweckt werden soll.
Für mich klingt es so, als hätten wir Menschen ein naturgegebenes Recht, Tiere einzusperren, und wenn ihnen dann gönnerhaft einige Entfaltungsmöglichkeiten zugestanden werden, muß dies anscheinend besonders hervorgehoben werden. Dabei ist es doch eine absolute Selbstverständlichkeit, daß in Menschenobhut befindliche Tiere artgerecht unterzubringen sind. Das ist für sie doch nichts anderes als der Normalfall! Glaubt man denn im Ernst, die Tiere wüßten es den Tiergärtnern zu danken, daß ihnen ein "großzügiges" Gehege zur Verfügung gestellt wird?
Wo bleibt der Respekt vor dem Stolz eines wilden Tieres, das offenbar dem Wohlverhalten des Menschen ausgeliefert ist? Und was ist mit dem eigenen Anspruch der Tiergärtnerei, wenn Großzügigkeit demnach ein Ausnahmefall ist und auf die meisten anderen Anlagen wohl nicht zutrifft?
Wie sieht Eure Meinung dazu aus?

(15.05.2008, 19:11)

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